Tür 22: Kentaur und Untier (Wolf)

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Der Kentaur mit dem Untier ist ein Doppelsternbild, darum löse ich mich hier kurz von der Reihenfolge der Sternbilder im Almagest, um sie gemeinsam zu besprechen. Kentauren sind typischerweise “böse” in der griechischen Mythologie, doch dieser hier ist – wieder – der weise Chiron, der ein Untier, eine Bestie, einen Wolf erlegt hat und stolz vor sich her trägt. Darum durchdringen die Sternbilder einander und gehören zusammen. Chiron ist also hiermit zweimal am Himmel: Einmal als Sternbild Zentaur und einmal als Sternbild Schütze.

Door 22: Centaur and Beast (Wolf)

The centaur with the beast is a double constellation, so I will briefly break away from the order of the constellations in the Almagest to discuss them together. Centaurs are typically “evil” in Greek mythology, but this one is – again – the wise Chiron, who has slain a beast, a beast, a wolf, and carries it proudly before him. That is why the constellations interpenetrate and belong together. So Chiron is herewith twice in the sky: once as the constellation Centaur and once as the constellation Sagittarius.

Zentaur mit Untier auf dem Atlas Farnese. Umzeichnung SMH 2017.

Tatsächlich sagt Aratos, dass die Altvorderen dieses Untier bereits so genannt hätten, aber sehr wahrscheinlich meint er (direkt oder indirekt) hier auch babylonische Altvordere. Bereits in MUL.APIN ist an dieser Himmelsgegend ein “wilder Hund” platziert, aus dem leicht in späterer Lesung ein Wolf werden konnte.

Babylonisch

Neben dem babylonischen “wilden Hund” gibt es eine Gottheit namens Numuschda auf sumerisch, von der wir keine Ahnung haben, wie sie aussieht und die Koordinaten sind leider bisher nicht genau bestimmbar. Vielleicht war diese Figur – wie auch immer sie aussah – der Vorläufer des griechischen Zentauren und erklärt damit die Dopplung dieses Fabelwesens am Himmel?

In fact, Aratos says that the ancients had already called this beast so, but very probably he also means (directly or indirectly) Babylonian ancients here. Already in MUL.APIN a “wild dog” is placed at this celestial region, which could easily become a wolf in later readings.

Babylonian

Besides the Babylonian “wild dog” there is a deity called Numushda in Sumerian, of which we have no idea what it looks like and the coordinates are unfortunately not yet precisely determinable. Perhaps this figure – whatever it looked like – was the forerunner of the Greek centaur and thus explains the doubling of this mythical creature in the sky?

Babylonische Sternbilder Numuschda und Wilder Hund(?) in Stellarium.

China

Im fernen Osten siedelte man in dieser Himmelsgegend so einiges an: ein paar kaiserliche Wachen, ein Arsenal, ein südliches Tor… das Kreuz, das Stellarium dort hinzuzeichnet, ist das Kreuz, das die christlichen Missionare mitbrachten. Es gehört zum heutigen Kanon in China, aber nicht zum ursprünglichen, der seit ~2000 Jahren relativ stabil ist.

China

In the Far East, a lot of things were settled in this region of the sky: a few imperial guards, an arsenal, a southern gate… The cross that Stellarium adds there is the cross that the Christian missionaries brought with them. It is part of today’s canon in China, but not the original one, which has been relatively stable for ~2000 years.

chinesische Sternbilderkarte (Stellarium)

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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