Tür 24: Ring und Südlicher Fisch

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Der “Südliche Fisch”, wie er heute heißt, war bei Eratosthenes und vielen anderen griechischen Autoren noch der “Große Fisch” – in Abgrenzung zu den mehreren kleinen Fischen neben dem Wassermann. Der Wassermann ist bekanntlich der babylonische Gott der Weisheit Ea/ Enki, der umgeben ist von Wasser und Fischen. Ea lebt im Grundwasser (also das Süßwasser der Erde) und aus seinen Schultern entspringen die zwei großen Ströme des Zweistromlandes, in denen Süßwasserfischsorten zuhause sind. Ich weiß nicht, wie da die Kausalitäten sind, aber Fische sind babylonischen ein Symbol der Weisheit. So verwundert es auch nicht, dass in der Nähe des Weisheitsgottes (Aquarius) nicht bloß kleine Fische herumflitzen, sondern auch in seinem Ausguss ein Großer Fisch schwimmt. Er fehlt auf dem Globus des Atlas Farnese, weil  dort gerade der Rücken des Titanen die Himmelskugel stützt.

“Sternring” oder “Kranz”

Ein auffälliger Asterismus, also ein Ring aus Sternen ist unter dem Schützen an den Himmel versetzt. Babylonisch war hier wohl das Sternbild Schiff, wobei man an ein rundes Flussboot dachte, wie man jüngst auch als Form der Arche Noah annimmt, aber griechisch gab es hier nur den großen Zentauren und keinen Grund, einen Kentauren auf ein Schiff zu stellen: Eratosthenes zerbricht sich ernsthaft darüber den Kopf, was denn eine solch unsinnige Darstellung solle, denn jeder wisse doch, dass Kentauren nicht Schifffahren können. Dieses Bild mag also in früher Zeit noch hin und wieder – oder zumindest in Gelehrtenkreisen – auch griechisch genutzt worden sein, war aber griechisch unverständlich.

Door 24: Ring and Southern Fish

The “Southern Fish”, as it is called today, was still the “Big Fish” in Eratosthenes and many other Greek authors – in distinction to the several small fish next to Aquarius. Aquarius is known to be the Babylonian god of wisdom Ea/Enki, who is surrounded by water and fish. Ea lives in the groundwater (i.e. the fresh water of the earth) and from his shoulders spring the two great rivers of Mesopotamia, which are home to freshwater fish. I don’t know what the causalities are, but fish are Babylonian symbols of wisdom. So it is not surprising that not only small fish swim around near the god of wisdom (Aquarius), but also that a big fish swims in his spout. It is missing from the globe of the Atlas Farnese, because there the back of the Titan supports the celestial sphere.

“Ring of Stars” or “Wreath”

A conspicuous asterism, i.e. a ring of stars, is displaced in the sky under Sagittarius. Babylonian here was probably the constellation of a ship, whereby one thought of a round river boat, as recently assumed to be the shape of Noah’s Ark, but Greek there was only the great centaur here and no reason to put a centaur on a ship: Eratosthenes seriously raises the question of what such a nonsensical representation was for, for everyone knows that centaurs cannot sail ships. So this image may still have been used in Greek from time to time – or at least in scholarly circles – but it was incomprehensible in Greek.

 

Der Schütze als zweibeiniger Satyr mit einem Kranz zu seinen Füßen: Der Kranz zu Füßen des Schützen wird in der Spätantike zur Südlichen Krone. Vorher war er dem Sternbild Schütze zugeteilt worden und kein eigenes Sternbild.

Bei den mathematischen Astronomen wie Hipparch gibt es kein eigenes Sternbild ab, wird aber stets als besonderer Asterismus genannt. Erst bei Ptolemaios erhält diese Gruppe eine eigene Abteilung im Sternkatalog und kann mithin als Sternbild verstanden werden. Irgendwann in dieser Zeit muss man sich dazu entschlossen haben, es vom Schützen (dem Chiron mit Pfeil und Bogen) abzuspalten.

In the mathematical astronomers such as Hipparchus, it does not have its own constellation, but is always mentioned as a special asterism. Only with Ptolemy does this group receive its own section in the star catalogue and can thus be understood as a constellation. At some point in this period, it must have been decided to split it off from Sagittarius (Chiron with the bow and arrow).

Babylon

Es ist nicht klar, ob diese Gruppe in Babylon ein rundes Flussboot darstellte, wie sie vllt die Vorlage für die Arche Noah bildete. Es könnte auch sein, dass es zu keinem Sternbild gehörte – aber ein Sternbild “Schiff” hat es irgendwo dort gegeben. Plausibel erscheint diese Deutung, weil Eratosthenes im -3. Jh. darüber spekuliert, ob der Schütze auf einem Schiff stehe und sich darüber wundert, dass man erstens noch nie Zentauren auf Schiffen gesehen habe und zweitens dann unklar ist, was der Schütze mit Pfeil und Bogen jagt.

Babylon

It is not clear whether this group in Babylon represented a round riverboat, as it may have been the model for Noah’s Ark. It could also be that it did not belong to any constellation – but a constellation “ship” existed somewhere there. This interpretation seems plausible because Eratosthenes speculated in the 3rd century whether the archer was standing on a ship and was surprised that, firstly, centaurs had never been seen on ships and, secondly, it was unclear what the archer was hunting with bow and arrow

China

In China ist die gebogene Sternkette der Südlichen Krone eine Flusschildkröte.

China

In China, the curved star chain of the Southern Crown is a river turtle.

Chinesisches Sternbild Flussschildkröte.

Da wir mit diesem wunderschönen Ring – oder Adventskranz – der Corona Australis unseren Reigen der 48 klassischen Sternbilder nun abgeschlossen haben, bleibt mir nur noch Ihnen ein wunderschönes Weihnachtsfest (oder was immer Sie feiern) zu wünschen!

Now that we have completed our round of 48 classic constellations with this beautiful ring – or Advent wreath – of the Corona Australis, it only remains for me to wish you a wonderful Christmas (or whatever you celebrate)!

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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