Wenn das Kopfkino dunkel bleibt

Unsere Gedanken bildlich vor uns zu sehen, erscheint den meisten völlig normal. Dabei haben einige eine sehr lebendige Vorstellungskraft, während bei Anderen nur schwache Bilder aufflackern. Aber was, wenn das innere Auge vollkommen blind ist?

von Johanna Bergmann

„Stell Dir vor, …!“, so beginnen häufig lebhafte Erzählungen von Dingen, die einem kürzlich passiert sind und auf den Nägeln brennen. Die Redewendung impliziert automatisch, dass das Gegenüber sich das erlebte Szenario bildlich vorstellen kann. Tatsächlich aber ist das nicht immer der Fall: Manche Menschen haben eine Vorstellung, die so bildhaft ist, als hätten sie das Berichtete selbst erlebt. Andere wiederum sehen das Berichtete nur schwach oder für einen kurzen Moment vor sich. Es gibt aber auch Menschen, bei denen passiert (fast) nichts – ihr Kopfkino bleibt dunkel. Als wäre das ‘innere Auge’ blind.

Dass die Vorstellungskraft von Menschen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt ist, wurde schon im 19. Jahrhundert vom Wissenschaftler Sir Francis Galton beschrieben. Dass manche Menschen jedoch so gut wie überhaupt kein bildliches Vorstellungsvermögen haben, erfährt erst seit kurzem mehr Aufmerksamkeit. Adam Zeman und seine Forschungsgruppe an der University of Exeter tauften dieses Phänomen vor sieben Jahren ‚Afantasie’.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie geht davon aus, dass fast vier Prozent der Bevölkerung von Afantasie betroffen sind. Wichtig ist hierbei: Es handelt sich nicht um eine Behinderung, sondern lediglich um einen besonders niedrigen Wert auf dem breiten Spektrum des Vorstellungsvermögens, also eine kognitive Eigenart. Was Afantasie jedoch so spannend macht, ist die Frage, wie sich das Unvermögen, sich etwas bildlich vorzustellen, auf das Leben und Erleben der Betroffenen auswirkt. Für die meisten Menschen ist es ja völlig selbstverständlich, ihre Vorstellungskraft zu nutzen, wenn sie alltägliche Aufgaben bewältigen und Entscheidungen treffen – aber welche Konsequenzen hat es, wenn diese Erlebniskomponente fehlt?

Vieles davon liegt noch im Dunkeln. Die ersten Untersuchungen zeigen aber eindrucksvoll, welche Auswirkungen Afantasie auf das persönliche Erleben haben kann. Demnach träumen Betroffene etwa seltener und weniger intensiv. Außerdem verfügen sie über ein schlechteres autobiographisches Gedächtnis – das heißt, sie können sich weniger an Ereignisse aus ihrer Vergangenheit erinnern. Auch zukünftige Ereignisse können sie sich kaum vorstellen.

Doch nicht nur die bildliche Vorstellung ist betroffen, sondern auch die anderer Sinne – etwa die Vorstellung davon, wie etwas riechen oder ein Lied klingen könnte. Andere kognitive Funktionen, bei denen man häufig selbstverständlich auf die Einbildungskraft zurückgreift, scheinen hingegen nicht beeinträchtigt zu sein. Darunter das räumliche Denken und Gedächtnis oder das visuelle Arbeitsgedächtnis. Womöglich setzen die Betroffenen hierbei andere Strategien ein, um diese Aufgaben zu bewältigen.

Welche neurophysiologischen Prozesse zu Afantasie führen, ist nach wie vor unklar. Ein weitverzweigtes Netzwerk an Gehirnregionen – von Regionen im Stirnbereich bis zu den visuellen Regionen an der Hinterseite des Gehirns – ist daran beteiligt, wenn wir uns etwas bildlich vorstellen. Entscheidende Unterschiede können somit an vielen Stellen auftreten. Studien, die Afantasie mittels bildgebender Verfahren wie fMRT untersucht haben, fehlen bislang. Untersuchungen aus anderen Bereichen könnten allerdings Rückschlüsse liefern, worauf es ankommen könnte.

Der Hippocampus etwa, der unter anderem beim Abruf von Gedächtnisinhalten ins Spiel kommt, ist auch für die Erzeugung gedanklicher Bilder unabdingbar. Fehlt er oder ist er stark geschädigt, ist es unmöglich, sich zukünftige Ereignisse vorzustellen.

Auch Studien darüber, wie sich die unterschiedlich stark ausgeprägte Vorstellungskraft neurophysiologisch widerspiegelt, sind aufschlussreich. In unseren Untersuchungen konzentrierten wir uns dabei auf die visuellen Regionen. Es ist bekannt, dass diese Regionen die Bilder, die man vor seinem inneren Auge sieht, auf ähnliche Weise wie die tatsächlich gesehenen verarbeiten. Dabei fanden wir heraus: Menschen mit eine präziseren Vorstellungskraft haben einen größeren primären visuellen Cortex (V1). Umgekehrt stellten wir jedoch auch fest, dass ein kleinerer V1 mit einer intensiveren Vorstellungskraft assoziiert war. Mit anderen Worten: ein größerer V1 bedeutete eine präzisere, aber weniger intensive Vorstellungskraft. In einer weiteren Studie stellten wir zudem fest, dass bei Menschen mit weniger intensiver Vorstellungskraft der V1 leichter erregbar und aktiver war.

Diese Zusammenhänge klingen zunächst paradox. Wir vermuten jedoch, dass sie widerspiegeln, wie Signale aus dem Inneren des Gehirns gegenüber den Signalen von den Sinnesorganen bei jedem Menschen unterschiedlich gewichtet werden. Wird dem Input von ‚außen’, d.h. von den Sinnesorganen, ein stärkeres Gewicht gegeben – womöglich ablesbar an einem größeren und aktiveren V1 – treten die internen Hirnsignale, die auch Vorstellungsbilder erzeugen, womöglich weniger ins Bewusstsein.

Eine besonders spannende Frage ist, inwieweit sich das Unvermögen, sich etwas bildlich vorzustellen, auf psychische Erkrankungen auswirken könnte – denn das Kopfkino spielt bei vielen ja eine große Rolle: Bei der Generalisierten Angststörung malen sich die Betroffenen beispielsweise Schreckensszenarien aus, die in der Zukunft eintreten könnten. Bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) durchlaufen sie sogenannte Flashbacks, in denen sie das traumatische Erlebnis nochmal erleben. Bei der Schizophrenie können Halluzinationen auftreten. Doch was passiert, wenn man sich gar nichts bildlich vorstellen kann?

Eine Möglichkeit wäre, dass Menschen mit Afantasie eher vor solchen psychischen Erkrankungen gefeit sind. Eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie könnte diese These unterstützen: Gesunde Probanden mit und ohne Afantasie sollten darin zum einen beängstigende Geschichten lesen und zum anderen furchteinflößende Bilder anschauen. Gleichzeitig wurde gemessen, wie groß ihre Angst war, indem man ihre Hautleitfähigkeit erfasste. Bei den Geschichten zeigte sich:  Probanden, die sich Dinge bildlich vorstellen konnten, hatten physiologisch messbare Angstreaktionen – die Hautleitfähigkeit stieg an, was auf erhöhte Schweißbildung hinwies. Bei den Probanden mit Afantasie passierte hingegen – nichts. Anders bei den Gruselbildern. Beide Gruppen zeigten hier gleichermaßen Angst. Die fehlende Angstreaktion auf beängstigende Geschichten war bei Menschen mit Afantasie also wirklich nur dadurch bedingt, dass sie sich die Angstszenarien nicht bildlich vorstellen konnten.

Und dies ist offenbar nicht der einzige Effekt, den Afantasie mit sich bringt. Ein weiterer könnte besonders im Zusammenhang mit psychotischen Störungen relevant sein: In einer von uns kürzlich veröffentlichten Studie fanden wir heraus, dass Menschen mit Afantasie deutlich unwahrscheinlicher Halluzinationen erleben. Zudem sind diese weniger lebhaft und komplex.

Ist Afantasie also womöglich ein schützender Faktor gegen so manche psychische Erkrankung? Mit dieser Schlussfolgerung sollte man vorsichtig sein. Denn Halluzinationen, Flashbacks oder Schreckensszenarien sind nur einige von vielen Symptomen, die bei solchen Erkrankungen auftreten können. Andere Symptome wie Schlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsprobleme könnten auch Menschen mit Afantasie belasten. Das deutet auch eine Studie an, nach der Afantasie nicht unbedingt gegen alle Symptome schützt, die bei PTSD auftreten können. Im Gegenteil könnte sogar das Risiko bestehen, dass psychische Erkrankungen bei Menschen mit Afantasie schlechter erkannt werden – weil die so prägenden Symptome, die mit der Vorstellungskraft zusammenhängen, fehlen oder diffuser auftreten.

Veröffentlicht von

Nach Forschungsstationen in Frankfurt, Sydney und Glasgow arbeite ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Ich interessiere mich besonders für die menschliche Vorstellungskraft und Kreativität und die Frage, wie das Gehirn unsere Wahrnehmung der Welt konstruiert. Dafür benutze ich Verhaltensexperimente, hochauflösende funktionelle Magnetresonanztomographie und Maschinelles Lernen.

29 Kommentare

  1. Unser Gehirn reaktiviert als Reaktion auf einen neuen Reiz immer sofort eine vergleichbare Erfahrung (= predictive coding). Dies ist unsere wichtigste Überlebensstrategie, denn damit können wir sofort reagieren: Eine ´Erfahrung´ besteht zu unterschiedlichen Anteilen aus den Komponenten a) Faktenwissen, b) Körperreaktion, c) Sinnesreaktion, d) Immunsystem-Reaktion und e) Emotionen.

    Wenn das Gehirn aber keine vergleichbare Erfahrung findet, dann kann es passieren, dass es sich so intensiv auf die Verarbeitung des unverständlichen Reizes konzentriert – dass man nun bewusst wahrnehmen kann, wie das Gehirn arbeitet: Schritt-für-Schritt.
    D.h. die Arbeitsweise des Gehirns wird dabei der bewussten Wahrnehmung zugänglich. Aber ausgerechnet diese einmalige Chance, die bewusst erlebbare Arbeitsweise des Gehirns zu erforschen, wird von der Gehirnforschung bisher nicht genutzt – weil dieses bewusste Erleben der Arbeitsweise des Gehirns als ´Nahtod-Erfahrung´(NTE) in der Literatur beschrieben wird.

    Ein Beispiel: Bisher gilt die Lehrmeinung ´infantile Amnesie´, welche besagt, dass frühe Kindheitserlebnisse dem bewussten Erinnern nicht zugänglich sind.
    Bei NTEs kann man sich aber LEBENSLANG bewusst an Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat erinnern – wobei die Reihenfolge deutlich erkennbar ist, wie sich die physikalischen Sinne entwickeln: Tastsinn > Hörsinn > Sehsinn > Geburt(indirekt) > …
    Die erinnerten Erlebnisse werden beim Reaktivieren neu bewertet (state dependent retrieval).
    D.h. eine Lehrmeinung der Kognitionswissenschaft ist nachweisbar fragwürdig! Und auch das Thema ´neuronale Plastizität´ muss diskutiert werden – wenn Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat lebenslang UNVERÄNDERT vorliegen!

    Dieses NTE-KOPFKINO ist in Tausenden von Berichten dokumentiert – die von der Forschung genutzt werden könnten: wenn man an der Arbeitsweise des Gehirns interessiert wäre

    Ich habe ein komplettes Erklärungsmodell für NTEs erstellt. Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] ist eine kostenlose(!) PDF frei lesbar. Mein Buch ´Kinseher Richard: Pfusch, Betrug, Nahtod-Erfahrung´ ist im Handel erhältlich.

    Wenn die Kognitionswissenschaft doch wissen will, wie das Gehirn arbeitet, sollte man die NTEs nicht mehr länger ignorieren!

    • Das ist spannend. Ich habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine dissoziative Identitätsstörung und kann mich mit beiden Gruppen identifizieren. Einerseits habe ich ein fotografisches Gedächtnis und kann mich blind durch Räume bewegen, die ich nur einmal gesehen habe. Andererseits kann ich meine Emotionen komplett ausblenden und nehme dabei z.b. Stimmen und Mimik von anderen Personen viel intensiver wahr. Ich bin gespannt auf weitere Forschungsergebnisse.🙋‍♀️

  2. Afantasie, Prosopagnosie (Gesichtsblindheit), Phonagnosie, Asexualität, Allgemeine Merkschwäche, Wortfindungsstörungen und viele weitere (kognitive) Defizite wurden meist erst nach dem Jahr 2000 entdeckt, jedenfalls erst nach dem Jahr 2000 „vermessen“. Das passt sehr gut zum Bild, das ich selbst vom Wissen der Menschen über den Menschen habe und das ich plakativ so auf den Punkt bringen möchte: „Wir wissen weniger über den Menschen als über das Atom.“

    Dabei hat noch niemand ein Atom von Angesicht zu Angesicht gesehen, andere Menschen aber haben alle schon genügend erlebt. Genau aber das mag der tiefere Grund sein für unser Unwissen über den Menschen: wir sind uns selbst zu nah, um uns objektiv beschreiben zu können. Ja, wir haben sogar Angst davor uns so zu sehen wie wir wirklich sind. Jedenfalls war das die Überzeugung von Sigmund Freud. Wer über sein Seelenleben etwas wissen will geht gemäss Freud – selbst wenn er selbst Psychologie/Psychiater ist – am besten zum Fachmann, denn sich selbst macht man etwas vor. Diese Haltung, die wir im Alltag einnehmen lässt sich verkürzt so wiedergeben: „Alles ist doch normal, ist doch im Rahmen – oder nicht?“

    Fazit: Programme der künstlichen Intelligenz müssen inzwischen viele vergleichende Tests absolvieren bis man ihnen gewisse Fähigkeiten zugesteht. Vielleicht sollten wir auch viel mehr aufschlussreiche Tests für Menschen über Menschen zusammenstellen, um uns besser kennen zu lernen.

  3. Mit dem Rohrschachtest hat bisher ein Psychologe die “Vorstellungswelt” von Probanden untersucht.
    Wie kann man jetzt unterscheiden, ob der Proband tatsächlich keine Assoziationen zu einem Klecksbild hat, oder ob er seine Assoziationen nicht verrät.
    Es gib auch noch rational denkende Menschen, die bei Wolken keine Gestalten hineininterpretieren, weil sie das als Unfug ansehen.
    Und dann gibt es noch die Zeitgenossen, die sich einen Spaß daraus machen und auch Spaß daran haben Gestalten zu sehen, als Ausdruck von Lebensfreude.
    Und jetzt die Schlussfolgerung, die Afantasier , sind das depressive Menschen, oder nur unglückliche Menschen, oder Menschen, die ihren Glauben verloren haben, ihr Vertrauen, also verschlossene Menschen ?

    • Meines Wissens nach gibt es bisher keine Untersuchung, die die Prävalenz psychischer Krankheiten wie Depressionen bei Menschen mit Afantasie erfasst hat. Ich gehe allerdings bei kongenitaler Afantasie nicht von einer kausalen Rolle von Depression aus, denn das Unvermögen, sich Dinge bildlich vorzustellen, besteht ja seit Geburt. Hingegen ist es durchaus denkbar, dass der (plötzliche) Verlust der Vorstellungskraft- zum Beispiel durch Läsionen relevanter Gehirnregionen – umgekehrt zu Depressionen führen kann. Die Frage, ob Menschen mit Afantasie trotz ihres Unvermögens, sich etwas bildlich vorzustellen, in der Lage sind, Pareidolien zu erleben (d.h. das von Ihnen angesprochene Erkennen von Gesichtern/Gestalten/etc. in Mustern und Dingen wie zum Beispiel Wolken) wäre allerdings eine spannende Fragestellung!

      • Ein paar Gedankensplitter zu Afantasie.
        Es gibt Menschen mit einem hohen IQ und Menschen mit einem niedrigen IQ.
        Alles ganz normal.
        Es gibt Menschen mit Schöpferkraft und es gibt Menschen mit wenig Phantasie.
        Auch alles ganz normal.

        Was ist jetzt „neu“ mit dem Begriff Afantasie ? Ehrlich gesagt, als Lehrer ist mir noch kein Schüler untergekommen, der gar keine Phantasie gehabt hätte. Der müsste ja bei einem Aufsatz unfähig sein, irgendeinen Satz aufzuschreiben. Ist mangelnde Phantasie eine Form von Autismus ?
        Und ist ein Afantasier unsozial ?

        • Neu ist jedenfalls das Konzept ‘Afantasie’, als Forschungsgegenstand.
          Der Schreiber dieser Zeilen mag dieses Konzept, wobei sich bildlich von Betroffenen schon einiges vorstellbar sein muss, bereits der Fortbewegung geschuldet.

          Dr. Webbaer hat ja selbst Personen kennen gelernt, die so vielleicht beschreibbar würden, sie denken sehr im Rahmen von Fallunterscheidungen, können bspw. soliden Programmier-Kode bereit stellen, haben aber kaum Fantasie für den Anwender, seine Leistungsanforderungen an Software und für das Interface, das dem Benutzer letztlich ebenfalls bereit zu stellen ist.

          Interessant ist Ihre Frage nach der Sozialität.
          Autismus und so als Vergleichspunkt?

          MFG
          WB

        • Ich würde Afantasie nicht mit mangelnder Kreativität/Schaffenskraft gleichsetzen – sie betrifft ja nur bildliche Formen des Denkens. Bisher gibt es zwar meines Wissens keine Studie, die den Zusammenhang mit Kreativität untersucht hat, doch die Liste an öffentlichen Personen, die bei sich selbst Afantasie festgestellt haben (siehe zum Beispiel die Liste auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite) zeigt, dass einige von ihnen in kreativen Berufen arbeiten. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Afantasie gerade dazu beitragen kann, neuartige Problemlösungen zu entwickeln – eben weil die Betroffenen andere Strategien und Herangehensweisen anwenden müssen als Personen, die auf ihre bildliche Vorstellungskraft zurückgreifen können.

          Einen Zusammenhang mit autistischen Eigenschaften und geringeren sozialen Kompetenzen deutet zumindest diese Studie hier an.

          • O.K.
            Es geht also nur um die Art, wie Wissen abgespeichert ist und wie das Wissen assoziert wird.
            3/4 aller Schulkinder speichern die Schrift optisch ab und erkennen am Wortbild, ob das Wort richtig geschrieben ist.
            Etwa 15 % der Schulkinder speichern Wörter akustisch ab, sie lesen sich die Wörter laut vor, um sie zu verstehen.
            Nur 5 % oder weniger gehen haptisch vor, die müssen sich das Wort schreiben, um es zu verstehen.
            Vielleicht sind die Afantisten die haptischen oder akustischen Typen, die sich keine “Bilder” merken können.

        • Um ihre Frage zu beantworten: Am Konzept der Aphantasie ist nichts neu, allerdings wurde sie noch nicht vollständig erforscht im Hinblick auf Ursachen, Folgen etc. Niemand sagt, dass Afantasie nicht normal wäre, sondern nur, dass sie ein bisher vernachlässigter Punkt im Spektrum der menschlichen Vorstellungskraft ist. Hätten Sie den Artikel gelesen, wüssten Sie, dass es nicht um mangelnde Vorstellungskraft, sondern um mangelnde bildliche Vorstellungskraft geht. Somit wäre eine afantastische Person durchaus in der Lage, einen Aufsatz zu schreiben.
          Und warum sollte eine Person mit Afantasie autistisch sein? Diese beiden Phänomene haben nichts miteinander zu tun. Autismus ist eine Reizverarbeitungsstörung, während Afantasie ein Mangel an Vorstellungskraft ist.

  4. Ihren Beitrag „das Hirnkino“ betreffend finde ich sehr interessant.

    Besonders, dass Deformationen des Hippocampus für den Ausfall „gedanklicher Bilder“ beitragen könnten.

    Bei dem was Sie „Hirnkino“ bezeichnen, geht es um die Realisierung örtlich und zeitlich zusammengehöriger Informationen auf einer „technischen“ Plattform. Bei realen Bildern ist es einfach eine „flache“ „Kinoleinwand oder ein Bildschirm“. Beim Auge wäre es zunächst einmal die Netzhaut für den fast nicht aufbereiteten Input.

    Bei der Erinnerung werden die Informationen (im neuronalen Netz) „aufbereitet“. Da die „Signalwege“ und die „Geschwindigkeit“ der Verarbeitung, auch abhängig von den Neuronen unterschiedlich sein dürften, geht der „lineare Zusammenhang“ verloren.

    Zur „Abbildung“ von sozusagen aufbereiteten Bewusstseinsfunktionen eignen sich keine ebenen flachen Strukturen mehr. Diese Infos könnten auf „eigenartig gekrümmten Oberflächen“, wie z.B. am Hippocampus, abgebildet werden. Er dürfte sich, den Ansprüchen gemäß, das System optimierend entwickelt haben.

    Jedenfalls dürften so etwas wie „Zwischenergebnisse“ der Verarbeitung, an so etwas wie „Zwischenschichten“ im neuronalen System „abgebildet“ (im mathematischen Sinne) werden.

    In Ihrer Gesamtheit dürfte an diesen Bereichen das „Bewusstsein“ entstehen.

    Vermutlich ist auch eine „Empfindungssensorik“ eingebunden. Ältere (mir nur aus „Überlieferung“ bekannte) Theorien, die ich sozusagen öfters „aufgewärmt“ habe, gehen davon aus, dass die Empfindungen dann entstehen, wenn im Bereich von „Atom/Molekülhüllen“ bestimmte „Tanzmuster der Valenzelektronen“ auftreten.

  5. Der Schreiber dieser Zeilen kennt sog. Afantasie von einigen (wenigen) Ingenieuren, die se-ehr sachnah, mathematisch denken und sich den Bezug zum Anwender, dem Menschen, kaum oder nur schlecht vorstellen können.
    Ansonsten könnte auch schlicht eine Behinderung gemeint sein, bes. Verständigkeit ist nicht allen gegeben.
    Wie schaut es mit Schnittmengen mit dem Psycho- und Soziopathentum aus?
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der selbst ein wenig an sog. Prosopagnosie leidet, nicht übermäßig, abär doch ein wenig)

    • Ein Zusammenhang mit Psycho- und Soziopathentum bzw. eine höhere Auftretenswahrscheinlichkeit ist mir zumindest bisher nicht bekannt!

  6. Die vernunftbegabte Vorstellungskraft von Mensch, die ihren Ursprung mit Gott/Vernunft im Geist/Zentralbewusstsein der Schöpfung hat, wird im “Individualbewusstsein” auf Angst, Gewalt und “gesundes” Konkurrenzdenken für den instinktiven Wettbewerb des imperialistisch-faschistischen Erbensystems konfusioniert und zunehmend sinnentleert beschränkt, obwohl mit der mathematisch-physikalischen Erkenntnis der Wahrscheinlichkeit unseres Daseins in einem holographischen Universum nun sehr viel mehr fusionierend und zweifelsfrei-eindeutig gestaltet werden könnte – Es ist mir ein Bild des abscheulichen Grauens, warum besonders die wissenschaftlich Bewusstseinsbetäubten dieser Bildung zu Hierarchie in materialistischer “Absicherung” (die speziell gebildeten Marionetten für Parlamente und Institutionen sind weder Wunder noch Phänomen!) zu den recht einfachen Maßnahmen menschenwürdiger Veränderungen schweigt, bzw. warum diese hierarchische Bildung an der sozusagen dazu ausgeprägten experrtisen/fachidiotischen Suppenkaspermentalität festhält und ihre gleichermaßen Bewusstseinsschwäche verstärkt mit “Spielen” von “Monopoly”, “Poker”, “Mensch ärgere dich nicht” und “Topfklopfen” kompensiert, bis die Hütte ganz brennt!?

  7. Zu KRichard
    “Wenn das Gehirn keine vergleichbare Erfahrung findet…”
    Dann ersetzt das Gehirn die mangelnde Erfahrung durch GLAUBEN. Hierbei baut es wiederum auf Erfahrungswerte auf und strickt sich so seine ganz persönliche Realität. Das bewusste “Wahrnehmen” der Arbeit des Gehirns kann auch mit Hilfe der Achtsamkeit(Meditation) passieren in der sie das Entstehen ihrer Assoziationen “beobachten” können, Da die meisten Menschen sich wohl ihrer Assoziationen nicht bewusst sind, können sie (fouv) auch keine Aussage über ihre Gedankenkonstrukte geben. Vorstellungskraft hängt -meiner Sicht nach- mit dem Grad der Wachheit zusammen-. Je wacher wir sind -um so mehr Bilder stellt uns der Hippocampus6 zur Verfügung was evolutionär wichtig war.
    Die Ursache für diese Afantasie sehe ich im Neurotransmitterhaushalt ,konkret im Dopamin. Über dieses kann ich meine Umwelt nur bewusst erleben und Erfahrungen machen. Traumatische Erlebnisse werden offenbar mit diesem
    abgespeichert, konditioniert. Ein Unvermögen sich etwas bildlich vorstellen zu können, hätte in der Geschichte der Evolution zur Auslöschung dieses Individiums geführt da es den Bär nicht vom Felsen unterscheiden konnte. Heute kann es seine Gene ohne Probleme weitergeben.

  8. @Golzower
    Im Blogartikel geht es um die Intensität des bildlich vorstellbaren Kopfkinos.
    Das hat mit Glauben nichts zu tun.

    Bei NTEs gibt es zwei Arten von deutlich wahrnehmbarem und unterscheidbarem Kopfkino:
    1) persönliche Erfahrungen werden in hierarchisch *) auf- bzw. absteigender Reihenfolge reaktiviert und so als erinnerter Lebenslauf der bewussten Wahrnehmung zugänglich
    2) das Gehirn erstellt eine virtuelle Simulation der als aktuell erlebten Situation: die sogenannte ´Außerkörperliche Erfahrung´

    Von beiden Strategien gibt es Tausende von Berichten und es ist schade, dass diese Erlebnisse von der Gehirn-/Gedächtnisforschung immer noch ignoriert werden. Denn man könnte damit viel über die Arbeitsweise des Gehirn lernen.

    *) ein Beispiel: Bei NTEs ist deutlich erkennbar, dass Erlebnisse in hierarchischer Reihenfolge reaktiviert werden: ´hierarchisch´(stacked up) ist etwas völlig anderes als ´zeitlich´ – denn dies deutet darauf hin, dass unser Gehirn keinen Zeit-Code beim Abspeichern von Erlebnissen benutzt. Dieser Unterschied ist wesentlich wichtig, um die Arbeitsweise des Gehirns auf neuronaler Ebene verstehen zu können – und auch, warum unser Gehirn so schnell/effektiv arbeitet (Der Verzicht auf einen Zeit-Code verringert das zu verarbeitende Datenvolumen und den dafür notwendigen Speicherplatz)

    Neben den NTEs gibt es auch ein sehr intensives Kopfkino im Rahmen von Halluzinationen – mit einem wichtigen Unterschied: Bei NTEs tauchen immer wieder gleichartige Strukturen/Inhalte/Muster auf, wogegen Halluzinationen unstrukturiert sind.
    Beobachtbare gleichartige Muster – könnten für wissenschaftliche Analysen genutzt werden.

  9. @Golzower

    Die Afantasie ist anfänglich mit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung, wo das “Individualbewusstsein” seine instinktive Bewusstseinsschwäche in den zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf unglaubwürdig aber hocheffektiv systematisch konfusioniert – Die daraus resultierenden Gene sind besonders heute sichtbar sehr problematisch, denn die tatsächlichen Afantasier sind in der Überzahl und somit “massenbewusst” handlungsunfähig, was die wirklich-wahrhaftig dringendst nötigen Veränderungen betrifft!?

  10. Ich wurde mal mit Seroquel vollgestopft, da konnte ich mir eine Zeitlang n u r zukünftige Ereignisse vorstellen. War um die Zeit, als der Simpsons-Film in die Kinos kam – ich habe krampfhaft versucht, mir eine Geschichte, eine Handlung, ein paar Bilder einfallen zu lassen, kam irgendwas mit einem Boot heraus, das zu Wasser gelassen wird. Später, als ich den Film sah, erkannte ich die Szene, wo Homer den Schweinefäkalien-Behälter ins Wasser lässt. Das zweite Bild, das irgendwann aufgetaucht ist, war das eines entlaufenen Elefanten in der Stadt, am nächsten Tag ist das wirklich passiert. Eigentlich sind die meisten meiner Spontan-Einfälle Dinge, die ich später im Fernsehen sehen oder im Internet lesen werde. Vor ein paar Monaten ging’s wie ein MG-Feuer, ich habe einem gewissen Dr. Akula Erfindungen und Abenteuer angedichtet, die ich gleich am nächsten Tag in Artikeln auf Spiegel Online gespiegelt sah. Die ersten zehn, zwanzig Jahre meines Lebens hat mich so was sehr verängstigt und irritiert, weil ich stets ein knallharter Rationalist war, der nicht an Präkognition glaubte, bis mir einfiel, dass bei der Beweislage was mit meiner Rationalität nicht stimmen konnte. Bei näherem Hinsehen scheint es sich um ein weit verbreitetes Alltagsphänomen zu handeln, jedoch von der fragilen Sorte, die verpuffen, sobald man seine Aufmerksamkeit darauf konzentriert. Was wohl die wissenschaftliche Afantasie ihm gegenüber erklären würde, wie auch einen Hinweis geben, wie Afantasie im Gehirn zustande kommt.

    Was ich daran interessant finde, ist dieses Schemen-Schattenriss-Muster, das in meiner Vorstellung erscheint und anscheinend in unpassende Bilder gekleidet wird, denn genauso funktioniert meine Fantasie. Ich habe ziemlich viele bewegte, verschwimmende Bilder im Kopf, die sofort verschwinden, wenn ich den Stift zu Papier setze, um sie zu malen, gleich nach dem ersten Strich – offensichtlich sind die Sinneseindrücke der äußeren Augen stark genug, um die des inneren zu überblenden, ich fange an, irgendwas Krummes und Schiefes zu konstruieren, was nach nix aussieht, aber es ist nur Probieren, Puzzeln, das Fantasiebild ist weg. Doch wenn ich beim Zeichnen die Augen fast geschlossen halte, sodass ich nur Verschwommenes sehe, Schemen-Schattenrisse eben, kann ich die einige Sekunden nach nachzeichnen. Passt also zur Wissenschaft.

    Natürlich kann man aus dem Shredder-Klops in meinem Schädel nur eingeschränkt auf Hirne schließen, die weniger vielseitig kaputt sind, aber die Parallelen sind deutlich.

    Auch die Vermutung, dass die Afantasie vor psychischen Erkrankungen schützt, kann ich aus eigenen Erfahrungen stützen. Ich latsche öfter durch zwei Welten, die sich überlappen, und wenn die Bilder der Fantasiewelt genauso deutlich wären, wie der realen, würde ich komplett durchdrehen. Wenn Sie den Flur entlang laufen, hungrige Haie Sie umkreisen und es sich sehr, sehr echt anfühlt, ist partielle Afantasie, die Tatsache, dass es fürs innere Auge keine Brille gibt, die Superkraft, die Sie bei Sinnen hält. Inzwischen habe ich eher das Problem, dass ich zwar zwischen Realität und Fantasie unterscheiden kann, die Realität aber nicht, und wenn wir jetzt beide einen Dachschaden haben, komme ich total durcheinander – ich bin einfach zu doof für diese Welt. Ich schlucke einfach, was sie mir serviert und wurschtele mich irgendwie durch.

    Am Ende scheint es sich um das olle Schema Streuung-Bündelung zu handeln, das wir auch im Widerspruch Demokratie-Diktatur oder Taschenmesser-Hammer sehen: Wie nütze ich meine Energie? Wenn ich alles kann, kann ich nix gut, weil ich für jede Tätigkeit nur wenig Energie aufwenden kann. Wenn ich all meine Energie auf nur eine Sache konzentriere, kann ich diese eine Sache besonders gut – doch werde zum Fachidioten, der in allen anderen Lebensbereichen hilflos ist wie ein Baby. Wir sehen das Schema bereits am Wasser, das einen Damm anknabbert – es dringt in jede Ritze, erforscht und weitet einen jeden Weg, doch sobald ein Durchbruch da ist, stürzt die H2O-Gang gemeinsam durch, mit gebündelter Kraft.

    Die Fantasie ist die Debattenkultur, die alle Möglichkeiten durchprobiert, spielt, erforscht, doch selten was zustande bringt – zu instabil, einfach eine brodelnde Ursuppe, die keine festen Strukturen annehmen kann, der T-1000 ohne Chip, der nur vage Formen annimmt, die auch sofort zerfließen. Je mehr man sich auf der Skala Richtung Afantasie bewegt, desto mehr Rohlinge, Entwürfe, Möglichkeiten, opfert man, um sich auf einen einzigen konzentrieren zu können: Wenige Nervenkanäle werden gestärkt, viele unterdrückt und isoliert, aus der vagen Skizze wird ein klares Bild, das stets mit Details angereichert wird, viele vage Linien verschmelzen zu einer einzigen, präzisen. So was wie ein Quanten-Kollaps, viele Möglichkeiten fallen zu einer Wirklichkeit zusammen. Im Grunde ist es die Weise, wie eine Fantasie sich in Fleisch und Blut kleidet – je näher das Konzept an reale Möglichkeiten ran kommt, desto wahrscheinlicher kann ich es im Werkzeugschuppen verwirklichen. Ähnlich wie wir von Kindern als kleinen Englein träumen, doch wenn wir tatsächlich eins in die Welt setzen, ist es ein konkreter Kompromiss zwischen Fantasie, Genen, Gesellschaft und Physik und dementsprechend eine große Enttäuschung namens Mensch.

    Bei der völligen Afantasie dürften die Bilder der äußeren Augen einfach so viel Strom auf ihren Kanälen haben, dass die Fantasiebilder nie im Bewusstsein ankommen – sie sind vermutlich da, doch dürfen nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Wäre interessant, den Zusammenhang mit anderem Vorstellungsvermögen zu untersuchen, zum Beispiel dem akustischen. Stärkt innere Blindheit vielleicht das innere Ohr? Irgendwo muss der Strom ja hin.

    Menschen sind keine Individuen, sie denken kollektiv, Sprache und emotionell-intellektuelle Synchronisation schaffen ein Gehirn aus mehreren Gehirnen. Sie finden gar nicht so selten ein Team aus einem Visionär, der mit vagen Ideen um sich schmeißt, und einem Ingenieur oder Buchhalter, der sie in die Tat umsetzt. Vielleicht verschalten sich da dominante Hirnhälften, die im eigenen Hirn keinen Partner finden, weil sie den unterdrücken und aushungern müssen, damit er nicht das Gleiche mit ihnen macht. In der Entwicklung wird die Balance gestört, damit eine Hemisphäre sich überentwickeln kann, auf Kosten der anderen – und wenn dann beide gebraucht werden, wird der Krüppel durch eine überentwickelte Hemisphäre aus einem anderen Hirn ersetzt, sodass ein Superhirn in zwei Köpfen entsteht? Falls ja, welche Rolle spielt dann die verkrüppelte, bzw. unterentwickelte Hemisphäre? Unterstützt sie die stärkere, opfert sich auf, um dem Meister mehr Power zu verleihen? Verbündet sie sich mit dem Gegenkrüppel im anderen Kopf zu einem frustrierten Schattenhirn? Schätze mal, was auch immer möglich ist, wird auch in irgendeiner Konstellation wahr.

    Es gab mal diesen Scheich auf Youtube, der aller Welt erklärte, Männer wären den Frauen intellektuell überlegen, denn Frauen würden gleich drauf los quatschen und viele Wörter machen, während Männer lange Zeit nachdenken würden, bevor sie ihre Meinung in wenigen Worten kundtun. Das heißt, der Mann wartet, bis die Frau ihm gesagt hat, was seine Meinung ist, fasst sie dann zusammen und gebietet ihr, das zu tun, was sie ihm befohlen hat. Der Mann ist ein Zwerg, der auf der Schulter einer Riesin sitzt und sich einbildet, zu bestimmen, wo es lang geht. Dass sich hier das Verhältnis von Fantasie und Emotion zum Verstand widerspiegelt, ist klar. Es wirkt, als wäre ein Pärchen ein Wesen, das aus zwei Hirnhälften zusammengenäht wurde, die ihren angeborenen Partnern fremd gehen. So weit ich es verstanden habe, kehren sie reumütig zurück, sobald beide Individuen nicht im selben Raum sind.

    Wäre doch interessant, Pärchen auf ihre visuelle Vorstellungskraft zu untersuchen – gemeinsam und getrennt. In der Borg-Nummer, bei der wir uns in verschiedene Neuralnetzwerke ein- und ausloggen, denen es völlig schnuppe ist, auf wie viele Schädel sie sich verteilen, steckt jedenfalls noch viel Unerforschtes drin.

  11. @Paus S – zu Ihrem letzten Satz

    Wenn Paare sehr lange an einem Platz (Wohnung) zusammenleben, wirkt sich dies nachweislich auf deren Vorstellungen/Kopfkino aus. Denn die andere Person wird gemeinsam mit der Wohnungseinrichtung als Erfahrungen im Gedächtnis abgespeichert und zusammengehörig zu Erinnerungen verarbeitet.

    Stirbt eine Person, so passiert es oft, dass diese verstorbene Person danach in der gemeinsamen Wohnung wie lebensecht erinnert wird. Der Grund dafür ist einfach – wenn die hinterbliebene Person sich in der Wohnung aufhält – werden immer im Gedächtnis gespeicherte Bilder reaktiviert (= predictive coding). In diesen reaktivierten Erfahrungen ist dann oft die verstorbene Person noch vorhanden – weil sie in den Jahren zuvor mit der Wohnungseinrichtung gemeinsam im Gedächtnis abgespeichert worden war.
    Solche Erinnerungen werden manchmal als so lebensecht/real erlebt, dass sogar gedankliche ´Gespräche´ möglich sind. (Alle unser Erfahrungen werden in der zeitlichen Gegenwartsform erlebt, im Gedächtnis gespeichert und genau so wieder reaktiviert: d.h. Erinnern entspricht einem Wieder-Erleben.)

    Wenn Hinterbliebene von solchen Erlebnissen berichten, dann sind sie nicht verrückt oder erleben etwas Übersinnliches – sondern man kann bei diesem Kopfkino sehr gut erkennen, wie einfach das Gehirn arbeitet: context dependent retrieval – ist der Fachbegriff für diese Arbeitsweise.

    Die verstorbene Person verschwindet nach einigen Wochen aus den Erinnerungen – weil das Gehirn dann gelernt hat, dass diese Person nicht mehr in der Wohnung anwesend ist.
    Wie schnell dieses ´Verschwinden´ erfolgt, hängt davon ab wie alt die hinterbliebene Person ist.
    Zieht die hinterbliebene Person in eine andere Wohnung oder räumt sie die Inneneinrichtung um – dann verschwindet die verstorbene Person schnell aus den Erinnerungen (weil der Kontext geändert wurde).

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachtod-Kontakt

    (In manchen Altersgruppen berichten über 50% der Hinterbliebenen von solchen Erlebnissen. Ein schönes Beispiel von Erlebnissen, die uns unser Kopfkino ermöglicht.)

  12. Kopfkino = Wieder-Erleben

    Alle unsere Erfahrungen werden in der zeitlichen Gegenwartsform gemacht, so im Gedächtnis abgespeichert und genau so beim Erinnern wieder reaktiviert.

    D.h. Erinnern ist ein Wieder-Erleben:
    das ist sehr toll – bei schönen Erebnissen; aber es kann sehr belastend sein – bei schlimmen Erfahrungen ( > dies ist ein Grund warum sich die Posttraumatische Belastungsstörung so problematisch auswirkt).

  13. @ KRichard 14.08.2022, 05:17 Uhr

    Ich finde besonders Ihre Aussage unter 1.) interessant.

    Zitat: „1) persönliche Erfahrungen werden in hierarchisch *) auf- bzw. absteigender Reihenfolge reaktiviert und so als erinnerter Lebenslauf der bewussten Wahrnehmung zugänglich“

    Das bedeute nichts anderes, als das die Informationen, die Gedanken oder Denkmuster „baumartig“ (im Sinne der Informatik) strukturiert gespeichert werden. Das ist aus Sicht der Informatik eigentlich selbstverständlich, weil nur so die Informationen mit schnellsten Zugriffseigenschaften und gleichzeitig „sachlich strukturiert“ (als „Wissen“) gespeichert werden kann, Modifikationen („Erweiterung“ des Wissens – gehört zur „Plastizität“) sind einfach.

    Ich verstehe übrigens nicht, warum Sie die offensichtliche Plastizität des Gehirns bestreiten????

    Allerdings kann praktisch kaum ein „Zeitcode“ mitgespeichert werden, was bei linearer Speicherung wie beim Film sehr einfach wäre. Der Speicherbedarf wäre viel zu groß, die Zugriffseigenschaften wären bei linearer Speicherung völlig unbrauchbar, abgesehen von der fehlenden „Wissensabbildung“ und den o.a. Aspekten.

    Es ist interessant, dass derartiges auch in der NTE Forschung betätigt wird.

    Es sind baumartige und „vermaschte“ Strukturen, worauf auch anatomische Abbildungen hindeuten.

    Besonders die „Vermaschung“ (so etwas wie „Querverbindungen“, sozusagen teilweise an der baumartigen Hierarchie vorbei) ermöglicht die Assoziationsketten, die übrigens auch für die Psychologen wichtig für ihre Analysen sind.

    Diese Sichtweise dürfte inzwischen in der Hirnforschung weitgehend etabliert sein.

    Noch weniger etabliert scheint das „Hirnkinokonzept“ im Zusammenhang mit der „Bewusstseinsabbildung“. Bei den „ebenen flächigen“ Strukturen (Netzhaut) scheint man auf gutem Weg. Bei den „gekrümmten Flächen“ (z.B. Hippocampus) und der Bedeutung der Krümmung, scheint die Frau Bergmann noch etwas „sprachlos“.

    Aber vermutlich bestimmen genau diese genetisch verursachten „geometrischen Formen dieser Oberflächen“ zwischen den Hirnorganen und den Hirnhäuten (abgesehen vom „Lernen“) wesentliche Systemeigenschaften von Tieren und Menschen.

  14. @Elektroniker
    1a) Bei NTEs ist deutlich erkennbar, dass Erlebnisse in hierarchischer Reihenfolge im Gedächtnis gespeichert sein müssen: weil sie genau so abgerufen werden.

    Ein Problem dazu ist: in der Kognitionswissenschaft gibt es viele Projekte, wo nur zu zeitlicher Codierung von Gedächtnisinhalten geforscht wird.
    Wenn das richtig ist, was man bei NTEs erkennen kann – würde dies bedeuten, dass diese Forschungsidee fragwürdig ist und damit Forschungszeit/-mittel verschwendet werden.
    D.h. NTEs nicht zu erforschen kann zu fehlerhafter Forschung führen.

    1b) Bei NTEs kann man sich lebenslang an Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat erinnern – in der Kognitionswissenschaft gilt aber immer noch die Lehrmeinung ´infantile Amnesie´ (welche besagt, dass Erlebnisse der frühen Kindheit dem bewussten Erinnern nicht zugänglich sind).
    Dieses Beispiel zeigt, dass eine wichtige Grundlage der Gedächtnisforschung falsch ist – ohne dass dies von den Wissenschaftlern dieses Fachgebiets diskutiert wird.

    2a) das Thema ´Plastizität´ ist ein sehr weites Gebiet, welches man differenziert angehen muss. z.B.
    Bei NTEs ist deutlich erkennbar, dass Erlebnisse ab dem 5. Lebensjahr LEBENSLANG dem bewussten Erinnern zugänglich sind. D.h. die für dieses Wissen notwendigen neuronalen Strukturen müssen LEBENSLANG UNVERÄNDERT vorliegen.
    Bei NTEs ist deutlich erkennbar, dass reaktiviertes Wissen beim Erinnern mit den dabei aktuellen körperlichen, geistigen und emotionalen Fähigkeiten neu bewertet werden (Fachbegriff: state dependent retrieval). D.h. die Veränderung von gespeichertem Wissen beim Erinnern ist dabei kein Ergebnis auf Grund biologischer neuronaler ´Plastizität´, sondern entsteht durch die technische (!) Arbeitsstruktur des Erinnerns.

    Dieses Beispiel zeigt ein Problem zum Thema ´Plastizität´: wenn der technische Ablauf von Erinnerungsvorgängen für die Veränderung von erinnertem Wissen verantwortlich ist – dann darf man dies nicht neuronalen Ursachen zuschreiben.

    2b) für Plastizität gibt auch es noch andere Ursachen, z.B.
    – bewegen sich ständig neuronale Aktivierungswellen über den Cortex – damit können einzelne Neuronen/-netzwerke zufällig so stark aktiviert werden, dass eine bewusste Wahrnehmung entsteht
    – kann ein wahrgenommener Reiz (z.B. ABCD) dazu führen, dass mehrere Erfahrungen reaktiviert werden (z.B. ABef + CDfg) – so dass damit eine Kombination mit neuem Inhalt entsteht ( hier: ABCDeffg) – wobei eine Komponente besonders betont ist (hier ist ´f´ doppelt vorhanden): ´ff´ das wäre z.B. ein AHA-/HEUREKA-Erlebnis.

    Diese drei Beispiele (2a+2b) zeigen, dass es mehrere strukturelle/technische Ursachen für Plastizität geben kann – ohne dass dabei das neuronal gespeicherte Wissen verändert werden muss.

    Weil das Ergebnis von solchen Verarbeitungsvorgängen in Form vom ´Kopfkino´ der bewussten Wahrnehmung zugänglich werden kann – wäre es eine gute Idee, wenn man solche Grundlagen erforschen würde.

  15. Als Logopädin drängt sich mir als erstes beim Lesen dieses Artikels eine Frage auf: Wie laufen denn Sprachverständnisprozesse bei Menschen mit Afantasie ab? Gibt es dazu Untersuchungen?
    In der Sprachentwicklung läuft es ja so ab, dass das Kind erst dann ein bestimmtes Wort, z.B. „Ball“ versteht, wenn es die Objektpermanenz hat, also bestimmte Erfahrungen mit dem Gegenstand gemacht hat, (Z.B. Das runde, mit dem Papa immer mit mir spielt, das so hüpft und diesen bestimmten Geschmack hat, wenn ich es in den Mund nehme,…) wenn es also ein inneres Bild vom Gegenstand hat, und dieses beim Hören des Wortes abrufen kann.
    Haben dann die Kinder mit einer Afantasie nicht automatisch auch Sprachverständnisstörungen?
    Hat man das Sprachverständnis von Menschen mit Afantasie mal getestet? Oder wie laufen denn Sprachverstehensprozesse bei diesen Menschen ab? Das wäre auch für die Logopädie sehr interessant!

    • Das ist eine sehr interessante Frage – wie Sie schon erwähnen, spielt die Vorstellungskraft beim Sprachverständnis ja eine wichtige Rolle (siehe zum Beispiel diese Studie hier) – vermutlich sind Menschen mit Afantasie gezwungen, sich andere Strategien anzueignen. Afantasie scheint auch einen Einfluss auf das Leseerlebnis zu haben (wie zum Beispiel dieser Post des Aphantasia networks verdeutlicht). Jedoch fehlen meines Wissens noch Studien, die das Sprachverständnis bei Menschen mit Afantasie und die Frage, ob durch Afantasie Verzögerungen in der Sprachentwicklung auftreten können, wissenschaftlich untersucht haben.

      • Ich habe selbst Afantasie. Zumindest bin ich ziemlich sicher, dass ich es habe. Vor 3 Jahren fand ich einen Artikel darüber im Internet und erkannte mich darin direkt wieder. Ich dachte immer “Stell dir mal bildlich vor…” sei nur eine Redewendung. Mich hatte es immer gestört, dass ich Gesichter nicht in meinem Kopf sehen kann. Ärgerlich wenn man sich gern mal am Familie oder Freunde erinnern möchte. Ich dachte aber das wäre normal. Erst durch den Artikel fiel mir auf, dass ich gar keine bildliche Vorstellungskraft zu haben scheine. Es beeinträchtigt mich aber nicht in meinem Leben. Maximal bei der Orientierung, denn ich kann zwar Sachen wiedererkennen, aber erst wenn ich davor stehe. So ist es schwierig Wege zu finden.
        Ich habe Afantasie schon seit ich denken kann. Schon als Kind konnte ich mir nichts vorstellen. Meine Entwicklung hat das jedoch nicht beeinträchtigt. Ich habe einen Doktortitel in Biologie, einen normalen Freundeskreis und bin künstlerisch sehr aktiv. Für meine Kunst muss ich mir aber viel aufmalen und aufschreiben, um es zu entwickeln. Das geht nicht in meinem Kopf. Tatsächlich lassen mich erzählte Schreckensszenarien meist ziemlich kalt. Oder auch ekelige Stories beim Essen. Nur wenn ich so etwas als Video sehe, erreicht es mich wirklich tief. Es scheint wie der Test mit den Probanden zu den Gruselbildern zu sein.
        Wie funktioniert mein Kopf….. Ich glaube einfach über Ton. Gibt halt kein Bild.
        Wenn ich mich an etwa erinnere, wie zum Beispiel wo mein Schlüssel liegt, dann weiß ich es einfach, sehe es aber nicht vor mir. Es ist schwer zu erklären. Aber wenn man damit aufgewachsen ist, stört es eigentlich nicht und fühlt sich normal an.

  16. @all
    Mit meinen bisherigen Beiträgen will ich auf ein Problem aufmerksam machen:

    Es gibt im Zusammenhang mit NTEs/Nachtod-Kontakten eine sehr große Zahl von gut dokumentierten Hirnbildern. Zusätzlich ist auch gut dokumentiert, dass solche Hirnbilder bei vielen Menschen zu einer veränderten Lebenseinstellung führen können.

    In der Afantasie-Forschung werden diese Hirnbilder aber mit keinem Wort diskutiert.

    Man muss daher die Frage stellen – welchen Wert eine Forschung hat, die eine große Anzahl von zu ihrem Arbeitsbereich gehörenden Daten/Dokumente einfach ignoriert.
    Die selektive Unterdrückung von vorhandenen Daten wird üblicherweise als Datenmanipulation betrachtet.

  17. @ KRichard 16.08.2022, 15:13 Uhr

    Die zeitlichen Aspekte werden offensichtlich, so wie es auch Ihrer Sichtweise entspricht, nicht direkt durch eine Art von „Timecode“ realisiert, sondern indirekt. Jemand war z.B. zur Hochzeitsreise in Venedig und er kann das Datum sozusagen aus dem „Hochzeitstag“ rekonstruieren….

    Allerdings spielt der „Zeitaspekt“ bei dynamischen Systemen, ähnlich wie in der Elektronik, aus „technisch- systemischen” Gründen eine wichtige Rolle. In der Elektronik spricht man vom „Systemtakt“. Das (Information verarbeitende) Geschehen verläuft sozusagen in „Zeitschlitzen“ die für eine geordnete „Zeitstruktur“ sorgen ab. Insbesonders werden Informationen auch systematisch durch das System „geschoben“ und an bestimmten Stellen, wenn sozusagen „(Zwischen)ergebnisse“ vorliegen z.B. zur „Anzeige“ oder weiteren „Auswertung“ gebracht.

    Im Gehirn würde dieser „elektrische Takt“ den „Aktivierungswellen“ entsprechen, ungefähr das, was Sie beschrieben haben. Damit können auch Aspekte des „Bindungsproblems“, wenn z.B. synchrone Signale im EEG auftreten, geklärt werden. Darüber haben W. Singer und C. v. d. Malsburg geforscht.

    Im einfachsten Fall könnte man sich das „Hirnkino“ vorstellen, wie ein „Lichtbündel“ das ein Projektor auf die flache Kinoleinwand wirft. Aus dem örtlichen, zeitlichen und farblichen Zusammenhang der Bildpunkte entstehen korrekte „Muster“, z.B. Bilder bzw. Videos.

    Im Gehirn ist es komplizierter. Die verschiedenen „Musterkomponenten“ haben bei der Verarbeitung unterschiedliche „Signallaufzeiten“ und es ergeben sich „zeitliche Verzerrungen“. Um diese „Verzerrungen“ auszugleichen muss die „Leinwand“ sozusagen „gekrümmt“ sein.

    Diese Aufgaben, die möglichst korrekten Abbildungen bestimmter „Zwischen bzw. Endergebnisse“ dürften an den stark gekrümmten Zwischen bzw. Endschichten der Hirnorgane erfolgen. Das Zusammenwirken und die Form der Organe dürfte genetisch determiniert die Systemeigenschaften bestimmen.

    „Bewusstsein“ dürft entstehen, wenn Ladungsverschiebungen durch die Gesamtheit der „Empfindungssensorik“ und der „End- bzw. Zwischenschichten“ erfolgen.

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