Jahreszeiten, Tierkreis, Kulturkalender

Der Tierkreis ist nicht für die Astrologie erfunden worden, sondern als Koordinatensystem am Sternhimmel. Motiviert durch meine Studierenden, stelle ich hier einmal ein paar Fakten für Lehrkräfte zusammen. 

Bereits im 2. Jahrtausend v.Chr. hatten die Babylonier einen “idealen Kalender” am Sternhimmel, d.h. ein Jahr mit 360 Tagen, also 12 Monaten à 30 Tagen (so, wie es heute noch Banken verwenden). Dieser Idealkalender, dessen Tage nichts mit den observablen Sonnenaufgängen zu tun haben, sondern völlig abstrakt sind, kann als Einteilung des Himmelsäquators verstanden werden und entspricht damit unserer heutigen Himmelskoordinate Rektaszension. 

Nun liefert uns die Natur allerdings auch einen anderen leicht observablen Zyklus: die Mondphasen. Ungeschickterweise sind zwölf Mondzyklen (Monate oder korrekt: Lunationen) nicht so lang wie ein Idealjahr und der Mond läuft auch nicht auf dem Himmelsäquator, sondern auf einer Bahn, die schief zu diesem liegt. Jeden Monat steht der Vollmond vor einem anderen Sternbild (da er der Sonne gegenübersteht, sonst wäre er kein Vollmond und weil die Sonne als Projektion des Erdumlaufes scheinbar durch den Tierkreis streift). Weil man nun aber sehr leicht beobachten kann, neben welchen Sternen der Mond steht, lassen sich die Sternbilder im “Pfad des Mondes” ebenfalls sehr gut zur Orientierung im Jahreslauf verwenden. Das wurde (neben dem oben erwähnten Idealjahr) auch bereits seit Jahrtausenden gemacht. 

Wozu man einen Kalender braucht, liegt ja auf der Hand: Er dient zur Vorhersage des Klimas in nächster Zeit, so dass man den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat des Getreides und um das Vieh auf die Weiden zu bringen bestimmen kann. Für die hier oft fälschlich mit genannte Ernte orientiert man sich übrigens nicht an den Sternen, sondern man holt sie vom Feld, wenn die Früchte reif sind. 

In der Mitte des 1. Jahrtausends haben dann Astronomen in Babylon versucht, diese beiden Konzepte (Jahreszeiten, also Sonnen=Sternkalender und Mondlauf) zu vereinen: sie haben den idealen Kalender am Himmelsäquator auf den observablen Mondpfad projiziert. (Wieso, weshalb, warum sie das taten, weiß ich nicht: Das erforschen gerade klügere Leute als ich an der FU Berlin. Ich beobachte nur, dass es so war.) So wurde der Tierkreis geboren, der über die Astrologie bis heute weiter genutzt wird. In ihm haben die zwölf Teile des Idealjahres keine Monatsnamen, sondern Namen von Sternbildern, die dahinter liegen. Für uns mag das umständlich wirken, aber man sollte bedenken, dass es vor unserem (römischen) Kalender keinen derart gleichmäßigen Kalender gegeben hat: Bei Mondkalendern wandern ja die Monate durch die Jahreszeiten, so dass die Sterne den einzig zuverlässigen Takt geben. 

Da für viele meiner Studentinnen das Thema unmittelbar relevant für die Schule ist, habe ich ihnen eine Graphik erstellt, die ich hiermit auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. 

Für die Schule könnte man idealerweise die vier Ringe ausschneiden und mit den Schülerinnen und Schülern systematisch von innen nach außen aufbauen: 

Von innen nach außen: 

  • Jahreskreis (unsere zwölf Monate)
  • die vier Jahreszeiten wie sie in Mitteleuropa definiert sind, also an den Beginn er Monate geknüpft (es wird “meteorologisch” genannt, hat aber mit dem Wetter/ Klima nichts zu tun). 
  • die vier Jahreszeiten, wie sie wirklich in der Natur stattfinden: das kalte Winterklima ist ja von Anfang/Mitte November bis Anfang/ Mitte Februar und die Wintersonnenwende ist in der Mitte dieses Zeitraums (siehe mein Blogpost im Feb.2019)
  • die Jahreszeiten-Definition, die “astronomisch” genannt wird und deren Grenzen die Sonnenwenden und Tag- und Nachtgleichen sind: Dieses Jahr ist eingeteilt in zwölf “Sternzeichen”, also zwölf Abschnitte, die exakt gleich lang sind (Idealkalender), aber Namen von Sternbildern haben (siehe auch mein Blogpost zu Sternbildern letztes Jahr)
  • Markierungen ganz außen (lila): die wahre Länge der Sternbilder, die den Monaten des Idealkalenders ihre Namen gaben. 

Beachten Sie: die Sternzeichen-Monate sind gegenüber unseren Monaten um ca. zehn Tage versetzt; sie beginnen nicht nach dem 30sten Tag, sondern nach dem 20. Tag eines Kalendermonats. Zehn-Tage-Wochen waren im Alten Babylon unbekannt, jedoch im Alten Ägypten gebräuchlich. Was das über den Ursprung des Tierkreises sagt, fällt ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der schlaueren Kollegen an der FU Berlin. 

 

Grafik zu edukativen Zwecken: SMH 2023

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

7 Kommentare

  1. und der Mond läuft auch nicht auf dem Himmelsäquator

    Er überquert diesen allerdings zweimal im Monat. Und die Sonne tut dies zweimal im Jahr (im März und im September)
    Und weil vielleicht nicht jeder weiß, wo genau der überhaupt am Himmel zu finden ist, kram ich mal wieder in meiner Geogebra-Mottenkiste und hol das da hervor.
    https://www.geogebra.org/m/xapjh4xc
    Der Breitengrad von Mainz (50°) ist ja schon am ersten Schieber eingestellt. Am zweiten Schieber lässt sich die Deklination einstellen. Der Himmelsäquator liegt da bei 0°. Stellt das mal ein, dann habt ihr einen rechten Winkel vor euch. Der eine Schenkel zeigt zum Himmelspol (das ist ungefähr da, wo sich der Polarstern befindet.) Der andere zur Sonne am Frühlings oder Herbstanfang.
    Und nun bringt die Animation zum Laufen (entweder mit dem t-Schieber oder mit der Playtaste unten)
    Und nun wechselt von der Seitenansicht zur Ansicht Nord. Der Himmelsäquator liegt also bei einer Deklination von 0°. Für sommerliche Deklinationen stellt ihr positive Werte ein und für die Winterszeit negative Werte. Auf der Südhalbkugel ist es natürlich genau umgekehrt.
    Heute haben wir etwa eine Deklination von -13,8°
    siehe auch
    https://heavens-above.com/
    Ich hoffe nun, dass man sich mit ein wenig Spielen einen Überblick verschaffen kann, wie die Sonne sich an jedem Ort der Erde zu jeder Jahreszeit bewegt.

    Zehn-Tage-Wochen waren im Alten Babylon unbekannt, jedoch im Alten Ägypten gebräuchlich.

    Warum lassen sie da den französischen Revolutionskalender unerwähnt? Der hatte 12 Monate zu je 3 10Tagewochen und 5 bis 6 Zusatztage vor Neujahr(Herbstdeklination 0°).
    Leider wurde der von Napoleon wieder abgeschafft.

  2. “Warum lassen sie da den französischen Revolutionskalender unerwähnt?”

    bei so einer Aussage würde ich meinen Studierenden “Thema verfehlt” dran schreiben: Solange Sie nicht die Existenz einer Zeitmaschine unterstellen, ist der frz. Revolutionskalender für die Erfindung des Tierkreises (rund 2000 Jahre zuvor in anderer Klimazone) völlig wurscht.

  3. @Frau Hoffmann
    Sorry für meine thematische Entgleisung
    Ich möcht nur mal kurz erklären, wie ich mein Sternbild ermittle.
    https://heavens-above.com/
    Erst mal sollte man seine geografischen Koordinaten eingeben und gegebenenfalls für die nächste Sitzung speichern.
    Dann die interaktive Sternkarte anklicken. Den Bildschirmzoom stelle ich auf 80% und geh dann auf Vollbildschirm. Das hat den Vorteil, dass die ganze Sternkarte sichtbar ist und man mit den +- Tasten bequem das Datum tageweise rauf und runter schalten kann. Man achte noch darauf, dass unterhalb der Sternkarte Ekliptik, Himmelsäquator und Sternbildgrenzen aktiviert sind.
    Geboren bin ich an einem 30.Dezember. Dann stell ich mal ein 30.12.2022 und die Uhrzeit so ein, dass die Sonne sichtbar ist. Den Mauszeiger bewege ich dann auf die Sonne und stell fest. Ich bin Schütze! Und meine ganz Kindheit und Jugend dacht ich, dass ich Steinbock wäre!
    Dann klick ich solange im Datum hoch, bis die Sonne die Schütze-Steinbockgrenze überschritten hat. Und das ist erst am 20.Januar der Fall!
    9 Tage nach der Wintersonnenwende stand die Sonne schon mal im Steinbock. Das war allerdings zu der Zeit, als die Babylonier die Astrologie erfanden.
    Erzählt das aber ja keinem eingefleischten Astrologen. Die können manchmal sehr säuerlich auf solche Aufklärungsarbeit reagieren.

    Zum Schluss möchte ich noch ein klein wenig Kritik anbringen. Warum verwenden sie in ihrer Grafik lateinische Sternbildnamen? Ich selbst habe in meiner Schulzeit Französisch statt Latein gewählt. Soll ich jetzt etwa nochmals eine neue Fremdsprache lernen?

    • Danke, Herr Apostata, für Ihr Geogebra-Tool und die Beschreibung. Es ist schön, dass Lehrkräfte hier ihre Materialien teilen! Herzliche Einladung an alle anderen, es Ihnen nachzutun.

      “Warum verwenden sie in ihrer Grafik lateinische Sternbildnamen?”
      Weil das die offiziellen sind! Es gibt kein Sternbild “Steinbock”: Es gibt nur das Sternbild, dessen Name “Capricornus” ist, wobei manche Leute sich an Übersetzungen versuchen, die meisten falsch sind. Wörtlich heißt es im griechischen Original “der Ziegengehörnte” und bezeichnet eine Figur, die Ziegenhörner hat (über den Rest des Körpers wird mit diesem Namen keine Aussage getroffen). Die Mythologie verknüpft es mit dem Gott Pan oder Agipan, aber jeder Grieche und jeder Römer wusste, dass diese Figur auf Sternkarten immer als Mischwesen zwischen Ziege und Fisch abgebildet wurde: Das Wort “Ziegenfisch” existiert aber auf Griechisch und Latein nicht, sondern ist das babylonische Originalwort. Sprich: schon die griechische Übersetzung (und danach die lateinische) verheimlicht oder verschleiert also das Aussehen der Figur am Himmel und die deutsche Übersetzung (Steinbock: wie das Tier in den Alpen) ist schlicht und ergreifend falsch.

      Darum empfehle ich die Namen der Sternbilder so zu lernen, wie sie seit 1928 international in der Fachwissenschaft festgelegt wurden (latein).

      Auf die Frage “Soll ich jetzt etwa nochmals eine neue Fremdsprache lernen?” antworte ich, dass mir das für den Astronomie- und Sachkundeunterricht ziemlich egal ist und überlasse das Ihren Vorlieben. In der Tat sollte aber das Lernen von zweimal 88 Vokabeln (offizielle Namen der Sternbilder im lateinischen Nominativ und Genitiv) genauso zur Grundbildung in Astronomie gehören wie das griechische Alphabet in Mathematik. (Bei mir war das in der Ausbildung zur Astronomin Prüfungsgegenstand.)

      Weiterer Vorteil:
      Damit werden die Sternbilder-Namen als Eigennamen gelernt und nicht als übersetzte/ verstehbare Vokabeln. So wie “Cassiopeia” und “Cepheus” ja auch Eigennamen von Personen sind, deren Wortherkunft uns nicht (mehr?) klar ist und so wie Kinder in die Namen anderer Kinder lernen, ohne sie übersetzen zu wollen. Wer weiß schon, dass mein Vorname das hebräische Wort für “Lilie” ist? Der Name ist auf der ganzen Welt verbreitet, aber wird (fast) nirgends verstanden, sondern als Klang- oder Schrift-Zeichenfolge mit Personen verknüpft.
      Wenn wir es mit Sternbild-Namen genauso machen, sparen wir uns nicht nur das Teenager-Gekicher, wenn ein Klassenkamerad sagt er/sie/es sei “[Sternzeichen] Jungfrau”, sondern auch die Fehlvorstellung, dass man Sternbilder am Himmel als diejenigen Figuren erkennt, die wir aus den Worten zu verstehen glauben.

  4. Erläuterung und Darstellung gefallen mir gut.
    Anfangs hatte ich gestutzt, da die Lese-Folge “im Uhrzeigersinn” ist, die zeitliche Abfolge aber “gegen den Uhrzeigersinn” läuft. Allerdings passt die Anordnung so zum üblichen Blick auf den südlichen Himmel. Da erkennt man Leo “links” von Gemini. Mmh, nachher beim abendlichen Spaziergang drauf achten.

    • Danke für den Hinweis: Meine Lesefolge ist tatsächlich nicht “im Uhrzeigersinn”, sondern “mathematisch positiv”. Daher passt sie automatisch zum Anblick am Himmel – ist vllt mir auch der Anblick des gestirnten Himmels schon zur zweiten Natur geworden?

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