Die Selbstorganisation dynamisch-komplexer Systeme: Vom Übergang von einem Maschinen-Zeitalter in ein Organismus-Zeitalter von Arbeit und Gesellschaft
BLOG: Tensornetz
Der eigentliche, totale Krieg ist zu einem Informationskrieg geworden. Marshall McLuhan
Menschen sind doch das Wertvollste, das man gewinnen kann. Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg. Sigmund Freud
Wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte haben die Anforderungen und Probleme, vor denen Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Politik und Zivilgesellschaft heute stehen, eine so hohe, beträchtliche Weltdynamik und Weltkomplexität erreicht. Und das liegt sicherlich einerseits an der beschleunigten Globalisierung mit Global Sourcing Prozessen, andererseits der Vernetzungskopplung und Vernetzungsdichte der Welt, die sich immer stärker dem hohen Vernetzungsgrad eines sozialen menschlichen Gehirns angleicht. Durch eine veränderte Systemarchitektur der Informationen, der Medien, und der Märkte der Menschen, was Veränderungspotenziale betrifft, nehmen zugleich Nicht-Linearität und nicht vorhersehbare Ereignisse zu.
Was passiert? Alte Strategien und alte (Informations-) Systeme, die intern Institutionen mit der externen Außenwelt abgleichen, justieren und stabilisieren sollen, funktionieren nicht mehr oder kaum so wirksam wie früher, weil die verschiedenen Welten mit veränderten Strukturen und Geschwindigkeiten auseinanderdriften. Wie wir das wieder zukünftig besser und passender auffangen, stabilisieren und absorbieren können, darüber handelt dieser Beitrag.
Kleine Fortschritte in der Technik
Einmal auf die Technik gesehen, haben wir zwar in der Technik die letzten Jahre inkrementelle Fortschritte ausmachen können, so beispielsweise in der Algorithmik und in der Verlagerung der Funktionalität der Objekte und Steuerung als nächsten Schritt der Leistungssteigerung. Aber einmal ganz ehrlich, reicht das heute aus, um die großen Anforderungen der Menschheit zu lösen? Und wenn wir einmal auf informatorische und biologische Algorithmen und Prozesse schauen, so sind biologische Algorithmen anders als informatorische Algorithmen passend geeignet, die wirklich große Anforderungen und Komplexität zu verarbeiten. Wir befinden uns heute vor allen in einem Übergang von dem Konzept der Technik zu den Frameworks eines Organismus, der das 400 Jahre altwährende Technikkonzept ablösen und ergänzen wird, die Frage ist nicht ob, sondern vielmehr wann.
Technik und Organismus
Vor allem sind Technik und Maschinen weniger wirksam und vor allem störanfälliger als Menschen. Das heißt ganze Betriebsabläufe werden organisatorisch gestört. Sollten wir da nicht einmal umdenken? Es geht in der Zukunft in dynamischen Systemen immer stärker um Zuverlässigkeit, Anpassungsfähigkeit und Lernfähigkeit. Und hier steht nicht die Maschine im Vordergrund, sondern der Mensch. Schauen wir dazu zur Orientierung auf weltweite Megatrends im Fokus der Menschen von Arbeit und Gesellschaft:
Megatrends
- von nationalen geschlossenen Märkten auf weltweite offene Netze
- von der organisatorischen Zentralisierung zu Dezentralisierung
- von der managerhaften Dienstleistungsgesellschaft zur unternehmerischen, stärker selbständigen Komplexitätsgesellschaft
- von repräsentativer Demokratie zu partizipativer Demokratie
- von der autoritären Hierarchie zur natürlichen Hierarchie
- von der Hierarchiestruktur zum Netzwerkprozess
All diese Megatrends führen zu einem Top-Thema und einer einzigen sehr tiefen und machtvollen Entwicklungsströmung, was diese verbindet. Es geht um Demokratisierung in der Arbeit und Gesellschaft. Die Demokratisierungsprozesse in der Arbeit und Gesellschaft werden weltweit als stärkste transformative Strömungskraft in der Gesellschaft anerkannt.
Ein kurzer Blick zurück, 1968
Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, so ist das völlig korrekt. All dies erinnert ein wenig an die relativ kurze Periode der 1960er und 1970er Jahre. Und damals war es auch eine Periode die gesellschaftliche, wirtschaftliche, rechtliche, soziale und politische Strukturen infrage stellten. Es gab Proteste gegen gesellschaftliche Einengungen. Es ging damals um Umweltschutz, Frauenrechte, interdisziplinäre Hochschulen und eben um Selbstbestimmung und Selbstorganisation. Also die Offenheit und freie Formbarkeit der Gestaltung von Prozessen und Strukturen. So bekamen die europäischen vor allem Pariser Studenten und auch die deutschen Studenten nicht ihre geforderten Themen, wofür Sie 1968 auf die Barrikaden gestiegen sind. Dennoch wurden etliche wichtige Prozesse in Arbeit und Gesellschaft in Gang gebracht und angestoßen.
Heute haben wir ausreichend die Daten, Informationen und das Wissen mit Studien auf dem Tisch liegen, aus der Kommunikations- und Netzwerkforschung, aus der Neurowissenschaft, der Kulturwissenschaft, Pädagogik der Psychologie und der Soziologie, eben nicht gegen den Menschen zu arbeiten sondern für Menschen und mit den Menschen. Heute geht es nicht mehr so stark wie im 20. Jahrhundert um Strategien, Anwendungen, Menschen, sondern die Anordnungsbeziehung ist eher eine andere: Menschen, Strategien, Anwendungen. Wir haben zu sehr alles verdinglicht, vielmehr sollten wir wenige auf Dinge als Beziehungen schauen. Dazu sollten wir Menschen involvieren und teilhaben lassen und auch partizipativ mitnehmen. Und deshalb Menschen mit Menschen verbinden für einen Durchbruch der Systeme und nicht für einzelne Menschen oder Menschengruppen, sondern über die ganze Menschheit hinaus. Hierzu als Veranschaulichung die Systemebenen der Welt von Erich Jantsch
Systemebenen der Welt
- a) Physikalische Systeme
- b) Biologische Systeme
- c) Ökosysteme
- d) soziale Systeme
- e) Kulturen
- f) Menschheit
Je weiter man von a bis f voranschreitet, desto höhere Aktivitäten und Zunahme des Energie-, Informations- und Kommunikationsaustausches zwischen den Systemen und der Umwelt existieren. Betrachten wir in diesem Kontext einmal die IT-Systeme, also die EDV (beispielsweise mit künstlicher Intelligenz (KI) ) so erreichen diese selten den gewünschten Komplexitätsgrad. Diese sind eher zwischen Stufe a) bis maximal b) anzusiedeln, während die echte natürliche Intelligenz (NI) eher auf den Stufen d) bis f) in den Systemen reichen.
Und wenn wir uns dann weiter die verschiedenen Systeme anschauen, dann hilft uns als verbindende und übergreifende Disziplin der Bereich der Cybernetics, also die Kybernetik als Disziplin und als Beschreibung dynamischer Systeme als ernsthafter Ansatz des letzten Jahrhunderts. Und wir benötigen dann auch entsprechend umfängliches Verständnis der Funktionen von Systemen, um Systeme zu verstehen, was sich als nicht ganz einfach erweist. Schauen wir beispielsweise einmal auf die Ebenen c bis f, dann steht auch hier der Mensch im Mittelpunkt all dessen mit seinem Wissen, seiner Intuition (als Muster des Gesamtwissens) und seinen Werkzeugen als Werkzeugmacher. Er hat es nämlich als einzige Spezies geschafft vom Äquator bis zum Polar als einziges Lebewesen mit seinen Fähigkeiten und Ressourcen die vor ihm liegenden Aufgaben der Architektur der Welt und der Arbeit zu bewältigen: Indem er diese Kenntnisse und Kompetenzen aktiviert, prozessiert, strukturiert und organisiert. Und heute existieren zum ersten Mal auf der Welt Werkzeuge, um sich wirklich zu koordinieren und in Netzwerken zu kooperieren. Das ist zugleich einmalig in der Geschichte der Menschheit! Unsere Ära ist somit nicht mehr die Ära des Internets der Suchmaschinen, sondern der sozialen und virtuellen Netzwerke. Darauf sollten wir besser re-agieren und vor allem vor-agieren. Heute geht es mehr und mehr darum mit Netzwerksystemen auf Netzwerksysteme zu antworten.
Dazu kommt, dass Menschen, die heute mit modernster Telekommunikationstechnologie, Informationstechnologie und einem neuen überarbeitenden Informationsmanagement, also die Verteilung und Verarbeitung von Informationen seitens des Internets im Gegensatz von wenigen Dekaden aufwachsen, spüren, dass das Arbeiten in der virtuellen Welt und die Arbeit mit Netzwerken immer stärker auch gelebte wirkliche Realität wird. Dann treten junge Leute in ein Unternehmen ein und merken, dass dies quasi auf den Kopf gestellt wird, weil die alte Welt meist hierarchisch, vertikal kommunikativ und bürokratisch organisiert war, also eher verteilt als vernetzt. Und somit das 20. Jahrhundert-Management einem anderen Betriebssystem des Lebens glich als dies dem 21. Jahrhundert entspricht. So geht es oftmals in den Unternehmen nicht um Netzwerke, sondern Abteilungen, es geht nicht um gemeinsame Prozesse, sondern Positionen, die trennen, statt vereinen. Dabei gilt es zukünftig immer mehr darum, nicht für eine Kontrolle, Unterdrückung und Akzeptanz von Meinungen und Ideen zu sorgen, was eher dem klassischen Management entspricht, sondern stärker den Möglichkeitsraum zu erhöhen und Ideen gemeinsam zu erdenken in menschlichen Netzwerken und mit Netzwerksfunktion. Und das entspricht eher dem Unternehmertum. Und das zeichnet auch die Ordnungsbildung in vielen Systemen aus. Schauen wir dazu einmal in die Weltliteratur, so sehen wir noch einmal bei Erich Jantsch, eine Analogie nicht zum Gleichgewicht, sondern dissipativer Strukturen: So schreibt er im Buch: Die natürliche Dynamik dissipativer Strukturen, lehrt uns mithin auf ganz natürliche Weise jenes optimistische Prinzip, an dem wir im komplexeren menschlichen Betrieb immer wieder verzweifeln: Je mehr Freiheit in Selbstorganisation, desto mehr Ordnung!
Umfragen und Studien
Und Umfragen und Studien bringen erstaunlicherweise das gleiche Ergebnis. Nämlich, dass selbst organisierende Netzwerke das favorisierte Zukunftsarbeitsmodell eine neuen Architektur der Arbeitsteilung von Menschen sind. Die meisten Führungskräfte sind sich sicher und Peter Kruses Studien der Zukunft Arbeit bestätigten dies auch, dass die Organisation in Netzwerkstrukturen passend geeignet ist, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt schneller, qualitativ hochwertiger und verlustfreier zu bewältigen. Und das heißt dann auch das Zulassen von Musterbeobachtung und Mustererkennung. Dafür Menschen entweder einzustellen, die diese Kompetenz in Unternehmen einspeisen, oder hinsichtlich Beratung zu den neuen Managementsystemen in Form von Netzwerkprozesskultur einzuholen, weil die Führungskräfte dafür selbst keine oder kaum noch Zeit haben. Und sowohl die Thesen der Chaostheorie, Regulations- und Steuerungstheorie, Netzwerktheorie, Netzwerkforschung und der Netzwerkpraxis bieten hierzu als Meta-Framework einen geeigneten Verständnisrahmen zur Beschreibung des Verhaltens dynamisch – komplexer Systeme. Und zwar in Richtung musterbildende Netzwerkbildungsprozesse über Maschinen, soziale Gehirne hinaus. Und zwar auf den Fokus: Organismus, Muster und Netzwerksysteme. Und einer stärkeren Musterübereinstimmung der Netzwerkprozessorganisation, also der Netzwerkprozessmusterorganisation wie ich das nenne.
Es gilt somit zukünftig immer stärker passiven auftauchenden Mustern eine aktive Form und Gestalt zu geben und darauf kohärent und konsistent zu antworten. Als Aufgabe unserer Zeit und als Antwort auf die Zukunft in ein neues Äon der Architektur der Arbeit.
Ausblick in übergeordnete Netzwerksysteme und zur musterhaften Verbindung von NI und KI zu einem organischen Gesamtgewebe
Unsere menschliche Entwicklung ist sowohl mit den natürlichen sozialen Kräften der Wissensarbeiter mit echter, natürlicher Intelligenz (NI) wie auch der Technik und Maschinen mit künstlicher (KI) schicksalshaft verbunden. Beispielsweise verlangen immer komplexer werdende soziale natürliche Systeme (Koalitionen, Kooperationen und Kommunikationen) als auch technische Systeme (Cloud, Grid, Virtualisierung) komplexe Netzwerkprozessstrukturen und somit auch zuverlässige Regelungs- und Steuerungsmechanismen. Stephen Hawking war es einst, der Intelligenz definierte als die Fähigkeit, sich an Unvorhergesehenes und nie Vorgekommenes anzupassen. Und hier können wir tatsächlich von A bis Z, als Grundmuster von Atommolekülen bis Zellverbänden tatsächlich Netzwerkprozesse für organisierte Musterbildung nennen. Und das wird in Zukunft umso besser funktionieren, wenn wir die Anordnungsbeziehungen auch systematisch evolutionär und emergent meistern. Und die Leistungsfähigkeit in Beziehungsstrukturen stärker entsprechend zu würdigen. Und diese auch strategisch-operativ mit Menschen gemeinsam umzusetzen. Also Menschen mit Menschen qualitativ besser zu vernetzen, und die Rahmen indem echte Beziehungen auch passend entstehen können. Schritt für Schritt und nicht Ad Hoc.
Und am Ende des Beitrags, möchte ich mich in den Hintergrund zurückziehen, wohin jeder Autor gehört, der nicht gerade eine Biografie schreibt. Und sie mit einem Genie, wie es einst Peter Drucker, der Managementvordenker war, Sie in Ihr Büro oder Ihr Zuhause geistig zu entlassen. So schrieb Peter Drucker 1999 als kleine Mahnung an uns, in seinem Werk Management für das 21. Jahrhundert, dass niemand den Wandel managen kann. Wir können ihm nur einen Schritt voraus sein. Wörtlich: In einer Phase rasanten Strukturwandels werden einzig und allein die Vorreiter des Wandels überleben. Das zukünftige Wachstum, ja sogar das Überleben der entwickelten Volkswirtschaften hängt von der Produktivität der Wissensarbeiter ab. Die Nationen und Industrien, die die letzten einhundert Jahre die Führung übernommen haben, waren diejenigen die die Produktivitätssteigerung der Industriearbeiter führend gemacht haben. USA, Japan und Deutschland. In fünfzig Jahren, wenn nicht schon viel früher, werden diejenigen Länder und Branchen die Führungsrolle übernommen haben, die die Produktivität der Wissensarbeiter besonders systematisch und erfolgreich werden steigern können… Das Selbstmanagement ist hierzu eine Revolution des menschlichen Verhaltens.
Nachweise: Jantsch, Erich in: Selbstorganisation im Universum-vom Urknall zum menschlichen Geist (dtv München 4.Auflage 1988) S. 75
Drucker, Peter F. in: Management für das 21. Jahrhundert (Econ Verlag 1999) S. 222, 268
Drei kleine Anmerkungen :
Die sog. 68er waren Kollektivisten, nicht selten auch antidemokratisch, mit besonderem international(istisch)en Anspruch, sog. Sozialisten, die sich dann unterschieden in u.a. Trotzkisten, Bolschewisten, reformierte Bolschewisten, dann gerne Marxisten-Leninisten genannt, Maoisten, Stalinisten, nonkonforme Sozialisten, moderate Sozialisten et cetera.
In Unternehmen ist die Schichten-Trennung wichtig, auch die Entscheidungsfindung, die ASAP erfolgen darf, Unternehmen sind nicht demokratisch organisiert und die Schwarmintelligenz wird oft nicht genutzt, was sich nicht so gut anhört, allerdings sind alle Angestellten mit eigenen Interessen am Start, sind bevorzugt lösungsorientiert vor dem Hintergrund ihrer eigenen Laufbahn im Unternehmen.
Kommunikation verursacht übrigens recht hohe Kosten.
Das Web ist nach der Erfindung der Sprache, der Schrift und des automatisierten Buchdrucks wohl der vierte mediale Zivilisationssprung.
MFG – WB
Hallo Dr. Webbaer,
danke für Ihr Feedback, auf welches ich gerne kurze eingehe.
zu Ihrem 1. Punkt, ja bei den Protesten waren nicht nur Menschen, die Demokratie forderten dabei, sondern auch “Störer”. Die gibt es heute auch.
2. Schichtentrennung, Differenzierung bliebt weiterhin bestehen, keine Frage, nur andere Oragnisationmsuster.Schwarmintelligenz ist sub-komplex.Es geht hier nicht um Tiere , sondern Menschen.
3 Kommunikation verursacht Kosten. Die Kosten für Kommuniktaion sind monetär relativ gesunken, reosurcenmäßig kosten sie die Energie der Menschen. Natürlich. Keine Frage.
4. Danke für dem Hinweise im Zivilisationssprung, gemeint war natürlich der Kontext des Webs von Beginn Berner Lee 1990 bis heute:)
Danke für Ihr hilfreiches Feedback. Hat mir für eine Reflexion und Vertsändnis, wie es ankommt, geholfen.
Viele Grüße
DB
Vielen Dank für Ihr Re-Feedback und für den Primärtext, Herr Dominic Blitz, ja, die Arbeit ändert sich, AI und das Web zuvörderst genannt, der Schreiber dieser Zeilen war dabei als die netzwerkbasierte Kommunikation in einigen Unternehmen eingeführt worden ist und Prozesse wie Personal anzupassen war, es war interessant.
MFG + weiterhin viel Erfolg!
Dr. Webbaer
Hallo, ja ich danke Ihnen für die ehrliche und konstruktive Resoanz…vG DB