Weltliterarische Illusionen

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Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
Sprachlog

Die „Aktion Lebendiges Deutsch“, bei der vier Obersprachnörgler jeden Monat nach Alternativen für englische Lehnwörter suchen, scheint zu schwächeln. Seit Ende November steht auf der Webseite der Aktion unverändert folgender Aufruf:

Von „Statements“ werden wir umzingelt, Feststellungen also, mehr oder weniger wichtigen Verlautbarungen, zumal von Politikern. Sollte sich dafür nicht ein schlichteres, ein saftiges deutsches Wort finden lassen? Angebote bitte bis 18.12.2009.

Die deutsche Sprache würde es verkraften, wenn die Aktion einschliefe, aber für mich wäre es eine mittlere Katastrophe: Ich konnte die ganzen letzten Jahre immer darauf bauen, dass die Aktion mir einmal im Monat Stoff für mein Blog liefern würde.

Da mir diese Inspiration nun fehlt, musste ich die Webseite der Aktion nach anderen Themenanregungen durchforsten. Und natürlich wurde ich schnell fündig: Hinter der Verknüpfung Weltliteratur verbirgt sich das passende Gegenstück zu den sprachlichen Untergangsphantasien der Sprachnörgler: kultureller Größenwahn. Unter dem Titel „Das Sammelbecken der Weltliteratur?“ wollen uns die Aktioneure weismachen, dass man als kulturell und literarisch interessierter Mensch eigentlich nur eine einzige Sprache kennen muss: Deutsch.

Der argumentative Weg dahin ist etwas verschlungen. Um ihn nachzuvollziehen hilft es, eine möglichst vage Vorstellung von der Geschichte des europäischen Denkens zu pflegen; wenn man schlecht rechnen kann und ein Talent für oberflächliche Selbstzufriedenheit hat, ist das noch besser. Aber wir werden eben unser Bestes tun müssen, um dem Argument auch ohne all das folgen zu können:

1778 publizierte Johann Gottfried Herder die „Stimmen der Völker in Liedern“, von ihm selbst aus vielen Sprachen übersetzt, mit Beiträgen sogar aus Grönland und Peru. Damit hatte Herder die Tradition begründet, die deutsche Sprache zum Sammelbecken der Weltliteratur zu machen.

Herders „Stimmen der Völker in Liedern“ erschien nicht 1778, sondern 1807, herausgegeben von Johann von Müller. Diese Sammlung bediente sich zum Teil aus zwei 1778 und 1779 von Herder anonym unter dem Titel „Volkslieder“ veröffentlichten Bänden. Das ist vielleicht nebensächlich, aber wer Herder zum Begründer einer Tradition machen will, sollte auch in Detailfragen ordentlich argumentieren.

Herder begründete mit seinen Sammlungen, in denen auch deutsche Texte enthalten waren, aber auch gar keine weltliterarische Übersetzungstradition. Ihm ging es, wie der Titel seiner Werke andeutet, um Volkslieder, in denen er den jeweiligen Volkscharakter zu erkennen hoffte.

Das soll seine übersetzerische Leistung natürlich nicht schmälern, und die „Volkslieder“ sind allein schon deshalb interessant, weil sie eine Reihe von Shakespeare-Übersetzungen enthalten, die unabhängig von der bis heute dominanten Schlegelschen Übersetzung entstanden sind.

 Zu dieser kommen die Auktioneure dann übrigens im nächsten Absatz:

1797 begann August Wilhelm Schlegel mit der Verdeutschung aller Dramen Shakespeares – „eine der besten Übersetzungen in irgendeine Sprache, die es je gegeben hat“, schreibt die Encyclopaedia Britannica. Sogar für die Engländer war sie ein Anstoß, den lange vernachlässigten Dichter wieder auf den Thron zu heben.

Das ist natürlich Blödsinn. Um Shakespeare in England auf den Dichterthron zu heben, bedurfte es keiner deutschen Übersetzung. Es ist zwar richtig, dass die Engländer eine Weile brauchten, um Shakespeare als Symbol ihrer gesamten literarischen Tradition zu entdecken, aber als Schlegel mit seiner Übersetzung begann, war das längst geschehen. Zitieren wir doch die Encyclopaedica Britannica selbst:

In 1769 the famous actor David Garrick had instituted a Shakespeare Jubilee at Stratford-upon-Avon to celebrate Shakespeare’s birthday. Shakespeare had become England’s national poet. [Encyclopaedia Britannica, sv. Shakespeare]
Im Jahre 1769 hatte der berühmte Schauspieler David Garrick in Stratford-upon-Avon ein Shakespeare-Fest ins Leben gerufen um Shakespeares Geburtstag zu feiern, Shakespeare war zu Englands Nationaldichter geworden.

Was die Einschätzung der Encyclopedia Britannica bezüglich der Qualität der Schlegelschen Übersetzungen betrifft, so konnte ich das Zitat der Aktioneure nicht finden (was nicht heißen muss, dass es nicht existiert). Im Eintrag über Shakespeare findet sich kein Wort über die Qualität von Schlegels Übersetzungen, im Eintrag über Schlegel selbst findet sich dieser Satz, der aber eine deutlich andere Bedeutung hat:

Schlegel’s translations of Shakespeare became the standard German translation of that author and are among the finest of all German literary translations. [Encyclopaedia Britannica, sv. Schlegel]
Schlegels Shakespeare-Übersetzungen wurden zu den maßgeblichen [bzw. marktgängigen] deutschen Übersetzungen dieses Autors und zählen zu den besten literarischen Übersetzungen ins Deutsche.

Dann wenden sich die Aktioneure dem jüngeren Schlegel zu:

1808 veröffentlichte Friedrich Schlegel (August Wilhelms jüngerer Bruder) sein Standardwerk „Über die Sprache und Weisheit der Indier“, mit dem er dem Abendland das altindische Sanskrit zugänglich machte.

Auch Friedrich Schlegels Leistung will ich nicht schmälern, aber dass er gleich dem ganzen Abendland „das altindische Sanskrit zugänglich machte“, das ist dann doch ein wenig übertrieben. Die Engländer, beispielsweise, dürften sich zu diesem Zwecke eher an Charles Wilkins’ „Grammar of the Sanskrita Language“ von 1808 gehalten haben, die Franzosen möglicherweise an Antoine de Chézys „Cours de langue et de littérature Sanskrite“ von 1815. Aufmerksam wurde das „Abendland“ auf das Sanskrit durch William Jones’ Essay „The Sanscrit Language“ von 1786, in dem er dessen Verwandtschaft zum Griechischen und Lateinischen bewies.

Dann geht es weiter mit Friedrich Rückert, bei dem man genaue Quellenangaben lieber gleich ganz weglässt:

1818 begann Friedrich Rückert mit einer kaum überschaubaren Fülle von Übersetzungen und Nachdichtungen persischer und arabischer Gedichte, Sagen und Märchen.

Das mag stimmen oder auch nicht. Wenn vier selbsternannte Sprachschützer schon die Überschau verlieren, erspare ich es mir, genauer nachzusehen.

Aber wozu genau erzählen uns die vier alten Herren von der Aktion Lebendiges Deutsch das alles, und warum suggerieren sie, dass das Übersetzen von grönländischen, indischen und arabischen Volksliedern und Sagen etwas typisch deutsches sei?

Nun, darum:

Die Lust am Übersetzen ist den Deutschen treu geblieben: Nach der Statistik der Unesco wird in keine andere Sprache so viel übersetzt wie in die deutsche – mehr als ins Spanische und Französische, mehr als doppelt so viel wie ins Englische. So lässt sich nüchtern feststellen: Wer das Universum der Bücher aller Völker in einer einzigen Sprache durchstreifen will, der kommt dabei mit Deutsch am weitesten.

Gut, dann sehen wir uns diese Behauptung doch einmal genauer an.

Bei der Unesco-Statistik, die hier zitiert wird, dürfte es sich um die Datenbank Index Translationum handeln. In dieser Datenbank werden jedes Jahr die Übersetzungen aus ca. 100 Ländern gesammelt, so, wie sie von den jeweiligen Nationalbibliotheken gemeldet werden. Wie vollständig die Datenbank ist, lässt sich bei einer so großen Vielzahl an Quellen nur schwer überprüfen.

Aber nehmen wir an, die Datenbank sei Repräsentativ. Dann sehen die Top Ten der übersetzungsfreudigsten Sprachgemeinschaften* tatsächlich so aus (jeweils mit der Gesamtzahl der in die betreffende Sprache übersetzten Werke).

  1. Deutsch (271085)
  2. Spanisch (207825)
  3. Französisch (203633)
  4. Japanisch (124542)
  5. Englisch (116646)
  6. Niederländisch (113964)
  7. Portugiesisch (71287)
  8. Polnisch (64138)
  9. Russisch (63009)
  10. Dänisch (59008)

Hier sind aber nicht nur literarische Werke erfasst, sondern alle übersetzten Texte. Nehmen wir nur literarische Texte, so verschieben sich die Zahlen für die Top 5 wie folgt:

  1. Deutsch (147185)
  2. Französisch (104781)
  3. Spanisch (93021)
  4. Japanisch (48969)
  5. Englisch (27609)

Das wirkt zunächst wie eine Bekräftigung der These vom Deutschen als Sammelbecken der Weltliteratur: Das Deutsche hat nun 1,5 Mal soviele Übersetzungen vorzuweisen, wie das zweitplatzierte Französische. Im Vergleich zum Englischen sind es nun sogar fünfmal mehr.

Das Bild relativiert sich allerdings, wenn man nachschaut, aus welchen Sprachen denn da übersetzt wird. Hier sind die Top 10 der Ursprungssprachen deutscher Übersetzungen:

  1. Englisch (95247)
  2. Französisch (15074)
  3. Russisch (4988)
  4. Italienisch (4319)
  5. Spanisch (3471)
  6. Schwedisch (3462)
  7. Niederländisch (2949)
  8. Dänisch (1453)
  9. Norwegisch (1412)
  10. Polnisch (1386)

Von den knapp 150000 übersetzten Werken stammen also zwei Drittel aus dem englischen Sprachraum! Wenn es um Masse geht, scheint es doch sinnvoller, diese gleich im englischen Original zu lesen.

Insgesamt decken die zehn häufigsten Ursprungssprachen 91 Prozent aller Übersetzungen ins Deutsche ab, die übrigen zehn Prozent sind auf weitere 213 Sprachen verteilt. Aber die Vielfalt einer Übersetzungslandschaft ist hier entscheidender als die reine Masse: Wenn man „das Universum der Bücher aller Völker in einer einzigen Sprache durchstreifen will“, dann sollte das nicht eine Sprache sein, in der es möglichst viele Übersetzungen gibt, sondern eine, in der es Übersetzungen aus möglichst vielen verschiedenen Sprachen gibt.

Und bei der Vielfalt schneidet das Englische deutlich besser ab als das Deutsche: Die zehn häufigsten Ursprungssprachen (Französisch, Deutsch, Russisch, Spanisch, Italienisch, Japanisch, Dänisch, Chinesisch, Niederländisch) machen hier nur zwei Drittel der Übersetzungen aus, das übrige Drittel ist auf 308 Sprachen verteilt, also auf fast hundert mehr als beim Deutschen. Außerdem fällt auf, dass die Top Ten der Übersetzungen ins Deutsche ausschließlich aus europäischen Nachbarländern bestehen, während die Top Ten der ins Englischen übersetzten Sprachen mit Japan und China einen deutlich größeren Teil des Globus umspannen.

Wer einen Streifzug durch die Weltliteratur unternehmen will, sollte natürlich ohnehin mehr als eine Sprache lesen können. Aber wenn es nur eine einzige sein soll, dann — ach, rechnen Sie es sich selbst aus.

 

Korrekturen

* Hier stand ursprünglich fälschlicherweise „Länder“, danke an Jan Wohlgemuth für den Hinweis.

 

AKTION LEBENDIGES DEUTSCH (2005) Das Sammelbecken der Weltliteratur? [Link]

ANONYM (Johann Gottfried Herder) (1778) Volkslieder. Bd. 1. Weygandsche Buchhandlung. [Google Books Vollzugriff]

ANONYM (Johann Gottfried Herder) (1779) Volkslieder. Bd. 2. Weygandsche Buchhandlung. [Google Books Vollzugriff]

DE CHÉZY, Antoine L. (1815) Cours de langue et de littérature Sanskrite. Paris: Eberhart. [Google Books Vollansicht]

ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA ONLINE (2010) August Wilhelm von Schlegel. Stand vom 5. März 2010 [Link]

ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA ONLINE (2010) Willam Shakespeare. Stand vom 5. März 2010 [Link]

MÜLLER, Johann von (Hg., 1807) Stimmen der Voelker in Liedern. Gesammelt, geordnet, zum Theil ueberesetzt von Johann Gottfried von Herder. Tübingen: Cotta’sche Buchhandlung [Google Books Vollzugriff]

UNESCO (1932–) Index Translationum. [Link]

WILKINS, Charles (1808) Grammar of the Sanskrita Language. London: Bulmer. [Google Books Vollzugriff]

© 2010 Anatol Stefanowitsch

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

18 Kommentare

  1. > Top Ten der übersetzungsfreudigsten Länder

    Da sind aber *Sprachen* genannt. Da vorher von NAtionalbibliotheken die Rede war, gehe ich mal davon aus, dass es auch um Länder gehen soll.

  2. Länder

    @Jan Wohlgemuth: Nein, es sind Sprachen, bzw. Sprachgemeinschaften gemeint, ich habe das korrigiert. Die Statistik führt keine Länder auf.

  3. Was mich an der Aktion Lebendiges Deutsch schon seinerzeit (als die etwa forderten, den garstigen englischen Begriff “Airbag” durch den wesentlich hübscheren deutschen “Prallsack” zu ersetzen, oder etwa zur Suche nach deutschen Alternativen für die Begriffe “online/offline” aufriefen) befremdete, war, dass einer der Aktivisten dort Wolf Schneider ist, nämlich eine der renommiertesten und kompetentesten Instanzen für “gutes Deutsch” und Sprachkultur überhaupt. Sein Standardwerk “Deutsch für Profis” sollte eigentlich für jedermann, der schreibt und veröffentlicht, als Richtlinie dienen. Ein Mann also, dessen Wirken ich über die Maßen schätze. Umso unverständlicher, warum sich der als einer der Exponenten dieser obskuren Aktion für solcherlei Faxen engagiert.

  4. Fremdsprachenkenntnisse

    Wenn alles Mögliche ins Deutsche übersetzt wird, sollte man doch nicht damit angeben; heißt es doch auch, dass unsere Fremdsprachenkenntnisse so schlecht sind, dass wir sogar eine Übersetzung für die Bedienungsanleitung des Klopapiers brauchen.

  5. Ich bezweifle, dass man von der Anzahl der Übersetzungen überhaupt auf die Anzahl des in der Sprache verfügbaren Wissens schliessen kann. Dazu mal eine simple, naive Beispielrechnung:

    Es gibt 1000 Publikationen in nativ deutscher Sprache und 2000 in englischer Sprache. Von den Deutschen werden 500 ins englische übersetzt, macht 2500 Publikationen in englischer Sprache. Von den englischen werden 1000 ins Deutsche übersetzt, macht 2000 deutschsprachige Publikationen. Obwohl die Anzahl der ins Deutsche übersetzten englischen Schriften doppelt so hoch ist, wie die der ins englische übersetzten deutschen Schriften, gibt es 500 Publikationen in englischer Sprache mehr als es Publikationen in Deutscher Sprache gibt, das heisst, wenn ich alle englischsprachige Literatur lese, weiß ich immer noch mehr, als wenn ich mich auf die deutschsprachige beschränkte.

  6. Tja ja. Wir Deutsche übersetzen also besonders viel, möglicherweise, weil wir zu faul und zu dumm sind andere Sprachen und Kulturen zu lernen. Vielleicht aber auch, weil wir im Gegenteil, das Fremde kennen lernen wollen – natürlich durch das Spiegelkabinett deutscher Übersetzerköpfe. Eine qualitative Einordnung scheint mir aus den gegebenen Daten schwer möglich. Obwohl … Wenn wir einen so hohen Bedarf an Büchern aus anderen Sprachen haben, zeigt das doch auch, dass unsere eigene Sprache nicht genug Intelligentes hervorbringt?

    Was Rückert und seinen Übersetzungen aus dem Arabischen und Persischen angeht, die Briten hatten ja u.a. Richard Burton, die Franzosen Antoine Galland. Wer ein wenig über die Übersetzungspraxis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lernen möchte, der sehe in Gustav Weils Vorwort zur Neuauflage seiner Übersetzung der Erzählungen aus 1001 Nacht: ‘Ein damals viel gefeierter Schriftsteller wurde als Herausgeber gewonnen … und meiner sich dem Urtexte gewissenhaft anschließende Übersetzung eine gefällige Form zu geben. Schon dieser Umstand musste … nachteilig sein.’

  7. Quantität und Qualität

    Wenn man die Weltliteratur nur durch Übersetzungen kennen lernen will, muss sich außerdem noch fragen, wie GUT die Übersetzungen in die jeweilige Sprahce sind. Ich habe den subjektiven Eindruck, dass sich Übersetzer in englisch-sprechenden Ländern sehr viel mehr Mühe geben als ihre deutsch-sprechenden Kollegen.

    Ich konnte z.B. mit Isabel Allendes Büchern in der deutschen Übersetzung immer recht wenig anfangen (und die kommen mir noch nicht einmal extrem schlecht vor), in die englischen Übersetzungen kann ich mihc viel besser vertiefen (wer kann, sollte die Bücher aber im spanischen Original lesen).

  8. Wissen und Literatur

    @Patrick, aber es geht ja nicht um bloßes Wissen, sondern um Literatur und Poesie. Ich kann mir vorstellen, daß die USA mehr Romane produzieren als jedes andere Land, aber wenn ich nur die lese, kriege ich keinen Überblick über die Weltliteratur (davon abgesehen, dass die meisten amerikanischen Romane auf den Müll gehören).

    Da lese ich doch lieber viele schöne deutsche Übersetzungen. Und da wir Deutschen mehr kulturelles Gespür haben als die Amerikaner, bekomme ich dabei auch noch eine Auswahl wirklich wertvoller Bücher zu lesen.

  9. @A.S.:
    Falls Sie wieder mal eine Themenanregung brauchen, hat der VDS etwas anzubieten: “Die Anglomanie und die Sprachwissenschaft”.

    Unbedingt! Meine Lieblingsbehauptung aus dem Artikel ist: “Was die (zumindest schriftliche) Sprachenvielfalt beeinträchtigt, ist die Begrenztheit der Tastatur des Computers. Auf ihr ist weder ausreichend Platz, um die vielleicht einhundert (oder mehr) unterschiedlichen Schrift- und diakritischen Zeichen der größeren (Alphabet-)Sprachen zu berücksichtigen, noch werden für kleinere Sprachen überhaupt die erforderlichen Zeichen vorgesehen. All das begünstigt die verbreitetste Sprache und deren Zeichenvorrat, das Englische.” Denn das ist schlichtweg falsch. Ich weiß nicht, wie klein die Sprachen sein müssen, aber sogar das Färöische hat ein eigenes Tastaturlayout und ist mit etwa 60.000 Muttersprachlern sicher als relativ kleine Sprache zu bezeichnen. Davon abgesehen sind aber natürlich auch noch ganz viele andere interessante (und nicht weniger dämliche) Behauptungen in dem Artikel zu finden.

  10. Eigentlich geht es ja jetzt gar nicht um den verlinkten Artikel, aber was da aus der Morphologie berichtet wird ist ja wirklich hanebüchen, fällt mir gerade auf. Graus.

  11. Umwege

    Ich hätte da noch etwas gegen die Argumentation der ALD anzufügen. Gerade im 18. und 19. Jahrhundert wurden “Übersetzungen” aus außereuropäischen Sprachen oft nicht aus dem Original angefertigt, sondern aus lateinischen, französischen oder englischen Übersetzungen! Immerhin war man manchmal so ehrlich, dann nicht mehr von “Übersetzungen”, sondern von “Nachdichtungen” zu sprechen. Ausgerechnet Rückert hat man angeführt. Der ist da das beste Beispiel. Rückert war als Professor für asiatische Sprachen für alles zuständig, was zwischen der Türkei und Japan liegt. Dass er dabei die wenigsten Sprachen in diesem Raum wirklich beherrschte, kann man sich denken – mit einer solchen Spanne wäre einfach jeder überfordert. Deshalb hat Rückert dann auch lieber nachgedichtet und als Quelle Übersetzungen aus den oben genannten europäischen Sprachen zugrunde gelegt.

    Mich wundert übrigens, dass Goethe nicht genannt wird. Der Dichterfürst hat’s sicherlich nur von Herder übernommen, sich aber auch häufig darüber ausgelassen, dass das Deutsche ja so unglaublich gut geeignet sei, fremde Sprachen und fremde Denkweisen nachzuempfinden. Er hat also nicht nur mit Quantität, sondern auch mit vorgeblicher (deutscher Sprach-)Qualität argumentiert.

  12. @ke Muß ich mal lesen, gerade geht’s aber nicht. Dummerweise bezeugt schon die Behauptung, die “Deutsche Sprachwelt” sei die Zeitschrift des “Vereins Deutsche Sprache” mal wieder einen ärgerlichen Mangel an grundlegender Recherche.

  13. Ist der Titel des Artikels, also Mir laust der Affe, eine bewusste Anspielung auf die Behauptung, der Dativ würde verschwinden? Die Redewendung heißt doch Mich laust der Affe, oder nicht?