50 Jahre Sternwarte auf dem Insulaner (Berlin)
BLOG: Uhura Uraniae
wie gratuliert man eigentlich einer Sternwarte? (Türklinke schütteln und “Happy birthday” singen?) Warum feiern wir überhaupt Geburtstage? Und was ist denn morgen anders in diesem Haus als gestern?
Dieses Bild ist ein Puzzle aus Fotos, die ich von WFS-Sternfreunden erhielt. Die an sich tollen Fotos [DANKE!] sind eigentlich nur mäßig für Mosaike geeignet, darum gibt es manche Knicke im Bild … dies Bildchen soll nur einen Eindruck geben: am besten hingehen und selbst angucken! 🙂
Die Sternwarte auf dem Insulaner wurde von Amateurastronomen gebaut und wird auch bis heute von solchen betrieben. Offizieller Betreiber ist ein Verein, der mit Unterstützung der Stadt Berlin ein paar wenige Mitarbeiter eingestellt hat: einen technischen Leiter und eine wissenschaftliche Leiterin sorgen fürs Funktionieren des Betriebs und ein paar Verwaltungskräfte assistieren dabei. Sehr viel Arbeit wird aber ehrenamtlich geleistet und im Rahmen des Vereins gestämmt. Die Gründung erfolgte nach dem Krieg auf Initiative von Straßenastronomen, die aus Westberlin keinen Zugang mehr zur Ostberliner Archenhold-Sternwarte (SBZ) hatten und zunächst ein Kellergebäude (ehemaliges Offiziers-Casino) in der General-Pape-Straße bewirtschafteten. Sie beantragten später, mit ihrer astronomischen Beobachtungstation auf den Insulaner umziehen zu dürfen. Sie durften. Und … to cut a long story short, weil Harro Zimmer sie eh viel besser erzählen kann … heute gibt es dort eine Sternwarte, die aus zwei Häusern besteht: ein Hauptgebäude und eine Kuppel nebenan.
Genau heute wurde sie ein halbes Jahrhundert alt – bizarrerweise auf den Tag genau 30 Jahre nach dem Machtantritt der Nazis: aufgrund der auf den Machtantritt folgenden Geschichte war Berlin inzwischen geteilt, denn Deutschland hatte einen Krieg verloren und die Trümmer der zerstörten Stadt hatte man im westlichen Teil auf einen 78 m hohen Berg aufgetürmt. Der Trümmerberg erhielt später – angeblich nach der populären RIAS-Sendung “Club der Insulaner” aus der Blockadezeit – den Namen “Insulaner”.
Teleskop auf Trümmern: Wackelt das nicht?
Aufgehäufte Trümmer und darauf ein 12zölliger Refraktor … optische Geräte, mit denen man in der Ferne nur Teile von einem Winkelgrad anschaut? Man kann sich leicht vorstellen, dass die Bedenken da groß waren: In der Tat rutschten die Trümmer in den ersten Jahren noch heftig nach: der Berg schrumpfte (laut Harro Zimmer) in den 50ern noch um 3 mm im Jahr. Für die Aufstellung eines astronomischen Instruments ist das ganz schön viel.
Dennoch entschloss man sich zum Bau der Volkssternwarte auf dem Trümmerberg und noch heute befinden sich dort zwei Gebäude mit insgesamt drei Kuppeln, die verschiedene Geräte(typen) vom historischen Bamberg-Refraktor der ehemaligen Berliner (Vorkriegs)Urania bis hin zu einem modernen computergesteuerten 70 cm-Spiegelteleskop schützen. Mehrmals pro Woche öffnen Hobby-Astronomen abends die Türen für Himmelsgucker, aber sie freuten sich, dass diese öffentlichen Besuche nachts stattfinden müssen, wenn es dunkel ist und die Besucher nicht die Gebäude begutachten, während sie auf dem Weg zum Okular vielleicht einmal warten müssen.
Leidenschaftliches Engagement
Das Foyer der Sternwarte sah allerdings bisher auch so aus, als wäre es etwa 50 Jahre alt … und das wollten die passinonierten Astros allerdings noch rasch ändern: am 12.12.12 begann ein Berliner Künstler mit seinen Arbeiten und gestern war er fertig. Nun strahlt das Foyer bunt mit großen bunten Planeten.
Es war ein gigantisches, ehrenamtliches Vorstandsprojekt, dem Sternwartenfoyer dieses Make-up zu verpassen. Eine befreundete Hobby-Astronomin aus Oakland, CA (USA), hatte ein Motiv für die Gestaltung entworfen und ein Berliner Vorstandsmitglied hatte sich mit aller Macht um dessen praktische Realisierung vor Ort eingesetzt.
Auf weitere 50, 150 und mehr engagierte Jahre mit tollen, lustigen Menschen und sehr viel Leidenschaft für die Astronomie!
… und auch weiterhin unbeleuchtete Wege zur Sternwarte, auf dass man in Berlin auch künftig noch den echten Sternhimmel sehen kann. 🙂
Gimmick
I Was morgen anders ist als gestern? … nun, offensichtlich das Foyer der Sternwarte.
Aber es ist ein Wesenszug von Berlin, dass sich hier vieles rapide ändert:
Diese Sternwarte ist ein Resultat der historischen Tatsache, dass ein bißchen Beton und Stacheldraht etwa 2 Mio Menschen davon abhalten konnten, nach Herzenslust von West nach Ost durch diese große Stadt zu reisen.
Junge Leute wie ich (und die jüngeren) wissen um solche Entwicklungen bestenfalls aus Geschichtsbüchern oder vielleicht auch gar nicht. Daher empfindet man es als besonders erfrischend, zu Anlässen wie diesem auch gelegentlich persönliche Gesprächen mit denen führen zu können, die bereits von der Generation meiner Eltern als Reporter, Engagierte oder Wissenschaftler verehrt wurden und die sich an solche Zeiten noch erinnern können. Für meine Generation ist Berlin etwas ganz, ganz anderes: groß und ohne Definitionslücken in den Karten, eben die Hautpstadt eines wiedervereinigten Staates.
Wenn man bei solchen Feiern wie dieser echte, lebendige Menschen trifft, die man eigentlich schon lange kennt und Bilder, Film-Dokumente und Geschichten von damals zeigen, erkennt man wie schnellebig diese Stadt ist und wie wechselvoll ihre Geschichte. Noch vor va. 25 Jahren wäre es auch nicht denkbar gewesen, dass zum 50jährigen die gesamte Besatzung der Sternwarte und des Planetariums in der “sowjetischen Zone” gratulieren. Heute waren sie da – alle: die Leitung der Archenhold-Sternwarte und des Großplanetariums an der Prenzlauer Allee,die frühere und die aktuelle … genauso wie die lokal-westlich Berliner Astro-Prominenz. Inzwischen verschwimmen diese Grenzen, unter denen ich als Teenager manchmal noch litt. Die Mauer in den Köpfen verschwindet. 🙂 Das ist schön.
II Geburtstagsständchen wurden tatsächlich gesungen:
von einem Kinderchor im Foyer des Haupthauses am Fuß des Insulaner und später noch von einer begeisterten Besuchermeute bei der Besichtigung der renovierten Sternwarte nach Anstimmung des Liedes durch denjenigen Mann, der bereits seit Jahrzehnten die Besucher zählt (ich glaub, der gehört auch inzwischen zum Inventar des Hauses).
Grußworte wurden bei solch einem Ereignis natürlich auch gesprochen – diesmal vom 1. Vorsitzenden des Trägervereins Herrn Dr Karl-Friedrich Hoffmann, vom Leiter der Berliner Urania, der Einrichtung, die Herr Wilhelm Foerster dereinst im 19. Jh. “zur Popularisierung der Wissenschaft” gegründet hatte sowie von dem zuständigen Senator. Dabei fiel aus der Politik sogar der brillante Gedanke: “Wir könnten einen Preis stiften. Vielleicht einen Wilhelm-Foerster-Sternwarten-Preis”, der jungen Menschen zu Gute kommt, die besonders tolle Projekte in der Sternwarte machen. “Der junge Mensch hätte dadurch doppelten Gewinn: einerseits eine Qualifikationsarbeit – z.B. eine Facharbeit in der Schule, die beim Abitur unterstützt oder so – also die Ehre, die so ein Preis mit sich bringt… und eben das Preisgeld.” Hoffentlich die Berliner Politik so etwas tatsächlich – dann wäre sie nach Frankfurt die zweite große Stadt, die einen Preis für herausragende Arbeiten in der Amateurastronomie (d.h. der nicht bezahlten Astronomie) vergibt.
Grandios!
Also, warum nun feiern wir Geburtstage: Damit Politiker und andere wichtige Leute mal auf solch famose Gedanken kommen, tatsächlich Ehrwürdigem solche Ehrungen auch in realitas zu erweisen. Damit also das, was der Ehre würdig ist, endlich einmal zu seinem Recht kommt.
Allein das reicht schon als Grund, solche Geburtstage zu feiern: Wenn zu diesem Anlass dann Politiker ein paar hundert oder tausend Euronen bereitstellen würden und auch für die mittelfristige Zukunft im Jahrestakt versprechen, um (amateur)wissenchaftliche Forschungsarbeiten zu preisen – und damit zu würdigen und zu fördern!