Berlin-Babylon-Bagdad
BLOG: Uhura Uraniae

Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs “Transformation der Antike” der Humboldt Universität zu Berlin wird eine ca. einwöchige Woche voller kultureller und geistreicher Veranstaltungen (Lesungen, Konzerte, Vortrag) angeboten. Die Reihe heißt “Berlin-Babylon-Bagdad” und Informationen finden Sie hier: http://www.berlin-babylon-bagdad.de/ Das sind öffentliche Veranstalungen an verschiedenen Orten Berlins und ein lustiges “Teleporter”-Zeitreisespiel namens Zeitstromland im Internet.

Drei große “B”s stehen tatsächlich in engem Zusammenhang, denn das alte Babylon liegt ja direkt vor den Toren der heutigen Stadt Bagdad und viele der sehr erfolgreichen deutschen Grabungen durch Koldewey um 1900 herum wurden unter Genehmigung des Osmanischen Reichs nach Berlin verschifft. Dadurch steht das berühmte Ischtar-Tor, eines der Stadttore Babylons, mitsamt seiner Prozessionsstraße voller Ischtar-Löwen heute in der Vorderasiatischen Abteilung vom Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel.

Ischtar ist die babylonisch die Göttin der Liebe und des Krieges – und das ist nur vereinbar, wenn ihr Zuständigkeitsbereich “Liebe” vor allem die sexuelle Liebe meint, bei der das Paar leidenschaftlich ringt, um – im Gegensatz zu echtem Krieg – miteinander spielerisch Spaß zu haben. Die babylonische Kultur übte aber nicht nur aufgrund der prunkvollen Kacheln des Tores enormen Reiz und Einfluss auf die Menschen des damaligen Berlin aus:
Berlin-Babylon ist seither eng verwoben und für immer verbunden. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II war begeistert von dem Babylon-Boom des beginnenden 20. Jahrhunderts. In seinen Memoiren notiert er, dass er keine einzigen Vortrag der “Deutschen Orient Gesellschaft” (DOG) verpasst habe und ihm die Brücke sehr gefällt, die das Thema Babylon – und später auch auch der Panbabylonismus – einend durch die Gesellschaft schlägt. Stolz war er bspw. darauf, dass Theologen und Geistliche verschiedener Konventionen (beide christlichen, jüdische …) und Nationen (Kaiser von Siam u.a. Politprominenz wurden geladen) sich diesem Thema widmeten.

Bei der heutigen Eröffnungsveranstaltung der Kultur- und Wissenschaftswoche wurde es so dargestellt, dass das einstige “Spree-Athen”, Berlin, am fin-du-siècle, d.h. nach Gründung des Kaiserreiches das allgemeine Gefühl (Zeitgeist-Meinung) hatte, dass Athen nicht weltstädtisch genug sei, um dem neuen Image der jungen Kaiserreich-Hauptstadt gerecht zu werden. Athen schien zu klein, zu verträumt …
Berlin als neues Babylon
Die Ausgrabungen in Babylon kamen da also wie gelegen, denn damit hatte Berlin auch eine Weltstadt des Altertums, mit der man sich vergleichen konnte.
Dass das damals wie heute gleichermaßen gut geht, hat die heute Lesung von verschiedenen Reiseberichten des Herodot bis zu Künstlern des 20. Jh. gezeigt.
Dass der Name “Babelsberg” des Berliner Vororts und Hollywoods der 1920er Jahre nichts mit dem biblischen Namen “Babel” für Babylon zu tun hat, haben wir bei dieser Gelegenheit übrigens auch gehört: Dieser Ortsname ist slawisch und bedeutet “wo die Biber wohnen” – also ganz anders als das hebräische “verwirren”, von dem sich der Name der Stadt im Altertum ableitet.
Leider werde ich selbst keine Gelegenheit mehr haben, den Rest der Festival-Woche zu besuchen – aber ich hoffe, dass viele von Ihnen diese wunderbare Möglichkeit nutzen, wer in Berlin/ Umgebung ist oder wenigsten einmal das Zeitreise-Spiel mitspielen: Das geht auch online und man spielt da mit Leuten vor Ort beim Event zusammen.

Nach Anklicken erscheint auf dem Screen links die Zeitlinie von Berlin, rechts von Babylon. Da Berlin eine der jüngsten Hauptstädte Europas ist (1237 erstmals erwähnt), wird es noch eine Weile dauern, bis dort etwas anderes als nur Rehe und Fischerleute auftauchen. 🙂
Viel Spaß!
Nichtsdestotrotz ist es sicher ein interessante Idee, diese beiden Stadtgeschichten nebeneinander zu visualisieren.
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