Die Erfinder des Internets

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Ein Film aus dem Jahr 1972 berichtet von den Visionen von damals, die heute (teilweise) Wirklichkeit sind: E-Mail, Prints on Demand und ganze Bücherschränke auf der eigenen tragbaren Festplatte.

https://archive.org/details/ComputerNetworks_TheHeraldsOfResourceSharing

Damals, in den 1960ern und ’70ern gab es noch keine Heim-Computer, sondern nur Forschungsrechner. Jeder hatte sein eigenes Betriebssystem, seinen eigenen Zweck und ein eigenes Set von Kommandos, mit dem er programmiert/ gesteuert werden konnte. Rechenzeit an diesen Geräten war natürlich teuer und die Geräte, die weniger leisteten als ein heutiges Smartphone füllten ganze Säle. 

Das Problem bei wissenschaftlichen Großgeräten ist außerdem, dass Forschende aus aller Welt diese Geräte nutzen möchten. Es wäre aber völlig überflüssig, wenn jeder einzelne dorthin reist, nur um seinen Rechenauftrag einzutippen, darauf zu warten, dass die Maschine ihn bearbeitet hat und dann mit den Ergebnissen im Koffer wieder abreist. 

In Berlin gab es seinerzeit an der TU eine Arbeitsgruppe der theoretischen Astrophysik, die an einem der damaligen Rechner arbeitete. Der Professor erhielt einen Ruf nach Kiel, wo es einen solchen Rechner nicht gab. Die Astrophysiker in Kiel haben dann also tags programmiert und nachts – wenn das Telefonieren billiger war (memo: damals gab’s noch keine Flatrate) – in Berlin angerufen, um die Daten per Telefonleitung an den Rechner zu übertragen. Anfang der 1970er in Deutschland sah also Astrophysik so aus, dass man Nacht- bzw. Spätschichten nicht machte, weil dann ein Teleskop benutzt werden kann, sondern weil das Telefonieren dann billiger war.   
[siehe mein Beitrag in (1)]

Zur gleichen Zeit in den USA haben Forschende in Firmen und vieler führender Forschungseinrichtungen einen kleinen Kommunikations-Computer entwickelt, den man den großen Rechenmaschinen vorschaltete und der über ein eigenes Datennetz mit anderen Geräten seiner Art verbunden war. Dieses Netzwerk hatte nur die Aufgabe, die Rechenmaschinen mit ihrer jeweiligen sehr speziellen Programmiersprache (“Privatsprache”) für andere Rechner verstehbar zu machen und Daten auszutauschen.

Das amerikanische Netz bestand bei seiner Einschaltung 1969 aus vier Rechnern, zwei Jahre später bereits aus fünfzehn – FTP wird als Transferprotokoll 1971 entwickelt. In Frankreich entwickelte man ein ähnliches Projekt aus Rechnernetz und einem Transferprtokoll (TCP) und veröffentlicht es 1973/4. Ab 1976 wird das Betriebssystem UNIX entwickelt, das speziell für die Kommunikation zwischen elektronischen Rechnern optimiert wird. 

Die Erfinder des (am.) Internets, J. C. R. “Lick” Licklider und seine Weggefährten an führenden amerikanischen Forschungseinrichtungen kommen in dem obigen Doku-Film von 1972 zu Wort. 

Damals hatten sie nur ein Netzwerk entwickelt, das den Forschenden erlaubte, sich auf die Forschung zu konzentrieren anstatt überflüssige Reisezeiten und -aufwände zu betreiben. Sie hatten es gerade geschafft, dass jemand von der US-Ostküsten (z.B. in Harvard) nicht mehr zwingend nach Kalifornien reisen musste, wenn man dort eine Rechenmaschine nutzen wollte. Aber sie träumten bereits davon, dass irgendwann in allen Haushalten elektronische Rechner stehen und alle Menschen der Welt dadurch miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten könnten.

Welch große Visionäre diese Menschen waren! 

 

weiterführende Literatur

  1. Hoffmann, S. M (2018): Stellarphysik in Kiel – Albrecht Unsöld in memoriam, in: Wolfschmidt, Gudrun: Astronomy in the Baltic, Nuncius Hamburgensis Bd. 38, tredition Verlag, Hamburg, S.469-491
  2. Wolfschmidt [Hrsg.] 2015-2018: Vom Abakus zum Computer, tredition, Hamburg
  3. Chronologie des Internets in der Wikipedia

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

7 Kommentare

  1. Schönen Dank für den Tipp – bis zum Ziel bedurfte es allerdings der -zugegebenermaßen sehr naheliegenden, ebenso zugegebenermaßen erst ganz kurz vor dem Start der TitelTextsuche bemerkten- urlErgänzung durch ein abschließendes ‘g’. SingleClick

    (Diese End-Verschleifung sah wohl ‘zu normal‘ aus für mich…)

  2. Nur ergänzend :

    Der Gag beim ARPANET und TCP/IP war der Paketversand, der eben auf Paketen basierte, Warteschlangen kannte und ausfallende Stationen (auch im Kriegsfall) kompensieren konnte. Derartige Protokolle sind nicht so-o leicht zu denken.

    Sicherlich war dies hier – ‘Aber sie träumten bereits davon, dass irgendwann in allen Haushalten elektronische Rechner stehen und alle Menschen der Welt dadurch miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten könnten.’ [Artikeltext] – eine denkbare Folge, vielleicht ist so auch von einigen seinerzeit gedacht worden, Dr. Webbaer ist sich diesbezüglich nicht sicher.

    Ansonsten war die Erfindung der globalen.netzwerkbasierten Kommunikation sicherlich ein Zivilisationssprung, wie etwa die Erfindung der Sprache, der Schrift und der der automatisierten Verbreitung / Multiplikation von Schrift.
    Korrekt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der sich noch erinnern kann, wie sog. Hypertext so um 1990 herum sehr “aktuell” geworden ist, letztlich wohl auch Berners-Lee inspirierte)

    • Sehr geehrter Herr Doktor,

      es sei mal dahin gestellt, ob man “Sprache erfinden” kann – ich glaube darüber sollte man nochmal nachdenken. Und Schrift ist ja bereits Multiplikation – nämlich copy & paste – aus dem Stierkopf wird über hieroglyphische Wege das “A” – copy von der Wirklichkeit – Zeichen – paste in der Simulation. Insofern nichts Neues.

      Was durch die Digitalisierung natürlich dazu kommt ist natürlich die Kombination Schrift & Elektrizität – mehr eigentlich nicht, aber auch nicht weniger – Zeus´ Blitz zieht in die Simulation ein, AC/DC (die Band) +/- … ; – wenn man den Stecker zieht – und im Moment sieht´s ja ganz danach aus? – war´s das mit den zvilisatorischen Neuheiten.

      Was ist sonst noch wichtig am Netz? Ob es den Brieftauben wirklich überlegen ist, oder ob wir sie wieder brauchen, wenn in Kalifornien der St. Andreas-Graben die high-tech verschluckt, das bleibt eventuell offen … ?

      Mit freundlichen Grüßen!

  3. Das Apranet wird natürlich mal wieder nicht erwähnt. Kling ja auch blöd zu sagen, das es eigentlich gar nicht darum ging, das Menschen elektronisch miteinander kommunizieren, sondern darum, die militärische Kommunikation im Falle eines Atomkrieges aufrecht zu erhalten.

    • oft muss man in der Forschung etwas in Projektanträge schreiben, weil es gerade en vogue ist – die Raketenpioniere der 1920er, die eigentlich zum Mond fliegen wollten, musste auch in den 1930ern fürs Militär eine Waffe entwickeln, um weiter am Projekt arbeiten zu können (man kann das moralisch werten wie man will, aber das thematisiere ich hier nicht): die Frau im Mond war als Logo stets auf dem Aggregat. Mein Blogger-Kollege Stefan Schleim hat vor nicht allzu langer Zeit geschrieben, dass es heute mit zivilen Forschungsanträgen nicht anders ist. Mehrere von uns hatten wiederholt dazu geschrieben.

      ARPA ist ein Netz, um Rechner zu verbinden. Die militärischen Anwendungen wurden später im MILNET ausgekoppelt.

      • Das mit den Raketen und das mit der netzwerkbasierten Kommunikation Ist in etwa so wie das mit dem Messer, welches für den Verzehr erfunden worden ist.

        SCNR + weiterhin viel Erfolg!
        Dr. Webbaer

Schreibe einen Kommentar