Sirius, ein roter Stern?

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Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

… ja, so steht es im Almagest, dem großen Kompendium der Astronomie, das Ptolemaios von Alexandria um 135 n.Chr. zusammengestellt hat. Wörtlich:

Sternbild Hund
Der Stern am Maul [des Hundes], der hellste, der “der Hund” genannt wird und rötlich ist.
(Übersetzung, griechisch z.B. Münchener Handschrift BSB Cod.graec. 212, pdf-S. 346, vgl. auch Toomers Übersetzung des Almagest ins Englische, S.387)

Bemerkenswert an dieser Passage ist, dass Ptolemaios den Stern selbst mit zwei Eigennamen belegt, nämlich “der Hund” (kyon) und “der hellste” (grch.: seírios, woraus sich in der Renaissance unser Wort “Sirius” ergeben wird) nennt.

Über die Zuschreibung roter Farbe ist viel nachgedacht worden. Otto Struve entdeckte 1866 einen Begleiter von Sirius, dessen Beschaffenheit ganz von der des Hauptsterns verschieden war. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand man durch Erschließung des Hertzsprung-Russell-Diagramms (1910) die Bedeutung solcher Sterne in der Sternentwicklung heraus. Wir wissen, dass es sich um Überreste Sternen handelt, also die Endstadien von Roten Riesensternen.

Zum Zeitpunkt der Niederschrift des Almagest (um 135) könnte also der Weiße Zwerg (Sirius B genannt) noch ein Roter Riese gewesen sein, der den weißen zwei-Sonnenmassen-Stern Sirius A damals überstrahlte… vermuten manche Forscher. Es könnte auch eine Nova auf dem Weißen Zwerg gewesen sein [die Nova Perseii 1901 wird z.B. von visuellen Beobachtern als “rot” beschrieben], aber diese hätte die Helligkeit des Sterns dramatisch verändert – sicher bis zu Tagessichtbarkeit, was nicht bezeugt ist. 

Das wäre doch etwas höchst Faszinierendes, wenn wir derlei Entwicklung durch Vergleich von damaligen und heutigen Beobachtungen auf historischen Zeitskalen “beobachten” können?! Die Frage ist, ob dazwischen jemand etwas hätte beobachten können: gab es irgendein Aufleuchten, das man hätte sehen können/ müssen? So etwas ist nicht überliefert. 

Stattdessen denken die meisten Alt-Philologen, dass sich dieser Terminus allein aus der Etymologie des Wortes erklärt: Das Wort seirios heißt “gleißend” oder “sengend”… es kann auch als feurig verstanden werden und als “Feuersterne” werden typischerweise rote Sterne bezeichnet. So kann also das Wort leicht zu Missverständnissen führen, wenn man nicht an den Himmel guckt. Die verwendete Vokabel, die oben als “rot” interpretiert wird, beschreibt ein relativ breites Farbspektrum von gelb über orange bis dunkelrot (also alle “feurigen” Farben), so dass entweder die Übersetzung “rot” von uns heute zu plump ist oder bereits das griechische Wort im Almagest eine Bedeutungstendenz impliziert, die vom Original in älteren Texten nicht gemeint war. 

Beim Aufgang erscheint ein solcher Stern nur rot, wenn er ganz dicht über dem Horizont steht. Ich habe bei meinen Sahara-Wanderungen selbst die Venus rot aufgehen sehen – aber nur direkt über der Düne. Sobald sie etwas Höhe gewonnen hatte, war der Effekt weg.  Die andere Spekulation mancher Forschenden, dass die rote Farbe daher kommt, dass Sirius vordergründig für Kalenderbestimmungen beobachtet wurde und also am Horizont, kann nicht allein die Erklärung sein. 

Ich denke, dieser Eintrag im Almagest ist ein Beweis dafür, dass der Autor nicht an den Himmel geschaut hat, sondern aus früheren Texten abgeschrieben hat. 

 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), ... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

10 Kommentare

  1. Hätte man diese Supernova nicht auch beobachten müssen? Gibt es dazu irgendwelche Aufzeichnungen oder lohnt es sich, jetzt danach zu suchen?
    Spannende Fragen.

    • Niemand hat etwas von einer Supernova gesagt.
      Eine Supernova im Abstand von acht Lichtjahren (wie Sirius) hätte durch ihre massive Gammastrahlung wahrscheinlich die Erde sterilisiert, oder zumindest ein Massensterben unter den höheren Lebewesen ausgelöst.
      Die Rede war von einem roten Riesen, der heute ein weißer Zwerg ist.
      So wird es unserer Sonne auch mal in 4,5 Mrd Jahren ergehen.

      • genau … und von einer Oberflächerneruption auf diesem weißen Zwerg: Das habe ich gerade in Klammern nachgetragen mit Verweis auf historische Beobachtungen eines solchen Phänomens.

  2. Drei Laien-Fragen:
    Kann ein roter Riese in 2000 Jahren zum weißen Zwerg werden?
    Gibt es bei einem solchen Vorgang auffällige Gaswolken, die man nach 2000 Jahren noch beobachten kann?
    Wenn Sirius B ein roter Riese wäre, könnte man ihn dann mit freiem Auge von Sirius A unterscheiden?

  3. Gemäss deutschsprachiger Wikipedia gilt für Sirius B (Zitat):“Sirius B befindet sich nun seit etwa 124 Millionen Jahren in diesem Stadium [weisser Zwerg] und kühlt langsam aus.”
    Allerdings schliesst dies nicht aus, dass Sirius B vor 2000 Jahren für einen Novaausbruch verantwortlich sein könnte, so wie in der Wikipedia beschrieben:“Eine Nova (Plural Novae) ist ein Helligkeitsausbruch in einem engen Doppelsternsystem aufgrund einer explosiven Zündung des Wasserstoffbrennens auf der Oberfläche eines Weißen Zwergs.”
    Sirius-A müsste dazu allerdings die Roche-Grenze überschritten und sich so stark deformiert haben, dass ein Teil seiner Masse auf der Oberfläche des weissen Zwerges Sirius B landete. Dort wäre diese Masse (Wasserstoff) dann gezündet worden. Dies kann man ausschliessen, denn Sirius A hat die doppelte Masse von Sirius B und ist nicht deformiert und somit weit entfernt von der Roche-Grenze.

  4. Erklärung könnte sein, dass die Griechen den blauen Sirius nicht als blau wahrgenommen hatten, da diese Farbe damals noch (zumindest nach Homers Epen) gänzlich unbekannt war: „Homer erwähnt in den Epen Ilias und Odyssee 170 Mal Schwarz, 100 Mal Weiss, 13 Mal Rot, Gelb und Grün weniger als 10 Mal. Und Blau? Kein einziges Mal.“ Leschs Kosmos im ZDF am 5.12.2016

    • “„Homer erwähnt in den Epen Ilias und Odyssee 170 Mal Schwarz, 100 Mal Weiss, 13 Mal Rot, Gelb und Grün weniger als 10 Mal. Und Blau? Kein einziges Mal.“ Leschs Kosmos im ZDF am 5.12.2016”

      Selbstverständlich war die Farbe blau bekannt, alle Menschen sehen sie am Himmel und die Griechen an der Küste auch im Meer, in dem sich der Himmel spiegelt. Homer nennt es aber , glaube ich, “weinfarben”.
      Die Wandmalerei von Thera kennt zwei Sorten Blau.
      Blau konnte man auch von Lapislazuli kennen, von Ägypten (Glas) und Zypern (Azurit).

      Aus Farbenbezeichnungen sollte man keine voreiligen Schlüsse auf das Farbsehen ziehen.

  5. Nach meinem, zugegebenermaßen alten griechisch-deutschem Schule -und Handwörterbuch von Gemoll, 6. Aufl. 1965 wird das Wort “seirios” = Sirus von “seiros” = hell abgeleitet.

    Vgl. auch im russischen:
    “Roter Platz” : krasnyi bedeutet sowohl “rot” als auch “schön”

    Es kann also sein, dass der Stern im großen Hund nie als “roter”, sondern eher als ” heißer” oder “schöner” Stern bezeichnet wurde.

    Freundliche Grüße

    Bernhard Schröck

  6. I) zu den Spekulationen über Farbworte: Richtig ist, dass diese zu keiner Zeit eindeutig waren und im Altertum weniger von ihnen existierten. ABER
    1) Das Farbwort für “rot” war m.W. kein Problem, sondern eines der ersten feststehenden Farbworte, so weit ich weiß. Problematisch sind eher Vokabeln für Zwischenfarben (orange als Wort gibt’s noch nicht lange – oder braun, rosa oder türkis…). Blau und Grün werden im Altertum oft vertauscht/ vermischt/ zusammengelegt; sowohl mesopotamische als auch äqyptische Sprachstufen entbehren einer Unterscheidung – entweder von blau und grün oder von gelb und grün. … aber Rot?

    2) Ja, das Meer ist in einem Gedicht auf griechisch auch gern mal “wein-farben”, aber der griechische Wein war ja viel dicker als der moderne, so weit ich weiß und dann ist er – sagen wir – fast schwarz. Und das dunkelblau-fast-schwarze Meer (die Farbe, die wir heute marine nennen in sehr dunklem Ton) könnte dann als ähnlich wahrgenommen werden.

    3) Das Altgriechisch hat m.W. auch Vokabeln für schön und für heiß. Der Vergleich mit dem Russischen zieht da nicht.

    4) Sirius ist nicht blau, sondern weiß. Und selbst blaue Sterne (Rigel, quasi nebenan) sind ja nicht blau wie himmelblau oder lapislazuli … in antiken Sternlisten gibt’s daher nur weiß und rot, keine anderen Farben.
    Bei babylonischen Omina (z.B. für Sternschnuppen, Bolide etc.) mag das anders sein. Die sind übrigens meist konstruiert.

    II) Der Einwand mit dem Einfluss einer so nahen SN ist sehr wichtig, vielen Dank!
    Die Frage, ob das jmd beobachtet hat, hatte ich ja auch selbst gestellt – aber dem Hinweis auf die physikalischen Wirkungen müsste ebenfalls nachgegangen werden. Danke.

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