Es werde Licht

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Ein absolut lesenswertes Buch – schon allen wegen des vielen Stoffs zum Nachdenken: Es geht um Menschen und ihre Erkenntnisse und um neue Denkstile, die uns die Lehre der neuen Physik des 20. Jahrhunderts vermittelt. Im fünften Kapitel kommen sie auf ihre Hypothesen zu sprechen: Sie wollen Vorschläge unterbreiten, wieso Menschen “Geistesblitze” haben und plötzliche Eingebungen und warum wissenschaftliche Erkenntnisse / technische Entwicklungen häufig an vielen Orten der Welt gleichzeitig und unabhängig voneinander entstehen, wieso wir oft die besten (kreativsten, innovativsten) Ideen dann haben, wenn wir an etwas ganz anderes denken und ob es eine wissenschaftlich messbare Grundlage für die Redensart gibt, dass eine Erkenntnis oder Entwicklung “in der Luft liegt”. Sie schlagen Idee von langwelliger Hirnstrahlung als Transmitter vor (um S.167); Wellen, die nicht nur – wie im EEG messbar – vom Gehirn ausgesendet werden, sondern (folglich) auch von anderen Gehirnen empfangen werden und weil diese elektromagnetischen Wellen nun einmal auch als Photonen darstellbar sind, sucht das Autorenpaar nach quantenphysikalischen Erklärungen für psychologische Phänomene. Ohne dass sie konkrete Lösungen vorstellen (können), skizzieren die kontemplativen Senior-Autoren doch einen Blumenstrauß von Ideen, die in der Forschung kontrovers diskutiert und entwickelt werden können.

“Es werde Licht” ist also eine doppeldeutige Überschrift zwischen der erhellenden Erkenntnis im Geistesblitz und der lichtähnlichen (photonen-basierten) Informationsübertragung, der Quanteninformation.

frisch erschienen (2017)

Es handelt sich nicht um ein Fachbuch. Einige Lehren des guten akademischen Schreibens werden verletzt, denn die Autoren schreiben häufig in der Ich-Form, erzählen aus ihren Leben und aufgrund seines oft sehr weit gespannten und kurz und bündig dargestellten Überblicks in Einführungsseminaren für Bachelor-Studierende der Geschichte fiele es in die Kategorie, die von vielen Professoren als “Bücher, die nicht geschrieben werden sollten” bezeichnet wird, weil niemand derart umfangreich in allen Epochen der Geschichte detailliert bescheid wissen könne, dass man einen wissenschaftlich in allen Punkten korrekten Bogen über 2.5 bis 3 Tausend Jahre der menschlichen Geschichte spannen könne. Aber das ist auch keineswegs das Ziel dieses populärwissenschaftlichen Werkes. Mit ihrem Abriss der Geschichte wollen die Autoren aufzeigen, wie Erkenntnisse in der Menschheit entstehen und sich entwickeln: Gewiss ein sehr guter Ansatz, nur in dieser Kürze vielleicht nicht vollends leistbar.

Es ist ein unterhaltsames Buch – und zwar mit sehr ambitionierten Zielen: Eine Tochter von Werner Heisenberg und ein Enkel von Thomas Mann plädieren für ein neues Menschenbild in der Naturwissenschaft. Man kann sich fragen, wie wichtig der Stammbaum ist: Goethe soll einmal gesagt haben “einen Stammbaum braucht nur, wer selbst nichts eigenes leisten kann” (*). So treffend dies auch sein mag, so sehr werden Menschen doch durch ihr Umfeld geprägt – und wenn die beiden Autoren ihre genannten Ahnen bewundert haben, können die Gespräche mit diesen sehr inspirierend für sie gewesen sein (wie sie in ihren Anekdoten schildern).

Klappentext von “Es werde Licht”

In Kapitel 1 erzählen die Autoren Anekdoten aus den letzten Jahrzehnten akademischen Lebens und skizzieren damit, dass die Akteure der modernen Naturwissenschaft zwischen Konkurrenzkampf und Publikationsdruck einerseits und zwischenmenschlichem Spaß an der Forschung sowie menschlicher Neugier andererseits hin und her geworfen werden.

In Kapitel II versuchen sie auf 60 Seiten die Geschichte der Naturwissenschaft in der christlichen Welt von der Antike bis zum relativitätstheorie-geprägten “neuen Weltbild” zu skizzieren. Sie beschreiben die Geschichte hier (naturgemäß), als würde sie sich entlang eines (alternativlosen) roten Fadens entwickelt haben. Das ist eine populärwissenschaftlich absolut übliche und didaktisch kluge und sehr unterhaltsame Methode – nur eben auch der Grund, weshalb ich das Buch nicht als Einstieg ins Geschichtsstudium zu lesen empfehle, weil es nur eine von mehreren möglichen (eben die hier ausgewählte) Erzählung der Geschichte ist.

Mit ihrer Sicht auf die Geschichte führen sie auf ihr eigenes Weltbild hin, das sie kommunizieren möchten: Die beiden Autoren werden vor den Hintergründen von Theologie und Psychologie verortet und daher widmet sich ihr Buch den Menschen und dem Menschsein – nur wird dies eben vor eine historische und moderne naturwissenschaftliche Kulisse gestellt. Mit diesem Ansatz unternimmt das Buch genau das Gegenteil der Forschung in Naturwissenschaftsgeschichte: In der Naturwissenschaftsgeschichte werden die Entwicklungen von Erkenntnissen und Technologien vor der Kulisse historischer Schauplätze und menschlicher Akteure betrachtet, während das Ehepaar Mann die menschlichen Akteure vor der Kulisse historischer Erkenntnis- und Technologieentwicklung betrachtet. Ich halte das Buch daher auch für Studierende der Geschichte und des Lehramtes (sowohl der Geschichte, als auch der Naturwissenschaft) für sehr lesenswert – immer im Hinterkopf behaltend, dass die gewählte Form der Geschichtserzählung nicht die einzig mögliche Variante ist. Aber genau so machen wir es nun einmal im Unterricht.

Kapitel III bis VI teilen die übrigen 130 Seiten des Buches mit Überschriften wie “Die Revolution der Quantenphysik”, “Quanteninformation als Urprinzip allen Seins”, “Kosmische Dimension von Wahrnehmung, Erinnerung und Erleben als elektromagnetische Quanteninformationsverarbeitung” und Gedanken über Tod, Willensfreiheit und den Homo Empathicus als kollektives “Lernziel” der Menschheit als “Konsequenzen aus der neuen Sichtweise”.

Die zahlreichen Anekdoten, die die Autoren von Erlebnissen ihrer Studienzeit und ihrem Leben erzählen, Dialogen mit ihren berühmten Vorfahren (z.B. Spaziergang mit Werner Heisenberg im Münchener Englischen Garten) und Frage “zwischen Geist und Materie” oder dem Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft, denen sie sich mit ihren leicht verschiedenen Zugängen zur Welt ähnlich nähern, lassen auch das Buch wie eine Plauderstunde mit den Großeltern im Nu durchlesen. Was man daraus macht, bleibt freilich jedem selbst überlassen.

Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstehen sie eine “organismische Kulturenvielfalt” als “Konsequenz quantenphysikalischen Denkens” und glaube, dass diese “den empathischen Menschen hervorbringt und zu einer Grundhaltung im Zeichen ganzheitlichen Verbundenheit der Menschen mit allem Lebendigen anregen soll” (S.226). Empathie definieren sie daher im nächsten Satz weiter als über das Einfühlvermögen in Mitmenschen hinaus gehend: “der Respekt gegenüber dem Leben als ganzem und damit partnerschaftliches Verhältnis zu allen Lebewesen und darüber hinaus zum unbelebten Kosmos.”  Das ist freilich ein enormer Anspruch, aber findet sich auch bei Disney (besonders stark in “Pocahontas”), “Avatar” und anderen weltberühmten Streifen … und dürfte daher als Appell an die Menschheit ein wohlwollend aufgenommener Samen in unserer Gesellschaft werden. Zumindest als Leitgedanke kann dies viel bewegen.

Kurzporträts der Autoren

 

(*) Dieses Zitat hatte ich vor sehr langer Zeit einmal beeindruckt zur Kenntnis genommen: Google findet es nicht; wer mir sagen kann, wo es herkommt, bitte gerne kommentieren!

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Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

6 Kommentare

  1. Das von zwei PsychologInnen, die von Thomas Mann und Werner Heisenberg abstammen, geschriebene Buch “Es werde Licht” wirbt für einen quantengeadelten Panpsychismus, in dem
    die Grundstruktur der Materie geistig verfasst ist. In Spektrum.de liest man dazu (Zitat):“dass nicht nur in unserem Denken und Fühlen sich Geistiges zeigt, sondern dass jede Materie schon Geistiges in sich trägt oder, man könnte auch sagen, mit transportiert”.
    Letztlich transportieren die beiden durch ihre leibliche Herkunft geadelten Psychologen die Lehre des Physikers Thomas Görnitz “Alles ist Information”:
    Am Anfang war die Quanteninformation und diese göttliche Ur-Information wird den materiellen, physikalischen Dingen quasi eingehaucht und weil diese Information etwas Geistiges ist, das die Materie belebt (es grüsst der Vitalismus), löst sich mit dieser Theorie auch das Leib-Seele-Problem und der Gegensatz zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, deshalb werden Wissenschaft und Religion versöhnt und deshalb gibt es so etwas wie den freien Willen.

    Im Grunde wollen Mann&Mann durch Inanspruchnahme der wissenschaftlich gesicherten und gleichzeitig vielen Laien magisch erscheinenden Quantentheorie ihrem favorisierten Weltbild einen Siegel der Glaubwürdigkeit verpassen. Es ist ein Weltbild, in dem es ein panpsychisches Universum mit out-of-the-box-Lösungen für sämtliche Menschheitsprobleme gibt.

    Da bin ich als emergentischer Materialist völlig anderer Ansicht: Das Universum bietet nicht von sich aus Lösungen für die Menschheitsprobleme, sondern diese Lösungen muss der heutige Mensch über immer besseres und umfangreicheres Wissen über die Welt und vor allem über sich selbst, aufbauen/emergieren lassen. Ganz anders als Mann&Mann glaube ich, dass Quanten und Atome sehr wenig über den Menschen aussagen ausser dem, dass der Mensch letzlich auch ein Ding ist – ein Ding allerdings, das man überhaupt nicht verstehen kann ohne seine Geschichte zu verstehen. Und diese Geschichte des Menschen umschliesst auch die gesamte Geschichte aller biologischen Vorfahren bis hin zur ersten Zelle. Der Mensch ist letztlich nicht nur ein spezielles Ding, er ist ein spezielles Tier und nicht wenige der Menschheitsprobleme sind unserem biopsychischen Erbe zu verdanken. Eine weihraucheschwängerte Quantenspiritualität à la Mann&Mann oder – verwandt damit – bewusstseinverändernde Drogen, helfen der Menschheit nicht weiter.

  2. Einem solchen Buch kann ich nichts abgewinnen. Offenbar sollen die Namen der Väter für die Vermarktung sorgen. Inhaltlich ist es wohl von persönlichen Phantasien und Spekulationen geprägt, wenn man die Rezension hier zu Grunde legt. Das Buch hat mehr mit Esoterik und romantischer Weltanschauung als mit Wissenschaft zu tun. Ich kenne das Buch zum Quantenbewusstsein von Görnitz&Görnitz, das in dieselbe Richtung geht. Die Psychologen erweisen ihrem Fachgebiet einen Bärendienst.

  3. Im Porträt Christine und Frido Mann: Miteinander schwingen geht es um die Autoren. Nebenbei zeigt dieses Porträt aber vielleicht um was es in dem Buch eigentlich geht: Um eine Absicht nämlich, einen harmonischen Zustand von an und für sich Unharmonischen – um miteinander schwingen trotz allem also. (Zitat) «So wie in der Quantenphysik durch die elektromagnetischen Wechselwirkungen aus unterschiedlichen Elementarteilchen Atome und daraus wieder Moleküle entstehen, so sollten auch wir in der makroskopischen Welt das ‹Miteinanderschwingen›, von dem mein Vater immer sprach, leben.»

    Als Romanmotiv findet man das häufig: Ein Baum etwa, der sich im Winde wiegt als Ausdruck der Gefühlslage der Romanfigur. Doch im 21. Jahrhundert genügt ein Baum nicht mehr, da muss es das ganze Universum sein, das (mit-)schwingt.

  4. Ein bemerkenswerter Buchtitel:
    Die 3 Worte “Es werde Licht” stammen wohl aus der
    biblischen Schöpfungsgeschichte.
    Da kann nur hoffen, dass in der heutigen Zeit noch
    vielen ein Licht aufgeht.
    Die 4 Begriffe:
    “Die Einheit von Geist und Materie
    in der Quantenphysik“ – einschließlich das Licht,
    passen gut zusammen.
    In dem folgenden Artikel und auch davor findet man
    eine einfache, unkomplizierte Beschreibung der
    Zusammenhänge:
    http://www.4-e-inigkeit.info/Verbindung.htm
    Muss nicht jeder akzeptieren.

  5. Zu Mann&Mann’s panpsychischem Blick auf die Welt, in der (Zitat)“jede Materie schon Geistiges in sich trägt” passen gut xkcd’s Particle Properties, wo Teilchen auch Eigenschaften wie Mood, Hit points, Rating, Heat und Street value (street credibility?) besitzen.
    Hier die Liste aller Teilcheneigenschaften im Comic:
    Electric charge, Mass, Spin number, Flavor, Color charge, Mood,
    Alignment, Hit points,Rating, String type, Batting average, Proof, Heat, Street value, Entropy

    (Einfache) Frage: Wie gross ist die street credibility eines up-Quarks im Vergleich zu einem Charm-Quark?

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