Purple Mountain Observatory Nanjing

Weg zur Sternwarte, kurz vorm Eingang

Der Komet des Jahres 2024 war Tsuchinshan-ATLAS, der von vielen sogar freiäugig gesehen und in wunderschönen Aufnahmen festgehalten wurde. Er wurde am “Purple Mountain”-Observatorium (Zijinshan/ Lila Berg-Sternwarte) in Nanjing, China entdeckt. Diese Sternwarte war 1934 gegründet und im 20. Jahrhundert durch die Academia Sinica aktiv betrieben worden, ist jedoch inzwischen eine fast reine Tourismus-Sternwarte. Dennoch wurde dort am 9. Januar 2023 ein 18.7 mag-Objekt entdeckt und ans Minor Planet Center gemeldet, von dem sich später herausstellte, dass es derselbe Komet ist (und kein Kleinplanet), den das südafrikanische ATLAS-System (eine Überwachung von Asteroiden, die möglicherweise auf die Erde einschlagen könnte) im Februar desselben Jahres unabhängig entdeckte. 

Die Kometen-Bezeichnung “Tsuchinshan” ist eine alte Romanisierung der chinesischen Buchstaben, die eigentlich inzwischen von der Pinyin-Schreibweise abgelöst wurde. In diesem Ausnahmefall einer Ortsbezeichnung hat sich allerdings der von der Post verwendete Ortsname gehalten. Der Komet heißt also “Lila Berg-ATLAS”… eigentlich ein hübscher Name. 🙂 

Tsuchinshan-ATLAS in Indonesien
Tsuchinshan-ATLAS neben Mond in Indonesien

Das Observatorium, an dem er entdeckt wurde, befindet sich in Zentralchina, etwas westlich von Shanghai, am Rand der alten Kaiserstadt Nanjing. Seinen Namen hat der “lila Berg” von den Kupferminen, die es hier historisch zahlreich gab. Das chinesische Wort für Kupfer ist “lilafarbenes Gold”, weil das Kupfererz leicht violett schimmert. 

der Lila Berg
Historisches Portal der Sternwarte über Nanjing

Weil die Sternwarte so modern ist, also erst im 20. Jahrhundert errichtet und genutzt wurde, hat sie auch ein modernes Zeiss-Teleskop. 🙂 Ist schon amüsant, wenn man sich durch die Welt bewegt und immer wieder auf die heimische Marke trifft. Weniger rühmlich ist allerdings, dass europäische (entweder deutsche oder französische, je nachdem, wen man fragt) Soldaten historische Instrumente aus Peking Anfang des 20. Jahrhunderts nach Europa verschleppt hatten. Sie waren dann wohl eine zeitlang in Potsdam auf dem Telegrafenberg aufgestellt worden, bevor sie China zurückgegeben wurden und dann hier auf dem Lila Berg (statt in Peking) aufgestellt wurden. 

Die Sternwarte besitzt daher auch Instrumente, die deutlich älter sind als sie selbst. 

Theodolit
Chinesischer Himmelsglobus mit verwirrenden Skalen.
chin. Armillarsphäre zur Vermessung von Sternpositionen
ZEISS-Teleskop in Nanjing, mit dem bis in die 1990er noch allabendlich (heute sporadisch) astronomische Beobachtungen unternommen wurden. Der Crash des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter gilt als letztes Highlight der Forschung, das hiermit überwacht wurde.

Die alte Kaiserstadt Nanjing hat aber touristisch natürlich noch mehr zu bieten als “nur” diese berühmte zeitgenössische Sternwarte. Ich war während meines China-Aufenthalts mehrfach dort und aus unterschiedlichen Gründen. Es befindet sich z.B. auch eine berühmte große Bibliothek hier, die historische Altstadt mit Stadtmauer, eine charmante Fußgängerzone, die Altes und Modernes verbindet. 

Wenn aller Raketenspuk verweht,
der hoch ergötzte die lieben Kleinen,
dann werden in stiller Majestät
die alten ewigen Sterne erscheinen.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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