02. Februar – Lichtmess – Frühling

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Hälfte des Winters oder Beginn des (Vor)frühlings: Mariä Lichtmess nennen die Christen den 02. Februar und verehren die Heilige Jungfrau. Bald darauf ist Karneval, das Fleischlos-Fest, das die Fastenzeit einläutet. Für die Christen ist die Fastenzeit ans Osterfest gekoppelt und darum die Verbindung nicht mehr offensichtlich, aber der ursprüngliche Grund ist astronomisch.

Winteranfang feiern wir am Tag der Wintersonnenwende, d.i. heutzutage der 21. (manchmal 22.) Dezember,
Sommeranfang am 21. Juni (Sommersonnenwende), Herbst- und Frühlingsanfang jeweils an den Tag- und Nachtgleichen am 20. März und 23. September. Daraus ergibt sich folgende unterschiedliche Länge der Jahreszeiten, weil die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne im Winter (in Sonnennähe) schneller ist als im Sommer:

Winter  Frühling Sommer Herbst
10 Tage vom Dez. 11 Tage von Mrz 10 Tage Jun 7 Tage Sept
31 Tage vom Januar 30 Tage Apr 31 Tage Jul 31 Tage Okt
28 Tage vom Februar 31 Tage Mai 31 Tage Aug 30 Tage Nov
20 Tage vom März 20 Tage Juni 23 Tage Sept 21 Tage Dez
insges.: 89 Tage insges.: 92 Tage insges.: 95 Tage insges.: 89 Tage

Wir sehen, der Sommer ist (auf der Nordhalbkugel) länger als der Winter.

Nun ergibt sich aber eine weitere Merkwürdigkeit: Die astronomischen Jahreshauptpunkte, also wenn die Sonne einen Extrempunkt oder einen Nulldurchgang auf ihrer Bahn hat, sind jeweils der Anfang einer Jahreszeit. Wenn Winter die kalte Jahreszeit sein soll, dann ist das aber komisch, weil es bekanntlich schon im November sehr kalt ist und Anfang März (wenn astronomisch noch “Winter” ist) nicht mehr ganz so kalt. Darum ist es eigentlich (kulturell, bauernkalendermäßig) sinnvoller, die kalte Jahreszeit, in der draußen nichts gedeiht von November bis ca. Februar zu definieren, so dass die Wintersonnenwende nicht am Anfang, sondern in der Mitte dieses Zeitraums liegt.

Und Tatsache: die kultischen Feste zeigen genau das. Am 11. November feiern wir “Sankt Martin”, den Edelmann, der seinen Mantel mit einem Armen teilte. Das steht sicher nicht nur für das Frieren eines Menschen, der keinen Mantel hat, sondern auch für die Jahreszeit, die jetzt – um 11:11 Uhr – eingeläutet wird, nämlich die, in der man mit dem Essen etwas sparsamer umgeht, weil draußen nichts wächst und man von Vorräten lebt. Diese (kalte, karge) Jahreszeit, die man vllt. Winter nennen könnte, endet mit “Lichtmess” Anfang Februar bzw. mit dem anschließenden Faschingsfest. Fasching oder Karneval wandert mit Ostern ein bisschen durchs Jahr (beginnt 40 Tage vor Ostern). Ds christliche Fest “Fasching” bedeutet den letzten Ausschank von Alkohol vor der Fastenzeit (“fasching” von althochdeutsch “vaschang”, diesem Ausschank) und Karneval leitet sich von den romanischen Sprachen (ursprünglich latein, wobei das Wort vermutlich in der frühen Neuzeit über das Italienische nach .de kam) “ohne Fleisch”, also der (fleischlosen) Fastenzeit: “Fasching” ist also kurz vor der Fastenzeit, “Karneval” ist – streng genommen – die Fastenzeit selbst – obwohl wir mit beiden Vokabeln inzwischen die letzten paar Tage vor ihr, das letzte Schlemmen bezeichnen.

Während nun diese Feste an Ostern gekoppelt sind und mithin wandern, sind es die Namenstage der Heiligen nicht: Mariä Lichtmess ist stets am 02.02. und St. Martinstag ist stets am 11.11. Diese Heiligen-Gedenktage teilen die Abschnitte zwischen den Jahreshauptpunkten (s. obige Tabelle) jeweils etwa in Hälften, und zwar jedenfalls recht symmetrisch: St Martin ist das Fest zwischen Herbsttag- und -nachtgleiche und Wintersonnenwende, Lichtmess ist das Fest zwischen Sonnenwende und Frühlingstag- und -nachtgleiche.

Herbstpunkt  St. Martin Winterpunkt Lichtmess
7 Tage Sept. 19 Tage Nov. 10 Tage Dez. 26 Tage Feb.
31 Tage Okt. 21 Tage Dez. 31 Tage Jan. 20 Tage Mrz.
11 Tage Nov. 2 Tage Feb.
St. Martin Winterpunkt Lichtmess Frühlingspunkt
ges.: 49 Tage 40 Tage 43 Tage 46-47 Tage

Beide Jahreszeiten (Herbst und Winter) haben 89 Tage, so dass die Hälfte 44.5 Tage wäre. Der Abschnitt um den Tag des Jahres, an dem die Erde im Raum ihre höchste Geschwindigkeit hat (d.i. um den 4. Januar) ist also in dieser Tabelle mit den beiden kürzesten Abschnitten gesäumt.

Jahreskreis der Erde (smh 2019); St. Martin und Lichtmess teilen Herbst und Winter. Die Mitte des Sommers ist in dieser Rechnung Anfang August (St Laurentius?, Mariä Himmelfahrt), die Mitte des Frühlings Anfang Mai (tatsächlich war das römische Frühlingsfest am 5 Mai, das sog. Marsfest, weil Mars u.a. auch die Nebenbedeutung eines Agrargottes ist, der für Wachstum der Vegetation verantwortlich ist: bei diesem Fest zogen die Priester singend und tanzend durch die Stadt; der christliche St. Markustag ist der 25. April, der späteste Ostertermin [Markus, lat.: “dem Mars geweiht”, ebenso wie Martin, “zum Mars gehörig”]). Man beachte auch, dass die Ellipse leicht aus dem Achsenkreuz gedreht ist (gewiss nicht maßstäblich), um anzudeuten, dass das Perihel der Erde erst ca. 2 Wochen nach Weihachten durchlaufen wird.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

6 Kommentare

  1. “Fasching oder alemanisch Karneval”

    Wohl eher nicht. Alemannisch dürfte eher “Fastnacht” sein. Karneval ist lateinischen Ursprungs…

  2. Die Sonnenwenden und Tag- und Nachtgleichen sind astronomisch definierte Ereignisse. Und zweifellos ist die Zeitspanne von der Herbst-Tag-und Nachtgleiche zur Frühlings-Tag- und Nachtgleiche kürzer als die von der Frühjahrs- zur Herbst-Tag-und Nachtgleiche. Die Ursache wird im Artikel genannt.
    Die heute übliche Benennung der Jahreszeiten und die Verbindung mit den astronomischen Ereignissen (im Artikel auf die Nordhalbkugel bezogen), ist eine kulturelle Übereinkunft. In vorchristlich entwickelten Kalendersystemen Europas (z.B. Kelten) begann der Winter Ende Oktober und dauerte bis Anfang Februar, d.h. in dieser Zeit ruhte die Arbeit auf den Feldern. Das hat sich in den bäuerlichen Traditionen sehr lange bis fast ins 20. Jahrhundert erhalten, z.B. mit dem Wechsel des Gesindes zu Lichtmess. Einfach deshalb, weil es dem bäuerlichen Wirtschaftsjahr entsprach. Die Festlegung der christlichen Gedenk- und Feiertage erfolgte nicht willkürlich, sondern meist in Anlehnung an bereits vorhandene Höhepunkte im Jahreslauf, auch um die Annahme des neuen Glaubens zu erleichtern.

  3. Kirchen stellen sich auch gegen geltendes Recht, z.B. zeigen die Kirchenoberen ihre Kollegen, die Kinder missbrauchen, regelmäßig nicht bei der Polizei an, und setzen stattdessen noch die Opfer unter Druck. Nicht nur das ist Kriminell und Verfassungswidrig.

  4. @Peter Wagner: auf welcher Halbkugel nochmal lebten die Römer, wurde das Christentum geboren und sein Heiligenkult entwickelt…? @Arno Nym: stimmt, da war eine Ungenauigkeit im Text (sorry, manchmal überhole ich mich selbst); ich habe nachgelesen und diesen Abschnitt ausführlicher gemacht, so dass er jetzt richtig ist.
    @Jutta Paul: Herzlichen Dank für diese Ergänzung! Das hatte ich zwar nicht ausgeführt, aber impliziert. Das “Bauernjahr” bzw. der Agrarzyklus wird natürlich vom Sonnenstand, also dem Umlauf der Erde um die Sonne, geprägt.
    @free porn: für Polemik ist hier kein Platz – dies ist ein Artikel über die – inzwischen vergessenen – astronomischen Wurzeln eine unserer Kulturen (immerhin wird dieses Land derzeit von einer Partei regiert, die sich “christlich” nennt) und zwar völlig wertneutral und ohne jegliches Glaubensbekenntnis.

  5. Nachdem das Pessachfest dieses Jahr zwischen dem 19.4. und dem 27. 4. begangen wird und die Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament in eine Pessachwoche fielen, passt doch das diesjährige Osterdatum ganz gut dazu. Ihr interessanter Artikel hat mich dann dazu bewogen mich näher zu informieren, es hat sich dabei herausgestellt, daß zwischen 190 bis zum Ersten Konzil von Nicaea (325) heftig um das Datum für die Begehung des Osterfests gerungen wurde. Dieser Streit wurde beim Konzil provisorisch beigelegt, aber endgültig erst 525. Endgültig natürlich nur bis 1582, dem Zeitpunkt der von Papst Gregor XIII. geschaffenen Kalenderreform.

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