Sternbild Mensa

Es handelt sich um ein kleines Sternbild am Südhimmel, eines der 14, die von dem französischen Mathematiker und Vermessungsingenieur Nicolas-Louis de Lacaille in den 1750er Jahren erfunden wurden. Er hatte einige Jahre am Kap der Guten Hoffnung verbracht. Seine Mission war zwar hauptsächlich Landvermessung, aber er hat auch sehr eifrig zu Sternpositionsvermessungen beigetragen. Positionsastronomie, auch Astrometrie genannt, war damals eine der Hauptbeschäftigungen in der Forschung – Astrophysik war noch nicht erfunden.

Lacailles Mensa

Lacaille hat in den meisten Fällen wenig Phantasie bewiesen, als er Sternbilder machte. Ihm ging es auch nicht um Märchen und Sagen – ebenso wenig übrigens, wie den indigenen Völkern des Altertums, als sie unsere heute offiziellen Sternbilder erfanden. Für die Völker des Altertums war ihre Motivation ein kultureller Kalender, weil alle Naturreligionen sich durch die Vorhersage des jahreszeitlichen Klimas Eselsbrücken in den Sternen machten (siehe früherer Post). Für Lacaille war es eher wichtig, im Zeitalter der immer umfangreicher werdenden Sternkataloge die unbenannten Lücken zwischen klassischen Kalenderfiguren aufzuschließen. Als Vermessungsingenieur hat er dafür meist die Fläche zwischen den bekannten Sternbildern abgesteckt und dem Leerraum einen Namen gegeben – in der Regel ohne jede Anschaulichkeit. Die Ausnahme ist allerdings das Sternbild Mensa. 

in historischen Büchern mitunter als "Kapwolke" bezeichnete Magellansche Wolke(n).
Abbildung der “Größeren Kapwolke” im “Bilderatlas der Sternenwelt” von E. Weiss (1892)

Mensa “anschaulich”

Am Südsternhimmel gibt es zwei freiäugig leicht erkennbare, frei stehende Zwerggalaxien. Sie werden heute allgemein die Magellanschen Wolken genannt (auch wenn es heutzutage eine Initiative gibt, die an die IAU heranträgt, sie umzubenennen, weil Magellan als europäischer Eindringling sich nicht immer nett zu den Ureinwohnern verhalten hat, die er traf – und diese schließlich eigene Namen für diese, ihnen wohl bekannten Himmelsobjekte hatten). In Lacailles Zeit war das aber noch nicht felsenfest etablierte Fachsprache und so schlug der Franzose vor, die Große Magellansche Wolke als “Kapwolke” zu bezeichnen. Die Kapwolke war für die Segler ein wichtiges Wetterzeichen, weil man an ihrer Form und Größe Windrichtungen ablesen und saisonale (längerfristige) Windrichtungsänderungen vorhersagen kann. 

Die Kapwolke ist am Kap der Guten Hoffnung bzw. Kapstadt beobachtbar, weil sie quasi dauern am Tafelberg hängt. Anders gesagt: der Tafelberg ist selten wolkenfrei.

Tischtuch

Lacaille meinte nun wortspielerisch, dass die Kapwolke auf dem Tafelberg wie eine Tischdecke auf einer Tafel (Mensa) liege.

Für ihn ergab sich also folgerichtig, dass unter der von ihm “Kapwolke” genannten Großen Magellanschen Wolke der Leerraum zwischen den Sternbildern “Tafelberg” (Mons Mensae, heute kurz Mensa) getauft werden müsste.

von oben sieht man, dass die Wolkenschicht am Kap recht flach ist
Tafelberg ohne seine berühmte Wolke
Tafelberg ohne seine berühmte Wolke (auch einmal gesehen)

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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