Von Bussen und Menschen

BLOG: Sprachlog

Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
Sprachlog

Es gibt einen uralten Witz, in dem Klein Fritzchen aufgeregt nach Hause kommt: „Mutti, Mutti, ich habe eine Mark [ja, so alt ist der Witz] gespart!“ Die Mutter fragt erstaunt, wie er das gemacht habe. „Ich bin von der Schule bis hier her dem Bus hinterher gelaufen“, sagt Fritzchen. „Schade“, antwortet die Mutter, „dass du nicht stattdessen einem Taxi hinterhergelaufen bist: Da hättest du zehn Mark sparen können.“

Spinnen wir den Witz aus der Sicht des hypothetischen Busfahrers weiter. Der kommt in die Zentrale und murrt: „Mist, wir haben gerade eine Mark Verlust gemacht.“ „Wie das?“ fragen die Kolleg/innen. „Dieser gemeine Fritz ist Schuld,“ sagt der Busfahrer. „Er ist neben dem halbleeren Bus hergelaufen, statt einzusteigen.“ „Nur gut, dass Fritz alleine war“, merkt eine Kollegin an. „Stell dir vor, der hätte zehn Freunde dabei gehabt, dann hätten wir zehn Mark Verlust gemacht.“

Was diese Gespräche über das Sparen und den Verlust gemeinsam haben, und worauf der (zugegeben ermüdete) Witz beruht, ist natürlich, dass die Summen, mit denen hier hantiert wird, völlig fiktiv sind. Fritz hatte ja nie vor, den Bus zu nehmen, und deshalb hat er weder gespart, noch irgendjemandem einen Verlust beschert.

Bis hierher versteht das wohl auch noch jeder. Aber jetzt wird es schwieriger: Selbst, wenn Fritz eingestiegen und mitgefahren wäre, ohne dafür zu bezahlen, hätte er nichts gespart, und die Busgesellschaft hätte keinen Verlust gemacht. Denn der Bus fährt mit oder ohne Fritz, und die Kosten hängen nicht davon ab, ob Fritz mitfährt oder nicht. (Tatsächlich stimmt das nicht ganz, da der Bus natürlich umso mehr Benzin verbraucht, je mehr Leute darin sitzen – was einmal mehr zeigt, das keine Analogie perfekt ist. Denn dass das hier eine Analogie wird, ahnen Sie spätestens an diesem Punkt, oder?)

Das heißt natürlich nicht, dass keine Kosten entstehen. Die Busfirma muss Busse kaufen und regelmäßig warten und betanken, Personal bezahlen, Fahrpläne drucken, usw. Wenn niemand mehr Bus führe, oder niemand mehr dafür zahlte, wäre das ein Problem. Was kann man da tun? Nun, man kann stichprobenartig Jagd auf Schwarzfahrer/innen machen. Das verursacht zusätzliche Kosten – es müssen Kontrolleur/innen und Anwält/innen bezahlt werden. Diese Kosten müssen erst einmal wieder hereingeholt werden. Besonders wirksam ist die Jagd nicht, also erhöht man die Zahl der Stichproben, und die Kosten steigen weiter. Oder man zwingt die Fahrgäste, vorne einzusteigen und lässt die Busfahrer/innen die Fahrausweise kontrollieren. Das macht das Einsteigen quälend langsam und das Busfahren weniger komfortabel, sodass die Kundschaft wegbleibt. Oder man erhöht die Strafen für diejenigen, die erwischt werden, drastisch, um auf diese Weise die Abschreckungswirkung zu erhöhen. Das Problem: Diejenigen, die sich den Fahrpreis für einen Bus nicht leisten können oder wollen, werden sich davon nicht abschrecken lassen, aber diejenigen, die immer einen Fahrschein lösen, sehen sich unter einen befremdlichen Generalverdacht gestellt.

Die Befremdlichkeit wird dadurch verstärkt, dass die Schwere der Schuld (die, da kein echter Schaden entsteht, sehr gering ist) und die Schwere der Strafe in keinem Verhältnis zueinander stehen. Am Ende hat die Busgesellschaft nichts erreicht, außer einem Imageschaden – und natürlich halbleeren Bussen.

Das Beispiel (das ja keineswegs unrealistisch ist, denn genau so verhalten sich Verkehrsbetriebe oft) zeigt, dass selbst beim Busfahren die Metapher des Kaufens und Verkaufens von Eigentum nicht richtig funktioniert. Wenn ich im Supermarkt einen Apfel mitnehme, ohne zu bezahlen, kann der Apfel nicht mehr verkauft werden. Das ist ein Schaden für den Supermarkt, der den Apfel seinerseits bezahlt hat. Wenn ich mich aber auf einen leeren Platz im Bus setze ohne zu bezahlen, würde das nur dann einen finanziellen Verlust bedeuten, wenn ich damit jemandem den Platz wegnehme, der dafür bezahlt hätte.

Während Supermärkte also darauf achten müssen, dass ihnen niemand ihre Äpfel stiehlt (und während sie, wie es die wirtschaftliche Vernunft gebietet, einkalkulieren, dass es trotzdem passieren kann), sollte das Busunternehmen sich darauf konzentrieren, zahlende Fahrgäste anzulocken.

Wer immaterielle Güter verkauft, hat es noch besser als die Busgesellschaft: Ihm entsteht – wie die „Netzgemeinde“ nicht müde wird, zu betonen – durch das Kopieren und Weitergeben ohne Bezahlung zunächst gar kein wirtschaftlicher Schaden. Das „Original“ ist immer noch vorhanden (es wird also niemandem ein Apfel gestohlen) und es können weiterhin beliebig viele Kopien gegen Bezahlung angeboten werden (es wird also niemandem der Platz weggenommen).

Auch hier gibt es natürlich Kosten: Die immateriellen Güter müssen ja hergestellt werden, und dafür müssen — je nach Art des Gutes — Künstler/innen, Techniker/innen, Lektor/innen usw. bezahlt werden. Aber diese Kosten werden nicht dadurch größer, dass jemand sich das Gut verschafft, ohne dafür zu bezahlen. Auf dieser Einsicht beruht der folgende Filesharer-Scherz: „Wenn ich einen Song scheiße finde, lade ich mir den extra mehrmals runter, um der Band eins auszuwischen.“

Bei der Verteilung von Immaterialgütern entsteht nur dann ein finanzieller Schaden, wenn sich jemand ein Album, den Film, das Buch usw. kostenlos herunterläd, für den er/sie eigentlich bezahlt hätte. Wenn jemand nicht bezahlen will, gewinnt der Anbieter der Inhalte nichts durch eine rabiate Verfolgung und Bestrafung. Bestenfalls bleiben die Bestraften in Zukunft weg — der Anbieter verdient auf diese Weise nicht mehr, als er verdient hätte, wenn die Bestraften sich weiterhin bedient hätten, ohne zu bezahlen. Schlimmstenfalls werden diejenigen abgeschreckt, die eigentlich bezahlen wollten.

An der Stelle kommt häufig der Einwand, dass es aber nicht einzusehen sei, dass jemand etwas kostenlos bekommt, für das andere bezahlen müssten. Aber mit diesem Argument verlassen wir den rationalen Boden der Wirtschaftlichkeitsdiskussion und begeben uns in eine ausschließlich neidgesteuerte Ethikdebatte. Wer das will, soll es offen zugeben und versuchen, sich damit Freunde zu machen. Mich verliert er an diesem Punkt: Wenn ich etwas haben will, ist es mir einen Preis wert, der von der Stärke meines Habenwollens abhängt, und nicht davon, ob und was andere dafür zahlen.

Und jeder Kreative oder Kreativenverkäufer, der bei diesem Habenwollen ansetzt, hat in mir (und, so vermute ich angesichts der stetig steigenden Umsätze beim Verkauf immaterieller Güter, auch in vielen anderen Menschen) einen treuen, zahlungswilligen Kunden. Und bevor aus Kreativität eine Industrie wurde, wussten dass die Kreativen auch.

 

Full Disclosure: Ich mir fast nie (bewusst) auf nach geltendem Recht illegale Weise immaterielle Güter beschafft oder sie weitergegeben. Es gab eine Ausnahme: Für ein Geschenk brauchte ich mal die Lieder „Lights out“ von Peter Wolff und „Let’s Do Holidays“ von Robert Linn. Die waren aber ums verrecken käuflich nicht zu erwerben, also habe ich sie aus Youtube-Filmen extrahiert. Falls jemand Peter Wolff oder Robert Linn kennt — sie sollen mir einen vernünftigen Preis nennen; außerdem lade ich beide gerne auf ein Bier ein.

Copyrighthinweis: Ich kann unmöglich nachvollziehen, woher ich die Ideen in diesem Text im einzelnen habe; tatsächlich scheinen sie mir gesunder Menschenverstand und damit Allgemeingut zu sein. Ich stelle den Text deshalb unter die CC0-Lizenz.

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

59 Kommentare

  1. Das ist nicht alles

    Sowohl der öffentliche Nahverkehr als auch die Kulturindustrie werden mit vielen Mrd. Euro subventioniert, also hat jeder “Schwarzfahrer” und jeder “Dieb geistigen Eigentums” mindestens einen Teil des Diebesgutes sowieso bezahlt.

    P.S.
    Ich dachte immer, das Extrahieren aus Youtube Videos für den privaten Gebrauch sei legal,dafür habe ich schließlich beim Kauf von Festplatte und MP3 Player bezahlt.

  2. Ich glaube, dass du den Unterschied zwischen dem Busunternehmen und dem Supermarkt ein bisschen übertreibst. Wahrscheinlich wirft jeder Supermarkt jeden Tag Dutzende Äpfel weg, die schlecht geworden sind, weil sie niemand gekauft hat. Im Gegensatz zum Busbeispiel, wo ja immerhin der erhöhte Verbrauch wirklich Geld kostet, wäre dann eher der Apfeldiebstahl wirklich völlig ohne konkreten Schaden ausgekommen, was ihn natürlich nicht richtig macht.
    Davon ab hast du Recht, und vielleicht illustriert dieser kleine Einwand von mir auch meine Einschätzung, dass wohl so ziemlich jedes Unternehmen einen Fehler macht, wenn es vor lauter Abwehrmaßnahmen gegen ein halbes Prozent krimineller Schädiger vergisst, sich vernünftig um seine zahlenden Kunden zu kümmern.

  3. “Das Problem: Diejenigen, die sich den Fahrpreis für einen Bus nicht leisten können oder wollen, werden sich davon nicht abschrecken lassen”

    Und genau hier ist die argumentative Schwachstelle. Natürlich schrecken Kontrollen ab. In der BVG bin ich mindestens einmal monatlich kontrolliert worden. Da war die Monatskarte billiger, deswegen habe ich eine gekauft. Hätte es keine Kontrollen gegeben, warum hätte ich eine Monatskarte kaufen sollen?

    Und genauso ist es im Internet. Ihre Argumentation läuft darauf hinaus, dass nicht mehr die Künstler bzw. die Verwerter, sondern die Konsumenten den Preis bestimmen können. Bezahlt wird nach Gutdünken. Die Künstler, die ich kenne, finden diese Vorstellung nicht schön. Vor allem nicht jene, die von ihrer Arbeit leben möchten.

  4. Ein Punkt fehlt allerdings:

    Es ist ja sehr wohl so, dass ein Teil der Leute, die z.B. Musik kostenlos herunterladen, dadurch vermeiden, es zu kaufen. Infofern entsteht de facto ein Schaden. Es weiß halt nur keiner wie groß der wirklich ist und wie viele Leute umgekehrt nach Downloads Musik kaufen die sie sonst nicht gekauft hätten.

  5. @Bernie

    Ich glaube ja, dass Sie da eine Ausnahme sind. Die allermeisten Fahrgäste dürften für die Busfahrkarte bezahlen, weil sie es für anständig und angemessen halten, den Fahrpreis zu entrichten.

  6. @Bernie

    Im HVV wird nur äußerst sporadisch kontrolliert. Nach deiner Logik dürfte hier also niemand Fahrkarten kaufen.

  7. So

    „‚Stell dir vor, der hätte zehn Freunde dabei gehabt, dann hätten wir zehn Mark Verlust gemacht.‘“
    Na da kann das Busunternehmen aber froh sein, dass eine Gruppenkarte nur zehn Mark kostet, sonst hätten sie elf Mark Verlust gemacht.

    Egal. Das Kontrollieren von Fahrkarten ist meiner Erfahrung nach nun aber Gang und Gäbe in allen ÖPNV-Systemen außer Stadtbussen (weil es vermutlich, wie von Ihnen dargelegt, zu aufwändig wäre), und das wird wohl auch kaum einer grundsätzlich in Frage stellen, zumal Nashs Gleichgewicht solches gebietet. Nun müssen wir den Contentindustrieleuten halt nur noch klarmachen, dass Kontrollieren im Internet ein hoffnungsloses Unterfangen ist.

  8. “Oder man zwingt die Fahrgäste, vorne einzusteigen und lässt die Busfahrer/innen die Fahrausweise kontrollieren. Das macht das Einsteigen quälend langsam und das Busfahren weniger komfortabel, sodass die Kundschaft wegbleibt.”
    Ach, ne. Warum sind die Busse in Braunschweig dann immer noch so voll? Hier wird das genannte Verfahren nämlich seit geraumer Zeit praktiziert. Glauben Sie, die BSVAG ist so dämlich, freiwillig auf zahlende Fahrgäste zu verzichten?

    Nehmen Sie’s mir nicht übel, Herr Stefanowitsch: Sie verstehen viel von Sprache, aber herzlich wenig von Wirtschaft. Schuster, bleib bei deinen Leisten.

  9. @BurkhardHH und Joachim

    Ich habe nicht gesagt, dass “niemand” sich einfach so rechtstreu verhält. Herr Stefanowitsch macht es ja im Urheberbereich und ich mache das auch. Weil ich es für “anständig und angemessen” halte. Aber viele machen das eben nicht – zu viele, meiner Ansicht nach. Über Zahlen und Quoten könnte man jetzt lang diskutieren, aber dass die vielen Copykids die Umsätze der Rechteverwerter schmälern: An dieser Tatsache kommen wir in dieser Diskussion wohl nicht vorbei.

    Im Bus kommt noch dazu, dass Schwarzfahren zwar an vielen Orten langfristig günstiger wäre, die meisten aber schon deshalb bereit sind, diese Mehrkosten zu tragen, um die Peinlichkeit des “Erwischtwerdens” zu vermeiden.

  10. Kontrollen im ÖPNV

    Dass Kontrollen in Bussen oder Maßnahmen wie der Einstieg vorne etc. nicht effektiv sind oder zahlende Kunden abschrecken, halte ich für reine Spekulation und nach dazu ziemlich unsinnig. Mich würde interessieren, wer seine Monatskarte aufkündigt, weil er jetzt nicht mehr die zweite Bustür zum Einsteigen benutzen darf.

    Laut BVG-Webseite (ich nehme mal Deutschlands größten einzelstädtischen Verkehrsverbund als Paradebeispiel) fahren etwa 6% der Fahrgäste schwarz. Die Kontrollmaßnahmen, über die die BVG verfügt, sind Kontrolleure in Uniform und zivil in U-Bahnen und Straßenbahnen sowie das ausschließliche Einsteigen an der Vordertür des Busses.

    In London, wo bei Bussen dieselben Maßnahmen herrschen (wenn auch mit besserer Durchführbarkeit und Effizienz, da der Berliner Busfahrer jedes Ticket einzeln begutachten muss, während der Londoner Busfahren in den meisten Fällen nur auf das entsprechende Geräusch des Oyster-Lesegeräts achten muss), bei U-Bahnen allerdings die Zwischengeschosse aller Station mit Ticketschranken fürs Ein- und Aussteigen versehen sind, gibt es laut TfL deutlich niedrigere Schwarzfahrerzahlen: 2% in U-Bahnen und 2.8% in Bussen. Das liegt sicher nicht daran, dass Londoner i.A. ehrlicher sind als Berliner, sondern an besseren Kontrollmaßnahmen und u.U. auch an höheren Bußgeldern. Seit 19.02.2012 werden £80 (etwa €97) fällig, wobei die Hälfte des Bußgeldes bei fristgerechter Bezahlung erlassen wird. Natürlich kann man sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Bußgeldes stellen, aber dass eine Erhöhung des Bußgeldes überhaupt keinen Abschreckungswert hat, ist Humbug. Die sinkenden Schwarzfahrerzahlen geben ja an, dass die getroffenen Maßnahmen einen Effekt hatten. Außer man geht wie gesagt davon aus, dass alle Londoner mit der Zeit ehrlicher werden, die Berliner aber nicht.

    Quellen: (1) BVG – http://www.bvg.de/…faq/BVG%20Allgemein.html#faq3

    (2) TfL – http://www.tfl.gov.uk/…centre/archive/10025.html

  11. hm

    Prinzipiell stellt ein Verkehrsbetrieb die Busse zur Verfügung um mit dieser Dienstleistung Geld zu verdienen. Jeder der also diese Dienstleistung nutzt aber kein Geld dafür entrichtet verursacht damit erstmal keinen Schaden solange es genügend andere gibt, denen die DL Geld wert ist. Wenn sich aber herumspricht, dass man die DL auch ohne bezahlen straffrei nutzen kann, würde der Verkehrsbetrieb automatisch keine Einnahmen mehr haben und die DL einstellen aus purer Finanznot. Da für die DL Transport aber ein Bedarf besteht, muss man sich in diesem Fall neue finanzierungsmethoden überlegen. Eine wäre z.B., wenn eh jeder die DL nutzt, aber freiwillig den geforderten Betrag nicht entrichtet, wird eine Pauschale von jedem Einwohner der Stadt eingefordert für die bereitstellung der DL. Da nicht jeder Einwohner der Stadt die DL nutzt, kann der Betrag niedriger sein als aktuelle Monats oder jahresabos. Das liesse sich sicher auf einen Betrag reduzieren der für jeden verschmerzbar wäre und viele Leute dazu animieren würde die DL auch mal zwischendurch zu nutzen. Das könnte auch mit Unterhaltungsmedien funktionieren, die GEZ hat 2009 7,6mrd. € eingenommen und ich bin sicher, dass nur 70% aller Haushalte überhaupt GEZ bezahlen. Verteilt werden müsste das Geld nach abruf der von den Küstlern erzeugten Medien. Den grossen Reibach kann man dann immer noch machen und zur teuren Konzertkarte gibts noch die cd dazu…..

  12. You Cannot Steal Code

    Mal vorab eine Entschuldigung fuer die englischen Links.

    “Judge Says; You Cannot Steal Code…”

    “A recent decision in an appeals court could have disastrous effects on Intellectual Property rights holders in the US and possibly around the globe.”

    https://www.decryptedtech.com/index.php?option=com_k2&view=item&id=630:judge-says-you-cannot-steal-code&Itemid=138

    http://www.tomsguide.com/…A-NSPA,news-14785.html

    Hier auch auf Spiegel:

    http://www.spiegel.de/…web/0,1518,827177,00.html

    Wo die ‘Content’-Industrie heute ist, da war Software Entwicklung schon vor Jahren (wobei das ja auch Content ist) und ich denke Richtspruche wie oben verlinkt (der gleiche Fall) wird es immer oefter geben.

    Wie es naemlich auch gehen kann:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Pay_what_you_want

    http://en.wikipedia.org/wiki/Freemium

    Fuer mich ist es nicht mehr eine Frage des Obs sondern nur noch des Wanns in Hinsicht auf die Abschaffung der derzeitigen Bezahlmodelle fuer nicht materielle Ware.

  13. @D. Müller

    Und hier in Tampa steigen sie auch vorne ein und die Busse sind halbleer.

    Merke: Die Mehrzahl von Anekdote ist nicht Daten.

    Fakt ist je staerker der Kunde ‘gegaengelt’ wird und je mehr Alternativen bereitstehen, umso eher wird der Kunde wegbleiben.

    Und was das die Schusterleisten angeht, ich hoffe doch nicht, dass wir Wirtschaft anderen ueberlassen, immerhin ist jeder selbst betroffen. Ausserdem ganz offensichtlich passiert nichts, wenn der Kunde seinen Unmut nicht kundtut.

    Das sieht man z.b. schoen an Computerspielen, die digital vertrieben werden, aber trotzdem das gleiche Kosten.

  14. @D. Müller: Und Sie verstehen nicht einmal von Sprache etwas. Und es hält Sie nicht davon ab, trotzdem darüber zu schreiben. Also wo ist das Problem? Was die Braunschweiger Verkehrs-AG angeht, die waren nicht die ersten, die das „Vorne Einsteigen“ erfunden haben, und sie werden nicht die ersten sein, die es wieder abschaffen. Alle paar Jahre kommt in irgendeinem Verkehrsverbund irgendein Genie auf die Idee der Totalkontrolle und genauso regelmäßig wird das wieder abgeschafft.

    @Bernie

    …aber dass die vielen Copykids die Umsätze der Rechteverwerter schmälern: An dieser Tatsache kommen wir in dieser Diskussion wohl nicht vorbei…

    Doch, genau an dieser „Tatsache“ müssen wir in dieser Diskussion mal vorbei kommen. Genau darum geht es in meinem Beitrag: Die Contentindustrie kann so tun, als ob jemand, der sich umsonst Musik und Filme herunterlädt, die bei Kauf €1000 gekostet hätten, einen Schaden von €1000 verursacht hat, aber das ist eben eine glatte Lüge. Der Schaden beträgt nur soviel, wie der „Täter“ für Filme und Musik ausgegeben hätte, wenn die nicht umsonst zu beschaffen wären. Und das sind im Zweifelsfall €0,00. Und wenn diese ganze Scheindebatte um „Copykids“ nicht wäre, hätte die Contentindustrie vielleicht auch mehr Sympathien auf ihrer Seite, wenn es um die Bekämpfung von kommerziellen Filehostern ginge.

    @impala: Ich habe mich in diesem Satz etwas verkürzt ausgedrückt, aber im Kontext mache ich es doch deutlich: Wenn es Ihnen darum geht, nicht-zahlende Menschen fernzuhalten, kann Kontrolle funktionieren, aber dafür, dass man dadurch nicht-zahlende zu zahlenden Kunden machen kann, fehlt mir der Beleg.

    Nehmen wir an, dass Ihre Zahlen für London und Berlin stimmen und vergleichbar sind: Dann bedeutet das nur, dass in London prozentuell weniger Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, ohne dafür zu bezahlen. Es bedeutet nicht, dass Leute, die sonst nicht zahlen würden, nun zahlen. Genauso gut ist es möglich, dass sie eben keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Es ist nicht leicht, das zu ermitteln, aber immerhin ist es interessant, dass in Berlin ca. 50% der Haushalte kein Auto haben, in London aber nur (je nach Quelle) 37-42%.

    Natürlich kann man nicht-zahlende Nutzer abschrecken: Wenn auf Schwarzfahren oder Schwarzkopieren die Todesstrafe stünde, würde das sicher dazu beitragen, Nicht-Zahler fernzuhalten.

    Aber nicht-zahlende Nutzer fernzuhalten, erhöht bei beliebig oft kopierbarer Güter eben nicht die Gewinne (im Gegenteil, es schmälert sie, da Kontrollmaßnahmen Geld kosten).

  15. Bei uns gilt: Ab 20 Uhr vorne einsteigen. Resultat: Sobald jemand hinten aussteigt, steigt hinten einer ein, in Braunschweig wie hier….

    Aber zum Thema:

    Warum im Internet bezahlen? Wie ich bereits in vorangegangenen Beiträgen schrieb: Wenn ich einen Mehrwert habe.

    So, warum statt GEZ nicht eine Kulturflatrate? Warum statt Fahrscheinen für den ÖPNV nicht eine ÖPNV-Flatrate.

    Ob man es jetzt Steuer, Gebühr oder Abgabe nennt, völlig egal.

    X €, und jeder kann den ÖPNV nutzen. Vorteil: Man braucht keine Kontrolleure mehr.

    X €, und jeder kann aus dem Internet runterladen, was er will. Vorteil: Man braucht keine Kontrolleure mehr. Aber halt: Wie wird das Geld gerecht verteilt? Kein Problem, das funktioniert doch heute bei GEZ und GEMA doch auch oder? Oder nicht? Dann muss man GEZ und GEMA abschaffen……

    Tja, da sollten sich die Rechteverwerter (nicht die Urheberrechteinhaber) mal Gedanken machen, wie sie geklaute Gedanken vermarkten…..

  16. “So, warum statt GEZ nicht eine Kulturflatrate? Warum statt Fahrscheinen für den ÖPNV nicht eine ÖPNV-Flatrate.”

    Die von der GEZ eingezogenen Rundfunkgebühren sind eine Kulturflatrate für einen eingeschränkten Bereich.

    ÖPNV-Flatrates gibt es bereits. Sie heißen z. B. “Monatskarte” oder “Semesterticket”. Natürlich kann man dieses Modell auf die gesamte Gesellschaft übertragen, vorausgesetzt, dass diese es will, was ich für die Gegenwart stark bezweifle. Das gilt übrigens auch für eine (Gesamt-)Kulturflatrate. In zehn Jahren kann das anders aussehen. Mit den Angriffen juristischer Laien auf den Begriff “geistiges Eigentum” hat die Kulturflatrate ohnehin nichts zu tun.

    Randbemerkung: Es sol vorkommen, dass auch Piraten-Sympathisanten bei shitstorms dünnhäutig werden können …

  17. Eintritt frei vs. Eintrittskarten

    Von der Finanzierung des ÖV verstehe ich leider herzlich wenig, wohl aber vom Veranstalten von Konzerten.

    Im Prinzip finde ich es am besten, wenn der Eintritt zu Konzerten frei ist, so kann jeder, der möchte kommen und gibt hinterher eine Kollekte, die ihm angemessen erscheint und die für ihn aufzubringen ist.

    Als freischaffende Musikerin spiele ich relativ viel international und muss leider sagen, dass es bei der Rentabilität der Konzerte mit freiem Eintritt große nationale Unterschiede gibt.

    In der Schweiz funktioniert das beispielsweise sehr gut, dort ist es allerdings auch relativ üblich einen Richtwert anzugeben, wie hoch die Spende nach Möglichkeit ausfallen sollte, viele Leute geben sogar mehr.

    In Deutschland ist es leider eher üblich, dass die Mehrzahl der Leute 2 € gibt und gut ist.
    Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass den Leuten eventuell gar nicht klar ist, welche Ausgaben der Veranstalter für das Konzert hatte (selbst wenn die Musiker vor Kollekte ohne Gage spielen) oder ob sie finden, dass die Leute froh sein können, wenn sie überhaupt was geben.

    Bei CDs sehe ich die Lage ähnlich, wenn man nicht gerade im Pop- oder Klassikmainstream tätig ist, also zur großen Mehrheit der freischaffenden Musiker gehört, verdienen die Musiker an einer CD ohnehin nichts.
    Aber selbst wenn man argumentiert, dass die Musiker im Dienste ihrer künstlerischen Entfaltung doch bitte schön die CDs für mau machen sollen (tun wir ja eh), gilt das dann auch für den Tonmeister? Und für den Betreiber des Studios? Eine CD-Produktion sind immerhin mehrere komplette Arbeitstage für alle Beteiligten.

    Ich bin ebenfalls kein Fan des bestehenden Urheberrechts, vermisse aber in der aktuellen Debatte konkrete Lösungsvorschläge, wie man Labels dazu bringen kann weiterhin das finanzielle Risiko auf sich zu nehmen, CDs zu produzieren.

  18. @A.S.

    “Und das sind im Zweifelsfall €0,00.”

    Vielleicht einigen wir uns darauf, dass den Verwertern weder 1.000 Euro noch 0 Euro entgehen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. In meinem Bekanntenkreis gibt es einige illegale Streamgucker, die sich einen Kauf bei iTunes gut und gerne leisten könnten – und auch würden, wenn es die Streams nicht gäbe. Die Gelegenheit macht da die Schwarzseher. Übrigens wurden noch nie so viele Medien konsumiert wie heute – und noch nie wurde so wenig Geld dafür ausgegeben. Ich finde das bedenklich.

    Ich finde es übrigens ausgesprochen schade, dass sich in dieser Debatte immer mehr kluge Leute in immer tiefere Schützengräben eingebuddeln und je nach Neigung von “Contentmafia”, “Scheindebatte” oder “Raubkopierern” reden. Dabei ist das Thema doch, nüchtern betrachtet, hochinteressant: Wie schafft man vernünftige Regeln für das neue Phänomen “Reproduzierbarkeit kultureller Leistungen”?

  19. Verstehe den Witz anders …

    Bzw. würde als alternative Interpretation anbieten, dass Fritz tatsächlich eine Mark gespart hat, aber keine zehn Mark. Und zwar dann, wenn er üblicherweise mit dem Bus fährt, dafür im Monat 20 Mark Fahrgeld bekommt, und heute eben gelaufen ist, also eine Mark von seinem Fahrgeld nicht ausgegeben hat, sie also für etwas anderes nutzen kann. Wenn Fritz von seinen Eltern jeden Monat 20 Mark bekommt und regelmäßig läuft, statt Bus zu fahren (und das Geld trotzdem kassiert), steigert das sein real verfügbares Einkommen beträchtlich (reduziert allerdings vermutlich seine Pünktlichkeit auch erheblich).

    Was das jetzt in Bezug auf die Kostenloskulturdebatte bedeutet, weiß ich nicht.

  20. Die Busanalogie stimmt so nicht ganz

    Ob Fritz seine Mark gespart hat oder nicht, kann nicht den vorhandenen Daten entnommen werden. Wie A. S. wohl richtig vermutet [sic], hatte Fritz niemals die Absicht, den Bus zu nehmen. Nehmen wir jedoch an, jemand hat Fritz diese eine Mark gegeben, gerade damit er den Bus nehmen kann, so ist Fritz in der glücklichen Lage, durch Verzicht Geld zu erwirtschaften, dass heißt zu sparen. Zwar ist es Fritz nur unter der Annahme dieser Bedingung möglich, Geld gespart zu haben, doch ist diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen.

    Zudem noch eine Anmerkung zu dem entgangenen Gewinn des Busunternehmens. So wie es A. S darlegt, macht es für das Busunternehmen keinen sonderlichen Unterschied, ob ein einzelner Gast zahlt oder nicht zahlt. Schließlich ist das Busunternehmen in Vorleistung gegangen, indem es den Bus gekauft, gewartet, gewaschen hat etc. Zudem hat es in der Erwartung von Einnahmen Geld zur Seite gelegt, um den Busfahrer zu bezahlen. Entsprechend der Argumentation von A. S. kann der Bus nun auch leer seine gewohnte Strecke abfahren, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen, also ohne einen Verlust zu verursachen. Hier stellt sich nun die Frage, wann der Ertrag des Busunternehmens am größten ist. Nach kurzer Überlegung ist klar: natürlich dann, wenn der Bus vollbesetzt mit zahlenden Gästen ist. Könnte man nun jedoch noch einen weiteren zahlenden Gast mit dem Bus befördern, so würde sich der Ertrag erneut steigern. Das kann nun beliebig lang fortgeführt werden. Es ist klar, mit jedem zusätzlichen Gast steigt der Ertrag. Da dem Gästeaufkommen aber durch das begrenzte Volumen des Busses eine natürliche Grenze gesetzt ist, muss nun Folgendes geschlossen werden. Das eigentliche Problem von Busunternehmen sind nicht etwa Schwarzfahrer, sondern das nicht-unendliche Volumen ihrer Busse. Ein unendliches Volumen der Busse in Verbindung mit jedem noch so geringen Beförderungsentgelt stellt die Voraussetzung für einen unendlichen Ertrag dar. Alles klar oder 😉

    Achja, eine kleine Anmerkung habe ich noch. Folgt man der Logik von A. S., so machen Busunternehmen aufgrund von Schwarzfahrern dann keinen Verlust, wenn sie gar nicht damit gerechnet haben , dass diese Schwarzfahrer jemals Geld bezahlt hätten. Also alles nur Ansichtssache und eine Frage der Erwartungshaltung.

  21. Im Zweifelsfall 0, denn: Kundenbindung

    @Bernie

    “Vielleicht einigen wir uns darauf, dass den Verwertern weder 1.000 Euro noch 0 Euro entgehen.”

    Nein, mit mir können Sie sich da nicht einigen. Ich erkläre es Ihnen mit Ihrem eigenen Argument.

    Wie hoch ist denn der Anteil der Kundenbindung?

    Wenn immer mehr Medien konsumiert werden, wie Sie feststellen, mag relativ der Anteil der zahlenden Kunden sinken und gleichzeitig der absolute Anteil zahlender Kunden steigen. Und zwar deutlich stärker, als in einer Situation, in der die Möglichkeit, umsonst zu konsumieren (mit welcher Motivation auch immer), gar nicht erst gegeben ist.

    Denn wer heute schwarz fährt/sieht/hört/liest ist morgen mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ein zahlender Kunde.

    Warum sitzen die Menschen denn nicht in den Theatern und Opernhäusern sondern vor YouTube? Lassen Sie mal alle Kinder und Jugendlichen umsonst dort rein. Womöglich hilft es, wenn die Eltern es allerdings streng verbieten und Kassiererin und Platzanweiser böse dabei gucken. (So kommt mir die eigentliche Intention hinter dem vielen wehleidigen Klagen zumindest manchmal vor.)

    Vielleicht einigen wir uns darauf, dass wir nicht wissen, ob den Verwertern die 1.000 Euro entgehen oder sie diese gewinnen. Wie einigen wir uns da?

  22. @Markus A. Dahlem

    Ich, “Bernie”, antworte jetzt mal mit meinem vollen Namen, wie die meisten hier.

    Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich bin wie Sie der Auffassung, dass eine kostenlose Verteilung von Wasauchimmer die Nachfrage anregen kann. Nur: Würden Sie dem Opernhausbetreiber die Entscheidung darüber verwehren, doch Eintritt zu verlangen? Und warum sehen Sie das – ich unterstelle das jetzt mal, bitte korrigieren Sie mich notfalls – bei Medien, die im Netz verbreitet werden können, anders?

    Das ist mein eigenes Argument: Die Künstler und Rechteverwerter verlieren derzeit die Hoheit darüber, zu welchem Preis sie ihre Dienstleistung an den Mann bringen. Ich finde das bedenklich.

    Gerne will ich zugeben, dass die Verwerter sehr unglücklich auf die derzeitige Lage reagieren: Man hört viel Gejammer und sieht sehr wenig neue Geschäftsmodelle (Spotify ist ein sehr guter Anfang). Dennoch sollte die Entscheidung über die Art der Verwertung bei den Rechteinhabern bleiben. Denn, und jetzt wird es schwierig, Formulierungen zu finden, die noch nicht als Floskeln diskreditiert wurden: Geschaffene Werke haben einen Wert, und wenn der Künstler es will, auch einen Preis. Für die vielen Künstler, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen, wäre es sehr schade, wenn die Gesellschaft das nicht mehr anerkennen würde. Und schade wäre es auch für die Kunst insgesamt.

  23. Ungerecht? Vielleicht.

    @Benjamin Küchenhoff

    Wer Werte erschafft, die leicht tauschbar (Dateien) sind, hat ein anderes Problem als die, die eine Wert schaffen, der sich nicht kopieren lässt (Theateraufführungen).

    Wahrscheinlich wird es deswegen Unterschiede geben müssen, die sich nicht in der Leistung an sich widerspiegeln.

    Hier könnte man die “neidgesteuerte Ethikdebatte” um eine weitere nicht zielführende Gerechtigkeitskomponente ergänzen.

    Es steht letztlich der öffentlich Raum einem nicht öffentlichen (Theater)Haus gegenüber. Würden die Kontrollmöglichkeiten nicht in völlig andere Freiheiten mit eingreifen, wäre es kein Problem, diese einzusetzen und Tausch zu unterbinden (ob es sinnvoll wäre, s. Kundenbindung, bleibt mal außen vor).

  24. Tatbestand

    …ist die Beförderungserschleichung. So nennt man das wohl bei den Verkehrsunternehmen, wenn man schwarzfährt. Und Klauen, wenn man im Supermarkt etwas mitnimmt, ohne dafür zu bezahlt zu haben.
    Schwarzfahren und Ladendiebtahl wurden erst möglich mit Abschaffung der Schaffner in Bussen und Bahnen bzw. der Einführung von Selbstbedienungsläden. Der Mensch wurde versucht – und unterlag der Versuchung.
    Zumindest Schwarzfahren wurde mehr und mehr zum Kavaliersdeliktes, Ladendiebstahl verzieh und verzeiht man eher Kindern und Jugendlichen als Erwachsenen. Aber in beiden Fällen prangert man weniger die Täter als die Opfer an. Ist es bei der Verkehrserschleichung eher der als unverschämt hoch angesehen Fahrpreis, den man selbst am liebsten auch nicht zahlen möchte, ist es beim Ladendiebstahl der arme Dieb, den man nicht hätte in Versuchung führen können, wenn die Versuchung nicht so aufreizend-einfach präsentiert und besser gesichert werden würde.
    Mittlerweile mehrn sich auch wegen der hohen Benzinpriese die Spritdiebstähle. Es ist ja auch so einfach, zu tanken und ohne zu bezahlen zu verschwinden. Auch hier gibt es ein großes Verständnis für die Diebe, aber weniger für die Tankstellenpächter. Schuld sind die Ölmultis, die uns quasi zwingen, den Preiskampf selbst in die Hände zu nehmen.
    Das selbe gilt im übrigen auch für den Versicherungs- oder Steuerbetrug.

    Nicht viel anders verhält es sich mit dem Netz. Seit es dort Angebote gibt, wird versucht, an diese möglichst kostengünstig, am besten umsonst, heranzukommen. Seit Jahren wird letzteres mit viel krimineller Energie zwecks Betruges betrieben. Im Zusammenhang mit der Anonymität, die hierzu im Gegensatz weder Schwarzfahrer noch Ladendieb schützen kann, hat so ein Dieb im Netz noch gute Chancen, ohne Gesichtsverlust (lange Zeit) unentdeckt zu bleiben. Deshalb sind gerade im Netz die Auswüchse so wild und im Zuge dessen verwildert das allgemeine Verständnis darüber, was mein und dein ist, zunehmend. Was man kann, muss irgendwie auch erlaubt sein, ist der Schluss, den viele ziehen. Und den halte ich für falsch.
    Ich kan daher den Gedankengängen von A.S. überhaupt nicht folgen.

  25. @Markus A. Dahlem

    “Wer Werte erschafft, die leicht tauschbar (Dateien) sind, hat ein anderes Problem als die, die eine Wert schaffen, der sich nicht kopieren lässt (Theateraufführungen).”

    Da stimme ich zu, wie ich Ihnen überhaupt weitgehend zustimme. Ich möchte eigentlich auch nicht, dass das Internet stärker kontrolliert wird, um Urheberrechte durchzusetzen. Und ich freue mich kein bisschen über ACTA. Auch glaube ich, dass der schwarze Peter zunächst bei den Verwertern selbst liegt. Und auch dies gestehe ich zu: Wird das Produkt billiger, sinkt die Bereitschaft der Konsumenten, es sich illegal umsonst zu besorgen. Mir erschließt es sich nicht, warum ein e-Book nur 2 Euro billiger ist als die gedruckte Version, oder warum das Filmausleihen bei iTunes teurer und die Auswahl kleiner ist als damals in der Videothek um die Ecke (sie hat vor einem Jahr – hallo kino.to – pleite gemacht).

    Aber ich wünsche mir mehr engagierte Diskussion und weniger Grabenkämpfe in dieser Angelegenheit. Wir können nicht so tun, als sei der vielfache Umsonstkonsum kein Problem und jene, die das anders sehen, als “Contentmafia” diffamieren. Vielerorts schwindet das Bewusstsein, dass künsterisches Schaffen Geld kostet und auch Geld wert ist. Ich habe von den “Copykids” meines Alters (36) schon viele Rechtfertigungen gehört von “Die Filmgesellschaften haben doch eh so viel Kohle” bis hin zu “Wir spenden monatlich einen Betrag an UNICEF, damit ist das doch abgegolten”. Wenn man das hört, oder im Zug sitzt und sieht, wie sich gutgekleidete Mitreisende durch Hunderte “*.german.divx.avi”-Dateien klicken, kommt man sich, mit Verlaub, ziemlich deppert vor, wenn man gerade eine Staffel “Breaking Bad” für 30 Euro bei iTunes gekauft hat. Ich würde mir wünschen, dass der Wert des Urheberrechts sachlich diskutiert wird. Genau diese Sachlichkeit verschwindet aber gerade in den Schützengräben. Und daran sind beide Seiten beteiligt.

  26. Freier Markt?

    Die Künstler und Rechteverwerter verlieren derzeit die Hoheit darüber, zu welchem Preis sie ihre Dienstleistung an den Mann bringen. Ich finde das bedenklich.

    In keiner Branche – sofern sie nicht oligo- oder monopolistisch strukturiert ist – haben die Hersteller eine Hoheit darüber, den Preis zu definieren. Sie müssen einen Preis finden, der ihre Kosten deckt und einen Gewinn abwirft, der aber gleichzeitig von ihren Abnehmern bezahlt wird. Auch wenn Märkte ein wenig komplexer sind, als es das Idealbild der VWL zeigt, an dieser Grundweisheit ändert sich nichts: Ich kann nur den Preis erzielen, den jemand zu bezahlen bereit ist.

    Ein Problem der Debatte besteht leider darin, dass immer wieder dieselben Sachen erklärt werden müssen, weil immer wieder dieselben Anwürfe kommen. Dazu gehört auch, dass die Urheber nicht unbedingt Vertriebe benötigen wie früher. Sie brauchen keinen, der genug Marktmacht hat, um auch obskure oder abseitige Bücher in den Buchhandel zu bringen. Autoren können direkt vertreiben, sowohl an Endverbraucher wie an den Handel [z.B. Amazon, die m.W. erheblich mehr an den Urheber auszahlen als jeder klassische Verlag].

    Und auch wenn die bayerische Landesregierung die Verbreitung eines gewissen Werkes in Deutschland über das Urheberrecht verhindert, ist es dazu gar nicht gedacht. Das bedeutet, dass Ideen und Inhalte sehr wohl weiter gegeben werden können, auch wenn es dem Autor nicht gefallen sollte. Das Argument ‘wir müssen aber sagen dürfen, wie unsere Werke benutzt werden’ ist ziemlich hohl, selbst wenn einige Gerichte sogar Zitatrecht, Wissenschafts- und Bildungsfreiheit gerne aushebeln.

  27. Wenn es Ihnen darum geht, nicht-zahlende Menschen fernzuhalten, kann Kontrolle funktionieren, aber dafür, dass man dadurch nicht-zahlende zu zahlenden Kunden machen kann, fehlt mir der Beleg.

    Dass Menschen, die sich das Ticket per se nicht leisten können, durch angedrohte Strafe nicht plötzlich das Geld für ein Ticket finden, ist klar. Ich glaube aber nicht, dass alle Schwarzfahrer in diese Kategorie fallen. Es gibt genug Schüler, Studenten usw., die sich die £4 eben sparen würden, weil die Fahrt sowieso kurz ist oder was weiß ich warum. Die überlegen es sich aber sicher zweimal, wenn die Strafe £80 ist. Und sicher erst recht, wenn sie um schwarzzufahren vor den Augen von TfL-Angestellten über Drehkreuze springen müssen.

    Dafür dass man Kunden verliert, spricht jedenfalls meiner Ansicht nach überhaupt nichts. Die Schwarzfahrerzahlen in London sind konstant fallen, während die Anzahl gemachter Fahrten im selben Zeitraum gestiegen ist. 2007 war das Jahr, in dem zum ersten Mal mehr als 1 Milliarde Fahrten alleine mit der U-Bahn registriert wurden.

    Im Falle Londons wäre das von Ihnen beschriebene Szenario, dass der Schwarzfahrer einem zahlenden Kunden den Platz “wegnimmt” übrigens nicht so unrealistisch, schließlich sind dort genug Linien – sowohl U-Bahnen als auch Busse – vor allem zu Stoßzeiten weit über Kapazität ausgelastet.

  28. Was mich wirklich interessieren würde:

    Lieber Herr Stefanowitsch,

    wenn ich Sie richtig verstehe, wären die ÖPNV-Unternehmen gut beraten, auf Fahrscheinkontrollen zu verzichten und stattdessen ihr Dienstleistungsangebot so attraktiv wie möglich zu machen, damit möglichst vielen “diese Leistung etwas wert ist” und diese Personen dann auch ohne Sanktionsfurcht den Fahrpreis entrichten.

    Woran liegt es denn Ihres Erachtens, dass nach hunderten Jahren ÖPNV und Myriaden verschiedener ÖPNV-Unternehmen sich das von Ihnen propagierte Prinzip, das nach Ihren eigenen Aussagen auf allgemein verfügbarem gesundem Menschenverstand basiert, noch nicht durchgesetzt hat?

    Meines Erachtens haben Sie Folgendes übersehen: Von den Menschen, denen das Gut “Beförderung mit dem Bus” zwei Euro wert ist, lässt sich ein nicht zu vernachlässigender Anteil noch lieber unentgeltlich mit dem Bus kutschieren, wenn dies genauso möglich ist. Denn auf diese Weise können sie mit den “ersparten” zwei Euro weitere Bedürfnisse befriedigen, zum Beispiel dasjenige nach einem leckeren Eis oder einem antiquarischen Buch. Da die Menschen – so vermuten es jedenfalls die Ökonomen – unbegrenzt viele Bedürfnisse haben, aber nur endliche davon befriedigen können, wählen sie – wenn man es Ihnen anbietet – oft das größere Güterbündel “Busfahrt + Buch” statt das kleinere “Busfahrt”.

    Zweifellos gibt es nicht wenige Menschen, die für ein Gut etwas bezahlen möchten, weil es Ihnen etwas Wert ist, auch wenn sie das Gut unentgeltlich erwerben könnten. Sie rechnen sich dazu. Und nicht selten verhalte ich mich auch so.

    Ökonomisch betrachtet liegt das aber daran, dass einem das angenehme Gefühl, sich ethisch korrekt verhalten zu haben – altmodisch ausgedrückt: das gute Gewissen – zwei Euro Wert ist. Und das wiederum kann auch davon abhängen, auf die Befriedigung *wie dringender* Bedürfnisse man verzichten muss um sich für zwei Euro gutes Gewissen zu kaufen. Diesen ökonomischen Zusammenhang hat Brecht auf die Formel “Erst kommt das Fressen, dann die Moral” gebracht

    Viele Grüße
    Phäake

  29. Hinkt doch ein wenig

    Der Vergleich mit den Bussen und den Kontrolleuren hinkt in sofern ein wenig, dass es schon häufiger im Experiment nachgewiesen wurde, dass mehr Menschen schummeln, wenn sie keine Kontrolle und Sanktionen erwarten.

    D.h. der soziale Druck und die Angst vor der peinlichen Enthüllung sorgt dafür, dass mehr Menschen eine Fahrkarte lösen als ohne Kontrollen. Das lässt sich natürlich einfach durch Konzepte wie den fahrscheinlosen Nahverkehr aushebeln, wo Menschen gar nicht mehr vor der Entscheidung stehen. Aber das war ja nicht dein Thema.

  30. @Dierk:

    “In keiner Branche – sofern sie nicht oligo- oder monopolistisch strukturiert ist – haben die Hersteller eine Hoheit darüber, den Preis zu definieren.”

    Sie haben natürlich Recht. Gemeint war: Der Preisbildungsmechanismus von Angebot und Nachfrage funktioniert nicht mehr, wenn – wie hier – der Konsument die Möglichkeit hat, sich das Produkt gegen den Willen des Produzenten umsonst zu verschaffen.

    Auch was Ihre Ausführungen zu den Vertriebsformen angeht, stimme ich weitgehend zu. M.E. greift auch das viel gehörte Argument nicht, Bücher im Selbstverlag wären nicht lektoriert: Einen professionellen Lektor kann – und sollte – ein Autor selbst beschaffen. Und bezahlen. Für die Filmproduktion wären die Veränderungen wohl tiefgreifender. Und immer wieder die Frage: Wer finanziert das alles vor? Die Verlage sagen: Das müssen wir machen. Ich glaube das nicht.

    Und dass das Urheberrecht beim Zitatrecht und im Wissenschaftsbereich angepasst werden muss: Zustimmung.

    Ich habe gerade den Eindruck, als müsste ich gerade Schritt für Schritt die Argumente gegen die “Contentindustrie” parieren. Das wäre ein Hinweis darauf, dass meine Schützengrabentheorie zutrifft.

  31. Nur noch lustig …

    Sie schreiben so elegant übers Problem hinweg, dass es schon komisch ist: “… sollte das Busunternehmen sich darauf konzentrieren, zahlende Fahrgäste anzulocken.” Das ist doch ein Witz, oder?!
    Der Wegfall von Kassen-Kontrollen ist eine extrem starke Herausforderung der Fairness-Gefühle und per se eine Verlockung nicht zu zahlen, zumal in anonymen Massenmärkten, so dass zunächt mal nur eine Verlockung entsteht, nicht zu zahlen. Und wenn man sich ein wenig mit Behavioral Finance auskennt (wie überhaupt mit menschlichem Verhalten), weiß man, dass die Menschen ihr eigenes Verhalten dem bei anderen beobachteten Verhalten anpassen. Bei Wegfall der Kontrollen wird also ein sich allmählich beschleunigender Verfall der Zahlungsmoral einsetzen (“die anderen zahlen doch auch nicht”), d.h. das “Anlocken” von Leuten, die freiwillig den Deckungsbeitrag entrichten, von dem alle anderen profitieren (“Trittbrettfahrer” heißt das interessanterweise), wird erst schwierig sein und schließlich nahezu unmöglich. Das ist Verhaltensökonomie, Proseminar 1, und dahinter ein Fragezeichen anzubringen, das für manche sogar plausibel wirkt, ist sprachlich eine Leistung und gedanklich nichts als Hoffen und Beten. Aber das werden Sie ja wissen: Man kann absolut jedem Unfug eine plausible Formulierung geben, am leichtesten über Analogien und relationales Framing.

  32. “Ich mir fast nie (bewusst) auf nach geltendem Recht illegale Weise immaterielle Güter beschafft oder sie weitergegeben.” Neben Äpfeln und Fahrscheinen, scheint man auch nicht mehr Lektoren zu bezahlen. 😉
    Kleiner Scherz, aber das Thema ist auch etwas öde.
    Bei ihrem Beitrag musste ich unweigerlich daran denken, ein Karl May Buch zu lesen.
    Um aber auch noch eigene Meinung kund zu tun: Ich schließe mich der Meinung an, dass wenn jemand einen Gegenleistung für seine Dienste verlangt, sei es dass ein Autor gerne etwas Geld für seine Sonntagsbrötchen dafür hätte, dass er einem anderen ein paar hundert Seiten Unterhaltung und Spannung liefert, oder ihm eine digitale Aufnahme, auf der er die paar hundert Seiten vorliest, ihm überlässt – dann denke ich ist dies zu respektieren und nicht gutzuheißen, wenn sich andere über diese erwartete Gegenleistung hinwegsetzen.
    Sie haben Recht, dass dies zu ethischen Fragen führt, aber ich denke alles ist eine Frage der Ethik, weswegen man diese niemals von vornherein ausklammern sollte.

    Ich finde man kann aus ihren letzten Blogeinträgen relativ viel Hohn und Spott herauslesen – das hat mich etwas überrascht.

  33. Sie schreiben:

    Auch hier gibt es natürlich Kosten: Die immateriellen Güter müssen ja hergestellt werden, und dafür müssen — je nach Art des Gutes — Künstler/innen, Techniker/innen, Lektor/innen usw. bezahlt werden. Aber diese Kosten werden nicht dadurch größer, dass jemand sich das Gut verschafft, ohne dafür zu bezahlen.
    Ganz richtig: Ein Verlag (oder die Busgesellschaft) beispielsweise übernimmt das Risiko und tritt in Vorleistung und erhofft sich verständlicherweise, dass die Kosten durch zahlende Kunden gedeckt werden, bzw. sogar Gewinn erwirtschaftet wird.

    Würde nun kein Mensch sich für das Produkt interessieren, hat der Unternehmer eben Pech gehabt, aber die Tatsache, dass Dateien von vielen Menschen ohne zu bezahlen heruntergeladen werden, spricht ja dafür, dass sich Menschen für die jeweiligen Produkte interessieren.*
    Und jeder , der einen Preis von X Euro für das Produkt, das er offensichtlich gerne haben wollte, nicht bezahlt hat, hat den Unternehmer um X Euro Deckungskosten oder Gewinn geprellt.

    Bei dem gestohlenen Apfel im Supermarkt werden die Anschaffungskosten für die Äpfel auch nicht dadurch größer, dass jemand einen Apfel klaut.

    Der Vergleich hinkt auch insofern als Fritzchen eben nicht schwarz gefahren ist, sondern auf die Dienstleistung verzichtet hat und dass Fritzchen, so wie es argumentiert, in dem Fall, hätte es den Bus benutzt, den Euro auch bezahlt hätte.

    *Allerdings kenne ich einige Leute, die , obwohl sie finanziell mehr als gut gestellt sind, umsonst allen möglichen „Sch…“ runterladen, obwohl sie niemals die Zeit haben all das anzuschauen, anzuhören, oder zu lesen usw……- einfach nur, weil es möglich ist – und sie irgendeine Art von sportlichem Jäger-und-Sammler-und -ich-krieg-was-umsonst-Trieb damit befriedigen.

  34. Rechtsfragen vs. Ethikdebatte

    Nö, wir reden hier nicht über eine neidgesteuerte Ethikdebatte! Es doch geht nicht um’s Vordrängeln in der Einkaufsschlange oder um Vorteile für Privatversicherte. Sondern um Dinge, die vor dem Gesetz verboten sind. In allen drei Fällen (Schwarzfahren, Stehlen, unerlaubt Kopieren).

    Die Vorstellung vom “Habenwollen”-Faktor finde ich romantisch. Viele Leute wollen zwar z.B. das neue coole Playstation-Game haben, aber dafür keine 60 Euro (oder so) bezahlen.

  35. Und jeder , der einen Preis von X Euro für das Produkt, das er offensichtlich gerne haben wollte, nicht bezahlt hat, hat den Unternehmer um X Euro Deckungskosten oder Gewinn geprellt.

    Nein, denn daß jemand ein Produkt gerne haben wollte heißt eben nicht, daß es ihm auch X wert gewesen wäre. Vielleicht wäre es ihm z.B. höchstens die Hälfte wert gewesen.

    Wenn nun A das Produkt z.B. bereits auf seiner Festplatte hat und den B eine Kopie davon auf seinen USB-Stick ziehen läßt, und B das Produkt zum festgesetzten Preis X niemals gekauft hätte, dann hat der Verwerter dadurch keinen finanziellen Schaden. Denn auch dann, wenn B nicht kopiert hätte, wäre dem Verwerter der Betrag X nicht zugekommen.

    Der einzige Schaden ist in diesem Fall also vielleicht der unbändige Zorn darüber, daß B jetzt das Produkt hat, obwohl es ihm nicht X wert war und er X auch nicht gezahlt hat (siehe auch “Neid- und Ethikdebatte”). Das Ausmaß dieses Schadens hängt aber sehr stark von der Konstitution des jeweiligen Verwerters ab und ist darum schwer zu monetarisieren.

  36. Sondern um Dinge, die vor dem Gesetz verboten sind.

    Das ist richtig, nur gibt es kein Gesetz, das Änderungen dieser Gesetze verbieten würde. In einer Diskussion, die letztlich die Frage zum Thema hat, wie sinnvoll bestimmte bestehende Gesetze sind, kann man kaum mit dem Hinweis punkten, daß ein Verhalten, das ohne ein bestimmtes Gesetz erlaubt wäre, durch dieses Gesetz verboten werde. Die Frage ist ja gerade, ob das Verhalten verboten sein sollte oder nicht, mithin, ob das Gesetz sinnvoll ist oder nicht. Anders gesagt: Daraus, daß etwas verboten ist, kann man nicht schließen, daß es verboten sein sollte. Alles andere wäre zumindest sehr kühn.

  37. Schadensbegriff

    Die Debatte und auch schon der Blogbeitrag von Herrn Stefanowitsch ist von der Vorstellung geprägt, “Schaden” sei eine realweltlich vorgegebene Größe und man könnte logisch oder doch zumindest empirisch nachweisen, dass beim Schwarzfahren oder illegalen Vervielfältigen von Musikdateien kein Schaden entstanden sei, jedenfalls “kein echter” oder “kein finanzieller”, alles andere wäre “eine glatte Lüge”.

    Das ist aber nicht so. “Schaden” ist ein hochgradig normativer Begriff. Schadenberechnung setzt immer Hypothesenbildung voraus, indem man das Vermögen der Frau A zum Zeitpunkt T mit dem Vermögen vergleicht, dass Frau A hätte, wenn ein bestimmtes Ereignis nicht eingetreten wäre. Wenn dieses Ereignis im *illegalen Kopieren urheberrechtlich geschützter Dateien* bestand, dann kann man es “rein logisch” entweder dergestalt “wegdenken”, dass Fritzchen gar nicht kopiert hätte, oder aber, dass Fritchen legal kopiert hätte, also dafür bezahlt hätte (fiktive Lizenzgebühr).

    Ob man so oder so vorgeht, ist keine Frage von richtig oder falsch, sondern eine rechtspolitische Entscheidung. Diese hat der demokratisch legitimerte Gesetzgeber so getroffen, dass der “verletzte” Urheber Schadensersatz auch in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr verlangen kann. Praktisch spricht m.E. auch wirklich viel dafür.

  38. @Phaeake

    Es ist natürlich richtig, daß eine objektive Bestimmung der Schadensgröße in den interessanten Fällen unmöglich ist. Dafür wäre es ja nötig, zu bestimmen, welchen Preis der vermeintliche Schädiger zu entrichten bereit gewesen wäre. Ob ein Schaden entstanden ist, könnte bestenfalls der vermeintliche Schädiger selbst beurteilen, und selbst dieser nicht immer und zweifelsfrei. (Aus anderen Gründen kommt aber übrigens auch RA Thomas Fuchs zu dem Schluß, daß die Rechtswidrigkeit von Raubmordkopien nur der Raubmordkopierer selbst beurteilen kann.)

    Genau deshalb versagt aber der übliche Schadensbegriff, der grundsätzlich den Schaden durch das bemißt, was der Geschädigte ohne die schädigende Handlung im Vergleich zur tatsächlichen Situation mutmaßlich zusätzlich hätte. Während dort zwar auch Hypothesenbildung nötig ist, werden die Hypothesen meist gut zu plausibilisieren sein. Bei jemandem, um mal das Lanz-Beispiel von Herrn Urbach zu nehmen, der ein TB an raubmordkopierter Musik auf seinem Rechner hat, ist die Hypothese, daß er sich das alles auch zum festgesetzten Preis gekauft hätte, genauso unplausibel wie die Hypothese, daß er nichts davon gekauft hätte.

    Das ist wohl der Grund dafür, daß §97 Abs. 2 UrhG explizit festsetzt, daß z.B. die veranschlagten Lizenzgebühren als Basis der Schadensberechnung dienen können. Die Aporie wird aufgelöst, indem ein alternativer Schadenbegriff zugelassen wird, der mit dem im bürgerlichen Recht üblichen und aus epistemischen Gründen prinzipiell nicht vernünftig anwendbaren faktisch kaum etwas zu tun hat.

    Wie man diesen ‘Kunstgriff’ bewertet, ist dann in der Tat die Frage. Man mag zu dem Schluß kommen, daß die gängige Lösung gut sei, oder viel dafür spreche, wird sich dann aber z.B. mit dem Paradoxon konfrontiert sehen, daß die Immaterialgüterindustrie eine atemberaubend phantastische Produktivität aufweist und nur deshalb nicht reicher als Gott ist, weil man ihr systematisch Lizengebühren vorenthält. Das ist absolut nicht plausibel, und ich weiß nicht, ob ich mir die “Wahrheit von Rechts wegen” so wünschen kann.

  39. Es muß natürlich heißen: “werden die Hypothesen im Fall materieller bzw. materiell verursachter Schäden meist gut zu plauibilisieren sein”

  40. @David

    Was du schreibst, stimmt. In deiner Ausführung geht es allerdings um die Festlegung der Schadenshöhe, an der sich das Straf_maß_ orientiert.

    Davor steht aber immer noch die _Tat_, welche an sich strafbar ist. Wenn ich eine Leistung wie “Busfahrt” anbiete, bestimme ich die Konditionen (übrigens im Rahmen des Gesetzes). Wenn jemand dagegen verstößt, ist das per Gesetz zu ahnden (wahrscheinlich als Ordnungswidrigkeit?). Die Höhe des Schadens ist eine nachgelagerte Frage.


    Den anderen Einwand verstehe ich nicht: Dinge, die ohne gesetzliche Regelung nicht verboten wären, sollten Ihrer Meinung nach grundsätzlich erlaubt sein? Wirklich? So allgemein? Sehe ich anders!

  41. Dinge, die ohne gesetzliche Regelung nicht verboten wären, sollten Ihrer Meinung nach grundsätzlich erlaubt sein?

    Wo soll ich das denn geschrieben haben? Was ich schrieb, ist, daß in einer Diskussion über die Sinnhaftigkeit gesetzlicher Regelungen der Verweis darauf, daß diese Gesetze existieren, nichts zu suchen hat (zumal das ja eh vorausgesetzt ist). Daß ein Gesetz tatsächlich existiert bedeutet weder, daß es existieren sollte, noch, daß es nicht existieren sollte. (Daß Cannabis verboten ist, ist kein Argument gegen die Legalisierung, sondern vielmehr deren Voraussetzung.)

    Mit dem Hinweis auf die Trennung zwischen straf- und zivilrechtlichen Fragen haben sie natürlich grundsätzlich recht; daß die Sinnhaftigkeit eines Gesetzes unabhängig von seinem faktischen Bestehen oder Nichtbestehen bewertet werden muß, betrifft aber beide Systeme gleichermaßen.

  42. @David

    Alles klar, jetzt habe ich es verstanden. Danke! Jetzt bin ich wieder im Thema ;o)

    Denn genau das ist es, was der Artikel tut: Er sagt “In diesen Fällen kann ich das Strafmaß schwer festlegen, weil der Schaden nicht zu beziffern ist.” Die Tat, welche dem vorausging, wird dadurch aber doch nicht richtiger. Sie wird gar nicht als richtig oder falsch bewertet. Also steht ihre Sinnhaftigkeit (zumindest in diesem Artikel) nicht zur Diskussion.

    Oder will Herr Stefanowitsch etwa sagen, weil ein Strafmaß in einigen Fällen schwer zu fällen ist, hat das entsprechende Gesetz keinen Sinn?

  43. Analogien hinken immer

    Natürlich ist der Witz vom Busfahrer nur ein schwaches Modell für die Komplexität des Immaterialgüterrechts oder der freien Märkte.

    Busse, Äpfel, selbst elektrischer Strom sind keine guten Analogien für die meisten digitalen Güter. Denn sie verbrauchen sich, sind natürlich knappe Güter die nur begrenzt vorhanden sind und optimal verteilt werden sollen, das leisten freie Märkte mehr oder weniger gut und effizient.

    Für das sogenannte “Geistige Eigentum” als Ware betrachtet, gilt das eben nicht, es verbraucht sich nicht durch Benutzung. Es ist für das Eigentum an einem Gedicht oder einem Musikstück völlig egal ob es tausend oder zehntausend Leute lesen. Niemand nimmt dem Dichter das Gedicht durch lesen weg. Ähnlich wie Fritz den Busfahrern nichts von ihrem Eigentum wegnimmt, ob alleine oder mit Freunden.

    Was allerdings entsteht ist ein ‘entgangener Gewinn’, der hat aber nichts mit dem Eigentum zu tun, sondern mit seiner Verwertung. Künstler (und Verwerter) sind dabei in der einmaligen Lage, das sie per Gesetz absolute Monopolisten für ihre konkrete Ware sind, und das mit Schutzfristen die andere Monopolisten vor Neid erblassen lassen. Wenn ein Musiker ein Lied aufzeichnet, kann ich die Essenz des Liedes (und das ist nicht der Name des Musikers/die Marke), durch das Urheberrecht nirgendwo anders erwerben, nur beim Künstler selbst oder seinem Mittler, z.B. der GEMA. Selbst das kleinste Maß an Wettbewerb wird ausgeschaltet, um den Gewinn zu maximieren (siehe z.B. technisch unnötige Region Codes bei DVDs, die nur den Markt segmentieren und Wettbewerb verhindern).

    Dieses erhebliche Privileg, welches der Staat den Urhebern gewährt hat, ist es welches zur Diskussion steht. Natürlich sind Urheber, wie jeder Monopolist erst einmal daran interessiert ihren Gewinn zu erhalten. Im Falle von digitalen Gütern ist dieses eine existenzielle Frage für die Urheber, denn ohne das gesellschaftliche Geschenk der langen Schutzfristen und Monopole wäre ein freier Markt vorhanden, der aber durch die praktisch nicht vorhandenen Kosten für Kopien digitaler Güter einen Preis nahe Null finden würde.

    Für Patente und Schutzrechte auf materielle Güter ist all dieses nicht der Fall. Zum einen sind die Monopole zeitlich erheblich stärker beschränkt (20 Jahre zum Beispiel für Patente, im Gegensatz zu 70 Jahre nach Tod des Urhebers, was leicht die 150 Jahre übersteigen kann und zudem zwingend macht, dass nur natürliche Personen Urheberrechte haben können). Zum anderen sind die Folgen von Verlust des Monopols, also Wettbewerb, dort nicht so existenziell, da materielle Güter (derzeit) nicht für praktisch Null Kosten kopiert werden können.

    Um zum Bus zurück zu kommen. Damit überhaupt ein Bus fährt, muss jemand Geld in die Hand genommen haben, investiert haben. Ähnlich der Künstler oder seine Plattenfirma, auch dort wird Zeit oder Geld investiert für ein Angebot an die Gesellschaft. Ob es sich rechnet? Glückssache. Durch das staatlich garantierte Monopol klappt es für Künstler derzeit noch. Im ÖPNV und bei der Bahn klappt es ja auch nur mit Subventionen der Gesellschaft.

    Künstler werden vom Staat subventioniert. Waffenfabriken werden vom Staat subventioniert. Flugbenzin wird subventioniert. ÖPNV, Tierfutter, Grundnahrungsmittel, Hotelübernachtungen. Alles bedenkenswerte und vielleicht sinnvolle Subventionen. Dennoch wird immer wieder politisch diskutiert ob diese Subventionen abgeschafft werden sollten.

    Dazu sollte dann abgewogen werden, was es die Gesellschaft kostet die Subvention zu erhalten oder sogar zu erhöhen (ACTA, three strikes), und es muss gefragt werden, was es der Gesellschaft an Nutzen bringt. Für weite Teile des Urheberrechts ist der konkrete Nutzen für die Gesellschaft zumindest zweifelhaft.

  44. “Aber mit diesem Argument verlassen wir den rationalen Boden der Wirtschaftlichkeitsdiskussion und begeben uns in eine ausschließlich neidgesteuerte Ethikdebatte. Wer das will, soll es offen zugeben und versuchen, sich damit Freunde zu machen.”

    Wenn man’s so formuliert, hört sich das natürlich gar nicht gut an, denn niemand will neidgesteuert sein. Sagen wir doch lieber: eine Gerechtigkeitsdebatte. Genau so, wie wir das bei Diskussionen um Steuergerechtigkeit auch tun…

  45. Wundersame Geldvermehrung

    Ein Bankräuber überfällt eine Bank. Geraubt werden 50.000 Euro. Das Geld ist aber nicht weg, sondern nur in den Besitz eines anderen gegangen. Da die Bank versichert ist, erhält sie von der Versicherung die 50.000 Euro erstattet.
    Die hat sich Ihrerseits bei anderen Versicherungen rückversichert. Alle, Bank und Versicherer, bewerten derartige Risiken vorab und arbeiten sie in ihre Gebühren und Prämien ein. Es kommt also nie niemand zu Schaden. Im Gegenteil, durch den Bankraub hat sich das Geld, das nun im Umlauf ist, verdoppelt.

    Außerdem sollte man Banken und Versicherer sowieso, am besten auch das Finanzamt, abschaffen, das sind nur überflüssige Schmarotzer. Den Menschen müsste eigentlich nur ausreichend Geld zur Verfügung gestellt werden, dann gäbe es auch keine Bankräuber, Schwarzfahrer und Beförderungserschleicher mehr. Und das Problem mit dem Urheberrecht und dem Schutz des geistigen Eigentums hätte sich auch erledigt. Und überhaupt, wir brauchten fortan keine Kontrolleure und Aufpassermehr, die ja letztendlich nichts anderes bwirken, als andere permanent zu kriminalisieren.

    Ich finde, ich habe das alles sehr gut durchdacht und mit Argumenten unterfüttert. Mein stärkten und besten dabei, nämlich sowieso und überhaupt, möchte ich noch einmal besonders hervorheben!

  46. Sagen wir doch lieber: eine Gerechtigkeitsdebatte.

    Hic rhodos, hic salta. A erlaubt B das Werk W zu kopieren, daß B sich zum vom Verwerter V festgesetzten Preis niemals gekauft hätte. B ist jetzt vielleicht ein kleines bißchen glücklicher als vorher und die Situationen von A und V haben sich im Wesentlichen nicht verändert, insbesondere hat V nicht mehr und nicht weniger als er gehabt hätte, hätte B die Kopie von W nicht erhalten. Wo liegt die Ungerechtigkeit?

  47. @David

    A hat aber nicht das Recht, eine derartige Erlaubnis zu erteilen (zumindest im Standardfall, in dem der Rechteinhaber bestimmte Handlungen ausdrücklich verbietet).

    Wenn Regelverstöße ungeahndet bleiben, stellt sich bei vielen, die sich an die Regeln halten, ein Gefühl der Ungleichbehandlung ein. Das ist natürlich eine emotionale Reaktion (und keine rationale Argumentation, die A.S. fordert). Will ich diese Reaktion abwerten, bezeichne ich sie wie A.S. als “neidgesteuert”, will ich sie aufwerten, entdecke ich darin die Forderung nach “Gerechtigkeit”.

    Letztlich ist beides Rhetorik. Ich finde es lustig, dass A.S. gleich, nachdem er diese rhetorische Nebelkerze gezündet hat, lautstark rationale Argumente einfordert…

  48. Berichtigung

    Entschuldigung, es ist umgekehrt: zuerst die Wissenschaftlichkeit, dann die Rhetorik. 😉

    “Aber mit diesem Argument verlassen wir den rationalen Boden der Wirtschaftlichkeitsdiskussion und begeben uns in eine ausschließlich neidgesteuerte Ethikdebatte. Wer das will, soll es offen zugeben und versuchen, sich damit Freunde zu machen.”

  49. Alles nich’ so einfach

    Das klassische Produkt ist ein materieller Gegenstand, der von einem Erzeuger unter Einsatz von Arbeitszeit und Expertise sowie einer Initialinvestition in Rohstoffe oder Teilprodukte produziert wird. Mit dem Verkauf an einen Käufer wird es zur Ware, die dieser weiterverkaufen kann, womit er zum Händler wird. Zwischendurch kann er Benutzer oder stattdessen – durch Zerstörung – Verbraucher bzw. – oder Umwandlung – Veredler, also eine spezielle Art von Produzent werden.
    Davon unterscheidet sich die klassische Dienstleistung im wesentlichen nur in einem Detail: das Produkt bleibt physisch (räumlich und zeitlich) an seinen Produzenten gebunden, ist also immateriell.

    Psychische Leistungen sind per se immateriell und können eine Dienstleistung sein. Allerdings sind sie darüber hinaus potentiell virtuell, sofern es geeignete Aufzeichnungs- und Wiedergabemedien für sie gibt. Für verbalisierte Gedanken steht uns mit der Schrift seit langer Zeit ein entsprechendes Medium zur Verfügung und auch musikalische Notationssysteme gibt es schon einige hundert Jahre. Mit ihnen sind also Materialisierungen des ursprünglichen Gedankens möglich, die beliebig viele Aufführungen und Interpretationen des Werkes erlauben, welche wiederum wie normale Dienstleistungen behandelt werden können.
    Mit den audiovisuellen Aufzeichnungs- und Übertragungsmedien seit dem 19. Jahrhundert gibt es kanonische, weil replizierbare Aufführungen (Original), mit denen die Bedeutung des eigentlichen geistigen Urhebers (Autor, Komponist) entsprechend sinkt, denn an seine Stelle tritt der Interpret (Regissör, Schauspieler, Sänger etc.), wobei gerade bei Musikern häufig eine Personalunion besteht.
    Davon unabhängig bleibt aber die eigentliche Komplikation bestehen: ein einmaliger Produktionsaufwand steht einer Unzahl von möglichen Rezeptionen gegenüber. Niemand weiß vorher, wie viele Interessenten sich finden werden, aber wenn sie die Dienstleistung eines Medienkonsums wahrnehmen, entstehen jeweils im Vergleich äußerst geringe Zusatzkosten und das bei völlig anderen Personen.

    Das grundlegende, auch in diesem Blogartikel thematisierte Problem, ist also die Mischkalkulation und Erwartungshaltung, nach der die Entlohnung eines Gedankenprodukts und ggf. seiner kanonischen Aufführung zumindest zu einem Teil direkt von der Anzahl der Nutzer abhängen soll.

    Wie widersinnig das ist, sollte bei einem Kinobesuch klarwerden: Egal welchen aktuellen Film normaler Länge ich zur gleichen Uhrzeit am gleichen Wochentag im gleichen Lichtspielhaus anschaue – ich zahle den gleichen Preis. Es spielt absolut keine Rolle, ob er für 1 oder 100 M€ produziert wurde und wie viele oder wenige Menschen ihn sich schon vor mir angesehen haben. Der Grund ist einfach: die Zuschauer zahlen den Besuch an den Kinobetreiber, d.h. sie mieten für 2 Stunden einen Sitz und wie nebenbei die Unterhaltung aussieht ist weitgehend nebensächlich. Trotzdem bekommt m.W. der Makler („Verleih“) und von diesem der Produzent von jeder verkauften Eintrittskarte einen Teil ab.

    Bei den Rundfunklizenzen (für Filme und Serien wie Sport und andere Veranstaltungen) läuft es ganz anders: die (exklusiven) Aufführer bezahlen im Voraus einen festen Betrag und müssen sich dann darum kümmern, diese Kosten irgendwie wieder einzunehmen. Außer beim Sport konkurrieren sie dabei mit Konserven, die sich Interessenten dauerhaft kaufen oder vorübergehend leihen können. Auch dabei hängt der Preis kaum von den ursprünglichen Produktionskosten, sondern eher von den Vervielfältigungs- und Distributionskosten ab.

    Sobald das ohne physischen Datenträger als digitale Datei geschieht, ist Kopieren verlustfrei möglich und die im Verhältnis sehr geringen Kosten werden zudem von beiden Seiten, also Verteiler und Bezieher, getragen – in einem für die Konsumenten deutlich schlechterem Verhältnis als bei klassischen Medien.

    Wenn man damit also wieder in die Situation kommt, dass eigentlich nur die ursprüngliche Erstellung nennenswerte Kosten verursacht, gleichzeitig aber ein beliebig kleines oder großes Publikum erreicht werden kann, dann steht man vor einem Dilemma: Jemand muss in mitunter gigantische Vorleistung treten, ohne zu wissen wie viele Menschen wie viel für die Nutzung zu bezahlen bereit sein werden. Andere Modelle sind also gefragt.

    PS: Aufgrund von Zeitmangel ist dieser Text an drei verschiedenen Tagen entstanden und bildet mglw. kein harmonisches Ganzes.

  50. Der Einzelschaden ist egal

    Die Diskussion um die Schadensbezifferung, wenn in einem vollen Bus 3 Leute nicht gezahlt haben, lenkt doch nur ab von dem Punkt, wo die Schwierigkeit liegt. Der Schaden, den der einzelne Schwarzfahrer bewirkt, ist tatsächlich belanglos – wehren muss sich die Busgesellschaft lediglich gegen den Angriff auf ihr Geschäftsmodell. Genauso wäre es piepegal, ob irgendwo im Internet irgendein geschützter Inhalt auftaucht. Das Problem ist nur das “wenn das alle so machen würden”, also das Kollabieren eines Produktions- und Refinanzierungsmodells. Dazu bringt der Artikel eben nichts außer “es wird schon noch genug geben, die die Produktion finanzieren”. Das ist aber vor allem im Falle von Musik und Filmen nichts weiter als eine grundlose Hoffnung. Wenn es ins Belieben der Nutzer gestellt ist, Geld in den Hut zu werfen oder es sein zu lassen, kann man sich am kleinen Finger ausrechnen, wo die Tendenz hingeht – kulturelle Bereiche, die bislang sich noch selbst substituieren können, werden zu Subventionsempfängern (“Kulturflatrate” oder irgend so etwas). Dass subventionierte Kultur nur bedingt eine freie Kultur ist, sollte klar sein.
    Es wäre ja schön, wenn es einen einfachen Ausweg aus dem Dilemma zwischen freiem Internet und sich selbst tragender Kulturproduktion gäbe, aber einfach beide Augen zudrücken scheint keine besonders vernünftige Idee zu sein.

  51. @Iversen

    Sie haben natürlich Recht. Es besteht durchaus die Gefahr, daß alle dazu übergehen, Kulturgüter kostenlos zu konsumieren, weil die ja aus dem Internet kommen. Irgendwann macht keiner mehr Kulturgüter, und dann wird dumm geguckt, aber auf die Idee, daß man den Kulturgütermachern was zahlen könnte, damit sie wieder Kulturgüter machen, kommt keiner. Stattdessen lernen alle homerisches Griechisch und lesen die Odyssee im Original. Ein drastischer Abbau von Kultur und Bildung steht also ins Haus.

    Nur trifft der Vorwurf, keine brauchbaren Vorschläge zur Abwendung der unaufhaltsam näherrückenden Kulturapokalypse zu machen, ebenso auf die Verteidiger des status quo, wie auf dessen Gegner zu. Letztere halten es nicht für ihre Aufgabe, Urheber und Verwerter mit alternativen Geschäftsideen zu beliefern, jedenfalls nicht kostenlos (geistiges Eigentum und so…). Erstere sind immer merkwürdig still, wenn es darum geht, zu erklären, wie denn Urheber- und Verwertungsrechte effektiv durchgesetzt werden sollten.

    Während man am bestehenden Recht aus Prinzip festhalten und dafür einen beachtlichen Anteil der Bevölkerung kriminalisieren könnte, würde dies ohne effektive Durchsetzungsmöglichkeiten nämlich nichts bringen, außer einer großen Dunkelziffer an Kriminallen. Die Kulturapokalypse jedenfalls würde es nicht abwenden.
    Der Ansatz, Replikationsrechte zu monopolisieren, damit sich die Produktionsarbeit (mindestens) amortisiert, hat vor dem Internet gut funktioniert und wurde darum auch weitestgehend klaglos akzeptiert. Jetzt funktioniert er halt nicht mehr so gut. Die eine Fraktion meint nun, man solle sich damit abfinden, da der Preis, den man andernfalls zahlen müßte, inakzeptabel hoch sei (Homer wieder nur in Bibliotheken verfügbar und so). Die anderen meinen, daß die Geschäftsmodelle der bestehenden Industrie gerettet werden müssen, benennen aber niemals den Preis, den sie dafür zu zahlen bereit wären (angesichts der Phantasiezahlen, mit denen die Kulturindustrie ihre Verluste beziffert, ist er aber vermutlich enorm).

  52. Einwand

    Zum Thema Neid:
    Die Fahrgäste A bis X bezahlen für ihre Beförderung. Die Fahrgäste Y und Z fahren schwarz. Wenn die Betreiberfirma das zulässt, mit dem Argument, dass der Bus ja ohnehin fährt und die zahlenden Fahrgäst keine unguten Neidhammel sein sollen, entscheiden schließlich auch die Fahrgäste T-X, nicht zu bezahlen.
    Für die Busfirma wird es schwieriger, die Frequenz und die Ausstattung aufrechtzuerhalten. Die Preise für Fahrgäste A-S steigen, während T-Z laut über die Narren lachen.
    Blogger wie du schreiben über die murrenden Fahrgäste A-S, sie seien neidig und ihr Murren zähle nicht.
    Fahrgäste A-C sind starrköpfige Ehrlichkeitsfanatiker und zahlen zähneknirschend weiter, Fahrgäste D und E fahren ab jetzt Fahrrad, Fahrgäste F-S fahren ab jetzt auch schwarz.
    Der Busverkehr kann nicht mehr finanziert werden, die Linien in die weniger dicht besiedelten Gebiete werden eingestellt, bei den übrigen die Frequenz reduziert, günstigere Sitze und kleinere Fahrzeuge angeschafft, Personal wird abgebaut.

    Es entsteht wirtschaftlicher Schaden für die Gesellschaft.

    All das vermeidbar, wenn schon die Fahrgäste Y und Z mit stichprobenartigen Kontrollen konfrontiert sind.

  53. @David

    Eine “Kultiurapokalypse würde nie erwarten, schon deswegen, weil das primäre Motiv der Kunstschaffer eher im Narzisstischen liegt.
    Auf der anderen Seite darf man nicht die großen Schwächen der bestehende Bezahlmodelle für Kultur übersehen. Die größte Schwäche ist dabei, dass Verwertungsrechte dazu neigen, die Wertschöpfung vom Urheber zum Marketing zu verlegen. Vielleiht habe ich das kompliziert ausgedrückt. Man sieht aber schon an den Casting-Shows: Der Künstler wird zu einer Ware, die der Verwerter auf dem Markt sozusagen möglichst billig einkauft, auslutscht und wegwirft. Die Inhalt werden zu einer “Commodity”, das Geld wird durch Marketing verdient. Das ist der Grund für das neuartige “Unbehagen in der Kultur”, die nämlich mainstreamiger und marketingsförmiger zu werden droht. Das sieht von Sparte zu Sparte etwas anders und wie immer gibt es starke Gegenkräfte – Kreativität lässt sich nicht so einfach ausrotten. Aber das Geld umströmt nur noch die Prominenz-Kultur. Bei der Reform des Urheberrechts können die Urheber aus meiner Sicht die Gewinner sein, wenn die Verwerter sich bei ihren rigorosen Verwertungsinteressen auf ein vernünftiges Maß zurückstutzt ließen.

  54. Die Busunternehmen kürzen einfach den Fahrplan und wundern sich, warum keine Sau mehr Monatskarten kauft – da braucht man keine komplexen Theorien über Platz wegnehmen etc. 🙂

  55. Konstrukte: manchm. ulkig, Ulk oft schal

    “Während Supermärkte also darauf achten müssen, dass ihnen niemand ihre Äpfel stiehlt (und während sie, wie es die wirtschaftliche Vernunft gebietet, einkalkulieren, dass es trotzdem passieren kann), sollte das Busunternehmen sich darauf konzentrieren, zahlende Fahrgäste anzulocken.” –
    Was ist eigentlich mit dem, der genau diese deine Empfehlung des Anlockens aktiv ver- oder behindert??

    “Aber mit diesem Argument verlassen wir den rationalen Boden der Wirtschaftlichkeitsdiskussion und begeben uns in eine ausschließlich neidgesteuerte Ethikdebatte” –
    Wieso soll das eine “neidgesteuerte” Debatte, noch dazu eine “ethische” sein, demnach ist bei dir alles was Sozialität, Sozietät, Sicheres Miteinander, eben Gesellschaft bewirkt, nur NEID?
    Woher hast du denn das? Vom bösen Onkel?
    Und noch eine phraseologisches Plakat:
    “Wenn ich etwas haben will, ist es mir einen Preis wert, der von der Stärke meines Habenwollens abhängt, und nicht davon, ob und was andere dafür zahlen” –
    Wer’s glaubt, wird seelig. Wie groß ist denn dein “Habenwollen”, wenn z.B. das der anderen gegen NUll geht? Wie groß ist es, wenn das der anderen viel größer als deines ist und die Sache knappes Gut wird?
    Hier versuchst du, dich als autonom existierfähige, sprich asoziale Existenz mit völliger Unabhängigkeit von deiner gegebenen Einbindung in das Sozialgebilde (SYSTEM) darzustellen, was absurd weil lebensuntüchtig ist, es hebt deine Einbindung an keiner Stelle auf, wie oft du das auch behauptest.

    Deine schwarze “Busfahrt” ist ein ulkiges Konstrukt, ein inzwischen schales, mehr nicht.
    Nichts trifft zu, nichts ist vergleichbar, lediglich der Beweis wird erbracht, daß das Problem der Freiheit immaterieller Güter von diesem “schwarzen Busfahrer” an keiner Stelle verstanden oder erklärt werden kann.
    Es ist nun mal kein technokratisches Problem. Dreimal kannst du raten, was anstatt.

    Wenn du der Freiheit von immateriellen Gütern etwas Gutes antun möchtest, verstecke solche plumpen und gestelzten Vergleiche lieber rechtzeitig, sonst kehrt sich das in das Gegenteil.

    Übrigens, wovon lebst du? Hast du was?