Der goldene Atlas

Seit der Perspektivenumkehr durch Apollo 8 und das berühmte Foto der Halb-Erde überm Mondboden im 20. Jahrhundert denken wir die Erde als “blaues Juwel” in der Schwärze des Alls. Unsere Karten zeigen blaue Ozeane und darin die Kontinente in ihren natürlichen Farben (am Beispiel Afrikas: die Namib hat überwiegend roten Sand, die Sahara gelben, dazwischen die Tropen erstrahlen in Grün), quasi foto-realistisch. Das war allerdings nicht immer so: 

Karten der Erde gab es historisch in vielen Farben. Oft auf (inzwischen vergilbtem) Papier gezeichnet – oder gedruckt und handkoloriert – weisen historische Karten heute oft diverse Sepia-Töne auf, sind ihre ursprünglich strahlenden Farben verblichen oder sepia-nachgedunkelt. Das ist namensgebend für dieses Buch über historische Entdeckungsreisen. 

Titel
Inhaltsverzeichnis

In lebendigen Texten und wunderschönen historischen Illustrationen erzählt das Buch die systematische Erkenntnis – den Wandel unseres Bildes von der Welt. 

Seit dem Altertum gab es Gelehrte, die wissen, dass die Erde eine Art Kugel ist. Aristoteles argumentiert dafür mit zahlreichen Argumenten, von denen uns heute das mit der Totalen Mondfinsternis am einleuchtendsten erscheint. Dieses Wissen ging auch im islamischen und christlichen Wissen nie verloren. ABER… die Vermessung und Kartierung der Orte darauf erwies sich in Ermangelung einer Außenperspektive stets als schwierig. Das Buch erzählt von der sukzessiven Entdeckungsgeschichte, die mit wechselnden Reisemitteln (Flussbote auf dem Nil und Euphrat, Millitärinfanterie, Reittiere, Karawanen, Küsten- bis Hochsee-Segler, Eisbrecher etc.) und neuen Technologien immer weiter vordrang, von Mutigen, die sich auf die Suche nach neuen Kontinenten begaben oder bekannte Kontinenten hinsichtlich ihrer Landschaften, Flora und Fauna charakterisierten. 

Das populärwissenschaftliche Buch lässt sich als leichte Lektüre lesen, da es Geschichten erzählt und reichlich bebildert ist. 

Exemplarische Innenansicht: Einführung.

Man kann das Buch auch verstehen als “Plädoyer für ein neues Erdenbürgertum” (Sloterdijk).

Beispielseite: Antike.
Beispielseite: Wikinger.
Beispielseite: China.

Blättert man das Buch wie ein Daumenkino durch, gewinnt man eine Idee von der Entwicklung der Kartographie. Erstaunlicherweise finden sich Ansätze für Kartenprojektionen bereits in der “Geographie” von Klaudios Ptolemaios, aber die Mathematik der Kartographischen Projektion hält erst in der Renaissance und Neuzeit systematischen Einzug. Bis dahin waren Karten entweder als dekoratives Element an Fürstenhöfen gebraucht, wo sie nur hübsch aussehen und keine Genauigkeit haben mussten – oder sie waren genau genug, um mit Zirkel und Lineal Wege und Strecken bzw. Reisedauern zu berechnen, aber dazu reichten symbolische Abbildungen ohne mathematisch perfekte Projektion. Von all diesen Sorten von historischen Karten finden sich Beispiele in diesem Buch. 

Gerade Überblicksartikel wie Einleitungen oder Kapitelübersichten sind prädestiniert für Ungenauigkeiten oder gar Fehler, weil man hier nur oberflächliches und nicht notwendigerweise Expertenwissen darstellt. Nichtsdestoweniger ist es insgesamt ein sehr hübsches, lesenswertes Buch.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

Schreibe einen Kommentar