Habilitation
Warum machen wir das? Nichts ist überflüssiger im deutschen “Qualifikations”system als die Habilitation:
- Es ist eine Forschungsarbeit, die einen angeblich für Lehre qualifiziert. Neben diesem offensichtlichen Widerspruch in der Konzeption, hat sie die Konsequenz, dass sie überhaupt nicht für den Job qualifiziert, den man mit ihr bekommen könnte (eine Professur, d.h. eine Arbeitsgruppenleitung, bei der man eben nicht allein vor sich hin forscht wie bei der Habil., sondern andere anleitet, Mitarbeiterführung hätte lernen müssen, Umgang mit Menschen, Lehre und Drittmitteleinwerbung…).
- Wenn es also eine Qualifikation zur HochschulLEHRkraft wäre, sollte man dann nicht – wie GymnasialLEHRkräfte – bei Lehramt-Ausbildenden (Fachdidaktiker:innen) eine Prüfung ablegen?
- Die Forschungsarbeit bestätigt nur, dass man das, was man in der Promotion gemacht hat (selbstständige Forschung) auch wirklich kann, also auch dann, wenn man nicht unter der Fuchtel der Doktoreltern ist.
- Mit der Habilitation hat man noch keine Professur (keinen Job), sondern erstmal nur den Stempel von ein paar Professoren, dass man für eine solche qualifiziert ist. Es ist also nur eine Art Meisterbrief, mit dem man sich bewerben kann – allerdings kann man sich auch mit den gleichen erbrachten Leistungen bewerben, ohne den Stempel. Außerhalb von ein paar Ländern Zentraleuropas (.de, .at, .ch, .fr, .pl) gibt es die Habilitation nämlich gar nicht, sondern Promovierte können sich zu Professoren einfach weiterentwickeln (wie auf jeder Stelle des Arbeitsmarktes): tenure track, denn “Doktor” kommt von “docere”=”lehren”.
Es ist üblich, dass die Habilitierten einer Fakultät dort (sofort nach der Prüfung) auch lehren. Dazu macht man das ja eigentlich. Nun gestaltet sich dies aber in praxi recht verschieden:
Die akademische Prüfung (Habilitationsverfahren) führt normalerweise
- zu der Erlaubnis, an einer bestimmten Fakultät an einer bestimmten Universität zu lehren (facultas docendi)
- an vielen Unis/ Fakultäten wird damit sofort auch die Pflicht verbunden, dort zu lehren (venia legendi = Große Lehrbefugnis): und zwar gratis!
- Man hat keinen Job (lebt schlimmstenfalls von Hartz IV), aber die Verpflichtung gratis zu arbeiten. WIESO lässt das die Agentur für Arbeit eigentlich zu?
- Aus Sicht der Hochschule hat das die Konsequenz, dass das Lehrdeputat der Habilitierten auf das Gesamtdeputat der Fakultät (oder des Faches innerhalb der Fakultät) angerechnet wird, was nicht immer gut für die anderen Profs bzw der Fakultät als Ganzes ist und diese dann individuell unterschiedlich gern sehen.
Zu diesem system-immanenten Unsinn kommt aber:
- Die Lehrerlaubnis / -pflicht gilt nur an der konkreten Universität, an der die Prüfung abgelegt wurde. Sollte man also das Glück haben, nicht nur den Stempel von ein paar Profs, sondern tatsächlich einen Ruf an eine andere Universität (Job!) zu bekommen, muss man sich um-habilitieren. Faktisch ist das zwar nur eine Formsache, aber man muss sich einmal die (A)Logik klar machen: Da legt jemand eine Berufsprüfung ab, d.h. ein Gremium von Leuten mit Titel und fester Stelle (die auf der Stelle sitzen, weil sie dazu ernannt wurden und nicht unbedingt, weil sie dafür qualifiziert wären) bescheinigt dieser Person dann eine bestimmte Fähigkeit – aber nur an einem bestimmten Ort. Wieso sollte dieselbe Person nach dem Umzug in eine andere Stadt das nicht mehr können? Stellen Sie sich doch mal vor, Ihr Abitur wäre nur an Ihrem Heimatort gültig! ->?<- Das ist genauso mittelalterlich wie das gesamte System.
- Die Profs, die der Person “Lehrfähigkeit” bescheinigen; haben diese Fähigkeit oft selbst nicht, denn sie haben sich ja ebenfalls mit einer Forschungsarbeit zur Lehre “qualifiziert”. Professoren im alten System (in dem die Habil. verpflichtend war) können also (meist) gut forschen, aber oft nur schlecht lehren: Wenn z.B. (um es zu überspitzen) jemand im Lehramt ausgebildet ist und fachliche Forschungsarbeiten erbracht hatte, wozu braucht diese Person dann noch den “Stempel” von Leuten, die das HochschulLEHRamt bereits bekleiden, aber selbst viel schlechter sind in diesem Beruf bzw. ihn faktisch nicht gelernt haben?
- Im deutschen akademischen System gibt es fast nur befristete Stellen. Da es umgekehrt arbeitsrechtlich unzulässig ist, qualifizierte Leute befristet anzustellen, muss man für Befristungen auch an Universitäten stets Gründe angeben und der Grund ist dann oft/ meist “Weiterqualifikation”. Wenn aber jemand habilitiert ist, kann er nicht höher qualifiziert werden und es gibt keine Begründung mehr für eine befristete Anstellung. Unbefristete Stellen gibt es ebenfalls fast nicht, so dass die Person dann gar nicht angestellt werden kann – nicht einmal befristet. Eine Habilitation zu haben, ist also in diesem Fall sogar job-hinderlich, weil man nicht mehr einstellbar ist (nicht einmal auf befristeten Stellen).
Ich frage mich (und andere) daher seit langem: warum sollte man das tun?
Die Antwort, die ich von vielen Professoren höre, ist irgendwas zwischen “mir hat es auch geholfen” und “Forschung macht Spaß; das macht man gern und der Prüfungsaufwand danach hält sich in Grenzen, also kann man es auch tun”. Für mich klingt das nach einem System, das dadurch am Leben gehalten wird, dass die Personen, die ein Amt bekleiden, zu wenig über die Qualifikation dazu nachdenken (als Beamte haben sie es nicht nötig zu denken?*herausforderndskeptischguck*) bzw. dadurch, dass diese Personen sogar glauben, dass ihnen das “Betreuen” von Habilitationen “reflected glory” beschert wie Promovierende.
Hierbei fragt sich zwar, was genau an der Habilitation (d.h. der selbstständigen Forschung durch PostDocs, also Leuten, die bereits durch Doktorarbeiten bewiesen und bescheinigt bekommen haben, dass sie selbständig forschen können) zu betreuen sein soll, aber das sei mal dahingestellt (system-immanenter Unsinn, siehe oben). Gute Leute wollen eigentlich früh selbständig sein – und haben auch kein Problem, etwas von der “glory” zu reflektieren.
Der Gewinn für die Professoren erscheint damit klar (kreative Forschung am eigenen Lehrstuhl, die man nicht selbst machen muss, sachdienlicher Input von Kollegen im Transit, da ja einer der Sinne der PostDoc-Phase ist, dass man durch wechselnde Arbeitsgruppen+Chefs zum Austausch beiträgt, bzw. natürlich für die Profs auf den festen Stellen bestenfalls eine Belebung der eigenen Forschung… & kein systemisches Denken nötig: “das hamwa schon imma g’macht, da könnte ja jeder kommen”), aber was ist der Gewinn für die PostDocs, die sich dem Verfahren unterziehen und damit weder eine Gehaltserhöhung noch eine Anstellung haben und sogar weniger Job-Chancen als vorher?
Und wieso ist das dann überhaupt arbeitsrechtlich zulässig? Und was sagt die BAA dazu?
Auf einer Tagung vor ein paar Monaten sagte mal eine sehr ehrliche, habilitierte Postdoktorandin, die jetzt in einem anderen Job ist: “naja, eigentlich war es für mich eine Ausrede, um länger in der Forschung arbeiten zu können”.
All das bringt mich nicht weiter.
Ich bin immer noch ratlos: Wozu sollte man das tun?
- Ja, ich will eine gut bezahlte feste Stelle als Astronomin!
(und Achtung: meine Astronomie hat nichts mit romantisierter Sternguckerei zu tun; das mache ich als Hobby gern (wie viele andere Outdoor-Aktivitäten), während meine Wissenschaft am Computer passiert) - Ja, es ist in meinem Fach ein guter Job, an der Universität zu arbeiten (in der Physik nicht: da gehen gute Leute in die Wirtschaft und nur die schlechten bzw. Idealisten bleiben an der Uni; in meinem Fach nicht), nur Forscherin am Max-Planck-Institut (bzw. einer außer-universitären Forschungsinstitut) wäre noch besser.
- Ja, ich bin (im Gegensatz zu so manchen Profs) jederzeit bereit, mich weiter zu qualifizieren. Das macht ja gerade Forschung aus, dass man täglich dazu lernt: zum Wohle der Menschheit.
Ich möchte etwas beitragen, etwas hinterlassen, die Menschheit als ganzes weiterbringen. - Aber warum habilitieren? ??? ???
Warum dieses Verfahren?
Die Qualifikations-Leistung (also quasi Ausbildung, sich beweisen), um die Universitätsprofessur oder die MPI-Arbeitsgruppe zu verdienen, habe ich doch auch ohne den professoralen Stempel nachweislich erbracht: siehe Publikationen, siehe Lehrproben, siehe jahrelange Erfahrung als Führungskraft, in Gruppenleitung etc. … - Ja, solange es nicht wehtut und den Aufwand in Grenzen hält bei großem Nutzen, kann man es machen. Aber ich sehe den Nutzen (noch) nicht.
Ich schlage vor, das System zu reformieren. Und zwar nicht so wie vor ~20 Jahren durch optionales Qualifizieren durch Junior-Professuren, was von den konservativen Beamten auf den Lehrstühlen ignoriert wird, sondern durch eine faktische Abschaffung der Habilitation und ihr Ersetzen durch eine Qualifikation, die eine echte Berufsperspektive liefert.
Ich gebe zu, dies erfordert, dass man sich darüber im Klaren sein muss, was man will. Das ist aber keine schlechte Eigenschaft von Führungskräften (und eine solche will man ja werden mit dieser Qualifikation).
- Man muss verstanden haben, dass Forschung und Hochschullehre kein Spiel ist, sondern ein Beruf, bei dem es auf berufliche Fähigkeiten, kluge Gedanken & innovative Methoden und nicht auf einen Stammbaum von Akademikern ankommt.
[Woher auch immer dieses kluge Zitat stammt: “Einen Stammbaum braucht nur, wer selbst nichts eigenes leisten kann.“] - Man muss akzeptieren, dass berufliche Qualifikationen die Funktion haben, die Person im Beruf weiterzuentwickeln. Im Gegensatz zur Grundschule, wo man lernt um des Lernens willen, haben berufliche Qualifikationen die Aufgabe, einen Menschen für eine bestimmte Art von auf dem Arbeitsmarkt gefragten Tätigkeit speziell zu schulen. Wenn man sich also einer Berufsschule und Prüfung unterzieht, dann erwartet man, hinterher a) mehr Geld, und b) besseren Job.
Das gesagt: Wer mir garantiert, dass ich das (mehr Geld, besseren Job) nach der Habilitations-Prüfung bekomme, bei dem lege ich diese Prüfung gerne ab. Solange die Habilitation aber nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) für Universitäten (bzw. insbes. deren Verwaltung) ist, halte ich die Habilitation für nicht zielführend.
Danke für die Kommentare zu meinen Posts:
Genauso fühlt sich das oben beschriebene an.
Bezeichnenderweise habe ich so etwas (nur länger) auch als E-Mail an meine Dienstanschrift erhalten, als ich dereinst eine befristete Stelle mit dem Qualifikationsziel “Habilitation” antrat. Hier ist es als öffentlicher Kommentar geschrieben, darum darf ich es auch veröffentlichen (E-Mails nicht: die sind seit etwa zehn Jahren juristisch Briefen gleichgestellt und unterliegen daher lt. Grundgesetz dem Briefgeheimnis: auch eine Sache, die so mancher Prof mal lernen sollte…).
Nachtrag vom 21.03.
- hier das Eckpunkte-Papier des BMBF zur geplanten Gesetzes-Novelle:
“Es wurden deutliche Unterschiede bzgl. der Konturierung des Postdoc-Bereichs sichtbar, die von einer Beibehaltung des Status quo bis zur vollständigen Abschaffung der Qualifizierungsbefristung nach der Promotion reichen.” - Die Reaktion der DPG habe ich unten verlinkt.
- innerhalb von kürzester Zeit haben sich viele hundert Professor*innen sowie die Gewerkschaften gegen diese politischen Pläne (nicht nur bzgl. PostDocs, sondern des Gesamtpapiers freilich) positioniert
- Aufgrund dieser Kritik hat das BMBF zu neuen Gesprächen eingeladen.
- Die Gewerkschaften rufen zu Demonstrationen auf.
Ein interessanter Beitrag.
Als Nichtbetroffener, denke ich, dass die Habilitation unbezahlt bleibt um den Zugang zum Professor zu erschweren. Professor kann man nur werden, wenn eine Professorstelle frei wird, oder nicht ?
Da wird Idealismus vorausgesetzt. Oder ist das alles nur ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört.
Das ist genau die Frage, die ich hier stelle. Es gibt einerseits die Jobsituation. Wenn eine Stelle frei wird, dann wird eine Nachfolge gesucht und dann wird bei den Bewerbungen geschaut, ob sie die Person eignet. Soweit so logisch. Doch was macht eine Person geeignet? Die Tatsache, dass sie den Tätigkeitsbereich erfüllen kann (bzw die Jury aus lauter Leuten, die es nicht können, der Person das zutraut, was am besten dadurch geht, dass die Person es schon mal gemacht hat, also sich in den Job hinein entwickelt hat) oder die Tatsache, dass sie einen Stempel von anderen Personen hat, die schon auf solchen Stellen sitzen – einen Stempel über etwas, das eigentlich gar nichts mit der Aufgabe zu tun hat?
Es gibt andererseits die Forschungssituation:
Wir brauchen kluge Ideen, Kreativität, Logik und gut umgesetzte Forschung auch bei Leuten, die nicht Professoren (Lehrer) sind. Warum sollten diese dann keine Stellen haben (können)?
Susanne M. Hoffmann
Eine ähnliche Situation gab es bei der Deutschen Bundesbahn. Es gab die untere, die mittlere und die gehobene Beamtenlaufbahn.
Wenn also ein Beamter aus der unteren Beamtenlaufbahn eine Arbeit verrichten musste, die zur gehobnen Beamtenlaufbahn gehörte, etwa ein Amtmann, dann wurde der nicht nach einem Amtmann besoldet sondern nach der unteren Beamtenlaufbahn.
Und die Einteilung nach den Laufbahnen richtete sich nach dem Schulabschluss.
Unten, Hauptschule , Mitte, Realschule , Gehoben, Gymnasium.
Wer also habilitiert, der bleibt trotzdem eine Stufe tiefer.
Ob sich unsere Gesellschaft dieses mittelalterliche Ständesystem weiter leisten kann, bleibt zu bezweifeln.
Deswegen findet der technische Fortschritt heute bei der Industrie statt und bei privaten Forschungseinrichtungen.
Ein paar Punkte zur Habilitation/wiss. Verbeamtung:
– Eines von 10 Akademikerkindern promoviert, eines von 100 Nicht-Akademikerkindern –> wiss. Karriere ist v.a. soziale Auslese, das Leistungs- bzw. Qualifikationsprinzip dass Sie sinnvollerweise fordern spielt nur eine untergeordnete Rolle
– Ich kenne eine Biophysikerin die zuletzt nach Leitungs eines Forschungsprojekts, erst eine Juniorprofessur bekam mit anschliessender geplanter Professur an der Uni, dann ein Professur von einer anderen Uni angeboten bekam und daraufhin von ihren momentan Uni die volle Professur ohne die 4-6 Jahre Juniorprofessur abzuschliessen oder habilitiert zu haben. Man bzw. Frau muss sich eben untentbehrlich machen bzw. reicht Vitamin B wohl auch, Frauenquoten nutzen UND Physikerin sein. Formal sollte das bei Ihnen ja daher auch einfacher sein, aber in der Astrophysik ist der Kampf um Pfründe, Forschungsgelder und feste Stellen ja besonders groß, deswegen bin ich persönlich nach Wahlfach Astrophysik dann bei der Diplomarbeit ausgestiegen.
– Die FHs wenden ja schon so ein Modell an, dass Leute aus der Wirtschaft ohne Hablititation aber berufl. Qualifikation Professor werden können, für ihren Vorschlag müssten Sie also wie bei der Promotion etwas ausarbeiten, was die Unis OHNE Habiltitation dann noch von den FHs unterscheidet 😉 Siehe erster Punkte, da könnte ja jeder Uni-Professor werden ohne das nötige Vit B eine Uni-Karriere zu machen durch Bekannte und Verwandte in seiner sozialen Klasse
– Hut ab vor ihrem Optimismus, aber die nächsten Jahre wird es mit der akad. Karriere noch viel schlimmer werden. In den USA zählt doch schon für viele Arbeitgeber in der Wirtschaft selbst der Dr. nichts mehr, die wollen ihre Mitarbeiter eher selber ausbilden in Programmiersprachen und praktischem Know-How als die Unis. Ein heutiger Master in Physik kann so gut wie nix was die Industrie braucht, er ist gezwungen zu promovieren, um sich zu spezialisieren nach 5 Jahren Studium und hat dann meist 5-10 Jahre verloren gegenüber jemand mit Fachausbildung oder Ingenieursausbildung. Kommilitonen von mir die bis zum Dr. Astropyhsik gingen sind größtenteils in Unternehmensberatung, Softwarebranche gelandet. Bei Astrophysik vs. Energietechnik oder Materialforschung macht so etwas wie eine Habilitation vielleicht doch mehr Sinn zu beurteilen, ob jemand wirklich forschen kann? Sabine Hossenfelders Einordnung v.a. der theo. Astrophysik ist Ihnen wohl bekannt? Vieles scheint sich da von praktischer nachprüfbarer beobachtbarer Wissenschaft weit entfernt zu haben (auch ein Grund warum das für mich keine Karriereoption war schon damals)
– Sie wirken etwas auf mich als haben Sie zwar die richtigen Vorstellungen von Qualifkation, aber eben für das falsche System/Job oder haben das System Uni nicht verstanden und das man es besser nicht hinterfragen sollte, wenn man ein Professur darin will, sondern sich lieber anpassen 😉 Im Netz und auf Twitter kursiert ja gerade wie unser “Professor” aus dem Gesundheitsministerium an seine Professur kam. Vielleicht mal Prof. Ioannidis dazu vergleichen und was beide als Professor bislang messbar geleistet haben.
– Der Dr. ist der höchste akademicsche Grad, Prof. nur ein Titel und jeder soll berufen werden können, sogar Leute ohne Dr.. Schon das schliesst im Grunde ihren Vorschlag aus
– diesen Punkt habe ich nur angerissen, ist nicht mein Hauptpunkt, denn die komischen Gedanken anderer Leute können wir nicht ändern – Gesetze und Normen schon. Ich hinterfrage nur.
– ?
– FHen bzw. “Unis für angewandte Wissenschaft” fordern nicht mal eine Promotion (selbstständige Forschung), sondern praktische Berufserfahrung außerhalb von Akademia. Das ist definitiv etwas anderes als Uni. Ich habe auch an einer FH studiert (Kombi-Studiengang Uni-FH). Ich fand das als Studi-Perspektive interessant, aber als Mitarbeiter passen da meine Themen meist nicht ins Profil und wäre ich forschungsseitig völlig unterfordert.
– wieso Optimismus? diese Kinderkrankheit hatte ich m.W. noch nie. Ich wollte eigentlich jederzeit einen guten Job und darum habe ich a) neben dem Abitur eine Ausbildung gemacht und zu arbeiten angefangen, b) neben dem Physikstudium nach dem Vordiplom ein Doppelstudium angefangen, c) nach dem Diplom zwar auch weiter gearbeitet, aber gleichzeitig einen FH-Uni-Kombi-Studiengang zwecks Weiterbildung belegt und d) die Doktorarbeit(en) nur angefangen, weil ich bei Bewerbungen stets zu hören bekam, dass ich trotz 8 bis 10 Jahren Berufserfahrung und Diplom ohne “Dr” eh keinen Job bekomme. Also an der Uni wenigstens eine halbe Stelle – lieber hätte ich eine wohlverdiente volle Stelle jenseits der Uni gehabt (das geht nur bei Männern), aber die Messe ist gelesen: jetzt ist die Titelei da.
Ich verstehe nicht, warum Sie mir oben raten, ich soll mich als Physikerin verkaufen, wenn Sie hier schreiben, dass die nichts können (was m.E. wahr ist: Physiker trainieren nur, schnell und tiefgründig zu verstehen, aber “Können” lernt man jenseits des Studiums). Ich arbeite derzeit wiedermal nicht in der Physik, weil ich meinen Studis da nichts arbeitsmarkt-relevantes beibringen könnte (Praktikum-Protokolle mit der Hand zu schreiben bzw. das zu bewerten finde ich einer Physikausbildung unwürdig, Programmieren wird nicht gelehrt und Wissen+Verständnis, das ich ihnen beibringen könnte, wolln die nicht), sondern mein Feld lebt irgendwo zwischen Digital Humanities (für die ich zu sehr Naturwissenschaftlerin bin) und angewandter praktischer Informatik. Ich kenne das eine oder andere Video von S. Hossenfelder, weiß aber hier nicht, was Sie meinen.
– aha. “das hamwa schon imma g’macht, da könnte ja jeder kommen”. wie gesagt: wenn ich ein vernünftiges Angebot bekomme, nehme ich es gern an. Und mangelnde Anpassungsfähigkeit kann man mir beim besten Willen nicht vorwerfen, so oft wie ich Fach, Arbeitsaufgaben, Teams, Dienstort, Land, Kulturkreis … und was weiß ich nicht alles gewechselt habe.
– genau! dass der “Dr” der höchste akadem. Grad und “Prof” kein Grad, sondern eine Berufsbezeichnung ist, hat sich auch bei vielen noch nicht herumgesprochen. Das ist aber kein Problem des Systems, sondern der Unwissenheit vieler Leute. Tja nun, Bildung hilft gegen Unwissenheit, aber das ist nicht jedermanns Sache… Aber “habil” nach dem “Dr” ist ein Grad und meine Frage hier ist, was der soll, wenn er mehr schadet als nützt. Es ist m.E. eine Brandmarke, die sagt “stell die Person nicht ein”.
Den zweiten Punkt verstehe ich nicht ganz. in FHen geht das und für Unis sind m.E. sind die Landesgesetze so, wie sie sind, weil der “Dr” eben die Selbständigkeit in der Forschung bescheinigt. Das ist eine der notwendige Bedingungen für gute Forschung – die Habil. aber eben nicht, sondern sie ist nur eine Folge.
Vgl auch meinen Post vor paar Jahren: https://scilogs.spektrum.de/uhura-uraniae/die-universitaet-ist-krank/
Die Habilitation ist im Wesentlichen ein soziales Projekt, dass sich der wissenschaftlichen Qualifikation anschließt. So habe ich zumindest diese Phase wahrgenommen. Denn natürlich endet sie in einer Prüfung, bei der genau diese soziale Kompatibilität nachgewiesen werden muss. Für den Habilitierenden besteht die eigentliche also Arbeit darin, innerhalb des Systems Universität/Fakultät nachzuweisen, dass er die Themenfelder des Faches in einer größeren Breite überblickt. Ich habe es genossen, mit den Kollegen in ganz unterschiedlicher Art und Weise themenübergreifend zusammenzuarbeiten. Und habe dies auch gezielt in den Jahren der Habilitation durchgeführt. Entsprechend gut vorbereitet kommt man dann in die finale Prüfung.
Erstaunliches liest man auch in den Kommentaren über die FHs/HAWs. Hier dazu noch ein paar Korrekturen (bezogen auf das Land Hessen … ich unterrichte an der Hochschule Fulda)
– die Vorraussetzung für die Professur ist eine qualifizierte Promotion … schon lange fest verankert im Hochschulrahmengesetz,
– Ausnahmen: beispielsweise Kunsthochschulen, die sind aber in der Regel Unis 🙂
– Zusätzlich muss eine mehrjährige relevante Praxiszeit außerhalb der Hochschule nach der Promotion nachgewiesen sein
– und jetzt kommt der Witz bei der Sache: durch eine Habilitation kann die zweite Anforderung erfüllt werden … da ein Nachweis der Lehrbefähigung erfolgt ist.
Wenn Die sich also fragen, wozu habiliteren, dann wissen sie jetzt, mit einem oder zwei Doktortiteln reicht es leider nur an eine Uni oder ans MPI, die Anforderung einer HAW erfüllen sie damit leider nicht 😃
LG jtm
1. “nachzuweisen, dass er die Themenfelder des Faches in einer größeren Breite überblickt.” Dachte ich auch – aber a) macht man das normalerweise durch PostDoc Projekte in versch. Arb.grp., b) geht man dafür auch ins Ausland bzw arbeitet mit Leuten im Ausland durch Kurzaufenthalte (damit weiß man Dinge, die man nach Hause mitbringt, die also die heimischen Profs nicht wissen, was einen ja wertvoll macht: Transfer), c) zumindest in meinen Promotionen (Exzellenzcluster) hat man auch schon während der Diss üblicherweise mit Kollegen aus anderen Fächern gearbeitet (sind halt “Cluster”, nicht “Kloster”, also Rückzugsorte) und an manchen Unis wird die Dissertation nicht nur verteidigt, sondern muss man ein Rigorosum bestehen (Prüfung über die Breite des Faches). Gebe zu, das ist keineswegs einheitlich, aber ich sag’s nur. Zudem habe ich auch erlebt, dass Personen berufen werden, die entweder a) überhaupt nicht im Fach qualifiziert sind, sondern eine Diss in irgendeinem anderen Fach haben oder b) seit dem Studium (also in Dipl, Diss, Habil) immer nur in ein und demselbem Nischenfeld gearbeitet haben, also keine Breite im Fach vorweisen.
2. an FHen ist Promotion nicht Pflicht. Ich hatte auch FH-Prof.s ohne Promotion. In den Landeshochschulgesetzen steht sehr geschickt sinngemäß “Promotion oder gleichwertiges”. Man soll halt einfach nachgewiesen haben, dass man selbständig arbeiten kann. Dafür gibt’s im echten Leben (außerhalb der Universitäten) durchaus auch andere Möglichkeiten. Darum steht das so in zumindest den Landesgesetzen, die ich bisher gelesen habe (noch nicht alle 16).
Gerade hat die Dt. Physikalische Gesellschaft eine Stellungnahme zur geplanten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes veröffentlicht:
https://www.dpg-physik.de/veroeffentlichungen/aktuell/2023/stellungnahme-der-deutschen-physikalischen-gesellschaft-zur-geplanten-novellierung-des-wissenschaftszeitvertragsgesetzes