Denkanstöße – Von der Adaption zur Illusion

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Naturwissenschaften, Kultur und Religion
Theologie im Dialog

Der Wiener Wissenschaftstheoretiker Franz Wuketis verspricht in seinem Buch über Willensfreiheit Erkenntnis und Unterhaltung. Wissenschaft mit Unterhaltungswert ist an sich eine gute Sache, doch wenn der Wissenschaftler zugleich Schauspieler sein will, ist die Gefahr nicht ganz ausgeschlossen, dass die Suche nach der Wahrheit der Effekthascherei durch Showelemente und verkürzter Argumentation um des griffigen Witzes willen geopfert wird. In der Tat erfährt man einiges über den Kater Simla des Autors und seine Essgewohnheiten. Wir werden sehen, ob der Autor den Gefahren des Sciencetainments erlegen ist.

Im Konzert der vielen marktgerechten Stimmen zur Willensfreiheit besticht zunächst die Leitfrage, die Wuketis stellt. Kann die Willensfreiheit des Menschen – Wuketis unterscheidet Gedankenfreiheit, Entscheidungsfreiheit und Handlungsfreiheit – evolutionstheoretisch begründet werden. Man sollte erwarten, dass der Autor dann daran geht, im Sinne optimaler Adaption an die Umwelt, oder auch optimaler Umgestaltung der Umwelt im Sinne des Menschen die Willensfunktion des Menschen und ihre verschiedenen Handlungsoptionen evolutionär zu begründen. Weit gefehlt! Es geht dem Autor im Gegenteil darum, die Evolution der Unfreiheit des Menschen darzulegen und die Willensfreiheit unter evolutionärem Gesichtspunkt nicht ohne ein gewisses aufklärerisches Pathos als Illusion zu entlarven. Dazu muss dem Leser zunächst einmal klargemacht werden, dass auch Illusionen adaptiv sein können, ein verblüffender Gedanke, scheinen sich doch Adaption und Illusion zunächst logisch auszuschließen.

Der Autor nimmt indessen einen langen Anlauf, um zu begründen, dass Illusionen durchaus evolutionär gesehen vorteilhaft sein können. Als Mitglied der Giordano Bruno Gesellschaft weiß Wuketis, dass beispielsweise Religionen zwar einerseits illusionär sind, andererseits aber durchaus evolutionär vorteilhaft sein können. Bekanntlich ist auch Astrologie eine große Illusion, aber wie vielen Menschen spendet sie Trost und Zuversicht! Der Autor spricht vom Menschen geradezu als von einem illusionsbedürftigen Wesen. Aber wie in der Astrologie kann auch die Illusion der Religion dem Menschen evolutionäre Vorteile bringen: „Vielmehr darf das Gehirn sogar die größten Irrtümer produzieren, sofern die seinem Träger nicht schaden. Im Falle der Religion bzw. Religiosität liegt aus evolutionstheoretischer Sicht die Annahme nahe, dass der Gottesglaube oder der Glaube an irgendwelche ‚höheren Mächte‘ Anpassungsvorteile mit sich brachte.“ (S. 45)

Im zweiten Kapitel bietet der Autor dann im Sinne der alten Feuerbach‘schen These, dass der Mensch sich seinen Gott aus Illusionsbedürftigkeit selbst schafft, ein Panorama religiöser vorteilhafter Illusionen. Dazu gehört die Idee des Sinns angesichts der Sinnlosigkeiten des Lebens (auch der Evolution selbst!) sowie die Idee der Gerechtigkeit angesichts der Ungerechtigkeiten des Lebens. Aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts holt er die Idee hervor, dass Religionen vorwissenschaftliche Erklärungen für unverstandene Phänomene seien („Der prähistorische Mensch befand sich gleichsam in einem Erklärungsnotstand“, S. 43), schließlich lässt er Religionen für den homo metaphysicus aus dem sich entwickelnden Todesbewusstsein des prähistorischen Menschen entstehen, Mythen wird eine identitätsstiftende Kraft für Glaubensgemeinschaften zugesprochen. Was ist zu dieser Aufzählung evolutionärer religiöser Illusionen aus religionsgeschichtlicher und theologischer Sicht zu sagen? In der Tat kann man die meisten der vom Autor genannten Aspekte mit vielen Naturreligionen in Verbindung bringen und man könnte auch noch eine Reihe anderer Aspekte nenne, z. B. Ahnenkulte, Jagdzauber, Gott als der große Aufpasser, Anbetung von Bäumen und Bergen, Idolatrien aller Art.

 

 

Allerdings gilt auch, dass diese möglicherweise evolutionär entstandenen religiösen Illusionen bereits innerhalb der Religionen selbst, genauer gesagt innerhalb der biblischen Religion als Illusionen erkannt werden. Es gibt eine religiös motivierte Religionskritik im Sinne echter Transzendenz, die gerade nicht auf den vom menschlichen Gehirn produzierten religiösen Illusionen aufruht. Dies kann hier nur angedeutet werden. Der vermeintliche Sinn wird bereits im Buch Koheleth kritisiert („Alles ist eitel“), die vermeintliche Gerechtigkeit im Buch Hiob, die Unsterblichkeitshoffnung aus dem Todesbewusstsein fällt der harschen biblischen Kritik zum Opfer („Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden“), Mythen werden in Alten Testament radikal kritisiert, z. B. im ersten Schöpfungsbericht. Es fragt sich, ob dieser biblische Realismus evolutionär nicht viel adaptiver gewesen ist, als die vom Autor genannten evolutionären religiösen Illusionen. Jedenfalls erfreut sich die jüdisch-christliche Tradition immer noch eines munteren Lebens, während die Naturreligionen, die die vom Autor genannten Aspekte besonders hervorgehoben haben, eher auf dem Rückzug, wenn nicht bereits ausgestorben sind. Von dieser biblisch motivierten Religionskritik erfährt der Leser allerdings nichts. Weiß der Autor davon nichts, oder will er davon nichts wissen?

Nach dieser – wie wir sahen – durchaus problematischen Begründung der Vorteile evolutionärer Illusionen kommt nun der Autor zu einem Analogieschluss. So wie die Religionen als Illusionen durchaus evolutionär einen Sinn haben oder gar einen evolutionären Vorteil verschaffen, so ist es auch mit der Illusion der Willensfreiheit. Das Argument des Autors ist – neben dem bekannten Libetexperiment, der unbewussten Affektgesteuertheit unseres Verhaltens und der vorgegebenen sozialen Rahmenbedingungen unseres Handelns – dass die Vorstellung des Willens in der Evolution durch die Erfahrung der eigenen Handlungsmächtigkeit entstanden sei, die zur Idee der Autonomie und schließlich durch weitergehende philosophische Interpretation zum Konzept der Willensfreiheit geführt habe. Es ist also der evolutionäre Naturalismus, der den Rahmen von Wuketis Argumentation liefert, ein Rahmen, den der Mensch auch nicht verlassen kann. Mit vielen etwas schlichten Beispielen argumentiert Wuketis dazu, dass der Mensch seine Natur nun mal nicht ändern könne: „Wir Menschen sind Affen und so verhalten wir uns auch.“ (S. 150/151). Durchaus plausibel kommt Wuketis zu folgender zusammenfassender Überlegung: „Die Idee des freien Willens nimmt ihren Ursprung in der Einsicht des Menschen in seine eigenen Möglichkeiten, die Welt um ihn herum zu beeinflussen. […]. Schließlich führte seine kulturelle Evolution – mit philosophischen Konzeptionen, Weltanschauungen, Moralsystemen – den Menschen zumindest in einigen seiner Kulturen zu der ausdrücklichen Überzeugung, autonom handeln zu können, über einen freien Willen zu verfügen, der als Gradmesser für verantwortungsbewusstes oder schuldhaftes Handeln Gültigkeit gewann.“ (S. 122-123). Auch hier zeigt sich wieder die gleiche partielle Wahrnehmung des Autors. Denn wie die philosopiegeschichtliche Forschung gezeigt hat – und darüber besteht Konsens – haben die entscheidenden philosophischen Wegbereiter der abendländischen Philosophie, Platon, Aristoteles und die Stoa, überhaupt keine Anthropologie des Willens entwickelt, geschweige denn der Willensfreiheit.

Lediglich bei Aristoteles gibt es Vorformen der Idee eines Willens (Boulesis, Prohairesis, Ekousion), bei Platon nichts dergleichen und die Stoa zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie den Menschen ganz dem deterministischen kosmischen Schicksal, der Heimarmene, ausgeliefert sein lässt. Wir können daher keinesfalls von einem „philosophischen Überbau“ der Willensfreiheit sprechen, zumindest nicht bei diesen frühen Philosophen. Woher aber kommt dann die Idee des Willens und der Willensfreiheit und wie kommt sie zu den späteren Philosophen, z. B. Hume und Hobbes? Tatsächlich hat vor dem Hintergrund der biblischen Tradition der Kirchenvater Augustinus in seinem Buch De libero arbitrio zum ersten Mal eine zusammenfassende Darstellung der Willensfreiheit vorgelegt. Der Kontext ist natürlich nicht der evolutionärer Überlegungen, sondern der Versuch Augustins, die Verantwortungsfähigkeit des Menschen vor Gott sicherzustellen, die von konkurrierenden Religionen, z. B. dem Manichäismus, vollkommen in Abrede gestellt worden war – und diese Intention Augustins geht über einen weltanschaulichen Naturalismus hinaus. Historisch lässt sich also Wuketis These keineswegs halten.

Im letzten Teil seiner Überlegungen kommt er dann zu den ethischen Konsequenzen. Wenn schon der Wille eine Illusion ist, dann ist folgerichtig auch die darauf aufbauende Idee der Verantwortung eine Illusion. Der Autor versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass der Staat dem Menschen einen freien Willen einrede, um ihn auf diese Weise zu unterdrücken (!). Demnach wäre die Diktatur Nordkoreas eigentlich das Paradies auf Erden, denn dort gibt es keine freien Bürger. Immerhin soll nach dem Willen des Autors die Rechtspraxis der Ahnung von Verbrechen nicht abgeschafft werden. Aber der Schuld und Strafcharakter soll fallen. Auf verblüffend einfache Weise findet der dafür eine neue Begründung. Denn, so das Argument, niemand möchte Opfer von kriminellen Akten werden, und daher gilt die goldene Regel: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Es bleibt zu hoffen, dass eine so naturalistisch verdünnte Rechtspraxis niemals verwirklicht werden wird – der Volksnomos hatte in Deutschland im III. Reich schon einmal das Sagen.

Um nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht darum, die biologischen Bedingtheiten des menschlichen Verhaltens zu leugnen. Das wird jeder akzeptieren, der einmal ernsthaft versucht hat, sein Verhalten zu verbessern und damit Schiffbruch erlitten hat. Das weiß gerade auch die religiöse Tradition. Paulus (vgl. Römer 7) und Luther haben gerade dies erkannt. Luther hat die emotional-affektive Bestimmtheit menschlicher Willenshandlungen in seinem Buch De servo arbitrio, also über den unfreien Willen, deutliche herausgestrichen. Aber: Wie Wuketis selbst mit Hinweis auf die Philosophie Harry S. Frankfurts bemerkt hat, hat der Mensch trotz aller biologischen Gebundenheit seines Wollens die Fähigkeit, seinen biologischen Antrieben durch Volitionen zweiter Ordnung, so die Diktion Harry S. Frankfurts, zu widersprechen, eine Fähigkeit, die ihn als Person von Tieren unterscheidet.

Ferner hat gerade die Neurowissenschaft auf die Neuroplastizität des menschlichen Gehirns hingewiesen, die den Menschen in die Lage versetzt, den Spielraum seines Handelns und damit seiner Freiheit zu erweitern. Schließlich hat der Mensch auch die Möglichkeit, den sozialen Grenzen seiner Handlungsfreiheit zu widersprechen, wie Wuketis mit seinen harschen Urteilen über den reglementierungswütigen Staat selbst beweist und wie große Menschen durch ihr mutiges Aufbegehren gegen wirkliche Unterdrückung (Gandhi, Martin Luther King, Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer) hinlänglich bewiesen haben. Allerdings ist dies immer auch mit Mut, der Bereitschaft Opfer zu bringen und der Anstrengung der Selbstdisziplin und Selbstkultivierung verbunden. Und daher ist die Freiheit je nach Maß der eingesetzten Anstrengung auch bei jedem Menschen graduell verschieden. Das Spektrum reicht vom Kleptomanen bis hin zur Freiheit der Kinder Gottes. Die Freiheit wird uns nicht einfach in den Schoß gelegt, sie hat auch ihren Preis. „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss“ wusste schon Goethe im Faust. Wem aber die Natur der letzte Maßstab ist, der scheut auch aufgrund der natürlichen Trägheit der Natur und ihres Evangeliums des Hedonismus diese Arbeit an der eigenen Freiheit – und hat sich dann auch nicht verdient und darf natürlich in seinem selbst gewählten Gefängnis illusorischer Freiheit bleiben. Diese Freiheit hat er.

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Wolfgang Achtner ist Professor für Systematische Theologie an der an der Justus Liebig Universität Giessen, sowie Gründer und Direktor der Transscientia Instituts für interdisziplinäre Wissenschaftsentwicklung, Philosophie und Religion. Prof. Dr. Wolfgang Achtner

22 Kommentare

  1. Wow, eine scharfkantige Rezension…

    …die ich – obgleich und weil ich Wuketits schätze – gerne gelesen habe. Aber eine Bitte: Nimm den Volksnomos-NS-Vergleich raus. Ich reagiere inzwischen allergisch, wenn aber auch jede philosophisch-weltanschauliche Debatte in Deutschland sich auf das 3. Reich bezieht. Das verhaut nur jede ernsthafte Debatte und muss m.E. jetzt nicht auch noch in der Rezension philosophischer Bücher um sich greifen! Dein Post ist viel zu interessant für so was! 🙂

  2. Volksnomos

    Nein, @Michael, wenn Herr Achtner da einen wichtigen Zusammenhang sieht, dann soll er das auch so schreiben.

    Oder haben Sie sachliche oder inhaltliche Einwände?

  3. Volksnomos

    Lieber Michael,

    danke für Dein wie immer anerkennenden Worte. Deine Aversion gegen Moralkeulenargumente teile ich und bisher habe ich sie auch noch nie in die Hand genommen. Da ich sie also bisher noch nicht geschwungen habe und der Hinweis eher am Rande ist und die Nazis nun mal einen praktischen (keinen philosophisch reflektierten) Naturalismus vertreten haben, hoffe ich, dass Du mir trotzdem gewogen bleibst, auch wenn ich diese Zeile drinlasse.

    Wolfgang

  4. Religiöse Religionskritik

    Lieber Wolfgang,

    so schnell ist meine Zuneigung nicht zu erschüttern! 🙂

    Nun aber ernsthaft: Deine Darstellung von innerreligiöser Religionskritik finde ich sehr einleuchtend. Sie stimmt auch nicht nur auf die monotheistischen Traditionen, sondern auch z.B. auf den Buddhismus, der sich gegen Kastenwesen und Opferrituale auflehnte. Allerdings konnte er sich – zumindest in Indien – zunächst nicht halten, während die monotheistischen Religionen heute die Mehrzahl der Menschen umfassen. Darwin vermutete entsprechend ja sogar einen Fortschritt in der (bio-)kulturellen Evolution der Religionen, hin zum Monotheismus:
    http://www.scilogs.eu/…eligiosity-and-religion-s

    Würdest Du sagen, es gibt einen solchen Fortschritt?

  5. Monotheismus

    Lieber Michael, das beruhigt mich! Zum Monotheismus. In der Tat hat Darwin ja in The Descent of Man eine solche Entwicklung zum Monotheismus geschildert, wohl ganz im Sinne des ethischen Fortschrittsideals des 19. Jahrhunderts. Ob es einen innerweltlichen Fortschritt zum echten Monotheismus gibt, wage ich zu bezweifeln. Zwar hat die philosophische Aufklärung (Griechenland) udn auch die religiöse Aufklärung (Ägypten) eine Art philosophischen Monotheismus befördert, aber ich glaube kaum, dass dieser erdachte Monotheismus lebensgestaltende Kraft entwickeln konnte. Die stellt sich wohl erst dann ein, wenn es zu einer echten Transzendenzerfahrung kommt. Und die ist wohl bei Mohammed und den Propheten des Alten Testaments passiert.
    Du weißt ja, dass mein Thema das Verhältnis von echter Transzendenz zu evolutionären oder emergenten Formen von Religion ist. Ist letzteres der Weisheit letzter Schluss, läuft man in die Falle Feuerbachs. Er hat sicher vieles richtig gesehen, aber eben nicht alles

  6. Wenn ich diese Wuketits-Rezension mit Ihrer Mayr-Rezension vergleiche, Herr Achtner—da liegen ja Welten dazwischen. Entweder, Sie können Wuketits nicht leiden (nicht mal seinen Namen schreiben Sie richtig), oder er hat wirklich ein schlechtes Buch zur Evolution der Illusion “freier Wille” abgeliefert. Für mich ist das keine “scharfkantige” Rezension, wie @Michael Blume meint, sondern ein glatter Verriss.

    Wäre mal interessant zu erfahren, wie Ernst Mayr die Evolution des gefühlten freien Willens beschreiben würde.

    Die Kritik, dass es Wuketits darum geht, “die Willensfreiheit unter evolutionärem Gesichtspunkt […] als Illusion zu entlarven”, nicht recht nachvollziehen.

    Wenn man weiß, dass Augustinus die Willensfreiheit eingeführt hat, um “die Verantwortungsfähigkeit des Menschen vor Gott sicherzustellen” (was ja auch dessen Schuldfähigkeit mit einschließt), und ferner, dass Libet 600 Jahre später mit seinem Versuch, die Idee der Willensfreiheit neurophysiologisch zu untermauern, gescheitert ist, liegt der Schluss doch nahe, dass sich lediglich die “Illusion” vom freien Willen evolutiv entwickelt hat.

    Überhaupt scheint mir die “Willensfreiheit” als soziokulturelles Konstrukt doch eher ein Gegenstand der Philosophie als der Biologie zu sein. Auch insofern finde ich es folgerichtig, dass Wuketits die Entwicklung der “Illusion” vom freien Willen evolutionstheoretisch untersucht hat.

    Wenn schon der Wille eine Illusion ist, dann ist folgerichtig auch die darauf aufbauende Idee der Verantwortung eine Illusion.

    Wurde hier das Wörtchen “freie” vergessen oder bewusst weggelassen? Oder bestreitet Wuketits tatsächlich auch die Existenz eines autonomen Willens, der ja nicht einmal Tieren abgesprochen wird? Und behauptet Wuketits wirklich, der geistig gesunde Mensch habe keine Verantwortung für das eigene Tun? Das wäre in der Tat ziemlich daneben.

    Wie Wuketis selbst mit Hinweis auf die Philosophie Harry S. Frankfurts bemerkt hat, hat der Mensch trotz aller biologischen Gebundenheit seines Wollens die Fähigkeit, seinen biologischen Antrieben durch Volitionen zweiter Ordnung, so die Diktion Harry S. Frankfurts, zu widersprechen, eine Fähigkeit, die ihn als Person von Tieren unterscheidet.

    Anscheinend war (oder ist) Harry Gordon Frankfurt der Ansicht, die Prozesse der Entscheidungsfindung wären beim Menschen grundlegend anders als beim Tier. Das ist natürlich Unfug. Der einzige—und natürlich auch wesentliche—Unterschied besteht darin, dass dem Menschen Teile des Entscheidungsprozesses bewusst sind und dass er demzufolge die Zukunft planen kann. Mit einer “Freiheit des Willens” (im Sinne Augustins)* hat das aber nichts zu tun.

    *Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass nach Augustinus der Wille durch die mentale Verursachung “frei” wird.

  7. Balanus-Wuketits

    Lieber Balanus

    Um die Verwirrung um die richtige Schreibung des Namens zu beenden: Laut Schreibweise auf dem Buchcover ist “Wuketits” richtig!

    Zur Willensfreiheit: Ein leidiges Thema, voller Begriffsverwirrung und Unklarheiten. Es würde mich auch interessieren, wie Mayr evolutionstheoretisch sich zur Willensfreiheitsfrage geäußert hätte. Mit Sicherheit hätte er sich um eine präzise Begrifflichkeit bemüht und um eine konsistente theoretische Begrifflichkeit, so wie er dies mit dem Begriff Teleologie in vorbildlicherweise durchgefürt hat.

    Eine solche begriffliche Schärfe müsste man auch in Bezug auf den Willens-, Vernunft- und Freiheitsbegriff entwickeln. Ich denke eine erste wichtige Untgerscheidung ist die von Entscheidungsfreiheit (zwischen Alternativen) und Handlungsfreiheit, d.h. Initiierung von Handlungen in Bezug auf innere und äußere Determinanten.
    Was aber ist Freiheit? Dies ist sehr viel schwieriger. Ein erstes großes Missverständnis ist dies, dass Freiheit der Gegensatz von Kausalität und Gesetz ist. Demnach wäre Gesetzlosigkeit (oft verbunden mit der scheinbaren Gesetzlosigkeit der Quantenmechanik) der Grund der Freiheit. Ein offenbar absurder Gedanke. Freiheit kann es meines Erachtens nur innerhalb des Rahmens von Gesetzen geben. Die Gesetze geben gewissermaßen nur den Rahmen vor, innerhalb dessen Handlungen sich vollziehen. Aber je höher ein Wesen organisiert ist, desto weiter ist dieser Rahmen der Gesetzlichkeit gefasst, so dass die Freiheit eine Funktion der Komplexität des Systems ist. Diese Komplexität in Bezug auf die Aktivität des Willens ist meines Erachtens erst in allerersten Ansätzen erforscht. Das Libet Experiment ist ein allererster Anfang und in seiner Bedeutung für die Willensfreiheit weit überschätzt. Insbesondere, was die Bedeutung von ethisch relevanten Entscheidungen betrifft. Zu solchen Entscheidungen macht das Libet Experiment keinerlei Aussagen. Aus dem Libet Experiment daher die Verantwortung des Menschen zu leugnen ist schlechterdings ein Kategorienfehler. Von Wuketits Buch hatte ich mir von seiner Fragestellung her gesehen, die ich sehr gut und notwendig finde, mehr Klarheit erwartet. Dass er in einem ersten Ansatz die Willensfrage aus dem Gefühl der Handlungskompetenz herzuleiten versucht, finde ich eigentlich einen sehr vielversprechenden Gedanken. Leider wird dies aber unter historischen Gesichtspunkten nicht wirklich überzeugend durchgeführt. Die Beispiele, die er bringt, stimmen einfach nicht.

    Kurz zu Harry G. Frankfurt: Seine grundlegende These ist, dass der Mensch als Person – im Unterschied zum Tier – sich zu seinen Willensimpulsen verhalten kann: Beispiel: Ich habe Hunger. Aber ich kann meine Essgelüsste zügeln und sie hintanstellen und wollen, nicht zu essen. Das kann ein Tier nicht. Wenn es Hunger hat, frisst es. Und wenn der Mensch diese Fähigkeit verliert, wird er Opfer seiner Triebimpulse. Zu Recht sprechen wir daher bei Fresssucht (Bulimie) von einer therapiebedürfigen Krankheit. Soviel für heute.

    Ja, es ist richtig, von Wuketits Buch bin ich sehr enttäuscht, von Mayrs begeistert, unabhängig davon, dass sie beide meinen Ansichten entgegengesetzt sind (in Bezug auf theologisch relevente Themen). Dies gilt für Mayr sogar noch viel mehr als für Wuketits.

  8. Libet & Frankfurt

    Lieber Herr Achtner,

    zunächst mal Danke für die Antwort, jetzt sehe ich ein bisschen klarer, was Sie bei Wuketits vermisst haben.

    Sie schreiben, dass Libet Experiment würde in seiner Bedeutung für die Willensfreiheit weit überschätzt. Dem stimme ich insofern zu, als ich die Willensfreiheit für ein soziokulturelles Konstrukt halte. Andererseits hat Libet nicht zeigen können, dass sich die verbreitete Annahme von der rein mentalen Verursachung von Körperbewegungen experimentell nachweisen lässt. Da dieser Nachweis auch bis dato nicht geführt werden, könnte man sagen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass immaterielle Entitäten Erstauslöser von Ereignissen sein können. Insofern hat Libet dazu beigetragen, die Diskussion um die Willensfreiheit auf die richtige Schiene zu hieven, nämlich in den Bereich der Kultur.

    Was Sie zu Harry G. Frankfurt schreiben, bestätigt meine Auffassung von der prinzipiellen Gleichartigkeit tierischer und menschlicher Entscheidungsprozesse. Dass der Mensch sich zu seinen Willensimpulsen bewusst verhalten kann, verdankt er seinem selbstreflexiven Bewusstsein. An der durchgängig deterministischen Funktionsweise des Gehirns bei Tier und Mensch ändert das nichts, das heißt, mit der Frage einer echten Willensfreiheit hat das gewiss nichts zu tun.

    Anders formuliert: Ein Tier folgt am Ende seinem stärksten Willensimpuls, ohne darüber reflektieren zu können. Auch der Mensch folgt am Ende seinem stärksten Willensimpuls, doch in Fällen, wo er darüber reflektiert hat, erscheint ihm das als eine freie Willensentscheidung. So sehe ich das.

    (Das wollte ich nur nochmal gesagt haben)

  9. Frankfurt

    Zur Frankfurt noch Folgendes:

    Dass der Mensch sich gegenüber seinen Trieb udn Willensimpulsen verhalten kann – gemäß Selbstbewisstsein und Reflexivität – sehe ich auch so. Es zeichnet den Menschen eben als Geistwesen aus. Die Ansicht, dass es sich dabei um eine gleichartigkeit tierischer und menschlicher Entscheidungsprozesse handelt, aber nicht. Es ist nämlich nicht auszuschließen – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – dass der Mensch in seinem Verhalten gelegentlich auch aus EINSICHT handelt. Kurz gesagt, Wille und Ratio wirken in einer Entscheidung und Handlung 8gelegentlich) zusammen. Diesen Sachverhalt hat übrigens die theologische Tradition mit dem Begriff des “liberum arbitrium” ausgedrückt.

  10. @Balanus

    Merkwürdig, dass Sie die Libet-Experimente als gescheiterten Versuch eine mentale Verursachung nachzuweisen auffassen. Dann müssen Sie nämlich auch die Folgeexperimente Libets mit ins Boot nehmen. Schließlich behauptete er mit ihnen gezeigt zu haben, dass der Mensch die Möglichkeit habe in 50ms nach dem Eintreffen des Handlungsimpulses sich, mental verursacht, in Freiheit umzuentscheiden und sein Vetorecht auszuüben. Sie sehen, bis zu welchen komischen Folgerungen man mit diesem Versuchsaufbau kommen kann. Ich denke eher, der gesamte Versuch sich dem Phänomen auf solche Weise zu nähern ist unangemessen. Sie nicht?

  11. H. G. Frankfurt

    » Es ist nämlich nicht auszuschließen – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – dass der Mensch in seinem Verhalten gelegentlich auch aus EINSICHT handelt. «

    Schön gesagt, wer wollte da widersprechen?

    Und es ist ja auch wahr, dass der Entscheidungsspielraum beim Menschen ungleich größer ist als beim Tier. Die Ratio kann die Anzahl der Handlungsoptionen drastisch erhöhen – und sie hat zur Folge, dass der gesunde Mensch für sein Handeln verantwortlich gemacht werden kann. Aber auch beim Handeln aus Einsicht wird m. E. kein grundlegend neues Prinzip in die neuronalen Vorgänge bei Entscheidungsfindungen eingeführt.

  12. Libet /@N. Hagthorpe

    » Merkwürdig, dass Sie die Libet-Experimente als gescheiterten Versuch eine mentale Verursachung nachzuweisen auffassen. «

    Meines Wissens wollte Libet zeigen, dass der Gedanke der Handlung vorausgeht. Und war überrascht, dass es laut Messung meist andersherum war.

    Libets Folgeexperimente kenne ich nicht im Original, habe nur davon gehört bzw. gelesen. Die Sache mit dem “Vetorecht” erscheint mir aber höchst unplausibel und hat wohl auch kaum einen Neurowissenschaftler überzeugen können.

    » Ich denke eher, der gesamte Versuch sich dem Phänomen auf solche Weise zu nähern ist
    unangemessen. Sie nicht?
    «

    Ja und Nein. Einerseits halte ich die Vorstellung für unsinnig, es könne eine mentale Verursachung geben, die den Gesetzen der Thermodynamik widersprechen würde. Aus diesen Motiven heraus bräuchte man also nicht diese Experimente.

    Andererseits ist es schon interessant zu wissen, wie die zeitliche Abfolge Willensentscheidung und Handlung ist. Es gibt ja mehrere Untersuchungen, in denen die Experimente Libets variiert wurden, und bei diesen ging es, wenn ich mich recht erinnere, zwar auch um eine “mentale” Verursachung, aber eben auch darum, die neurophysiologischen Vorgänge aufzuklären.

  13. Mottenkiste

    Eine Sache gab es noch, die ich vergaß anzusprechen. Herr Achtner.

    Sie schrieben:

    » Aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts holt er die Idee hervor, dass Religionen vorwissenschaftliche Erklärungen für unverstandene Phänomene seien („Der prähistorische Mensch befand sich gleichsam in einem Erklärungsnotstand”, S. 43)“ «

    Das Alter von Ideen sagt ja nun nichts aus über deren Güte. Mir erscheint dieser “Erklärungsnotstand” der ersten Menschen durchaus plausibel. Und die religiösen Schriften und Mythen sind ja auch voll von Welterklärungsvorstellungen.

    Weiter unten schreiben Sie zwar

    » In der Tat kann man die meisten der vom Autor genannten Aspekte mit vielen Naturreligionen in Verbindung bringen…«

    und geben Wuketits in gewissem Umfange Recht, soweit es nämlich die Naturreligionen betrifft, aber dennoch habe ich den Eindruck, dass Sie diesen “Erklärungsnotstand” als einen wichtigen Faktor bei der Entstehung religiöser Vorstellungen bezweifeln.

  14. Gipfel der Irrationalität

    Wo bitte soll ein “freier” Wille herkommen? In der Natur herrscht immer noch das Kausaltätsprinzip: von nix kommt nix. Was also soll das Gerede vom freien Willen? Und wichtiger: Was soll damit eigentlich bezweckt werden??? Sollen die Naturwissenschaften diskreditiert werden? Schlimm, was hier präsentiert wird. Gibt es niemanden, der diese Ergüsse liest, bevor sie ins Netz gestellt werden?

  15. Balanus-Frankfurt-Ratio

    Ich merke, ich stoße auf Verständnis. In der Tat ist die Kombination von Ratio+Wille das Entscheidende bei menschlichen Entscheidungen und menschlichen Handlungen. Dieses Wechselspiel, bei dem wir von zunehmender Freiheit im Sinne von Handlungsoptionen sprechen, und damit auch von Freiheit und Verantwortung, wird in keiner Weise vom Libetexperiment abgedeckt. Insofern ist es tatsächlich überzogen interpretiert, wenn man aus ihm die Unfreiheit des Willens ableiten will. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Hirnforscher sich an dieses Wechselspiel von Ratio+Wille heranmachen würden, um es zu erforschen. Bei einigen ethischen Entscheidungsfindungsprozessen ist dies auch schon geschehen. Pascal Boyer berichtet darüber in seinem neuen Buch “The Fracure of an Illusion”. Auf jeden Fall wird es dann kompliziert. Nebenbei bemerkt, ist das auch die Definition der Willesnfreiheit in der Tradition der Theologie gewesen: Das liberum arbitrium = Wille + Ratio bei einer Entscheidung. In diesem Sinne lautet die Definition des liberum arbitriums, also des freien Wahlvermögens bei Thomas von Aquin:
    “liberum arbitrium est facultas voluntatis et rationis.” Summa Theologica I, 19, 10, arg. 2

  16. Balanus-Mottenkiste

    Natürlich sagt das Alter eines Arguments nichts über dessen Güte aus.
    Was nun die “Erklärung” von natürlichen Phänomenen durch Naturreligionen betrifft, so halte ich dies für eine diffiziele Sache. Erklärung setzt nämlich die Kategorien von Rationalität und Kausalität voraus. Ob diese bei den frühen Menschen in der heutigen Form vorhanden waren, scheint mir zweifelhaft. Mir scheint, dass dies erst Kategorien sind, die relativ spät in der Kulturgeschichte entstanden sind. Daher ist auch die Frage, ob überhaupt im modernen Sinne ein Erklärungsbedarf vorlag. Wenn man davon ausgeht, wie in der Religionsgeschichte Konsens, dass die früheste Form von Denken das magische ist, dann ist dies ein Denken in Analogien (daher auch der Analogzauber), weniger in Kausalitäten. Also liegt auch gar kein Erklärungsbedarf vor und folglich sind Religionen keine primitiven Erklärungen, die auf ein Kausalitätsbedürfnis antworten, das noch gar nicht existiert. Plausibel?

  17. Müller – Irrationalität – Kausalität

    Woher kommt die Willensfreiheit? Ich wüsste es auch gern genauer.

    Zur Kausalität in der Natur: Meines Wissens gilt in der Tat in der Natur das Prinzip der Kausalität – außer in der Quantenmechanik. Hier ist es aus prinzipiellen Gründen ausgeschlossen, dass ein quantenmechanisches Ereignis aufgrund der Kausalität exakt vorausgesagt werden kann. Nur für eine Vielzahl von quantenmechanischen -Ereignissen gilt die statistische Kausalität. Die Suche nach den sogenannten “hidden parameters”, die die Kausalität retten sollten, verlief ergebnislos. Die Natur hat also offenbar in der Tat kausale Löcher! Nun finden im Gehirn auch mit Sicherheit quantenmechanische Prozesse statt. Daher verwundert es nicht, dass führende Physiker, die bei der Entwicklung der Quantenmechanik maßgeblich beteiligt waren, wie z.B. Pascual Jordan, argumentiert haben, der Indeterminismus der QM beweise die Willensfreiheit. Ich selbst glaube, dass dies ein Irrweg ist. Vielmehr geben die Naturgesetze auch im Gehirn einen Rahmen vor, in dem sich Handlungen und Entscheidungen vollziehen. Im Gehirn ist dies aber unvorstellbar komplex, da Emotionen, Wertungen, Überlegungen, Willensimpulse etc. den Handlungsspielraum sehr beeinflussen und die Handlungsoptionen erhöhen.
    Niemand will hier die Naturwissenschaft diskreditieren. Mit Sicherheit auch keine führenden Physiker, die aufgrund ihrer Forschungen für die Willensfreiheit eingetreten sind. Das trifft übrigens auch für Hans Helmut Kornhuber zu, dem Entdecker des Bereitschaftspotenzials, dem die ganze Debatte um die Willesnfreiheit zugrunde liegt, der sich vehement FÜR DIE WILLENSFREIHEIT ausgesprochen hat. Noch Frgen?

  18. Kausalzusammenhänge /@Wolfgang Achtner

    » Also liegt auch gar kein Erklärungsbedarf vor und folglich sind Religionen keine primitiven Erklärungen, die auf ein Kausalitätsbedürfnis antworten, das noch gar nicht existiert. Plausibel? «

    Ich meine, nein.

    Vielleicht passt der Begriff “Erklärung” nicht ganz, und ich behaupte auch nicht, dass Religionen primitive Erklärungen wären, aber das tut dem vermuteten Sachverhalt keinen Abbruch.

    Es ist doch evident, dass für höhere Organismen (solche mit einem höher entwickelten Zentralnervensystem) das “Erkennen” von kausalen Zusammenhängen in der jeweiligen Lebensumwelt überlebenswichtig ist. Darauf beruht individuelles Lernen.

    Ohne die Ratio fehlt aber die Möglichkeit, über solchermaßen “erkannte” Zusammenhänge zu reflektieren. Doch mit dem Zuwachs an Hirnmasse dürften den frühen Menschen diese Zusammenhänge, die anfangs einfach hingenommen wurden, immer klarer und bewusster geworden sein. Und weil sich auch die Sprache nach und nach entwickelte, konnten die Menschen sich darüber austauschen, die gemachten Erfahrungen weitergeben, und zwar in einem viel größerem Maße als es den Tieren möglich ist. Was liegt näher als anzunehmen, dass auch Ereignisse beobachtet wurden, für die partout keine natürliche “Erklärung” gefunden werden konnte. Und wenn sie regelmäßig beobachtet werden konnten, lag es wohl auch nahe, ein System dahinter zu vermuten, Absichten, also bestimmte übernatürliche, unsichtbare Kräfte, Mächte, Magie, was auch immer (dass der Chef auch dann existiert, wenn man ihn nicht sieht, war da bereits allgemeinen bekannt).

    Von dort bis zu den ersten echten Naturreligionen ist es zwar noch ein gutes Stück, aber der Weg war quasi vorgezeichnet.

    Was außerdem darauf hinweist, dass wir es hier mit einer uralten biologischen Eigenschaft zu tun haben, ist die Tatsache, dass wir laufend Wirkzusammenhänge konstruieren, automatisch, da brauchen wir gar nicht drüber nachzudenken. Wenn wir zwei Ereignisse in einem engen zeitlichen Zusammenhang erleben, haben wir oft das starke Gefühl, dass das etwas frühere Ereignis das nachfolgende Ereignis verursacht hat—oder zumindest haben könnte.

    Nebenan bei Michael Blume haben Sie auf die Riten hingewiesen, die es schon bei Tieren gibt. Mit den Ritualisierungen und dem naturgegebenen menschlichen Erklärungszwang haben wir m.E. schon mal zwei wichtige Faktoren für die Entstehung von Religionen benannt. Es gibt noch viele andere.

  19. Rezension “Willensfreiheit”

    Ich freue mich, mitteilen zu können, dass meine Rezension zu “Willensfreiheit in Theologie und Naturwissenschaft” auf spektrumdirekt erschienen ist, hier:
    http://www.spektrumdirekt.de/…4965&_z=859070

    Es war ein echtes Leseabenteuer, vielen Dank und weiterhin viel Freude & Erfolg!

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