Astro-Ereignis dieser Woche: Neptun

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Herbstanfang 1846. Ein Brief aus Paris trifft in Berlin ein. Ein Mathematiker bittet die berühmten Beobachter, die gerade mit einem Astrometrie-Survey den Himmel neu und sehr genau durchmustern um die Überprüfung einer Berechnung. Der Direktor der Sternwarte, selbst eher ein “mathematischer Astronom”, d.h. Rechenmeister, Johann Franz Encke, hat Geburtstag. Er wird 55 Jahre alt und feiert daher groß mit der Berliner High Society.

Trotzdem erlaubt er seinen Assistenten, an dem klaren Abend das Teleskop zu benutzen und der Bitte des Herrn Le Verrier zu entsprechen: Der Himmel wird durchmustert und ein Punkt gesehen, der wenig vorher im Survey nicht verzeichnet worden war.

Aufgrund der kürzlich erfolgten Durchmusterung dieses Himmelsbereichs wusste daher der erfahrene Beobachter, Johann Gottfried Galle auch sofort, dass dieses Pünktchen “neu” ist: Hier sind wirklich mehrere glückliche Umstände zusammengekommen: ein guter Beobachter an einer Sternwarte mit Weltruhm, an der gerade eine neue Himmelsvermessung unternommen wurde, der von einem guten Mathematiker-Kollegen, der die richtigen Annahmen gemacht hatte (kluges Ratespiel), um eine Beobachtung gebeten wurde – und zwar an einer Himmelsstelle, die er zufällig sehr gut kannte.

So konnte der Planet 1846 relativ schnell auch als solcher identifiziert werden: Man muss auch mal Glück haben!

Es war das erste Mal in der Geschichte der Wissenschaft, dass etwas zuest theoretisch prognostiziert wurde und aufgrund der Prognose in der Natur gefunden. Heute ist das ja (siehe Higgs und Co) lange schon Gang und Gäbe, aber damals eben neu.

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift “Sterne und Weltraum” enthält übrigens einen sehr langen Artikel darüber, wie oft der Planet Uranus schon gesehen wurde, bevor er als solcher erkannt worden ist. Man sieht: Das ist also gar nicht so leicht mit den Entdeckungen.

 


Wie komme ich jetzt darauf? Erstens hatten wir am Mittwoch (d.h. dem Abend des 23., dem Abend von Enckes Geburtstag) hier in Berlin eine Premiere eines Planetariumsprogramms, in dem es um Dunkle Materie ging. Die Show begann just mit der Erwähnung der Entdeckung des Neptun aus einer blanken Mathematikerprognose (ohne das Datum zu erwähnen; die Koinzidenz ist nur mir aufgefallen). Zweitens meldete sich aber heute die lokale Presse bei mir und wollte ein paar Statements zu dem Thema der Neptunentdeckung. Also, ich bin mal gespannt, wie das nächstes Jahr dann ist, bei dem runderen Jubiläum. 🙂

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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