Pro digital – ein Hoch auf Lehre (und Forschung)
Wegen des allgemeinen Gemeckers hier ein paar Alternativ-Gedanken: Ich bin vehement für digitale Lehre und gegen Präsenzpflicht. Ich kenne das allerdings auch schon seit ~15 Jahren und nicht als pandemischen Zwang, denn es gibt Fächer und Lehranstalten, die das schon lange machten – und das ist GUT!!!
Folgende Gründen:
1) Fokus aufs Wesentliche. Aus Sicht der Studierenden: Während meines ersten Studiums musste ich Geld verdienen und in einem meiner Nebenjobs musste ich sehr oft vormittags arbeiten. Da es bei uns im Studium noch keine Präsenzpflicht gab, hab ich mir von den verpassten Vorlesungen die Mitschriften von Kommilitonen besorgt. Lernen muss man es sowieso selbst – egal, ob es einem durch einen Meister des Faches vorgekaut wird oder nicht (ich bin sehr wohl eher der Lerntyp des Zuhörens, aber wenn’s nicht ging…). In der Physik geht es darum, dass man die Übungsaufgaben lösen kann, denn dann kann man am Ende auch die Prüfung bestehen (wenn keine psychischen Barrieren existieren) und hat also ein gewisses Wissen oder/und Können erworben. DARUM geht’s und nicht um wöchentlich stundengenaue physische Präsenz.
2) Mehr schaffen mit besserer Zeiteinteilung. Aus Sicht der Lehrenden: Digitale Lehre – wenn man sie richtig macht! – ist eine Erleichterung für den Vortragenden, denn z.B. gerade die Grundvorlesungen zeichnet man einmal auf und muss sie dann nicht semesterweise wiederholen, sondern kann einfach das gelungene Video vom letzten Mal herzeigen. Das ist eine enorme Entlastung in der Präsenzpflicht der Lehrenden!
Wer jetzt denkt, ein Dozent (wdm) der Grundvorlesung müsste weniger arbeiten, ist auf dem Holzweg, denn das Problem am Lehrformat “Vorlesung” ist, dass es für die Lehrenden enormer Vorbereitungsaufwand ist und für die Lernenden nur ein kleiner Beitrag im Puzzle: die haben mehr Aufwand in den Übungen/ Seminaren, wo man durch das Anwenden des Gehörten plus Nachlesen in Büchern u.a. wesentlich mehr lernt.
Für die Bedenkenträger (wdm), die jetzt rufen “Klingt gut, aber …” hier mein Praxistest:
Eine Vorlesung (in Mathe, fürs zweite Studium) konnte ich nicht besuchen, weil ich gleichzeitig an einer anderen Uni in einer anderen Stadt eine Übung besuchte. Bei dieser anderen Lehrveranstaltung kam es auf die Mitarbeit der Studierenden an, so dass bei dieser die Anwesenheit notwendig war. Die Mathe-VL habe ich also nicht ein einziges Mal besucht, sondern ich habe nur die Übungsaufgaben gelöst, hatte dem Prof vorher mein Terminproblem geschildert und daher die Möglichkeit eingeräumt bekommen, nötigenfalls Fragen per E-Mail zu stellen.
Am Ende des Semesters ging ich zur Klausur und habe sie ohne Probleme bestanden. Zwar nicht mit Bestnote – aber gut und eben so, dass man in einer Grundvorlesung eben die Grundlagen gelernt hat.
So sollte es gehen! (finde ich)
3) mehr Zeit für Forschung, weniger Aufwand für Lehre. Aus Sicht der Lehrenden heißt das langfristig, dass man die Vorlesung einmal aufzeichnet, also in einem Semester besonders viel Arbeit damit hat, aber in den folgenden Semestern mehr Zeit für Forschung, weil man nur noch die Rückfragen der Studierenden beantworten und Kleinigkeiten updaten/ nachtragen muss.
Man trifft sich also nur noch zu Diskussionen über ein Thema – das, wofür man sich wirklich treffen muss und nicht für das kollektive Berieseln lassen.
4) keine Terminprobleme! Für die Studierenden hat das den Vorteil, dass man sich das Video anschauen kann, wann und wo man will und es eben keine Terminprobleme mehr geben sollte.
Für Leute, die arbeiten oder kleine Kinder haben, baut das Hindernisse ab und auch für alle anderen ist es super, weil man Dinge dann erledigen kann, wenn man dafür bereit ist – die Lerchen wie die Eulen.
Ergo: Für beiden Seiten enorme Entlastung!
5) Vielfalt lernen! Als Lernende habe ich stets versucht, meine Lehrveranstaltungen bei den besten Leuten in einem Fach/ Themengebiet zu belegen. Bei denen, die gut lehren und bei denen, die gut forschen. In Berlin (zweites Studium) geht das auch prima, denn wenn einem ein Dozent (wdm) nicht zusagt, kann man dasselbe Fach gewiss auch bei einem anderen belegen.
Gerade mit Blick auf meine Spezialisierung, war das aber auch in der Wissenschaftsstadt Berlin (mit 4 großen Unis, zahlreichen FHs, MPIs etc. und einer weiteren Stadt mit Uni+FH+MPIs etc. s-bahnangebunden) bisweilen schwierig: z.B finden Sie mal den einen Experten auf der Welt, der sich in der Schnittmenge von Arabistik, Astronomie, Computational History of Science beschäftigt. Wahrscheinlich gibt’s so einen Menschen irgendwo auf diesem Planeten – aber vllt nicht gerade in der eigenen Stadt.
Das bedeutet, dass man – früher = als ich studierte – lernend durch die Welt zog, die eine VL in Berlin TU, die andere Berlin FU, die dritte in Potsdam belegte. Oder noch früher – vor den Weltkriegen – große Leute wie Mileva Maric (später Einsteins erste Ehefrau) eine Vorlesung in Heidelberg belegten oder sonstwo, um modernste Kenntnisse zu erwerben, obwohl sie eigentlich in Zürich studierte (weil damals Frauen in HD noch nicht studieren durften).
Einschub:
Gerade an kleinen ländlichen Unis hat man oft keine Wahl, sondern man muss die VL bei dem besuchen, der gerade da ist. Man hat eben nur genau einen Prof pro Fach, der/ die die ganze (Fach)Richtung vorgibt. Angenommen, man hätte nur einen Prof (wdm) für Physik und dieser eine ist zufällig Astronom, dann wird ein völlig falsches Bild geweckt, weil Physik nunmal nur zu einem sehr geringen Anteil Astrophysik ist und die meisten Physiker sich mit Festkörperphysik, Materialwissenschaft, Lasertechnik, Quantenphysik, Atomphysik, Kernphysik, Kolloid- und Grenzflächenforschung, Halbleitertechnik, Elektronik … oder sonstwas … beschäftigen. Das alles würde an einer ein-Prof-pro-Fach-Uni nicht oder nur oberfächlich abgebildet werden (können).
Zudem ist es klassisch doch aber so, dass man sich für die akademische Bildung die richtigen Leute aussucht: Man hört ein Thema bei X und das gleiche wieder bei Y und unterm Strich ergibt sich damit ein Gesamtbild aus der Vereinigung (im mathematischen Sinn) der Lehrmeinungen. Das ist Teil der Erkenntnis-Genese!
Im 20. Jh bildete sich (im Westen) ein neuer Trend, der durch die politischen Ziele nach der ersten PISA Studie und mit der Bologna-Reform nur noch verstärkt wurden: So viele Leute wie möglich sollen in die Uni gehen, also 80% aller Leute sollen Abitur machen und davon sollen 40 bis 80% auch studieren (schrieben wir im Bloggewitter 2009). Natürlich ohne Berufsperspektive, wie die Misere im Mittelbau zeigt.
Man stolpert also von der Schule in die nächstbeste Uni und geht also 3 bis 5 weitere Jahre zur (Hoch)Schule. Man geht dort hin, d.h. man ist physisch anwesend. Ob man was lernt, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls lernt man, in Prüfungen die Meinungen des Wesens zu reproduzieren, das physisch vor einem steht bzw. provokativ formuliert: Man lernt gefälligst von diesem und nicht von einem anderen. Genau so, wie man es bereits aus der Dorfschule kennt – also kein Unterschied mehr zwischen Dorfschule und Uni??? (dagegen!)
Dass es andere Lehrmeinungen oder Forschungsmethoden geben könnte (wie 2008 von mir hier geschildert), wird ausgeblendet, denn es geht ja nicht darum, die Bildung zu erhöhen, sondern darum, dass 80% der AbiturientInnen eine Uni von innen gesehen und erlebt haben, bevor sie einen Beruf lernen und ergreifen, der ihnen erlaubt, ein Leben zu führen und Familien zu gründen.
Einschub-Ende – Zurück zur digitalen Lehre
Am Hasso-Plattner-Institut und seiner Partner Uni in Stanford, USA, waren digitale Vorlesungen schon 2008/9 nicht ungewöhnlich, als ich dort arbeitete. Klar, es ist nicht für alles gleich gut geeignet, aber für vieles eben schon.
Auch in Wissenschaftsgeschichte wurden manche Vorlesungen in den USA schon damals aufgezeichnet. Gerade bei so kleinen Orchideenfächern ist es gut, wenn man sich als Lernende/r die schönsten Orchideen zu eigen machen kann und nicht das nehmen muss, was einem vom nächstbesten Hochstapler kredenzt wird, der glaubt, Stammtisch-Geschichten erzählen zu können, weil er für sein eigentliches Fach zu dumm (geworden) ist (die Lanze, die ich letztes Jahr fürs Fach zu brechen suchte).
Ich konnte bereits damals (vor 2010, mit haufenweise arabischen Stempeln im Pass und folglich gesunder Vorsicht, physisch nach Amerika zu reisen) Vorlesungen aus amerikanischen Elite-Unis hören.
Die Studierenden am HPI konnten Vorlesungen im amerikanischen Stanford hören, ohne persönlich präsent sein zu müssen, sondern einfach, weil es einen interessierte. Das fand ich als Lernende großartig – und jetzt, da ich mich auf dem Weg zur Professur befinde – wünsche ich mir, auch den jetzigen Studierenden diese Vielfalt der akademischen Welt bieten zu können. Ich dachte früher immer, dass ich als Lehrende versuchen müsste, möglichst viele Meinungen zu kennen und wiederzugeben – aber mit der digitalen Lehre muss ich das gar nicht mehr: Man kann auch die Vertreter dieser Meinungen selbst zu Wort kommen lassen – auch dann, wenn sie auf einem anderen Kontinent wohnen.
6) Digital gezoomte Forschung.
Das kommunizieren mit Kollegen in aller Welt mit Skype, Zoom und anderen Video-Konferenzformaten ist ebenfalls etwas, das längst selbstverständlich geworden ist.
Das sage ich zumindest aus der Erfahrung in meinen kleinen Fächern! Von den vielen Milliarden Menschen auf der Erde beschäftigen sich nur ca 10.000 mit Astronomie. Fachlich möchte ich also mit einigen wenigen engeren Kontakt haben, die aber überall auf der Welt verstreut sind (zumal sich die wenigsten aussuchen können, wo auf der Erde man seine Professur oder die nächste Stelle kriegt). Die Kollegen im Nachbarbüro sind ja auch nicht allwissend und außerdem ist es oft so, dass die Mitglieder einer Arbeitsgruppe oder eines Instituts typischerweise auf ähnlichen Gebieten arbeiten und lehren. Zwecks wissenschaftlicher Inspiration, Austausch von Methoden oder Entwicklung von Neuem rede ich also mal mit jemandem in den USA, dann in Zentralsibieren, mal in Österreich und mal in Hongkong, mal in Australien und mal in Chile…
Bei meinen Themen war das noch nie anders. Ich sehe es nicht als Folge der Pandemie, dass ich mit Kollegen Zoom- oder BBB- oder Skype-Meetings abhalte, sondern es ist eine natürliche Entwicklung, die mir ermöglicht, meinen Wohnort da zu wählen, wo es mir ländlich gefällt und ich die Freiheit zum Forschen habe: ich weiß ja, die lieben und hochgeschätzten Kollegen sind immer da – digital. Man kann sich nicht gegenseitig auf die Schulter klopfen oder umarmen (was ja bei Kollegen zwar eher selten vorkommt, aber manchmal menschelt es eben doch), aber man kann zusammenarbeiten und das ist es doch, was zählt!
Ich sehe jetzt inzwischen auch einen weiteren Vorteil: Für Fälle von fachlichen Koryphäen, die man menschlich nicht mag, erleichert die Zoomerei und Skyperei ebenfalls die Zusammenarbeit! Wenn man sich gegenseitig “nicht riechen kann”, ist das bei digitalen Präsentationen ein deutlich kleineres Problem: Das buchstäbliche Riechen des/der anderen entfällt und das Bild beim Video kann man sogar abschalten. Ich persönlich kann mich so auch besser auf die Inhalte konzentieren (das versuche ich auch bei Präsenzvorträgen möglichst, dass ich nicht den/die ReferentInnen anschaue, sondern nur die Slides oder ich schau mal ins Leere/ aus’m Fenster oder auf die Kaffeetassen anderer Leute – aber präsent ist mensch nunmal menschlicherweise von Menschen abgelenkt).
Neue Perspektiven durch neue Medien!
Das klassische Format der Ringvorlesung, das dem am nächsten kommt, wird damit neu definiert und kann eine viiiel bessere Lehre ermöglichen als sie bisher jemals existierte.
Wie immer, müssen wir (Menschen) erst lernen, diese (eigentlich gar nicht mehr) neuen Medien richtig zu nutzen (2008). Aber sobald uns das gelungen sein wird, eröffnen sie mehr Chancen als sie Probleme bereiten!!!
PS: es gibt Leute, die (z.B. in den Kommentaren im Anatomie-Blog) zunehmende Überwachung beklagen: Das halte ich für Quatsch, denn akademische Lehre sollte nach den Idealen der Universität ohnehin öffentlich und (lt. GG) frei sein und das einzige, das daran überwacht werden muss, ist die Verfassungstreue bzw. dass man sich an Menschenrechte hält.
Ja…
Das heisst: Nein.
Oder zumindest: Aber.
Fünf (absichtlich) provokante Gegenthesen:
1) “Fokus aufs Wesentliche”
Die Beschränkung aufs Wesentliche ist auch eine Form der Beschränktheit.
2) “Mehr schaffen mit besserer Zeiteinteilung”
Effizienzmaximierung steht eínem profitorientierten Wirtschaftunternehmen gut an, nicht aber einer Bildungseinrichtung
3) “mehr Zeit für Forschung, weniger Aufwand für Lehre”
Verräterisch, nicht wahr? Wo liegen denn des Hochsschullehrers Priortäten? Wie egal sind ihm denn die Studierenden?
4) “keine Terminprobleme!”
“Natürlich bieten wir Ihnen eine duale Berufsausbildung an, Herr Meier! Montag bis Freitag machen Sie bei uns 38 Stunden den Azubi, dann ham’se ja Samstag und Sonntag und alle Abende für ihr Studium.” -> Effizienzmaximierung
5) “Vielfalt lernen!”
Da mag was dran sein. Aber wenn ich dann den Einstein aus der Konserve online hab’ referieren hören, und hab’ was nicht verstanden, dann schreib’ ich ihm hinterher rasch ein email (wie war doch gleich seine Adresse?), und frag’ schnell nach.
6) “Digital gezoomte Forschung”.
Wir zommen ja gerade alles, auch die ganze Präsenzlehre. Es wird aber dennoch zur Absenzlehre – nämlich der Absenz des Diskurses, den zu führen (zumindest mir, mit den grossen Teilnehmerzahlen) auf Zoom nicht gelingen will. Dazu brauche ich die physische Präsenz eines Gegenübers. Verschriftlichter Diskurs (wie jetzt gerade hier), ist die geronnene, erstarrte Form der aktiven Bewegung des Gedankens im Dialog. Jene zu erleben, ist eines der Glücksmomente im Dasein des Akademikers.
Interessante Diskussion – und auch Helmut Wicht’s Kommentare sind aufschlussreich:
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1) “Fokus aufs Wesentliche”
Die Beschränkung aufs Wesentliche ist auch eine Form der Beschränktheit.
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Das Wort “Beschränktheit” in seiner abwertenden Konnotation halte ich
in diesem Zusammenhang für NICHT angebracht.
Gerade in der Fokussierung auf das Wesentliche kommt die wahre
Professionalität des Lehrenden zum Tragen, online oder face to face.
Grüessle Fred Allmen
1) “Fokus aufs Wesentliche”: Die Beschränkung aufs Wesentliche ist auch eine Form der Beschränktheit.
“glücklich durch Reduktion” oder “manchmal ist weniger mehr” sind wichtige Leitsätze der Didaktiken. Man muss nicht alles auf einmal machen (und das sag ich, die selbst immer alles auf einmal will).
2) “Mehr schaffen mit besserer Zeiteinteilung”: Effizienzmaximierung steht eínem profitorientierten Wirtschaftunternehmen gut an, nicht aber einer Bildungseinrichtung
Ähm … in diesem Teil geht’s eher um Flexibilität, dass man Sachen dann erledigen kann, wenn’s einem passt.
3) “”mehr Zeit für Forschung, weniger Aufwand für Lehre”
Verräterisch, nicht wahr? Wo liegen denn des Hochsschullehrers Priortäten? Wie egal sind ihm denn die Studierenden?”
Exzellente Frage! HERZLICHEN DANK für diesen Einwand!
Die Frage hab’ ich mir, ehrlich gesagt, auch schon oft gestellt, wenn Profs “jammern”, dass sie als Wissenschaftler mit der gleichen Latte gemessen werden wie Forschende an außeruniversitären Einrichtungen ohne Lehrpflicht. Da wurde bisher immer gejault “aber die müssen keine Lehre machen – ich kann nicht so viele Paper produzieren wie die…”. Mal abgesehen davon dass die Prämisse dieser Kollegen m.E. nicht gilt (es wird sehr wohl gesehen, dass Lehre Zeit kostet und gute Lehre eben mehr). Interessanterweise sind es gerade oft die, die bisher beklagten weniger Zeit für Forschung zu haben, auch die, die jetzt über die doofe Digitalisierung meckern. Zumindest in meiner Wahrnehmung der verschiedenen Institute, an denen ich mich seit dem Lockdown herumtreibe.
Ich persönlich investierte bisher meist (wenn ich überhaupt Lehren sollte/durfte) mehr Zeit in die Lehre als vorgesehen war, weil mir der Austausch mit den Studierenden eben wichtig war und ist. Und ich kenne auch zahlreiche Wissenschaftler, denen es ebenso geht – ja, ganze Unis, an denen diese Philosophie herrscht. Gewiss klangen mir bei diesem Aspekt eher die Negativbeispiele in den Ohren… vllt auch und vor allem wegen des Spotts, den man erfährt, wenn man es wagt, den Studierenden oder sogar SchülerInnen nicht bloß Vorträge darüber zu halten, wie kompliziert die Wissenschaft sei, sondern ihnen ermöglicht, etwas zu verstehen und zu lernen. …
Wenn ich diesen Kommentar lese, wünschte ich, ich dürfte meine Lehre und Forschung an der FU Berlin machen, wenn das da nicht mit Spott vergolten wird.
4) “keine Terminprobleme!”
“Natürlich bieten wir Ihnen eine duale Berufsausbildung an, Herr Meier! Montag bis Freitag machen Sie bei uns 38 Stunden den Azubi, dann ham’se ja Samstag und Sonntag und alle Abende für ihr Studium.” -> Effizienzmaximierung
Ähm … das wäre, wie ich es erfahren hatte im Studium und zur Promotion. Das ist gerade das Beispiel, wie man es m.E. nicht machen soll: ich hatte vor ein paar Monaten bereits geschrieben, dass dies ungesund ist und ich es niemandem antun möchte.
Den positiven Aspekt sah ich in der Flexibilität für die Beteiligten: Die Studis können entweder früh lernen und abends feiern gehen oder sie können länger schlafen und nachmittags lernen… wie’s gerad passt. Und die Lehrenden eben auch…
5) “Vielfalt lernen!”
Da mag was dran sein. Aber wenn ich dann den Einstein aus der Konserve online hab’ referieren hören, und hab’ was nicht verstanden, dann schreib’ ich ihm hinterher rasch ein email (wie war doch gleich seine Adresse?), und frag’ schnell nach.
Hm… glaube, da hast du was missverstanden: Ringvorlesungen sind ja naturgemäß so, dass man Gäste einlädt, aber der lokale Prof dabei ist. Ich hatte das eher so gedacht, dass man einen Originalvortrag hört, aber dann kann man ja immer noch lokal/ intern darüber diskutieren. Die Übung/ Seminar, Aufgaben/ Nachbesprechung sollte ja nicht wegfallen, nur weil man Beiträge von außen hört.
6) “Digital gezoomte Forschung”. […]
Ja, eben: Diskurs in der Forschung ist wichtig und REDEN ist viel wichtiger und Diskurs fördernder als das doofe Mailschreiben. Zwischen Menschen menschelt es nunmal, d.h. es gibt Missverständnisse etc – erst recht über sprachliche Grenzen von Fremdsprachen, verschiedenen Dialekten, verschiedenen Generationen etc. pp. All das (unwissenschaftliche Zeug, was aber nunmal zu unserem Dasein gehört) lässt sich viel besser sofort klären, wenn man spricht als wenn man nur schreibt. d’accord!!!
Aber: seit Jahren hat es sich für mich sehr gut bewährt, mit Co-Autoren oder auch Freunden ggf. per Videotelefonie zusammen zu kommen: das gilt für meine Astro-Freunde in Berlin (wannimmer ich nicht mehr in der Stadt wohnte) genauso wie für Co-Autoren in anderen Ländern oder gar auf anderen Kontinenten. Es sind ja dann bilaterale Gespräche oder mit nur wenigen (<10) Personen, so dass man erstens noch die Videos einschalten kann und nicht bloß schwarze Bildschirm-Avatars sieht (Mimik ist enorm wichtig!) und zweitens auch das Gespräch miteinander noch funktioniert – im Gegensatz zu VL, bei der einer vorne redet und 70 bis 150 Leute im Hörsaal sitzend schweigen. 😉