Sternbilder sind Kultur

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Bei Sternbildern denken viele Leute zuerst an Mythen und Märchen. Das liegt nur daran, dass hier Bilder aus fremden Kulturen, die früher einmal Sinn ergaben, heute nicht mehr verstanden werden. 

Plejaden-Teaser (15 min)

 Das kleine Sternbild “Dreieck” zum Beispiel ist nicht etwa das Geodreieck, dass ein vergesslicher Schüler eines berühmten Astronomen dort hat liegen lassen, sondern es ist der Anfangsbuchstabe von “Zeus”. Es designiert also den Namen des höchsten Gottes, da ihm alle Sternbilder gewidmet sind. Die Sternbilder und ihre (wahren) Geschichten sind also Geschichten über fremde Kulturen – so ähnlich wie wenn man eine Reise unternimmt – nach Afrika oder in eine andere Kultur, die uns völlig fremd ist. Daher das geflügelte Wort:

The past is a foreign country – they do things differently there. 

Dass die Sternbilder Ausdruck der Religion sind, das glaubte das auch Julius Schiller in der Frühen Neuzeit, als er anstelle der antiken Sternbilder aus den Sternen die Apostel und Propheten des Alten Testaments formte. Als Christ wollte er nun seine Religion anstatt der alten am Himmel sehen. Sternbilder sind ein Versuch, den Himmel mit der Götterwelt, dem Totenkult, der Fahrt der Seelen oder/ und dem ewigen Kreislauf der Natur in Verbindung zu bringen. Sie sind ein Stück Kultur, das man in der Natur sieht. 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

4 Kommentare

  1. Zitat:

    Als Christ wollte er [ Julius Schiller] nun seine Religion anstatt der alten am Himmel sehen. Sternbilder sind ein Versuch, den Himmel mit der Götterwelt, dem Totenkult, der Fahrt der Seelen oder/ und dem ewigen Kreislauf der Natur in Verbindung zu bringen.

    Was die Polis-Bürger des alten Griechenlands über ihre Heimatstadt hinaus gemeinsam hatten war die Sprache, die Olympiaden, das Orakel von Delphi zu dem viele reisten und der Himmel, der über den Köpfen aller Griechen, egal wo sie gerade waren, der gleiche war. Wenn die Griechen ihre Götter im Sternenhimmel wohnen liessen begleiteten diese Götter jeden Griechen auf all seinen Reisen. Naheliegend, dass auch Christen und Anhänger anderer Religionen Dinge/Personen ihrer je eigenen Kultur gern an den Sternenhimmel projizierten. Denn der Himmel war auch für alle Christen oder Hindus, egal wo sie gerade waren, der gleiche.

    Nun, man könnte ja sogar sagen, der Himmel und die Sternbilder sind sogar für alle Menschen aller Orte und (fast) aller Zeiten unabhängig von ihrer Religion und Kultur die gleichen. Dieser Gedanke könnte vielleicht mit ein Grund gewesen sein für die Gegenstände, die auf der Himmelsscheibe von Nebra abgebildet sind, nämlich Plejaden, Mond und Sonne als universelle Himmelsobjekte. Das einzig Lokale auf der Himmelsscheibe von Nebra sind die Horizontbögen, die jeweils einen Winkel von 82 Grad überstreichen und damit Auskunft über den Breitengrad geben, wenn man sie als Repräsentanten der Sommer- und Winterwende interpretiert.

    Die Versuchung liegt nahe, die Voyager Golden Record – Scheiben als moderne Versionen der Himmelsscheibe von Nebra zu sehen. Dort ist die Position der Sonne in Relation zu 14 Pulsaren angegeben.

    • das griechische” Kultur (inkl. Sternbilder) gibt es streng genommen erst seit dem Weltreich von Alexander dem Großen, also sagen wir: seit ca. 330 v.Chr. Davor gibt es gar nicht “die eine” griechische Kultur, sondern “die athenische”, “die delphische”, “die spartanische”, “die trojanische”, “die kretische”, “die mykenische” … Selbstredend hatten die Ägypter vor Eroberung durch Alexander ihre eigene Kultur, ebenso die Syrer, die Hebräer, die Assyrer, die Babylonier …

      “die griechische” Kultur ab Alexander versucht etwas neues zu erfinden und alle die genannten unter einen Hut zu kriegen, um dem Imperium eine gemeinsame Identität zu geben.

      Es ist völlig unklar, was genau auf der Himmelsscheibe abgebildet ist: Nur, dass die Sichel den Mond darstellt, ist klar. Ob die Goldscheibe Sonne oder Vollmond darstellen soll, darüber streiten sich die Gelehrten – und ob das Häuflein die Plejaden sind oder etwas anderes wird ebenfalls diskutiert.

      Ähnliche Horizontbögen wie auf der Himmelsscheibe findet man aber auch als Konzept der in Streifen (Götterpfaden) auf- und untergehenden Sterne im babylonischen Kompendium MUL.APIN. Die gleichmäßige Rotation der Himmelskugel ist selbstverständlich etwas, das alle Kulturen der Erde vor 4000 Jahren bereits kannten und beobachteten. Es gibt überall auf der Erde intelligente Menschen, die die Natur beobachten; man braucht dafür nicht “die griechische”, “die babylonische” oder “die mitteldeutsche” Kultur.

  2. Wunderbarer Vortrag – obwohl ich nicht finde, dass die Sache mit den 7 dadurch geklärt ist, dass man/frau in den Mythologie jeweils eine Dokumentarstufe á 1000 Jahre runter geht, um dann wieder auf die 7-fache Gottheit zu stossen, die dem Anblick nicht entspricht. Da dreht sich die 7 im Kreis und ist nicht selbsterklärend. Wenn die Pejaden keine 7 bieten, dann muss der 7-ner Rhythmus gemeint sein, eventuell Chronos, die Woche, die Magie nach der Zahl 7.

    Danke für die faszinierend tiefe Betrachtung, der Begeisterung anzumerken ist. Die Plejaden sind gerade als 7-Gestirn auch auf der Himmelsscheibe von Nebra abgebildet und stellen eventuell den nautischen Kompass für Plutarchs Reisen nach Mittelamerika “Das Gesicht im Mond” – bei Saturn im Zeichen Stier. Überhaupt ist der Sternzeichen-Himmel vielleicht eine nautische Seekarte. Die Tore werden Durchfahrten sein, oder Strömungen. Thor Heyerdahl hat ja bewiesen, dass Menschen zu allen Zeiten Nautiker waren.

    Gleichfalls dominant die Rolle der Plejaden im Voynich-Manuskript – mit dem Hinweis auf eine Sonnenfinsternis. Schon mal reingeschaut in dieses geheimnisvolle Frauenheilkundebuch? Noch nie hat jemand das übersetzt!

  3. Die griechische Mythologie ist an Tiefgründigkeit und moralischem Verfall noch nicht überboten.
    Sogar Shakespeare hat es sich nicht nehmen lassen den Sommernachtstraum in Athen spielen zu lassen.
    Die Plejaden sind ein Phänomen, genauso wie der Orion. Wenn sich ihr Anblick erst einmal festgesetzt hat, kommt man nicht mehr von ihnen los.

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