Quadratur des Kreises missglückt
Das Sternbild Corona Borealis ist ziemlich rund. Es ist so rund, dass es im Alten Babylon mitunter auch mit der Vokabel “Kreis” bezeichnet wurde. In einem Fachartikel, der im Oktober 2022 erschien, behauptet ein französisch-britisches Forschungsteam, dass Hipparch von Nicäa im -2. Jahrhundert rechteckige Grenzen für dieses Sternbild hatte. Das entbehrt nicht nur jeglicher Logik, sondern ist auch nachweislich falsch.
In meiner Dissertation hatte ich daher mit “Minimal-Polygonen” gearbeitet. Jedes Sternbild nimmt eine Fläche ein, die von den äußersten Sternen begrenzt wird. Es ist die kleinstmögliche Fläche, mit der man ein Sternbild so positionieren kann, dass alle ihm zugeordneten Sterne eines bestimmten Sternkatalogs innerhalb dieser Fläche liegen. Niemand hat je behauptet, dass diese Polygonflächen erschöpfend sind: es könnten auch weitere Himmelsareale zum gleichen Sternbild gehören, aber diese Flächen sind eben das Minimum, was aus den Texten wasserdicht ableitbar ist.
Diese Flächen sind keine Rechtecke und sie gleichen / ähneln auch nicht den modernen IAU-Sternbildergrenzen, wie von den Autoren der Studie 2022 behauptet. Rechtecke würden entweder Sterne abschneiden oder so groß gezeichnet werden müssen, dass sie (noch stärker) überlappen. Wenn aber die Rechtecke überlappen, also ins Nachbarrechteck (Nachbarsternbild) hineinreichen, sind es keine Grenzlinien. Also: wie man es auch dreht, rechteckige Grenzlinien sind sinnfrei. Es hat sie nicht gegeben.
Dass das Forschungsteam die Rechtecke nun ausgerechnet am rundesten, kreisähnlichsten Sternbild nachweisen wollte, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Schlimmer ist aber, dass dieser Unsinn eine gewaltigen öffentliche Aufmerksamkeit erhielt. Anscheinend kann man Forschungsergebnisse nur dann in der Öffentlichkeit platzieren, wenn sie gnadenlos absurd (und falsch) sind.
Die hier präsentierte Zusammenschau zum Sternbild Corona Borealis wurde vom Journal for the History of Astronomy leider abgelehnt, d.h. ich sollte das Kapitel in meinem Fachartikel streichen, weil es angeblich nicht zu deren Themen passt… (Ich vermute eher, weil es peinlich ist, dass so offensichtlicher Unsinn von einem ehemals renommierten Journal publiziert wurde.) In dem Artikel von 2022 wird allen Ernstes behauptet, Hipparchs Sternkatalog gefunden zu haben, obwohl der neue Befund eigentlich nur vier Zahlen (Halb-Koordinaten) zu drei Sternen im Sternbild CrB enthält. Selbstredend musste jemand mit einer Dissertation über Hipparchs Himmelsglobus dazu widersprechen.
Der widersprechende Fachartikel erschien im Journal for the History of Astronomy im August 2024.