Tür 23: Rabe und Rauchaltar

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Der Rauchaltar ist ein Sternbild, das Aratos als nützlich für die Seefahrt beschreibt. Es kommt nur kurz über den Horizont, sagt er, und sei daher eine recht gute Orientierungshilfe. Gezeichnet finden wir ihn auf dem Atlas Farnese:

Door 23: Raven and Altar

The smoke altar is a constellation that Aratos describes as useful for seafaring. It only comes just above the horizon, he says, and is therefore quite a good guide. We find it drawn on the Atlas Farnese:

Rauchaltar auf dem Atlas Farnese, Umzeichnung SMH 2017.

Rabe

Den Raben haben wir ja bereits ein paar Türchen zuvor bei der Wasserschlange kennengelernt. Er pickt der Schlange in den Schwanz – und zwar schon seit ca. 3000 Jahren, also seit Beginn der Aufzeichnungen. Schon in MUL.APIN ist er mit ihr zusammen genannt.

Das Bild der babylonischen MUŠ-Schlange ist furchteinflößend, ihr Kopf auf der Abbildung von Tontafeln ähnelt einem Hundekopf und der stattliche Leib ist schuppenbedeckt und von so gewaltigem Umfang, dass ein Löwenmännchen stolz darauf schreiten kann wie auf einem roten Teppich. Eratosthenes aber erzählt eine griechische Sternsage, dass der Rabe die Wasserschlange im Schnabel davon trägt: Er packt sie in einer Quelle und fliegt sie an einen anderen Ort. Eratosthenes denkt also eher eine regenwurmartige Mini-Schlange – und der Atlas Farnese zeigt einen Mittelweg:

Raven

We already got to know the raven a few doors earlier with the water snake. He pecks the snake’s tail – and has been doing so for about 3000 years, i.e. since records began. Already in MUL.APIN he is named together with it.

The image of the Babylonian MUŠ serpent is terrifying, its head on the illustration of clay tablets resembles a dog’s head and the stately body is covered with scales and of such enormous girth that a male lion could stride proudly on it as on a red carpet. Eratosthenes, however, relates a Greek stellar legend that the raven carries the water snake away in its beak: it seizes it in a spring and flies it to another place. So Eratosthenes rather thinks a rainworm-like mini-serpent – and the Atlas Farnese shows a middle way:

Hydra mit Mischkrug und Rabe auf dem Atlas Farnese, Umzeichnung, SMH 2017.

Das Sternbild Rabe und seine babylonischen Wurzeln hatte ich bereits bei der Schlange genannt: Die beiden kommen gemeinsam von Babylon nach Griechenland und werden unter Jungfrau (babylonisch die Göttin Schala) und Löwe (babylonisch ein sphingenähnlicher Dämon) angesiedelt.

I had already mentioned the constellation Raven and its Babylonian roots with the Serpent: The two come together from Babylon to Greece and are placed under Virgo (Babylonian the goddess Shala) and Leo (Babylonian a sphinx-like demon).

Foto im Planetarium am Insulaner: meine babylonischen Sternbilder (hellblau) und die von Zeiss-Oberkochen (grün).

China

Im Reich der Mitte wird unser Rauchaltar in eine Schildkröte und einen Mörser geteilt. Der Rabe – ich hatte es bereits erwähnt – wird zu einem Wagen für landwirtschaftliche Zwecke.

China

In the Middle Kingdom, our smoke altar is divided into a turtle and a mortar. The raven – I had already mentioned it – becomes a cart for agricultural purposes.

chinesische Interpretation unseres Rauchaltars

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

    • Danke für die Ergänzung. Interessant wird die Frage, wenn man schaut, woher das Wissen in Stellarium kommt und ob z.B. die so genannte “Westliche” Sky Culture wirklich die griechische ist, die ich hier beschreibe. Die Antwort auf die zweite Frage ist Nein (die westlichen Sternbilder sind zwar recht gut orientiert am Almagest, aber sie sind nicht genau nur dieser und innerhalb der altgrch. Sternbilder-Kultur gibt es Varianten z.B. zwischen Hipparch, Ptolemaios, Eratosthenes, Aratos… d.i. in meiner Doktorarbeit nachlesbar, aber bisher in Stellarium nicht dargestellt worden). Die babylonischen Sternbilder in Stellarium sind hingegen der aktuelle Forschungsstand und wurden z.B. von der gleichen Autorin beigetragen wie dieser Sternbilder-Adventskalender. O:-)

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