Das 89. Sternbild

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Wie wir heute quasi in der Schule lernen, hat die Internationale Astronomische Union (IAU) zwischen 1920 und ’30 ein für alle mal international festgelegt, dass der Himmel in 88 Sternbilder geteilt wird, die nach Koordinaten festgelegt sind. Bis dahin gab es ein riesiges Tohuwawohu an individuellen Sternbildern, die politisch oder durch Mäzenatentum motiviert waren (z.B. das Preußische Zepter für Friedrich den Großen oder der Poniatovski-Stier für den König von Polen, Medici-Gestirne etc.) – oder zur Ehre eines bestimmten Kollegen (z.B. das französische Sternbild aus dem 18. Jh. “Erntehüter”, auf französisch “Le Messier”, eine Anspielung auf den Astronomen Charles Messier).

Da Sterne immer mit einer Nummer oder Buchstabe plus Sternbildname bezeichnet werden, wurde um 1922 in der IAU beschlossen, dass nicht jeder seine eigenen Sternbilder machen darf, sondern eine international verbindliche Festlegung erfolgen soll. Dazu wurde der belgische Astronom Eugène Delporte beauftragt und er sollte sich an den 48 Sternbildern des Almagest (entstanden um 135 n. Chr. in Alexandria, heute Nordägypten) orientieren. Die Lücken, die diese offen ließen und der Südhimmel, der von dort nicht erfasst werden konnte, mussten natürlich von Delporte für die IAU aufgefüllt werden. Es gab also geringfügige Änderungen, aber der Handlungsspielraum war eingeschränkt.

Nach einigen Jahren Arbeit hatte Delporte die Flächen der Sternilder definiert.

Das klassische Sternbild des Schiffes (für Ptolemaios war’s die Argo vom Argonautenzug der grch. Mythologie, für neuzeitliche christliche Astronomen war’s die Arche Noah) wurde nun im Rahmen dieser Festlegungen als zu groß empfunden. Es wurde in drei Teile geteilt (Schiffskiel, Segel und Achterschiff), wobei jeder der drei fortan als eigenes Sternbild behandelt wird.

So wurde es 1928 von der IAU Generalversammlung beschlossen und seither gehandhabt. (Die Arbeit von Delporte erschien 1930, gedruckt ist es ein kleines Heftchen, also mehr als ein Artikel, weniger als ein Buch.) In diesem Zusammenhang wurden auch die offiziellen Abkürzung der Sternbilder mit drei Buchstaben beschlossen.

Damit aber der Anschluss an die Astronomie vor 1928 nahtlos gewährleistet blieb, hatte die Liste, die zum Beschluss vorgelegt worden ist, 89 Einträge: das Schiff Argo, abgekürzt Arg, kommt darin auch vor.

Das 89-ste Sternbild (Arg) überdeckt also die Fläche von drei modernen Sternbildern (Vel, Car, Pup) und man kann nicht behaupten, dass es das Schiff nicht mehr gebe.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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