Astronomie

Was verstehen wir unter diesem Begriff? 

Astronomie ist ein Oberbegriff für verschiedene Wissenschaften, die sich mit dem Verhalten und der Natur der Himmelsphänomene beschäftigen:

  1. Astrophysik (die Wissenschaft vom Verständnis der Natur der Himmelskörper): gliedert sich in die zwei Hauptbereiche und viele Unterformen durch Liaison mit anderen Naturwissenschaften:
    1. die Theoretische Astrophysik: Simulationsrechnungen, teilw. auf Supercomputern und Anwendung von Theoretischer Physik wie Quantenphysik, Relativitätstheorie, Thermodynamik, Hydrodynamik & Magnetohydrodynamik … auf Fragen der Astronomie, d.h. die Dynamik, das Verhalten bzw. Aussehen von Himmelskörpern
    2. Beobachtende Astronomie:
      1. veraltend: Arbeit am Teleskop wird heute überwiegend nicht mehr von Astronomen gemacht, da geht es allein um Vorbereitung und Planung von Beobachtungen mit Blick auf konkrete Fragen der Astronomie: siehe oben. Es könnte sein, dass dieser Bereich seine Renaissance erlebt mit den hobbyastronomischen Nachbeobachtungen von Entdeckungen der Roboter-Teleskope, es kann aber auch sein, dass die Anzeichen dafür nur Einzelfälle bleiben: das wird die Zukunft zeigen. 
      2. Messende Astronomie: wie alle Richtungen der Experimentalphysik will auch die so genannte “beobachtende” Astronomie eigentlich “messen”. Die sensationellen Fotos des Hubble Space Telescopes, die nicht fürs Auge sichtbaren Bilder des James Webb Space Telescopes oder die ebenfalls nicht fürs Auge sichtbare oder fürs Ohr hörbaren Radio-“Bilder” (früher Radio-Karten genannt) von Schwarzen Löchern u.a. müssen geplant, gut vorbereitet, koordiniert und ausgewertet werden. Das gleiche gilt für die nicht für menschliche Sinne spürbare Schwingungen der Raumzeit, die mit Gravitationswellen-Interferometern gemessen werden. All das bezeichnet man heute als “beobachtende” Astronomie, obwohl die Arbeit in diesem Fach tagsüber am Computer stattfindet und nicht nachts am Teleskop. 
    3. die beiden Richtungen (theoretisch und messend) wechselwirken natürlich stark und verschmelzen in den letzten Dekaden zunehmend, d.h. Beobachtungen werden nach Simulationsergebnissen geplant
    4. neuere Entdeckungen und Methoden führen zu Mischformen mit anderen Naturwissenschaften, insbes. mit Blick auf die Erforschung von Exoplaneten und der Planeten des Sonnensystems ergeben sich durch Anwendung von Methoden der Biologie, Chemie und Geowissenschaften auf Himmelskörper:
      1. Gesteinsproben von Raumsonden werden inzwischen eher von Geowissenschaften analysiert als von Astronomen im klassischen Sinn.
      2. Astrobiologie wird interessant bei der Suche nach Leben jenseits der Erde.  
      3. Astrochemie stellt z.B. im Chemie-Labor die Bedingungen her für die Entstehung von Entstehung von Gesteinsplaneten oder die Entstehung von Leben (organischem Material) auf jungen Planeten. 
      4. Erforschung der Hochatmosphäre der Erde (Leuchtende Nachtwolken, Sternschnuppen…) wird inzwischen nicht mehr als Teil der Astronomie verstanden. Das war aber ca. bis zum Raumfahrtzeitalter (etwa 1960er Jahre) anders. Mit Blick auf die Erforschung der Atmosphären von Exoplaneten kann man heute über die Zuordnung streiten.
  2. Astro-Informatik: ein recht neuer Begriff, da astronomische Beobachtungen seit ca 20 Jahren kaum noch von Wissenschaftlern durchgeführt werden, sondern entweder von Robotern im All oder Technikern auf der Erde und die moderne Forschung daher am Computer geschieht. Hier wird versucht, moderne Methoden der Informatik wie Machine Learning/ Künstliche Intelligenz in der Astronomie urbar zu machen.
  3. Astrometrie (Vermessung von Positionen und Helligkeiten/ Lichtwechseln von Gestirnen).
  4. historische Astronomie und Geschichte der Astronomie
    1. hist. As. widmet sich der Erforschung von historischen astronomischen Methoden und Daten, insbes. vor Erfindung der Astrophysik um 1850 CE: es werden historische Daten analysiert und historische Beobachtungsmethoden nachgestellt 
    2. Geschichte macht aus den Ergebnissen ein Narrativ (z.B. für Museen oder Bücher), ist die Überblicksperspektive über verschiedene Epochen und Kulturen.
    3. Die Kombination von hist.As. mit modernen Daten ist dann “Angewandte historische Astronomie”. 
  5. Kulturastronomie. Oberbegriff für
    1. Ethnoastronomie 
    2. Archäoastronomie
    3. religiöse Astronomie (e.g. astronomy in biblical studies, islamic astronomy, die Studien von chines. Gaststernen als Omina bzw. ihre religiösen Hintergründe…)  

Ich hoffe, ich bin mit dieser Aufzählung halbwegs vollständig. Wenn nicht, werde ich vllt etwas nachtragen. Falls sich nun die Hobby-Astros beschweren, dass sie sich nicht wiederfinden: Man könnte diese genießerische Tätigkeit (deren Spektrum von Instrumentbau über Beobachtung mit freiem Auge und Kleinteleskopen = Instrumente bis 2 m Öffnung bis hin zu Datenauswertung von Satelliten und CitizenScience-Projekten reicht) unter viele der oben genannten Punkte bis hin zu Phänomenologischer Astronomie/ Naturkunde zusammenfassen.  

Wie gesagt, nutzen die meisten Leute das Wort Kulturastronomie allein als Oberbegriff dafür. Da ich seit 1998 u.a. auch in Planetarien arbeite, umfasst dieser Begriff für mich aber insbesondere (auch) all diejenigen Themen, die wir in der Öffentlichkeit besprechen, d.h. Fragen des christlichen Kulturkreises “wieso feiert man Weihnachten am 25. Dez”, “was war der Stern von Bethlehem”, “woher kommt der Tierkreis”, “gab es eine Sonnenfinsternis zu Jesu Kreuzigung”, “wie wird der Ostertermin berechnet”… bzgl. Planetarium natürlich auch “was bedeuten die Sternbilder” und auf diesem Gebiet habe ich – das darf ich wohl in aller Bescheidenheit anmerken – mehr Tiefgang als die meisten Kolleg:innen in Planetarien, die “nur” römische Märchen erzählen. Ich gehe zu den griechischen Quellen der römischen Märchen, finde Diversität und verfolge die einzelnen Stränge zu ihren jeweiligen Quellen in Babylon, Assur, Sumer, Israel … vllt. auch mitunter Ägypten (aber das ist noch fraglich). 

Anlass für diesen Post: 

Ich blogge hier seit 2007. Am Anfang war dieses Medium ganz neu und wir alle suchten nach unserem Profil als Blogger und naturgemäß durchaus mit sehr verschiedenen persönlichen Motivationen für dieses Ehrenamt. Nach ca. einer Dekade habe ich nun einmal meine Blog-Beschreibung angepasst, denn binnen dieser Zeit habe ich mich (glücklicherweise) weiter entwickelt. War ich 2007 noch freiberuflich als Astronomin in Afrika tätig, bin ich inzwischen seit 2010 an verschiedenen Universitäten in Europa bzw. auf Akademischen Austauschprogrammen in Übersee tätig. Daraus ergeben sich naturgemäß verschiedene Perspektiven und mitunter ungewöhnliche Inhalte, die ich gern teile.  

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

3 Kommentare

  1. Sehr vielfältig und fein verästelt erscheint hier die Astronomie. Nur die Planung und der Bau von Teleskopen scheint nicht zum Kern der Astronomie zu gehören. Galilei und Newton bauten allerdings noch ihre eigenen Teleskope.

    • Danke für den Kommentar: Als ich die Bemerkung zur Hobby-Astronomie schrieb, zweifelte ich auch, ob ich es oben aufnehmen soll. Ehrlich gesagt, ist dies eine der Grenzfragen: Sehen Sie, Bernhard Schmidt an der Hamburger Sternwarte in den 1920ern war nunmal wirklich kein Astronom, sondern hatte an der FH Mittweida als Ing. studiert – seinen Wahnsinnserfolg erzielte er zusammen mit dem beobachtenden Astronomen Walter Baade, in der Zeit als Astronomen noch wirklich nachts am Fernrohr arbeiteten (wie Baade). Baade selbst, einer der brillantesten Beobachter seiner Generation, hätte das Schmidt-Fernrohr nicht selbst bauen oder gar erfinden können.
      Auch Schupmann war Ing.-Prof an der RWTH Aachen, als er die vier Hybridvarianten Medial- und Brachymedialteleskop erfand (auf dem Papier, Schrift 1899) und Edwin Rolf, der das grö0te Brachymedial der Welt in Rathenow nach dem 2. WK baute, war Brillenmacher (u.a.), der sich für Astronomie interessierte, aber selbst kein Astronom war. Erst durch Zusammenarbeit mit den Astronomen der Akademie der Wissenschaften wurden seine Instrumente zu wissenschaftlichen Forschungsgegenständen und der reinen Liebhaberei entrückt. An einer meiner früheren Wirkungsstätten gab es den Beruf “Astrogeräte-Techniker”, der sich gewiss als Hobby-Astro auch für Astronomie interessierte, aber keine bahnbrechenden Entdeckungen anstrebte, sondern die Technik für die Sterngucker in Schuss hielt.

      Dennoch, wie gesagt, ist Instrumentbau durchaus ein Tätigkeitsfeld für Hobby-Astros und selbstverständlich auch ein eigener Forschungsbereich an Großen Sternwarten bzw. Universitäten, die mit ihnen zusammenarbeiten. Aber anders gefragt: Ist Mathematik oder Informatik, die von allen Astronomen beherrscht werden muss, ein Teilgebiet der Astronomie? Sind all diese Wissenschaftsbereiche nicht eher Hilfswissenschaften? (und damit sich hier niemand beschwert: das ist selbstverständlich nicht abwertend gemeint!) Wenn wir sagen, “Astronomie erforscht die Dynamik und die Natur der Himmelsphänomene bzw. Himmelskörper”, dann müssen wir natürlich dafür Instrumente entwickeln: mathematische Methoden, Gerätschaften, etc. Anders gesagt: wenn ich einen Topf töpfere, habe ich noch keine Mahlzeit – er ist aber ein wichtiges Werkzeug zur Herstellung einer solchen.

      Sehen Sie, darum bin ich etwas ratlos, ob ich es oben mit aufnehmen soll oder nicht: Alle Mitlesenden und Mitdenkenden dürfen das gern selbst entscheiden.

  2. Was mich interessieren würde, Frau Hoffmann, wäre:
    Wie misst man im Universum mit der s. g. konstanten Lichtgeschwindigkeit,
    LG = c-konstant? Möglicherweise garnicht? Besten Dank!

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