Sonnenbeobachtungen

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

anlässlich der SoFi am 20.3. gaben verschiedene Kultusministerien der Länder bzw. Schul- und Kita-Leitungen die Anweisung heraus, dass SchülerInnen und Schüler während der SoFi die Schule nicht zu verlassen haben – angeblich wegen gefährlicher “Sonnenfinsternisstrahlung”. So etwas gibt es nicht!

Mich erreichten am Tag der SoFi und danach mehrere Anfragen von Menschen, die wissen wollten, was gefährlich ist, warum und ob es Spätschäden geben wird, wenn ihre Kinder nun doch draußen waren. DARUM und wenngleich die nächste SoFi dieser Art bei uns erst 2026 stattfindet, möchte ich bereits jetzt einmal erklären, was hieran so spannend ist und worin die Gefahren wirklich liegen, die es zu vermeiden gilt. Das Gute daran ist: Wenn man weiß, was passiert, kann man die richtigen Maßnahmen treffen: Kinder und Jugendliche einzusperren ist jedenfalls keine gute Lösung: Sonnenfinsternisse sind ein ganz besonderes Naturschauspiel, das niemandem vorenthalten werden sollte. Wenn es sich schon einmal zuträgt, dass so etwas für uns günstig liegt und noch dazu gutes Wetter ist, dann sollte man unbedingt versuchen, dieses Erlebnis voll auszukosten!

Hier ein paar Pressemeldungen zum Thema: Duisburg, Münster (NRW) – in Niedersachsen gab es eine entsprechende Meldung vom Kultusministerium, über das sich engagierte Lehrkräfte und Hobby-Astros an den Schulen gehörig ärgerten. In Stuttgart wurde nur zum Tragen von Spezialschutzbrillen ermahnt, was sehr korrekt ist.

Vorab bitte ich einmal um Entschuldigung, dass ich das erst jetzt und nicht schon vor der SoFi geschrieben habe: Ich bin doch “nur” Astronomin, d.h. ich verstehe ein bißchen was von der Natur der Himmelsereignisse – leider ist die Natur des Menschen und die politischen und psychologischen Eskapaden, die solche Maßnahmen wie SoFis in der Schulzeit mit sich bringen, mir immer noch oft ein Rätsel und meine Prognosen, auf was für Gedanken Menschen so kommen können, funktionieren leider trotz Beschäftigung mit didaktischen Fragen und jahrzehntelanger Beobachtung der Spezies Mensch immer noch eher schlecht. Vergebung!
Also, ja, ich hätte diese Erklärungen wohl einen Monat früher schreiben sollen – aber vielleicht hilft es ja so für das nächste Mal.

Was passiert bei einer SoFi?

Der Mond schiebt sich (von uns aus gesehen) vor die Sonne, d.h. der Schatten des Mondes trifft die Erde. Normalerweise geht der Mond jeden Monat einmal über oder unter der Sonne am Himmel entlang – modern nennen wir diese Konstellation “Neumond”. Dass er wirklich genau vor ihr steht, ist eher selten der Fall.

Geometrie einer Sonnenfinsternis (smh 2014)
Geometrie einer Sonnenfinsternis (smh 2014)

Steht der Mond vor der Sonne, verdeckt er einen Teil ihrer gleißend hellen Oberfläche und es kommt sogar weniger Sonnenlicht und Wärme auf der Erde an. Es gibt also keine zusätzlichen Strahlen bei einer Sonnenfinsternis!

SMH 2015
SMH 2015

Dennoch ist auch das kleine Reststück der Sonne, das für uns am Himmel leuchtet, derart hell, dass wir nicht mit den Augen hinein schauen könnten: Die Sonnenstrahlung ist so intensiv, dass wir unwillkürlich die Augen zukneifen müssen – also eigentlich wie immer. In dem Augenblick, wo wir hochschauen, d.h. während des Zukneifens, sehen wir die Sonne nicht als rundes Ding, sondern nur einen unglaublich hellen Fleck am Himmel – so, wie immer: Mittags und wannimmer die Sonne hoch am Himmel steht, können wir sie nicht (rund und schön) sehen, weil sie viel zu hell ist und unsere Sehzellen sozusagen “überbelichtet” oder – technisch gesprochen – übersteuert sind: wir sehen nur gleißend weiß und das Auge geht zu.

Auch bei einer partiellen SoFi von 75 % ist das so. Allerdings spüren wir dabei schon eine merkwürdige Stimmung: Es wird ein bißchen kühler und das Licht in der Umgebung wirkt gedämpft – eigenartig. Das versteht man nicht, denn am Himmel steht ja immer noch der helle Fleck, den wir nicht erkennen können. Verwirrung.

Und jetzt beginnt für den modernen Naiven die Gefahr, denn was macht ein Mensch, wenn ihm etwas komisch vorkommt? Er untersucht es. Er guckt also nach. Mit dem Auge geht das nicht, wie gesagt, also nehmen wir optische Hilfsmittel – aber die machen es nur schlimmer und können – bei falscher Anwendung – zur Erblindung führen.

NIEMALS darf man mit dem Auge oder einem Vergrößerungsglas direkt in die Sonnen schauen!

 

Wir können die Sonne am Taghimmel nur sehen, wenn entweder dichte Wolken sie abdunkeln oder wenn sie dicht am Horizont steht – und selbst das ist nicht ungefährlich.

Sonne hinter Wolken
Sonne hinter Wolken (Berlin, 2015)

 

Sonne beim Aufgang am Grashalm (Sahara, 2008)
Sonne beim Aufgang am Grashalm (Sahara, 2008); auch hier ist sie schon gut belichtet, das geht in Sättigung – nur gerade so sieht man noch die runde Form.

Worin besteht die Gefahr bei der Sonnenbeobachtung?

Die Gefahr besteht für unsere Augen. Das starke Sonnenlicht, kann die Netzhaut einfach wegbrennen – insbesondere noch leichter dann, wenn wir mit einem Vergrößerungsglas hinschauen, sei es ein Fernglas oder auch “nur” eine billige Brille, denn die Linse des jeweiligen Instrumentes bündelt das Licht und kokelt unmerklich auf der Netzhaut des Auges: der Mensch erblindet.

Was passiert hier?

Die Netzhaut des Auges verbrennt. – Wie das geht? Tja, im Grunde kennen Sie das: unsere Haut verbrennt ja auch manchmal (Sonnenbrand), aber diese ist darauf trainiert und kann sich dann regenerieren und “braun werden” als Schutz gegen weitere Verbrennungen. Nur bei ganz, ganz schweren Schäden geht auch die Haut wirklich und irreparabel kaputt – d.i. eher bei Unfällen, nicht von der Sonne.

Das Auge hat nur zwei Probleme:

  1.  Die Netzhaut kann nicht “bräunen” oder so, d.h. sie hat weder einen Schutzmechanismus gegen starke Sonneneinstrahlung noch hat sie die Möglichkeit, sich so gut zu regenerieren wie unsere Außenhaut.
  2. Vor der Netzhaut des Auges ist – im Gegensatz zur Haut – eine Linse (die Augenlinse), die das Licht bündelt, um auf der Netzhaut ein kleines (helles) Bild zu erzeugen, das von den dortigen Sehzellen ans Gehirn weitergeleitet wird. Das Licht der Sonnenscheibe wird also auf wenige Sehzellen konzentriert und diese sind normalerweise damit völlig “übersteuert”: Darum sehen wir normalerweise eben nicht die Sonnenscheibe hoch Himmel, sondern nur ein gleißenden Fleck – Die Sonnenscheibe sehen wir nur, falls das Licht beim Auf- und Untergang oder durch Wolken abgeschwächt wird.

Die Wärmestrahlung der Sonne wird durch die Augenlinse auch gebündelt, aber das sehen wir nicht. Auf unserer Außenhaut würden wir die Wärmeentwicklung spüren, da dort Temperatur-Rezeptoren sind, aber die Netzhaut des Auges hat so etwas nicht; ihre Zellen sind nur für Licht empfindlich (sonst hätten wir Wärmebild-Augen). So kann es auf der Netzhaut heiß werden, ohne dass wir es merken. Und es kann dort auch quasi “brennen”, ohne dass wir es merken würden.

Licht trifft durch Pupille auf Augenlinse, wird gebündelt und auf der Netzhaut entsteht ein Sonnenbildchen.
Licht trifft durch Pupille auf Augenlinse, wird gebündelt und auf der Netzhaut entsteht ein Sonnenbildchen.

Was einmal verbrannt ist, bleibt kaputt – denn es gibt ja keinen Schutz- und Regenerationsmechanismus. Darum ist es so gefährlich, direkt in die Sonne zu schauen.

Man kann das mit einem Freihand-Experiment erstaunlich simpel vorführen, denn schon mit einem schwachen Brillenglas (ohne viel Vergrößerung) lässt sich mühelos ein Blatt Papier entzünden. Ein Outdoor-Lehrvideo zeigt das auf YouTube ganz eindrucksvoll:

ACHTUNG Dieses Experiment sollten Sie nur als Erwachsener selbst durchführen (nicht von Kindern machen lassen) und auch nur, wenn es genügend Sicherheiten (Löschmöglichkeit) gibt!!!

Kann es Spätschäden der SoFi-Beobachtung geben?

Wer einmal in die Sonne geschaut und davon Netzhautschäden gekommen hat, sollte sofort zum Arzt gehen. Wenn die Netzhaut kaputt ist, dann merkt man das in der Regel sofort und wird sich schleunigst in medizinische Obhut begeben.

Die gute Nachricht: Anders als bei Radioaktivität, wo die Schwere der Erkrankung erst spät erkannt wird, wird es bei Sonnenbeobachtungen keine Spätschäden in diesem Sinn geben. Wenn während der Sonnenbeobachtung nichts passiert ist, dann brauchen Sie also nichts zu befürchten.

Wie beobachtet man die Sonne richtig?

Ungefährlich kann man die Sonne beobachten, indem man eine SoFi-Brille oder eine Schweißerbrille nutzt. Wer beides nicht verfügbar hat, ist am besten bedient, indem das Sonnenbild projiziert wird. Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Handelsübliche Schul-instrumente sind z.B. diese Pappkartons mit dem Namen “Solarscope”:

Klick aufs Bild vergrößert's.
Klick aufs Bild vergrößert’s.

Man schaut zu keinem Zeitpunkt durch das orangefarbene Fernröhrchen, sondern benutzt dessen Schatten zur Justierung (siehe Bilder oben). Das Sonnenbild auf dem Schirm kann durch Verschieben des Röhrchens scharf gestellt werden. Man kann damit die Randverdunklung der Sonne sehen, Sonnenflecken und durchziehende, dünne Wolken.

SchattenprojektionSonneAufJacke_web
Sonnenbilder im Schatten auf der Jacke.

Da das Gerät starr ist, also sich nicht selbst bewegt/ mitrotiert, kann man auch verfolgen, wie schnell sich die Erde dreht, denn die Sonne wandert auffallend sichtbar die Leinwand entlang. Unten das Filmchen zeigt, wie ich das mal aufgenommen habe – zumindest so lange, bis die nächste Wolke dem Treiben ein jähes Ende bereitete. Beobachten SIe am besten den rechten Rand des Kastens: Zuerst der Sonnenrand genau im Knick, aber schon nach wenigen Sekunden ist die runde Sonne merklich abgeschnitten von dieser Kante.

Alternativ kann man sich auch eine Lochkamera basteln. Dazu muss man nur in eine Pappe z.B. mit einem Zirkel ein Löchlein pieken und dann eine Möglichkeit finden, das Sonnenbild hinter der Pappe zusehen. Man kann beispielsweise die Pappe ins Fenster kleben und sieht dann auf einem Papierblatt irgendwo hinter dem Fenster oder auf dem Fußboden ein Sonnenbild.

Wer nicht basteln möchte, kann sich einfach in den Schatten eines beliebigen grünen Baums stellen. Die Nadeln oder Blätter eines solchen Gewächses werfen Schatten auf den Boden, aber zwischen ihnen gibt es immer wieder kleine Zwischenräume, durch die das Sonnenlicht hindurch scheint. Dieses Zwischenräume fungieren wie eine Lochkamera und wir sehen auf dem schattigen Boden lauter kleine Sonnenbildchen. Für gewöhnlich sind diese rund, aber nicht bei eine partiellen SoFi: da werden sie kleine Sicheln und der Schatte des Baumes sieht also ganz anders aus als gewöhnlich. Diese historische Methode durch Beobachtung einer partiellen SoFi ist bestimmt 2.5 Jahrtausende alt – wenn nicht mehr.

Sichelsonne in Projektion durch den Schatten eines Nadelgewächses.
Sichelsonne in Projektion durch den Schatten eines Nadelgewächses.

Wir “konstruieren” eine einfache Lochkamera.

Eine weitere Möglichkeit für super-simple Beobachtung im Büro hat einer unserer raffinierten jungen Kollegen demonstriert: Er klebte eine Pappe ins Fenster und piekste ein Löchlein hinein. Auf seinem Bürostuhl hat er das Bild aufgefangen und weil der Stuhl nunmal schwazr ist, hat er ein weißes Blatt Papier davor gehalten.

Merci à Olivier Defaux
Merci à Olivier Defaux

Da der Bürostuhl nun einmal beweglich ist, kann man mit dieser super-simplen Konstruktion das Sonnenbildchen ebenfalls wunderbar fokussieren.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

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  2. Auch in Wien gibt es ängstliche (und ahnungslose) Schuldirektorinnen, die sich gerne hinter (behaupteten?) Weisungen des Stadtschulrates verstecken und es verbieten während der SOFI mit den Klassen raus zu gehen. Da werden sogar extra die Jalousien heruntergezogen. Auch wenn die Kinder Finsternisbrillen mithaben dürfen sie nicht schauen.
    Schade, dass so eine gute Möglichkeit versäumt wurde Kinder für Naturphänomene zu faszinieren. Danach jammern aber gerade die Schulverantwortlichen darüber wie wenig sich Kinder für Naturwissenschaft interessieren und die MINT-Fächer so ein schwaches Interesse finden. Meine Tochter (9 Jahre) war schwer enttäuscht, dass sie nicht beobachten durfte.
    Meine Folgerung – bei der nächsten SOFI nehme ich meine Kinder bei Bedarf aus der Schule raus und zeige ihnen wie eine SOFI sicher beobachtet werden kann.

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