Definition des “Blauen Mondes”

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Anfang des Jahres hatten wir eine Mondfinsternis an einem “zweiten Vollmond des Monats”. Die Presse macht daraus eine riesen Hype und benutzt die englische Vokabel “blue moon” für eine zweiten Vollmond. Das hat keineswegs etwas mit der Farbe des Mondes zu tun, sondern geht auf einen Irrtum eines journalistisch aktiven Hobbyastronomen von 1946 zurück.

Eigentlich war die Bezeichnung “Blue Moon” (historisch) eine sehr traditionsreiche:
Viele alte Kalender waren Mondkalender, da der Mond durch seinen Phasenwechsel einen überschaubaren Takt gab. Umgangssprachlich hatte jeder Vollmond einen Namen, der zur Jahreszeit passte: Januarvollmond heißt auch “Wolfmond”, der Februarvollmond “Schneemond”, Wurmmond, Rosa Mond (April), Blumenmond (Mai), Erdbeermond (Juni), Käfermond (Juli), Stör-Mond (Aug., d.i. für Fischfang), Erntemond (Sept. = Harvest oder Full Corn Moon auf Englisch), Jagdmond (Okt.), Biebermond (Nov.), Kältemond (Dez.).
Da das Mondjahr (12 Vollmonde) um etwa zehn Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, gibt es in unserem Kalender im Schnitt alle drei Jahre 13 Vollmonde im Jahr und der 13. hätte dann keinen Namen. Damit er nicht traurig ist (:-)), wurde er “blauer Mond” genannt.

Aus diesem paganen Brauchtum leitet sich die astronomische Definition des “blauen Mondes” ab: Es ist der dritte Vollmond in einer Jahreszeit mit vier Vollmonden, damit die anderen ihre Namen behalten können.
Eine Jahreszeit ist astronomisch definiert mit dem Sonnenstand zwischen den Jahreshauptpunkten. Also Frühling = Sonne zwischen “Frühlingspunkt” (also Deklination=0) und “Sommersonnenwende” (Deklination=23.5°), Sommer = Sonne zwischen “Sommersonnenwende” und “Herbstpunkt”, … d.h. in jeder der vier Jahreszeiten gibt es normalerweise drei Monate, also ungefähr drei Vollmonde. Gibt es in einer dieser astronomischen Jahreszeiten aber vier Vollmonde, dann ist der dritte der
“Blue Moon”.

Eine Konsequenz dieser Überlegung ist: Wenn in drei Monaten unseres Kalenders vier Vollmonde stattfinden, dann muss einer dieser Kalendermonate zwei Vollmonde haben.

Ein Hobby-Astronom namens James Hugh Pruett (1886-1955) oder sein Redakteur hatte diese Definition aber nicht gut verstanden und schrieb die Bezeichnung “Blue Moon” der Konsequenz (des zweiten Vollmonds im Monat) zu. Daher las man in einem seiner Artikel in der populärwissenschaftlichen und auflagenstarken Zeitschrift “Sky & Telescope” im Jahre 1946, dass der Blue Moon der zweite Vollmond im Monat wäre. Das kommt freilich deutlich häufiger vor – dieses Jahr z.B. im Jan. und Mrz, weil der Februarvollmond im März war. Die durch dieses Medium weit gestreute Fehlauffassung wurde 1980 auch durch einen großen amerikanischen Radiosender und ab 1986 durch das populäre Brettspiel “Trivial Pursuit”, das in 33 Sprachen übersetzt wurde, verbreitet. Dadurch wurde dieser Fehler zu einer alternativen Definition.

Heute gibt es also zwei Definitionen für “Blue Moon”:

  1. die astronomische, dass “Blue Moon” der dritte Vollmond in einer Jahreszeit mit vier Vollmonden ist.
  2. die populäre Medien-Definition, dass es sich um den zweiten Vollmond eines Monats handelt.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar