O-Stern!

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Wann feiern wir eigentlich Ostern? – AstronomInnen sollten die Antwort kennen. Trotzdem geht in Deutschland das Gerücht um, dass man Ostern in Russland zeitversetzt zu uns feiert, also später. Warum das Quatsch ist, will ich hier kurz notieren.

Argument I: Schließlich feiern die orthodoxen Christen auch das Weihnachtsfest später als wir. Der Trugschluss ist daraus, dass der russisch-orthodoxe Kalender gegenüber unserem verschoben sei. – Das ist nicht der Fall! Weihnachten feiern die Russen am 7. Januar, nämlich sinngemäß nach der Ankunft der drei Weisen (persischen Priesterastrologen), was wir am Vortrag das Fest der Hl. drei Könige nennen. Eigentlich ist also völlig bibelkonform, die Geburt Christi Anfang Januar zu feiern und das wirkt sich auf Ostern überhaupt nicht aus.

Argument II: Andere Menschen behaupten, das Ostern in Russland später gefeiert werde, weil der julianische und gregorianische Kalender zeitverschoben sind. Schließlich feier(t)e man die Große Sozialistische "Oktober"revolution auch im November, also später im Jahr als der Name vermuten lässt. – In der Tat ist diese Verschiebung systematisch und daher gut gedacht. ABER Ostern ist doch nicht an einen Tag im Kalender gekoppelt!

Darum: Alles Humbuck! 🙂

Eine mögliche Rechenmethode finden Sie beispielsweise unter dem Stichwort Gaußsche Osterformel.

Definition

Das Osterfest ist in der gesamten Christenheit an den Mond gekoppelt. Ostersonntag feiern wir am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Frühlingsbeginn ist – astronomisch – dann, wenn die Sonne den Himmelsäquator überquert. Also am 20. oder 21. März (das verschiebt sich ein bißchen, weil wir Schaltjahre haben).
Also ganz simpel: Man schaue also nach, wann der erste Vollmond nach dem 20. März ist. Der Sonntag drauf ist der Ostersonntag.

Aber wegen der Definition dahinter muss ebenso klar sein: Die orthodoxen Christen feiern Ostern mit uns gleichzeitig, denn hier verschiebt sich weder das Vollmonddatum noch der Standort der Sonne bezüglich der Erde (also zum Himmelsäquator).

Kultur

Ostern ist also auch in Sibirien dieses Jahr am kommenden Wochenende. Aber einen Unterschied gibt es dennoch! – In Russland gibt es keine Ferien: Nicht nur Karsamtag, sondern auch Karfreitag und Ostermontag sind in Russland normale Arbeits- und Schultage. Insbesondere haben die Schulferien auch gerade heute aufgehört: Gründonnerstag ist der erste Schultag nach den Ferien.
  
Trotzdem begrüßt man auch in Russland den Frühling mit dem Osterfest. Alte (heidnische) Bräuche sind das Bemalen von gekochten Hühnereiern und diversen Spielchen damit. Außerdem gibt es ein Spiel für die jungen Leute im heiratsfähigen Alter: Die jungen Frauen präsentieren sich und die jungen Männer wählen ihre Herzdame, während des Frühlings werden dann Hochzeiten gefeiert. (Heute wird das natürlich genauso wenig ernsthaft praktiziert wie die Traditionen in Deutschland, aber man besinnt sich gerne auf die alten Riten und Bräuche.)  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bilder zeigen eine kleine "Performance" durch Kinder der Schule Nummer Drei in der sibirischen Stadt Iskitim, wo ich mich derzeit aufhalte. Die Kinder zeigen in ihrem Spiel die verschiedenen Osterbräuche: links ein Volkstanz, rechts ein Spiel mit gefärbten Eiern. 

Die Eier werden übrigens zuhause mit Naturprodukten gefärbt, z.B. mit Zwiebelschalen. Dadurch werden weiße Eier gelblich, rötlich bis bräunlich (Abb. rechts). Zwiebeln werden mit ihren Schalen stundenlang gekocht und anschließend die gekochten Eier in die Plörre gelegt.

Grüne Farbe könnte man wohl analog mit Gras erzielen – wenn man es extra züchtet, denn hier in dem allgemeinen Matsch kann man noch kein Hälmchen pflücken. In Deutschland ist das leichter.    

Fröhlichen O-Stern Ihnen allen! 🙂

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Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

8 Kommentare

  1. Ostertermine der orthodoxen Kirche

    Entgegen dem obigen Statement sind die Ostertermine der orthodoxen Kirche als Folge des julianischen Kalenders tatsächlich häufig gegenüber dem westlichen Osterfest nach hinten verschoben. Im letzten Jahr betrug die Verschiebung eine Woche: 19.April (orthodox) gegenüber 12.April (West). In den Jahren 2010 und 2011 und erst wieder 2014 fallen die Ostertermine zusammen. Ein extremer Abstand ergibt sich 2013: 5.Mai (orthodox) gegenüber 31.März (West). Diese Termine gelten beispielsweise in Griechenland, aber natürlich auch in Russland.

  2. Schaltjahre

    Hmm, wenn wir keine Schaltjahre hätten, würde sich der Frühlingsanfang noch stärker verschieben.

  3. Julianischer / Gregorianischer Kalender

    Habe ich ein Verständnisproblem ?

    Die Ostkirchen setzen meines Wissens den Frühlingsbeginn am 21. März des Julianischen Kalenders fest, was nicht mit dem astronomischen Frühlingsbeginn übereinstimmt und damit ( durch die akkumulierten Differenzen – rund 11 Tage – aufgrund der geringfügig unterschiedlichen Jahreslängen ) zu anderen Osterdaten führt.

    Ohne mich eingehender mit den “Osteralgorithmen” beschäftigt zu haben, scheint es tatsächlich, wie von Dr. V. Witt bereits angesprochen,Differenzen zwischen den Osterdaten der Ost – und Westkirchen zu geben.

    http://www.smart.net/~mmontes/Eastdiff.html

  4. Hallo Susanne
    Die Sache lässt mir keine Ruhe, und solange das nicht geklärt ist, kann ich nicht mehr ruhig schlafen. 🙂

    Zu Irrtumsargument I:

    Sie sagen : …”Weihnachten feiern die Russen am 7. Januar, nämlich sinngemäß nach der Ankunft der drei Weisen (persischen Priesterastrologen),”… was ich so noch nie gehört habe. Meine Meinung dazu : Die russisch Orthodoxe Kirche feiert Weihnachten tatsächlich am 7. Januar (greg. Kal.), nach julianischem Kalender ist es wie bei uns der 25. Dezember. Die Differenz beträgt 13 Tage (nicht 11, wie ich im vorherigen Beitrag salopp geschrieben habe), was exakt der Differenz zwischen gregorianischem und julianischem Kalender entspricht.

    Zu Irrtumsargument II :
    Sie schreiben : …”Das Osterfest ist in der gesamten Christenheit an den Mond gekoppelt. Ostersonntag feiern wir am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Frühlingsbeginn ist – astronomisch – dann, wenn die Sonne den Himmelsäquator überquert. Also am 20. oder 21. März (das verschiebt sich ein bißchen, weil wir Schaltjahre haben). In der Tat ist diese Verschiebung systematisch und daher gut gedacht. ABER Ostern ist doch nicht an einen Tag im Kalender gekoppelt! “

    Meine Meinung dazu : Die orthodoxen Kirchen rechnen tatsächlich vom Frühlingsbeginn an und wählen dann den ersten Sonntag nach dem erstem Frühlingsvollmond als Osterdatum (sofern er nicht mit dem jüdischen Passahfest zusammentrifft). Allerdings bezieht sich die orthodoxe Kirche bei der Berechnung des Osterdatums nicht auf den tatsächlichen (d.h astronomischen) Frühlingsbeginn. Frühlingsbeginn ist, gemäss Definition der Orthodoxen, der 21. März 00.00 Uhr nach julianischem Kalender, was dem 24 März nach gregorianischem Kalender entspricht. Daher können die Osterfeste von “Ost und West” zusammenfallen, tun es aber meist nicht.

    mit freundlichen Grüssen
    Peter

  5. Danke fuer die Kommentare zum Thema. Ich freue mich, insbesondere, dass Volker Witt hier mitliest: Nachdem er schon oefter Kommentare zu meiner Arbeit zu haben scheint, freue ich mich ueber einen Diskussionspartner, der sich offenbar auch fuer meine Freizeitbeschaeftigungen zu interessieren scheint.

    Ich habe leider derzeit keine Moeglichkeit, selbst intensivere Nachforschungen anzustellen. Das kann ich erst machen, nachdem ich wieder in heimischen Gefilden sein werde – u.a. deswegen hatte ich dies ja geschrieben.

    Obgleich es dabei fast ein Aprilscherz wurde, denn fuer mich war zum Zeitpunkt des Absendens des Artikels zwischen 2 und 3 Uhr nachts – nur, dass der Spektrum-Server nach deutscher Zeit tickt.

    Herr Witt, Sie haben ja Recht, dass die Ostertermine sich verschieben, aber – wie Sie selbst richtig schreiben – heiszt das nicht, dass Ostern *immer* an verschiedenen Daten gefeiert wird.

    d.h. man kann nicht – wie bei Weihnachten – automatisch schlieszen, dass man Ostern verpasst, nur, weil man gerade zu unserem Ostern eine Russlandreise antritt. Bei Weihnachten geht das: Man kann zu West-Weihnachten in Russland noch nicht Weihnachten haben, zurueckkehren und dann – kurz vor Ost-Weihnachten – zurueckkommen, ohne hier “im Westen” Weihnachten feiern zu muessen, das dann schon gerade vorbei ist.

    Joachim Schultz, Sie haben auch Recht: ohne Schaltjahre wuerde sich Ostern noch mehr verschieben – siehe juedischer und muslimischer Kalender. Aber auch der julianische christliche Kalender hat Schaltjahre. Er hat blosz mehr als der gregorianische, der ja in vierhundert Jahren drei Schaltjahre auslaesst. Darum gehen der julianische und gregorianische Kalender systematisch, quasi “phasenverschoben” und entwickeln sich auf der Zeitskala von Jahrtausenden auseinander.

    Manche Kommentare sind mir ein wenig unklar – d.h. es ist mir unklar, was ich genau erwidern/ erklaeren soll. Daher, nochmals zu meinem Schreibstil: Ich habe hier wieder zuerst aufgeschrieben, was ich von “Leuten” gehoert habe. Wenn ich eine Meinung “diskutieren” oder erwidern moechte, dann muss ich doch erstmal die Meinung aufschreiben (auch wenn sie falsch ist), damit Sie als Leser wissen, worum es geht. Oder?

    Danke jedenfalls fuer alle Kommentare.

  6. Ostern und der Mond

    Zu dem Thema hat ein Freund von mir vor mittlerweile 2 Jahren diesen Artikel geschrieben – so 100prozentig richtet sich Ostern nämlich doch nicht nach dem Mond, sonst gäbe es keine paradoxen Ostern.
    http://www.der-orion.com/…p;id=119&Itemid=38

  7. eine weitere Geschichte aus Russland

    Als ich in der lutherischen Kirche am Ostersonntag provokativ-scheinheilig nach der Berechnung des Ostersonntags fragte und den anwesenden Pastor bat, meinen Schülern & Studis die Oster-Definition zu erklären, schmunzelte er:

    Das werde er dieser Tage sehr oft gefragt. Er erläuterte exakt das, was ich auch oben aufschrieb: Ostersonntag ist ans jüdische Pascha-Fest gekoppelt und wird mithin am ersten Frühlingsvollmond gefeiert. Darum wandert der Ostersonntag und hat kein festes Datum. – So weit war uns das klar.

    Der Pastor behauptete dann, dass der Frühlingsanfang doch schließlich der 21. März sei (was in dieser Allgemeinheit nicht richtig sein kann, zumindest nicht im astronomischen Sinn) und daraus erkläre sich die Differenz zwischen dem orthodoxen und westlichen Feiertag.

    Selbstverständlich ist im orthodoxen Kalender der 21. März an einem anderen Tag als in unserem gregorianischen Kalender. Liegt zwischen diesen beiden Terminen ein Vollmond, dann feiert die westliche Welt Ostern früher als die Ostkirche.

    Problem:
    Der Frühlingsanfang ist nicht per definitionem am 21. März, sondern dann, wenn die Sonne den Himmelsäquator überquert und dieses Datum ist für jeden Punkt der Erde wohldefiniert und der gleiche Punkt.

    Die Antwort des Pastors auf diesen vorwitzigen Kommentar:
    “Sehen Sie, Kirche und Religion sind voll von Magie und Geheimnissen. Das ist wohl eins davon.”

    – – –
    Ich danke allen hier Diskutierenden für ihre konstruktiveren Kommentare!

  8. Osterrechnung(en)

    Als Jurorin bei der Vergabe des Soemmeringpreises für Amateurastronomie durfte ich letztes Jahr eine wunderbare Arbeit zur Berechnung des Ostersonntags lesen. Die Arbeit war fachübergreifend wissenschaftshistorisch-mathematisch und extrem gut recherchiert. Sie hat den Preis dann auch tatsächlich gewonnen. 🙂

    Ich habe mir vorgenommen, sie nochmals herauszusuchen, bevor ich mein Berliner HomeOffice übermorgen wieder verlasse.

    Ansonsten sagen wohl Marias Link (danke!) und meine Annekdote aus Russland schon vieles aus:

    Allein die Tatsache, dass die Bibelgeschichte von Jesu Einzug (Palmsonntag) aus Anlass des Pascha-Festes berichtet und die Behauptung, dass Ostersonntag an den Frühlingsmond gekoppelt sei, scheinen für eine saubere Argumention nicht hinzureichen.

    Wenn ich mich recht entsinne, wird ja auch in der Bibel behauptet, dass sich bei Jesu Tod am Kreuz die Sonne verfinsterte und der Vorhang im Tempel riss. Sollte dies der Hinweis auf ein astronomisches Ereignis sein, nämlich eine Sonnenfinsternis (was umstritten ist), dann kann die ganze Geschichte nicht stimmen: Sonnenfinsternisse können bekanntlich nicht bei Vollmond auftreten und auch nicht zwei bis fünf Tage danach.

    Ich gestehe, dass ich trotz der oben genannten Lektüre (eine wiss.historische Diskussion eines Details), bisher die ursprüngliche Formel nicht mehr vollends durchdrungen im Kopf habe. Ich weiß noch, dass die Berechnung eine geschickte Rechnung von kleinsten gemeinsamen Vielfachen (kgV) ist. Lustige & typisch gaußsche Rechntricks.

    Das will ich mir aber schon lange mal wieder intensiver zu Gemüte führen und muss Sie daher noch um etwas mehr Geduld bitten.

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