Internationale Jugend-Astronomie in Berlin:

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

100 Stunden Astronomie im SpaceCamp in Berlin und Yuri’s Night, das alles zum Fest der heißen O-Stern(e)

Sogar nach zehn Stunden Reise von Nowosibirsk über Moskau nach und durch Berlin waren die TeilnehmerInnen des Internationalen SpaceCamps nicht zu bremsen: Es wurde unter dem halbwegs klaren Berliner Himmel Mond, Saturn, Plejaden und vieles mehr angeschaut. Nicht nur aus Nowosibirsk kommen die Leute im SpaceCamp, sondern auch aus Stuttgart, Berlin, Heidelberg, Ludwigshafen, Hamburg und anderen Orten. Die internationale Mischung passt vorzüglich zum Internationalen Jahr der Astronomie, denn die Kommunikation der Teilnehmenden läuft auf Englisch, Russisch und Deutsch hochgradig multilingual.

Es war ein warmer Apriltag, als die 30 Teilnehmenden des SpaceCamps im Jugendraumfahrtzentrum im FEZ eintrudelten: Mittags kam die Gruppe aus Sibirien an und im Laufe des Nachmittags die Personen aus den deutschen Ländern. Vom S-Bahnhof konnte man entweder 20 Minuten laufen oder die Parkeisenbahn nehmen, um zur Unterkuft in der Parkmitte zu gelangen.

 

Am Samstag wurde noch bis spät in die Nacht beobachtet! Sterne gucken ist glücklicherweise wunderbar völkerverständigend und international – Saturn hat überall den gleichen Namen, die Mondgebirge auch und als gestern der Krater Eratosthenes noch fast am Terminator stand, konnte man sich auch über die Schattenspiele auf dem Mond wunderbar freuen. Erst mitten in der Nacht kehrte Ruhe ein und doch waren alle wieder um 9 Uhr pünktlich und fit beim Frühstück.

Das Programm der ersten Tage war gewaltig: 5.4.

Vormittag

Die Gruppe wurde geteilt und während eine Hälfte bei einem GPS-Orientierungsspiel das Gelände erschloss, begleitete ich die andere Hälfte der Gruppe beim Raketenbau. Nach einer kurzen Einführung ins Raketenthema durch den ehemaligen Leiter des Raumfahrtzentrums, Werner Bachmann, begann man eigene Raketen zu basteln. Er berichtete von den Anfängen der großen Raketen im 20. Jahrhundert, also den Pionieren vor allem in Russland (K. Ziolkowski) und Deutschland (Hermann Oberth, später Wernher von Braun) und dem Amerikaner Goddard, der zeitgleich mit Oberth mit Raketentriebwerken experimentierte. Zum Schluss gab er noch auf einen Ausblick auf moderne aktuelle und visionäre Triebwerktechniken, von den Feststoffboostern der SpaceShuttle bis hin zu Ionenantrieben.

Hier und jetzt mussten wir uns jedoch auf den Bau von kleinen Experimentalrakten beschränken: Zunächst wurde eine leere 1,5-Liter-Getränkeflaschen mit Leitwerken aus dünnem Holz versehen. Dann erhielt sie als "Spitze" einen Schaumball, damit sie nach ihrem ballistischen Flug nicht beschäddigt wird, sondern wiederverwendbar zu Boden fällt. Zum Schluss darf man der Rakete noch einen Namen geben und sie verzieren.

Ist die Rakete gut ausbalanciert und die Leitwerke gleichmäßig ausgerichtet, dann kann sie 50 bis 60 m Höhe erreichen. Deshalb finden die Starts solcher Raketen möglich an weniger bevölkerten Plätzen statt. Die Gruppe wanderte daher mit Startrampe, Wassertanks und Luftpumpe zum nahen Boltzplatz. Alle Bastler starteten dann ihre Raketen: Sie wurden zuerst mit 0,5 l Wasser befüllt. Auf der Startrampe wartete dann die Rakete auf ihren Start, während sie zusätzlich mit Luft befüllt wurde. Natürlich bestimmen Druck und Gewicht die Flughöhe, nachdem man an der Reißleine gezogen hat. Dennoch wurden Messreihen aufgenommen, indem jeweils fünf Raketen bei gleichem Druck gestartet wurden und die jeweils längste Flugdauer dann den ersten Platz in der Gruppe belegte.

Nach dem Mittagessen gab es einige Kennenlernspiele und es wurden Schul-T-Shirts vom Aerokosmischen Lyzeum als Gastgeschenke der russischen Seite überreicht.

Abendprogramm: Yuri’s Night

Anlässlich des Flug-Jubiläums von Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All am 12.4. 1961, wird überall auf der Welt dieses Jubiläum gefeiert. siehe auch Eugen Reichls Beitrag! Da der Termin dieses Jahr auf den Ostersonntag fällt, hat das Raumfahrtzentrum "orbitall" des FEZ die Feierlichkeiten vorverlegt. Heute wurde die "Yuri’s Night" mit spaciger Musik, eigenem Getränkeverkauf und zwei Fachvorträgen gefeiert. Es gab einen Vortrag von dem Journalisten und Gagarin-Spezialisten Gerhard Kowalski. Er erzählte uns seine persönliche und die von ihm recherchierte "Gagarin-Story", d.h. er berichtete nicht nur die offizielle Biografie des ersten Menschen im All, der seinerzeit zum Volkshelden der Sowjetunion stilisiert wurde. Außerdem berichtete der Referent auch von persönlichen Kontakten zu der Familie des Kosmonauten, der sieben Jahre nach seinem glorreichen Weltraumflug bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam.

Immerhin wissen wir jetzt, dass Herr Kowalski jeden Freitag um 17 Uhr mit der Gagarin-Witwe telefonieren darf und ein Foto von ihr mit persönlicher Widmung besitzt. Außerdem sahen wir ein Beweisfoto, dass er die Tochter des Kosmonauten einmal umarmen durften. Glückwunsch, Herr Kowalski, dass Sie so enge Kontakte zu der Familie hegen! Mit diesen Hintergrundinfos wirkt es natürlich auch viel glaubwürdiger, wenn Sie die (inzwischen öffentliche) Liste an Geschenken des Sowjetstaates an seinen Volkshelden vortragen.

Gagarin hat nämlich nach seinem Flug neben dem Sold auch eine komplett ausgestattete, möblierte Wohnung für sich, ein Häuschen mit Garten für seine Eltern sowie Sommer- und Wintermäntel u.a. bekommen.

Vortrag II 

Anschließend berichtete Uli Köhler vom DLR Berlin in einem einstündigen Vortrag über aktuelle Erkenntnisse zur Marsforschung. Viele hübsche Bildchen, die mit der deutschen Hochleistungskamera aufgenommen worden waren, zeigen mittlerweile ein dreidimensionales Bild vom Mars.

Beide Fachvorträge wurden auf deutsch gehalten und von der Co-Organisatorin des Camps, Nina Mut, simultan ins Russische übersetzt: Die deutsche Abiturientin leistete außerordentliches an diesem Abend, denn es waren wörtliche Übersetzungen, wie sie sogar professionelle Fachübersetzer nur nach jahrelanger Übung absolvieren. Was diese junge Frau hier aus dem Stehgreif (ehrenamtlich!) geleistet hat, ist sicher anspruchsvoller als die Leistung der beiden Referenten!!!

Mit einem weiteren Beobachtungsabend klang auch die Yuri’s Night aus. Der Himmel war schon deutlich wolkig und der Mond hatte sogar in den Wolkenlücken einen Hof. Dennoch beobachteten viele noch einmal Saturn, Mond und offene Sternhaufen, bis gegen 22 Uhr der Wachschutz des öffentlichen Gebäudes drohte.


Wo sind wir in Berlin?

Beide Karten: Google-Maps, nachbearbeitet durch SMH

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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