Astronomischer Adventskalender

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Dieses Jahr versuche ich mich einmal in einem astronomischen Adventskalender. Ich widme ihn insbesondere meinen Kollegen in allen deutschsprachigen Planetarien, die in fast jeder Show etwas über Sternbilder und aus Gründen der Unterhaltsamkeit auch deren Mythologie und Geschichte berichten.

Jedes Türchen gibt den Blick auf zwei der 48 Sternbilder des Altertums frei – erzählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber vor dem Hintergrund mehrjähriger Forschung und meinen eigenen bescheidenen zwanzig Jahren Planetariumstätigkeit. Von den 88 modernen Sternbildern sind tatsächlich nur diese 48 in dem “Lehrbuch des Mittelalters” bzw. “Kompendium der Antike”, der “Großen Zusammenschrift” (arabisiert auf dem Griechischen “Almagest”) gesetzt gewesen. Ptolemaios von Alexandria gibt darin einen Sternkatalog als Tabelle, der in 48 Überschriften (Sternbildern) insgesamt 1029 Objekte, meist Sterne, nach Koordinaten und Helligkeit auflistet. An diesen 48 Sternbildern orientierte man sich bei der IAU-Definition 1930. Da in Nordägypten (Alexandria) allerdings der Himmelssüdpol nicht sichtbar ist, wurden dort noch Sternbilder ergänzt und ebenso da, wo Ptolemaios aufgrund von Sternarmut (z.B. unser Sternbild “Giraffe”) keine Figur setzte. Zudem hat man in der Neuzeit z.B. das “Haar der Berenike”, das es im Altertum bereits als Bezeichnung für dieselbe Sterngruppe gab, als eigenes Sternbild aufgefasst und nicht, wie im Altertum, als kleine Gruppe mit Eigenamen im Sternbild Löwe. Durch solche Abspaltungen, Auffüllungen und Umdefinitionen kommen wir heute auf eine höhere Anzahl von Sternbildern als damals.

Da ein Adventskalender 24 Türen hat, passt aber die historische Anzahl von 48 ganz gut und der Lehrwert dabei ist, dass Sie dann gleich wissen, welche Sternbilder wirklich “antik” sind: Was hier zu Weihnachten noch fehlen wird, ist also später hinzugekommen (Fortsetzungsprojekt).

Was ich hier berichte hat zur Textvorlage:

  1. die Tontafel-Serie MUL.APIN, das früheste erhaltene Kompendium der Astronomie.
  2. das Lehrgedicht des Aratos von Soloi (-3.Jh.), das er angeblich – so berichten antike Quellen – mit Vorlage des Globus bzw. zweier fachastronomischer Schriften des Eudoxos (-4.h.) geschrieben haben soll. Das ist also die antike Form einer Planetariumsshow, das wahrscheinlich – weil es wohlmöglich ein Lehrgedicht gewesen ist – viele Leute aufsagen konnten, das aber streng genommen auch seine Ungenauigkeiten aufweist.
  3. das nur in Aratos-Kommentaren sehr fragmentatisch erhaltene Astronomiebuch des Eratosthenes (-3.Jh.), seines Zeichens Bibliothekar von Alexandria und Prinzenlehrer sowie “Tausendsasser”, also Universalgelehrter.
  4. der Kommentartext von Hipparch von Nicäa, einem der Urväter der exakten antiken mathematischen und beobachtenden Astronomie
  5. der Almagest, selterner die Tetrabiblos des Ptolemaios von Alexandria, dem großen Kompilator antiker Wissenschaft im +2.Jh.
  6. als Bildquelle habe ich Ihnen den Atlas Farnese abgezeichnet (ich habe schon davon berichtet). Die vorliegende Skulptur ist aus römischer Zeit, aber sie ist eine römische Kopie einer griechischen Vorlage und wann diese erstellt wurde, ist nicht rekonstruierbar. Jedenfalls sind diese Bilder definitiv “antik” und mithin am nächsten an dem dran, was quasi das “Ursprüngliche” war. Sie werden sehen, dass unsere Planetariumsgemälde in jeder Form einleuchtender sind und wer bisher über deren Unanschaulichkeit gelästert hat, der sollte spätestens nach diesem Adventskalender den Zeichnern bei der Firma Zeiss (u.a.) dankbar für ihre Arbeit sein!
    Man würde andernfalls fast nichts wieder erkennen…
  7. diverse kleinere Texte, die ich bei Zeiten erwähne.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Sternbilder orientiere ich mich an der Reihenfolge im Almagest. Dieser Sternkatalog hat ein streng ekliptikales Koordinatensystem. Er beginnt im Norden bis zur Ekliptik; geht dann den Tierkreis entlang und sammelt dann die Sternbilder ein, die südlich des Tierkreises im Altertum in Nordafrika, dem Nahen Osten und Südeuropa noch sichtbar waren. Die Südpolkalotte fehlt dem antiken Sternkatalog folglich – vllt. ergänze ich sie dann in einem Bonustrack (nächstes Jahr…). 😉

Ich wünsche Ihnen allen eine erheiternde, fröhliche und geruhsame Zeit der Wintersonnenwendenvorfreude!


DANKE

Für die zahlreichen Stunden, in denen ich ungestört in den Kuppeln der Stiftung Planetarium Berlin tüfteln und mit meinen Sternbildern spielen durfte, bedanke ich mich – und zwar ganz besonders herzlich bei Dr. Monika Staesche und Jürgen Neye!

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), ... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Die Sumerer/Assyrer waren auch schon ganz echte Tausendsassas !
    Wo wurden denn die MUL.APIN- Tontafeln gefunden ? Kann man noch mehr sagen (Alter, Auftraggeber/König) ?

  2. MUL.APIN Tafelfragmente wurden im gesamten ersten Jahrtausend BCE geschrieben. Man findet Fragmente ab dem -7. Jh., aber die Daten des Textes sind älter – mit verschiedenen Methoden (rechnend und kulturhistorisch) datieren wir die Komposition auf “vor -1200”.

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