Willensfreiheit Verantwortung Ethik

BLOG: Theologie im Dialog

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Theologie im Dialog

Nach der freundlichen Rezension meines Buches "Willensfreiheit in Theologischie und Neurowissenschaft – Ein historischer und systematischer Wegweiser" durch Michael Blume fühle ich mich ermutigt, den dort entwickelten Gedankenfaden in Bezug auf die Rettung menschlicher Verantwortung und Ethikfähigkeit noch einmal aufzunehmen und zu konkretisieren. Wie bekannt lautet das mit großem öffentlichen Pomp verkündete Evangelium führender Neurowissenschaftler, dass aufgrund der Ergebnisse der der Libetexperimente, dem Menschen keine Willensfreiheit zukomme und er deswegen von der Last der Verantwortung für seine Taten entbunden sei. Zwar lässt man sich ein taktisches Hintertürchen offen, indem man argumentiert, die Verantwortung sei eine Zusprechung an den Einzelnen durch die Gesellschaft, um selbst nicht verantwortlich zu sein für ein drohendes Chaos angesichts eines dann möglichen anything goes. Wenn aber die Willensfreiheit fällt, fällt nicht nur die Verantwortung, sondern auch die Ethik, macht doch ethisch verantwortetes Verhalten nur einen Sinn vor dem Hintergrund der Freiheit. Es ist erstaunlich, mit welchem missionarischen Eifer diese Selbstversklavung des Menschen durch führende Neurowissenschaftler als Evangelium verkauft wird.

Die Frage ist allerdings, ob damit die Libetexperimente nicht überinterpretiert werden und ob sie auch in ihrer Vollständigkeit in den Blick kommen. Bei Gerhard Roth beispielsweise lesen wir mit Erstaunen, dass er von einem wichtigen Aspekt der Libetexperimente kaum Notiz nimmt. Es geht um das sogenannte Veto, d.h. um die Möglichkeit des Menschen, die Einleitung einer Handlung bis ungefähr 200 Millisekunden vor ihrer Ausführung noch abzubrechen. Dieses Veto aber ist von entscheidender Bedeutung für eine zugegebenermaßen mediokre Form von Ethik. Denn diese Möglichkeit der Unterbrechung einer Handlungseinleitung kann auch mit einer ethischen Motivation ergriffen werden. Dies möchte ich anhand eines eindrücklichen Beispiels verdeutlichen. Albert Schweitzer, der große Ethiker der Ehrfurcht vor dem Leben, beschreibt es in seiner Autobiographie. Wir lesen bei ihm:

"Heinrich Bräsch und ich hatten uns Schleudern aus Gummischnüren gemacht, in denen man kleine Steine schleudert. An einem Sonntagmorgen sagte er zu mir: "Komm jetzt gehen wir in den Rehberg und schießen Vögel." So kamen wir in die Nähe eines kahlen Baumes, auf dem die Vögel, […] lieblich in den Morgen hinaussagen. Mein Begleiter legte einen Kiesel in die Schleuder und spannte. Seinem gebieterischen Blick folgend tat ich unter furchtbaren Gewissensbissen dasselbe […]. In demselben Augenblick fingen die Kirchenglocken an zu läuten. […]. Für mich war es eine Stimme aus dem Himmel. Ich tat die Schleuder weg, scheuchte die Vögel auf, dass sie wegflogen und vor der Schleuder meines Begleiters sicher waren. Und immer, wenn die Glocken der Passionszeit in Sonnenschein und kahle Bäume hinausklingen denke ich ergriffen und dankbar daran, wie sie mir das Gebot "Du sollst nicht töten" ins Herz geläutet haben."

Ohne diese vorherige ethische Orientierung wäre Albert Schweitzer wohl seinem rücksichtslosen Kameraden gefolgt und hätte die Vögel in Auslebung atavistischer Mordlust abgeschossen. Die vorhergehende ethische Prägung indessen hat sich mit der Vetofunktion verbunden und so die ethische Integrität Albert Schweitzers unterstrichen und den Vögeln das Leben gerettet. Dieses Beispiel wirft die Frage nach dem Grad ethischer Bildbarkeit des Menschen auf. Denn zweifellos hatte auch sein Kamerad Heinrich Bräsch im Religions- oder Konfirmandenuntericht in den 10 Geboten "Du sollst nicht töten" ethische Orientierung erhalten. Warum hat dies nun bei Albert Schweitzer gefruchtet, bei Heinrich Bräsch offenkundig hingegen nicht? Gibt es so etwas wie eine ethische Bildbarkeit des Gehirns?

Diese Frage verschärft sich noch, wenn man das bekannte Experiment von Nina Azari einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Diese Theologin und Neurowissenschaftlerin hatte zwei Gruppen den Ps. 23 lesen lassen und dabei die neuronale Aktivierung untersucht. Die eine Gruppe war christlich sozialisiert, die andere nicht. Und siehe da: Bei der christlich Sozialisierten wurden andere Gehirnareale aktiviert als bei den nicht christlich Sozialisierten. Das heißt doch offenkundig, dass es Gehirnareale gibt, die für eine weltanschauliche oder religiöse Deutung von Sachverhalten benutzt werden. Kann man nun argumentieren, dass es vergleichbare Areale für ethisches Verhalten gibt? Die bekannte und traurige Geschichte von Phineas Gage, dem Opfer eines Arbeitsunfalles, dem durch eine Gehirnverletzung seine ethischen Tugenden verloren gingen und der unter voller Aufrechterhaltung seiner Intelligenz für den Rest seines Lebens haltlos durch die Welt irrte, spricht dafür, dass bestimmte Gehirnareale für die Ethik von Relevanz sind. Auch das empirisch belegte Faktum, dass bei einem kleinen Prozentsatz von Menschen, die sich einen Hirnschrittmacher haben einpflanzen lassen, die Ethikfähigkeit leidet, spricht dafür. Andererseits gibt es Experimente, die die Möglichkeit der Prägung zur Ethik durch Erziehung in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Es waren ausgerechnet Theologiestudenten des renomierten Princeton Theological Seminary, die auf dem Weg zu einer Vorlesung über Barmherzigkeit achtlos an einem Hilfesuchenden vorbeieilten. Die Frage also bleibt: Was kann uns die Neurowissenschaft über die Ethikfähigkeit des Menschen lehren?

Interview mit Wolfgang Achtner über Willensfreiheit von Arvid Leyh

Rezension über Willensfreiheit von Udo Reinhold Jeck, Universität Bochum

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Wolfgang Achtner ist Professor für Systematische Theologie an der an der Justus Liebig Universität Giessen, sowie Gründer und Direktor der Transscientia Instituts für interdisziplinäre Wissenschaftsentwicklung, Philosophie und Religion. Prof. Dr. Wolfgang Achtner

23 Kommentare

  1. Gerhard Roth

    Gerhard Roth ist überhaupt äußerst “selektiv” in der Rezeption und Berücksichtigung wissenschaftlicher Forschung und Literatur, so wie seine Tendenz, seine Meinungen undifferenziert anderen wie sogar “der Alltagspsychologie” zu unterstellen (wie zB. hier; Kritik hier) mindestens “kontinentaleuropäisch” weit ausgreifend ist – interessanter Weise aber nicht unter Fachleuten, wie ich persönlich erlebt habe. (s. hier weiter unten)

    Er scheint nicht einmal in seinem eigenen Fachgebeit genügend informiert! Jedenfalls halten ihm – und Singer! – das die Entdecker des durch Libet weithin bekannt gewordenen “motorischen Bereitschaftspotentials” (mBP) Hans Kornhuber und Lüder Deecke in ihrem Buch “Wille und Gehirn” vor, eine Publikation, über die auch Wissenschaftsjournalisten, die sonst über jedes Hüsteln von (insb. durch sie bekannt gemachten) Hirnforscher Sensationelles zu berichten suchen, geflissentlich übergehen: bis heute ist m.W. nicht einmal in “Gehirn&Geist” oder im “Spektrum DER Wissenschaft” darüber berichtet oder auch nur eine Rezension dieses hoch informativen Buches publiziert worden!

  2. Einseitige Darstellungen

    Seltsam, dass immer und immer wieder auf ein Evangelium der Hirnforscher hingewiesen wird. (Das hat etwas mit Glauben zu tun … und nicht mit Naturwissenschaft. Roth und Singer und alle die vielen, vielen anderen Zweifler an der Willensfreiheit stehen aber auf dem Boden naturwissenschaftlich gewonnener Erkenntnisse. Mancher, der fest an die Willensfreiheit glaubt, tritt da mit mehr “Glaubenseifer” auf.) Übrigens haben doch auch Schopenhauer und Einstein keine Hirnforscher gebraucht, um die Willensfreiheit zu verneinen. Und Libet … man kommt gut ohne seine Experimente aus, um die Willensfreiheit in Frage stellen zu können oder zu müssen. Singer etwa bezieht sich, soweit ich weiß, explizit NICHT auf Libet.

  3. Ich bezweifele mal, dass Willensfreiheit eine notwendige Voraussetzung für menschliche Verantwortung und Ethikfähigkeit ist, aber man kann ja eben unterschiedlicher Meinung sein, was Willensfreiheit überhaupt bedeutet. Vielleicht ist es ja nach Ihrer Meinung eben genau die Fähigkeit mit Verantwortung und Ethik zu agieren?

  4. Willensfreiheit

    interessant wäre noch wovon die Willensfreiheit “frei” sein soll.

    Setzt eine “Willensfreiheit” nicht schon einen Köper / Geist Dualismus voraus?

  5. Ingo Wolf Kittel

    Über das Rezeptionsverhalten von Gerhard Roth kann ich nichts sagen, ich kann nur lesen, was in seinen Büchern steht. Und da übergeht er in der Tat das Veto des mBP. Zum Buch von Kornhuber & Deecke kann ich nur sagen, dass es äußerst informativ, kompetent und differenziert ist. Ich kann es nur jedem wärmstens empfehlen, der sich mit der Materie ernsthaft beschäftigt. Eine Rezension wäre in der Tat überfällig.Vielleicht kann sich G&G oder SdW dazu entschließen?

  6. von Drach

    Es stimmt, Schopenhauer und Einstein haben die Willensfreiheit aus philosophischen Gründen verneint. Einstein war bekanntermaßen Determinist – weswegen der die QM ablehnte – Schopenhauer hing wohl der buddhistischen Karmalehre mit ihrem Determinismus an. Entscheidend ist das Veto! Bei Singer spielt Libet in der Tat eine geringe Rolle. Wenn man ohne Libet einem philosophischen Determinismus anhängt, frage ich mich, wie dann a) Verantwortung konsistent denkbar ist, wenn man nicht den Wortspielen des Kompatibilismus zum Opfer fallen will und b) wie es dann in der Welt überhaupt etwas Neues geben kann. Ich sehe die Evolution und auch den Menschen aus einen zunehmenden Prozess in Richtung Freiheit und plädiere daher für einen systemisch-emergenten Freiheitsbegriff, der die simple Ursache – Folge Kausalität des 19. Jahrhunderts hinter sich lässt.

  7. adenosine

    Willensfreiheit: Ohne handelndes Subjekt keine Ethik! Ohne Freiheit keine Verantwortung! Aber was ist die Freiheit des Menschen? Ich vertrete einen systemisch-emergenten Freiheitsbegriff, der verschiedene Freiheitsgrade zulässt. Menschen sind, das lehrt die Erfahrung, unterschiedlich frei. Der eine bekommt seine Sucht – welche auch immer – in den Griff, der andere nicht. Verantwortung: Was ist das? Verantwortung impliziert Antwort. Aber wem? Diese Verantwortung gilt es in dreifacher Relation zu sehen: Sich selbst gegenüber (Gewissen), dem Mitmenschen gegenüber (Gesellschaft) und – das sage ich als Theologe – auch Gott gegenüber. Man sollte diese transzendente Verankerung des Verantwortungsbegriffs nicht leichtfertig über Bord werfen.

  8. Sascha Bohnenkamp

    Gute Frage: Freiheit wovon: Ich würde sagen, frei vom durchgängigen Determinismus. Das heißt aber nicht, dass es plötzlich keine Kausalität mehr gibt. Vielmehr muss man den Kausalitätsbegriff mit dem Systembegriff verbinden. Dann kann man konsistent von Freiheitsgraden sprechen. Die Alternative ist nicht Frei-Unfrei, sondern Mehr-oder-Weniger-Frei im Sinne einer Systemkomplexität. Bekanntlich ist das Gehirn sehr komplex.
    Dualismus: Auch gute Frage. In der Tat beginnt ja die Philosophie des Geistes mit Descartes Dualismus, der heute außer von dem verstorbenen Hirnforscher Eccles nicht mehr vertreten wird. Auf dieser Basis ist es in der Tat schwierig zu einem Freiheitsbegriff zu kommen, der den Dualismus vermeidet. Mit einem emergentistisch-systemischen Begriff kann man aber einen gradualistischen Freiheitsbegriff formulieren.

  9. Gebote …

    “enn zweifellos hatte auch sein Kamerad Heinrich Bräsch im Religions- oder Konfirmandenuntericht in den 10 Geboten “Du sollst nicht töten” ethische Orientierung erhalten. “

    Steht da nicht “Du mordest nicht!” ?
    Ist das dann überhaupt auf Tiere anwendbar?

    Wieso eigentlich “christlich”? Die “Gebote” sind aus dem AT also jüdisch … und andere ältere Kulturen hatten durchaus vergleichbares anzubieten.

  10. Nachfrage

    Die Libet-Experimente sollte man auf ihren Sinn bzw. ihre Aussage überprüfen.
    Denn sie zeigen lediglich, dass nach einem bestimmten messbaren Reiz eine Handlung bewusst wird.
    Darüber, ob diese Handlung bewusst oder unbewusst willentlich entstanden ist, sagen diese Experimente doch gar nichts aus.

    Viele unserer Handlungen laufen unbewusst ab, obwohl sie bewusst gesteuert sind: z.B. beim Gehen werden die meisten Bewegungen unbewusst ausgeführt.

  11. Sascha Bohnenkamp + Richard

    Sicher sind die 10 Gebote aus dem AT. Aber es ist doch gleichgültig woher sie kommen, es geht nur darum, dass sich Ethik hier mit dem Veto verbindet.

    Zu dem Sinn der Libetexperimente. Ich bin auch der Ansicht, dass sie überinterpretiert werden. Aber in der Regel werden sie dann doch als Hinweis, wenn nicht Beweis ausgelegt, sie widersprächen der Willensfreiheit und würden damit die Verantwortung des Menschen untergraben. Mir kommt es darauf an, mit dem Hinweis auf das Veto diese Interpretation in ihrer Argumentationskraft zurückzufahren. Tatsächlich sagen sie nur etwas über unbewusste Regungen und bewusste Entscheidungen aus.

  12. @ Huhn

    Ich kann nicht sagen, ob über dieses Buch berichtet wurde.

    Auf der von mir verlinkten Website zum Buch kann man sich leicht über die bislang publizierten Rezensionen informieren.

    …daß Gehirn&Geist nur eine Meinung zuläßt kann ich nicht bestätigen.

    Wer hat denn das behauptet?

    Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass ich in ‘einschlägigen’, also so spezialisierten Publikationsorganen wie G&G und SdW, wo ich Rezensionen eines derart speziellen Buches wie das von K&D am ehesten und am ersten suchen, weil erwarten würde (noch dazu, weil gerade in diesen Magazinen zu dem Thema des Buches über Jahre hinweg immer wieder dezidierte Meinungsäußerungen gegeben hat bis dahin, Willensfreiheit von bemerkenswert kompetenten Volontären zum “Hirngspinst” erklären zu lassen), in den vier Jahren seit Erscheinen von “Wille und Gehirn” bislang keine gefunden habe. Das war meinerseits alles, was ich sagen wollte und auch nur gemeint habe.

  13. Beispiel Schweitzer

    Das Beispiel Schweitzer zeigt sehr schön, dass wir im Rahmen unserer Erziehung eine Auswahl von Verhaltensregeln erlernen, welche uns dann ermöglichen, daraus/damit frei Entscheidungen zu treffen.
    Trotz vermutlich gleichartiger Erziehung machten sich beide Jungs auf, um Vögel zu schießen. Dass sich Schweitzer dann später doch noch anders entschied, zeigt, dass auch einmal getroffene Entscheidungen noch korrigiert werden können.

    D.h. aus neurologischer Sicht müsste man dafür sorgen, dass Menschen eine Vielfalt von Handlungsalternativen erlernen – um eine breite Variante an möglichen Alternativen zu kennen: gute Bildung/Erziehung macht frei.

    PS: gestern wurde bekannt, dass wir von französischen und tschechischen Kernkraftwerken große Mengen an Strom importieren, weil ein Teil unserer Kraftwerke abgestellt wurde. Man darf gespannt sein, welche Haltung die kürzlich einberufene Ethik-Komission zum Thema aufzeigt. Oder ob Ethiker bloß Phrasen dreschen

  14. KRichard

    Interessant wäre auch, ob die Atomkraftgegner dagegen protestieren, dass wir die fehlende Energie aus frfanzösischen und tschechischen Atomkraftwerken importieren und ob sie der Luftverschmutzung zustimmen, die entsteht, wenn wir mehr Kohlekraftwerke anschalten.
    Oder sollte jemand gar auf die Idee kommen, dass wir einfach etwas kürzer treten und unseren Lebensstandard etwas niedriger hängen, um weniger Energie zu verbrauchen?

  15. Über-Ich ?

    “Das heißt doch offenkundig, dass es Gehirnareale gibt, die für eine weltanschauliche oder religiöse Deutung von Sachverhalten benutzt werden. “
    mmh Freuds Über-Ich hat sozusagen eine Lokalität im Gehirn?
    Wenn sich das erhärten liesse, wäre damit der Geist / Körper Dualismus vom Tisch? (und dmait auch die Seele?)

  16. Sascha Bohnenkamp

    Ich würde das nicht unbedingt mit Freuds Überich in Verbindung bringen. Was den Dualismus begtrifft: Es gibt eine Arbeit eines Darmstädter Physikers, der versucht hat, Eccles Dualismus physikalisch umzusetzen. Name ist mir leider entfallen.

  17. @Bohnenkamp: Über-Ich

    dass die weltanschaulich/religiöse Deutung von Sachverhalten ein mögliches Ergebnis von Denk-/Erinnerungsprozessen ist, läßt sich belegen. Aber das interessiert kaum jemanden.

  18. Lieber Herr Achtner

    In der Verlagsgesellschaft “Spektrum der Wissenschaft” scheint man ganz anderer Auffassung zu sein als Sie.

    Ein Jahr nach Ihrem letzten Eintrag ist Kornhuber und Deecke’s Resümee von vier Jahrzehnten weltweiter neurophysiologischer Forschung in ihrem Büchl “Wille und Gehirn” laut Suchfunktion immer noch nicht rezensiert oder auf andere Weise in einem der Publikationsorgane des Verlags vorgestellt worden.

    Nach den Suchergebnissen sieht es sogar danach aus, als ob diese beiden verdienten und hoch geachteten Hirnforscher in keinem einzigen Artikel einer Zeitschrift des Verlags auch nur namentlich erwähnt werden. (Es wurden aber Leserbriefe und Blogeinträge dazu angezeigt.) Natürlich konnte ich erst recht wurde kein einziges Interview mit ihnen finden (wozu mittlerweile allerdings auch nur noch der jüngere der beiden zur Verfügung stünde).

    Was wäre spannender (gewesen) als ein wissenschaftliches “Streitgespräch” zwischen ihnen und denen zu organisieren, die beide in ihrem Buch als “Totaldeterministen” kritisieren – das ganze angestachelt, um nicht zu sagen angeheizt durch den Hinweis auf Libet’s “Veto-Funktion”, auf die Sie oben als einer der ganz wenigen hingewiesen haben?!

    Dabei hätte Roth danach gefragt werden können, warum er Libet’s Feststellung – die dieser übrigens selbst schon nicht vollständig reflektiert hat – notorisch unterschlägt, aber auch die jedermann derart bekannte Tatsache, dass Sie sie vielleicht deswegen nicht auch noch erwähnt haben, dass wir sogar während einer bereits in der Ausführung befindlichen willentlichen Bewegung diese jederzeit willkürlich stoppen können…

    …während Singer und “Gleichverschaltete” wie interessanter Weise die Psychologen Prinz und Markowitsch dazu hätten aufgefordert werden können zu erklären, warum sie Libet’s Arbeiten sogar völlig außer Betracht lassen.

    Sie haben nämlich, Herr Achtner, auch unerwähnt gelassen, dass Singer wie die beiden anderen erklärter Weise immer nur ideologisch argumentieren, und zwar szientistisch – was Prinz für auf einem Symposium mal dezidiert für “wissenschaftlich” erklärt hat, während Singer dasselbe nach einer Interviewäußerung im Schweizer Fernsehen offenbar für “materialistisch” hält.

    Bei der Gelegenheit, Herr Achtner, die Frage, was Sie von Geert Keils interessanter und bemerkenswerter Weise “fähigkeitsbasiertem” und damit psychologisch adäquaterem Verständnis von Willensfreiheit halten, das er in seinem Beitrag “Willensfreiheit und Determinismus” zu der Reclam-Reihe “Grundwissen Philosophie” erläutert.

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