Tür 15: Skorpion und Schütze

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Skorpion und Schütze sind zwei Bilder, die anschaulich klar sind und auch in ihrer Bedeutung zusammengehören: Der Schütze war babylonisch nicht irgendeiner, sondern der Gott mit Namen Pabilsag. Er wird als Mischwesen dargestellt mit einem menschlichen Oberkörper, Pferdeleib, Schwanenflügeln und Skorpionschwanz. Begleitet wird diese Figur in der Kunst oft einem Skorpion und so passt es auch am Himmel ganz gut. Beide Bilder sind durch Gestaltsehen klar.

Scorpio and Sagittarius are two images that are vividly clear and also belong together in their meaning: Sagittarius was Babylonian not just anyone, but the god called Pabilsag. He is depicted as a hybrid being with a human torso, horse’s body, swan’s wings and scorpion’s tail. In art, this figure is often accompanied by a scorpion and so it fits quite well in the sky. Both images are clear through gestalt vision.

Skorpion auf Atlas Farneses Himmelskugel: Die Hand des Atlas verdeckt den oberen Teil.

Der Skorpion auf dem Atlas Farnese wird halb verdeckt durch die Hand des steinernen Titanen. Darum fehlt auch in meiner Umzeichnung der obere Teil. Eigentlich hält der Skorpion noch eine Apotheker-Waage in der Schere hoch, aber die habe ich hier leider vergessen abzumalen: Entschuldigung.

Babylonisch ist der Skorpion zwar ein Skorpion, aber er steht symbolisch auch für die Sonne. Priester in Skorpionkostümen, genauer gesagt, “Skorpionmenschen” finden sich auf Abbildungen, die diverse mesopotamische Fest begleiten. Es erinnert an den Paarungstanz von Skorpionen, die mit ihren Antennen und zahlreichen Beinchen faszinierende Tänze aufführen.

Schütze

Der babylonische Gott Pabilsang war natürlich in dieser extremen Kombination für die Griechen unverständlich und so adaptierten sie ihn in ihre Kultur unter didaktischer Reduktion auf einen Kentauren (Mischwesen halb Mensch, halb Pferd). Am Himmel sind nur drei der vier Hufe durch Sterne markiert (zumindest laut Almagest). Für Eratosthenes macht das größere Probleme, denn er diskutiert seitenweise, was das für eine komische Darstellung sei: Zentauren seien schließlich Tölpel, die nicht mit Pfeil und Bogen umgehen können und also müsse der Schütze zwei Beine habe – manche sagen aber, er hätte vier… er kann sich keinen Reim darauf machen. Die Lösung findet (später?) die griechische Mythologie, indem sie eine Ausnahme schafft: der weise Kentaur Chiron, der Lehrmeister zahlreicher griechischer Helden, sei der einzige nicht-tölpelhafte, sondern sanftmütig gute unter den Kentauren: Er ist es, der hier abgebildet ist.

The scorpion on the Atlas Farnese is half hidden by the hand of the stone Titan. That is why the upper part is missing in my redrawing. Actually, the scorpion is still holding up an apothecary scale in the scissors, but unfortunately I forgot to draw it here: sorry.

In Babylonian terms, the scorpion is indeed a scorpion, but symbolically it also stands for the sun. Priests in scorpion costumes, or more precisely, “scorpion people” can be found in illustrations accompanying various Mesopotamian festivals. It is reminiscent of the mating dance of scorpions, who perform fascinating dances with their antennae and numerous little legs.

Sagittarius

The Babylonian god Pabilsang was of course incomprehensible to the Greeks in this extreme combination and so they adapted it into their culture with a didactic reduction to a centaur (mixed creature half man, half horse). In the sky, only three of the four hooves are marked by stars (at least according to the Almagest). This causes major problems for Eratosthenes, who discusses for pages what a strange depiction this is: centaurs are, after all, dolts who cannot handle bows and arrows and so the archer must have two legs – but some say that he has four… he can’t make any sense of it. The solution is found (later?) in Greek mythology by creating an exception: the wise centaur Chiron, the teacher of many Greek heroes, is the only one among the centaurs who is not gauche but gentle and good: it is he who is depicted here.

Farnese Schütze
Farnese-Bilder und Almagest-Strichfiguren in Stellarium: im Almagest ist der Schütze ein Zentaur, auf dem Farnese-Globus ein Satyr. Das Bild der Waage existiert nicht im Almagest, während der Farnese-Globus dem Sternbild “Scheren des Skorpions” eine Waage in die Schere gibt. Die Hand von Atlas ist mir hier etwas zu groß geraten; das muss ich bei Gelegenheit mal korrigieren.

Auf dem Atlas Farnese ist der Schütze aber zweibeinig dargestellt. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass da, wo der Pferdeleib sein müsste, die Schulter des TItanen ist, der die Himmelskugel trägt. Es könnte aber auch sein, dass der Bildhauer hier absichtlich den zweibeinigen Satyr Kronos darstellen wollte, von dem Eratosthenes sagt, dass er bisweilen in dem Sternbild gesehen werde. 

Zu seinen Füßen ein weiterer Kranz, den wir heute “Südliche Krone” nennen, der aber in hellenistischer Zeit nur als Asterismus im Schützen und nicht als eigenes Sternbild aufgeführt wird.

China

Der Tee-Kessel von unserem Schützen zerfällt chinesisch in die “Südliche Schöpfkelle” und bildet damit ein Pendant zum Großen Wagen (der Nördlichen Schöpfkelle) und dem Sortier-Korb.

Chinesische Sternbilder im Herzen der Milchstraße.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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