Astrophotos mit Handy-Kamera

Faszinierend – was heute alles geht! Während ich zuerst (letztes Jahr) sehr bedauerte, dass moderne Handys mit gleich 5 Kameras daherkommen, die natürlich automatisch von interner Software ein/ausgeschaltet bzw. für ein Foto ausgewählt werden, entdeckte ich kürzlich andere Leistungsfähigkeiten.

Wiederholt berichtete ich hier bereits über Astrophotographie mit einfachen Mitteln, z.B. hat der Schüler Philipp Sch. 2017 diese neckischen Aufsätze für die damaligen Handy-Kameras vorgestellt und 2019 habe ich gezeigt, dass man schon mit einer einfachen Foto-Serie vom Mond viel Spaß haben kann (Beitrag 1, Beitrag 2). 

Oben links die fünf Kameras (das sechste der “Augen” ist das Blitzlicht).

Das Betrübliche an den vielen Kameras in einem Smartphone ist, dass man jetzt die Aufsätze nicht mehr nutzen kann und nicht mehr einfach das Handy an ein Teleskop-Okular halten kann, um ein Bild zu machen – weil man ja nie weiß, welche Kamera gerade aktiv ist. (Das heißt: Man kann natürlich schon – aber es ist eine elende Fummelei von Versuchen bevor man die richtige Kamera hat.) 

Dafür haben die neuen Smartphones anscheinend eine clevere Software für den Nightmode: Wenn man die Kamera gegen den Sternhimmel hält und von der Automatik eine Belichtungszeit von 3 bis 7 Sekunden gemessen wird, kann natürlich kein Mensch so lange das Handy wirklich still halten. Die Software nimmt daher sehr viele kurzbelichtetete Aufnahmen auf und braucht hinterher ca. 1 Sekunde, um sie übereinander zu legen. Wenn die Hände einigermaßen wenig zittern, gelingt mit dieser (eigentlich den Astrophotographen am Teleskopen seit Jahrzehnten bekannte) Methode ein ganz passables Astrofoto. 

Testaufnahmen – alle freihändig!

Ein ein paar FREIHÄNDIGE Aufnahmen im AUTOMATIK-Modus, NICHT nachBEARBEITET (nur etwas verkleinert für Bildschirmdarstellung). Früher – noch vor vier Jahren – musste man dafür ein Handy-Stativ und den Professional-Mode verwenden – und es war trotzdem fast nichts zu erkennen. Jetzt geht’s einfach mit “Klick – ruhig halten – und fertig”. 

Ich bin schwer beeindruckt! 

In Mitteldeutschland hängt oft ein Nebelschleier am Horizont – aber die Plejaden und Capella sind klar identifizierbar. Man sieht Artefakte der jpeg-Komprimierung in allen BIldern – aber das kommt durch die Verkleinerung, sorry.
Blickrichtung über die Stadt zeigt leider noch bunter beleuchteten Nebel – ist ja schließlich auch die Lichtstadt.

Dunklerer Himmel

Neben einer Bettenburg am Schwarzen Meer (Bulgarien) war der Himmel klarer, aber leider wird die Kamera-Automatik von der hell beleuchteten Hauswand beeinflusst. Man erkennt’s trotzdem.

Die bekannten zirkumpolaren Asterismen
(zwei Wagen und ein “W”)

Zurück in Mitteleuropa: Großer und Kleiner Wagen kommen auch dann noch gut heraus, wenn man hinter sich eine taghell beleuchtete Baustelle hat (die Sinnhaftigkeit dieser Baustellenbeleuchtung darf in Frage gestellt werden – aber d.i. ein anderes Thema)
Cassiopeia – Perseus – Andromeda, freihändig im NightMode (7s); obwohl der Horizont etwas trübe ist, lässt die Aufnahme im Orginal (hier verkleinert) die Andromeda-Galaxie erahnen. Deep Sky-Fotografie mit der Handy-Kamera: unglaublich!

Milchstraße mit dem Handy?!

Diese Aufnahme wurde am Waldrand des Dorfes am Stadtrand gemacht, recht dunkle Umgebung. Die automatische Fokussierung und die automatische Rechnung haben nicht ganz so gut funktioniert und das Bild hätte von einer längeren Belichtungszeit sehr profitiert (Ergebnis zeigt Schlieren, bräuchte auch Dunkelbildkorrektur), aber man erkennt neben dem Schützen die helleren Milchstraßenwolken und über dem Schützen bzw. unter dem hellen Stern Atair im Sommerdreieck die Schildwolke in der Milchstraße!
Erstaunlicherweise kann man auch die Handy-Kamera quasi in den Zenit halten. Das Sommerdreieck steht am frühen Abend noch immer recht hoch – jedenfalls hoch genug, dass man keinen Horizont/ irdische ferne Lichtquellen im Bildfeld hat, an denen man scharf stellen könnte. Dennoch hat es in dieser Aufnahme mal recht passabel geklappt und man sieht nicht nur die hellsten Sterne, sondern die Grenzgröße liegt – wie mit dem Auge – bei ca. 5 mag und sogar Spuren von Milchstraße kann man im Foto erahnen (und mit Nachbearbeitung vermutlich noch rauskitzeln).

… und Beteigeuze … 🙂

Zum Schluss hier noch ein Foto, wo ich leider die Hand nicht so gut ruhig hielt und die Sterne in leichte Striche verwischt sind: Achtung! Es sind keine Strichspuren, sondern Handzittern, was man hier sieht – aber man sieht über dem nächtlichen Nebel am Berg ganz klar, dass Beteigeuze wieder gewohnt hell leuchtet wie wir es vor den Lockdowns kannten.

Hier verwendetes Smartphone: 

Samsung Galaxy S20+ 
(ja, ich habe das Handy vor allem wegen der vielfach gelobten Kamera gewählt – aber ich hätte nicht mit dieser Astro-Stärke gerechnet: d.i. besser als ich erwartet hatte)

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Ich finde es auch bemerkenswert was ein Handy mit KI heute bei wenig Licht und freihändiger Haltung zu leisten imstande ist, kann aber in den gezeigten Fotos keinerlei nenneswerte Bildqualität erkennen.
    Das kann jede 20 Jahre alte Gebrauchtkamera für 10.- von Ebay, und dafür auf einem Stativ befestigt, wesentlich besser.
    Ich finde die Bilder allesamt verrauscht und zu weitwinklig.

  2. Das Geheimnis eines brauchbaren Fotos liegt im Zusammenspiel von Optik, Bildsensor und der dazugehörigen Bildbearbeitungssoftware.

    Die ist bei den Smartphones gut, aber wenn man wissen will, ob sie nicht nur geschönte Fotos liefert, sollte man folgenden Test machen.
    Fotografieren Sie mit dem Smartphone eine braune glänzende Ofenkachel oder die Oberfläche von einem Klavier, am besten leicht eingestaubt.
    Dann polieren Sie die Oberfläche mit einem Lumpen, dass kein Staub mehr vorhanden ist. Fotografieren Sie erneut. Sie werden sich wundern !

    Wenn beide Fotos sehr gut wurden, dann ist die Bildbearbeitungssoftware auch sehr gut, die hat dann nämlich den Staub wegretouchiert.
    Und wenn ihr Himmelsfoto so perfekt aussieht, dann hat die Software wieder zugeschlagen.

Schreibe einen Kommentar