Das goldene Sterntheater

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

“Nie ist ein Anschauungsmittel geschaffen worden, das so instruktiv wie dieses wäre, nie eins, das mehr bezaubernd gewirkt hätte (…) Es ist Schule, Theater, Film auf einmal, ein Schulsaal unter dem Gewölbe des Himmels, und ein Schauspiel, wo die Himmelskörper Akteure sind.” Goldenes Jubiläum, 50 Jahre, feiert dieses Jahr eines der ältesten Planetarien Deutschlands: Das Planetarium am Insulaner in Berlin. Feiern Sie mit uns!

goldenes Plani, goldener Sternhimmel (smh, 18.6. 2015)
goldenes Plani, goldener Sternhimmel (smh, 18.6. 2015)

Um die Sommersonnenwende herum feiern wir das Planetariums-Jubiläum mit zahlreichen Festveranstaltungen. Am Mittwoch, dem traditionellen Mitgliederabend, weil sie jeden Mittwoch die Stammtisch-Sternfreunde unter der Kuppel versammeln und einen Vortrag über ein Thema aktueller Forschung lauschen, fand ein Festvortrag statt. Am gestrigen Donnerstag wurde die Veranstaltung für eine geladene Polit- und Astroprominenz fortgesetzt. Die strahlenden Gastgeber – Vereinsvorstand und die wissenschaftliche Leiterin des Hauses – sind herzlich und rührend bemüht, dass sich alle Gäste wohlfühlen – und wie das inzwischen durch die Werbung großer Firmen Mode geworden ist, bekommen nicht nur die Jubilare, sondern auch die Gäste die Geschenke:

ein paar lebende Urgesteine des Hauses und die derzeit Aktiven.
ein paar lebende Urgesteine (Herr Kuhnert (links) und Herr Fass (rechts mit dem von ihm zusammengestellten Jubiläumsbuch) des Hauses und die derzeit Aktiven.

Der langjährige Technische Leiter des Hauses hat ein Büchlein initiert und zusammengestellt, das die Geschichte von Planetarien im Allgemeinen erzählt und natürlich insbesondere auf unser Planetarium am Insulaner fokussiert.

fass_buecherEin fetziger Flash-Film in der Kuppel, der musikalisch und visuell die letzten 50 Jahre durchsauste, ersparte den hohen Gästen lange Vorträge über die Vereinsgeschichte. Es war die gesamte Berliner Astroprominenz, alle Aktiven jeden Alters, die grauen Eminenzen, die jetzigen und ehemaligen Leiter aller drei großen Häuser, die Mitarbeiter des täglichen Dienstes für Schulklassen und diejenigen, die sie in Politik, Presse, Werbung … vertreten. Das sind Anlässe, bei denen ich mich immer sehr freue, dass in Berlin (inzwischen!) junge und alte Leute gemeinsam die Astronome vertreten: Der derzeitige Vereinsvorsitzende, Herr Dr. K.-F. Hoffmann (ja, ein Allerweltsname – wir sind nicht verwandt, nur im Geiste) zählt schon deutlich mehr Jahre als unser heutiger Jubilar und ist aber nicht minder aktiv und funktionstüchtig. Es gibt also immer noch Menschen, die Steglitz-Schöneberg ohne Planetarium kennen. Nicht der Fall ist das bei uns jüngeren, zu denen auch die aktuelle wissenschaftliche Leiterin des Planetariums, Dr Monika Staesche, zählt. Auch sie flitzt mit fastlichtgeschwindigkeit um den Projektor herum und organisiert die weiteren Veranstaltungen dieser Jubiläumswoche. Und unter den Aktiven im Verein und Begeisterten, den AG_Leitern und Engagierten gibt es viele, die sich an die Ursprünge des Planetariums und die 1960er Jahre gar nicht mehr selbst erinnern können. Da ist es besonders hübsch, wenn man solche Erinnerungsstücke in der Kuppel sieht wie eine Briefmarke, die damals herausgegeben wurde:

kleine Briefmarke ganz groß (Planetarium am Insulaner, Kuppelprojektion, Juni 2015)
kleine Briefmarke ganz groß (Planetarium am Insulaner, Kuppelprojektion, Juni 2015)

Aus meiner Perspektive, die ich von Anfang an ein geeintes Berlin mit zwei Planetarien und zwei Sternwarten kenne, wirkt es fast schon unglaudig-bizarr, wenn Prof Herrmann davon erzählt, dass er damals als Direktor der Archenhold-Sternwarte (Ost-Berlin) zu einer Auslandsreise hierher nach Berlin-Schöneberg eingeladen wurde und mit einem Vortrag in Erscheinung treten durfte. Natürlich weiß ich aus meiner Kindheit im Osten noch gut, dass da mal eine Mauer dazwischen war, über die man nicht gelangen konnte … aber seitdem ich mich aktiv für Astronomie engagiere, d.i. seit ca. 1992, bin ich immer einfach mit der S-Bahn von Treptow nach Schöneberg oder Potsdam durch Schöneberg zum Prenzlauer Berg gefahren und dass das mal anders war, ist eine heute (glücklicherweise!!!) unvorstellbare Situation.

50 Jahre – ein sehr symmetrischer Geburtstag, denn es waren 25 Jahre in West-Berlin und 25 Jahre im geeinten Berlin.

Das großartigste aber ist, dass man nicht nur mit dem ÖPNV oder – in meinem Fall – mit dem Fahrrad leicht von einem zum anderen Haus gelangen kann, sondern dass diese Häuser auch zunehmend aktiv zusammenarbeiten. Das betont auch Björn Voss in seinem Grußwort, während er einerseits die Berliner Zusammenarbeit als pionierisch und vorbildhaft lobt und andererseits unser aller Vision von der stärkeren Zusammenarbeit mit den Universitäten und anderen Hochschulen ausmalt. Für mich persönlich ist das seit meiner Schulzeit ein Wunsch und ich habe während meines Studiums und als Astronomie- und Astrophysikdozentin stets versucht, beides zu verbinden. Es wäre natürlich wunderbar, wenn das nicht nur an meiner Person hängt, sondern mehr Leute an diesem Strang mitziehen und es im Allgemeinen der Stil und die Mode wird. Darauf freue ich mich!

Eine Geburtstagstorte gab’s natürlich auch und .- wie sollte es anders sein – sie hat die Form einer Kuppel: Der erste Vorsitzende, Herr Hoffmann, schneidet die Torte an, die zuvor mit Wunderkerzen-Deko hereingefahren wurde. Ein anderes Urgestein, der stimmgewaltige Einlasskontrolleur und immerwährender “Mann an der Kasse”, Eckhard Platow, stimmt sogleich ein Geburtstagsständchen an und dann singt die illustre Festgesellschaft “HAPPY BIRTHDAY PLANETARIUM”, während die in Äpfeln steckenden Kerzen langsam abbrennen: Das ist ein wunderbares Charakteristikum von Planetarienern im Allgemeinen, aber auch dem Verein insbesondere – man fühlt sich wie in einer astronomisch-großen Familie.

Wie bei jedem großen Familienfest gibt es natürlich auch hier eine Jubiläums- bzw. Geburtstagstorte.
Wie bei jedem großen Familienfest gibt es natürlich auch hier eine Jubiläums- bzw. Geburtstagstorte.

Die Gratulanten und Grußwortsprecher sind entsprechend illuster, denn in einem halben Jahrhundert in dieser sich schnell entwickelnden Stadt kommen ganz verschiedene Gestalten in so einem Hause und seiner Geschichte vor. Unter den Gratulanten sind sowohl die altbekannten “Großen” wie der Haus-eigene Weltraumpublizist Harro Zimmer und der ehemalige Ost-Berliner Chef-Astronom Dieter B Herrmann, als auch die aktuellen Direktoren der Urania, Bleyer (Urania Berlin) und Flegel (Urania Potsdam) sowie der Leiter des Urania-Planetariums Potsdam, der Leiter der Abteilung Astronomie des Technik-Museums, Herr Lühning und die Leiterin des Weltraumzentrums Orbitall im Freizeit- und Erholungszentrum FEZ und sogar einer der derzeitigen Väter des Planetariums, Herr W. Lang vom Jenaer Zeiss-Werk, Abteilung Planetariumsstechnik und der Vorsitzende der Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien (GDP), Björn Voss vom Planetarium Münster – sowie auch eine Vertreterin des Bezirksamts, dem das Planetarium angegliedert ist.

ZUKUNFT

Am wichtigsten ist aber das Grußwort der Senatsabteilung für Bildung, denn nach 50 erfolgreichen Jahren – die wir heute feiern – sind die Verträge des Trägervereins mit der Stadt schlichtweg ausgelaufen. Man musste sich darum ernste Gedanken über Zukunftsmodelle machen und seit etwa zehn Jahren wird daher in Berlin darüber gebrütet, wie man die drei großen Häuser gleichermaßen erhaltend nutzen kann.

Die Schwierigkeit der Situation liegt darin, dass die Archenhold-Sternwarte in treptow und das Planetarium im Prenzlberg zur Stiftung Dt. Technikmuseum gehören und der Senatsverwaltung für Kultur angegliedert sind, während Sternwarte und Planetarium am Insulaner von einem Trägerverein (großteils ehrenamtlich) betrieben werden und der Sennatsabteilung für Bildung angegliedert sind. Die Mittlerpostion von Planetarien zwischen Kultur und Bildung ist oft eine der großen Chancen – führt aber in solchen Fragen mitunter zu einem ungleich großen (politischen) Aufwand.

senatGruszwort_web

Just am heutigen Donnerstag hat dazu eine Ausschusssitzung stattgefunden, deren Ergebnis nun verkündet wird. Es soll eine neue Dachorganisation geschaffen werden, deren genaue Form noch in den Sternen steht. Es wird nächste Woche im Senat beschlossen und soll bis Ende des Jahres organisiert sein. Der Verein wird erhalten bleiben und weiterhin aktiv im Betrieb des Planetariums arbeiten.

Persönliche Bemerkung: Ich freue mich riesig, dass dies endlich verwirklicht wird, denn ich habe das schon vor zehn Jahren vorgeschlagen, als ich noch (als wiss. Mitarbeiter, also ganz unten in der Hierarchie) an der Sternwarte gearbeitet habe und mir ernste Gedanken und Sorgen darüber machte, wie es am sinnvollsten weitergeht. Ich freue mich, dass zu dieser Erkenntnis inzwischen auch die entsprechenden Entscheidungsträger gelangt sind.

In diesem Sinn:

 Auf erfolgreiche weitere 50 Jahre!

Was ist eigentlich ein Planetarium? – Auch diese Frage wird thematisiert und zwar in dem Kurzvortrag der Jenaer Planetariumstechnik-Abteilung:

Der Jubilar, unser aller ein "guter Freund", wie der langjährige Techniosche Leiter, Herr Fass das Gerät liebevoll nannte.
Der Jubilar, unser aller ein “guter Freund”, wie der langjährige Techniosche Leiter, Herr Fass das Gerät liebevoll nannte.

“eine Nitralampa, eine Anzahl Taschen-Projektionsapparate, einige Zahnradübersetzungen und soundsoviele Meter elektrischer Leitungsdraht, das sind die Hauptingredenzien und das Resultat: Das schönste Kunstwerk.” So schrieb Elis Strömgen, der Direktor der Sternwarte Kopenhagen 1925 nach einem Besuch bei Zeiss in Jena. Das “Wunder von Jena”, wie man es damals nannte, trat seither seinen Siegeszug um die Welt an: Das Projektionsplanetarium.

Treffender kann man dieses Wunderwerk der Technik nicht beschreiben als dieser Autor:

“Nie ist ein Anschauungsmittel geschaffen worden, das so instruktiv wie dieses wäre, nie eins, das mehr bezaubernd gewirkt hätte, nie eins, das im selben Grade wie dieses sich an alle wendet: Es ist Schule, Theater, Film auf einmal, ein Schulsaal unter dem Gewölbe des Himmels, und ein Schauspiel, wo die Himmelskörper Akteure sind.”

Ich glaube, dass wir diese Worte, die 90 Jahre alt sind, heute immer noch unterschreiben können, das allein wäre schon genug Anlass zum Feiern – wenn nicht der Geburtstag dieses speziellen Geräts ein weiterer Anlass wäre.

🙂

Die Feier geht weiter:

Am gesamten Wochenende können Sie das Planetarium in Berlin besuchen: Am Samstag gibt es ein großes Volksfest am Insulaner und am Sonntag ist der “Weltraumtag”. In Zusammenarbeit mit dem wunderbaren Berliner Radiosender, Spree-Radio, kommt man da sogar kostenlos rein, denn das Planetarium ist schließlich ein “Berliner Schatz”.

 

Planetariumstasse
Planetariumstasse

Statt eines GIMMICKs:

Zum guten Schluss bekommen wir dann noch eine Jubiläumstasse: Sie wird einen Ehrenplatz in meinem Tassen-Schrank erhalten, zumal sie von der Leiterin, Monika Staesche höchstpersönlich designed wurde. Es ist also “ein alter Freund” darauf abgebildet und von einer Freundin gemacht.

 

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

Schreibe einen Kommentar