Unter Schneeblinden

BLOG: Sprachlog

Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
Sprachlog

Es ist völlig egal, wie oft man den Mythos von den „vielen Eskimowörtern für Schnee“ widerlegt — wie ausführlich man z.B. die Struktur der Ekimo-Aleut-Sprachen erklärt, wieviele alltagsmythologische Quellen man durchforstet, wievielen Ausweichmythen man nachgeht. Es gibt immer Leute — einen drittklassigen Krimiautor, zum Beispiel, oder seine folklorisierende Bürokraft — die das alles besser wissen. Denn sie kannten mal jemanden, der einen kannte, der vielleicht ein Eskimo war oder zumindest einen dicken Anorak besaß, und der hat es ihnen gesagt. Außerdem haben sie eine Liste! Mit ganz vielen Eskimoschneewörtern!

Nun könnte so eine Wörterliste ja sogar bei der Beantwortung der Frage weiter helfen, ob die Eskimos entgegen der detaillierten Auskünfte von Fachleuten vieleicht doch „viele Wörter für Schnee“ haben — es könnte ja sein, dass es sich bei den Auskünften der Fachleute um eine Verschwörung handelt, um sich von staatlichen Forschungsgeldern ein faules Leben zu gönnen, so eine Art Wörtergate. Wäre es nicht toll, wenn der kleine Mann auf der Straße diese Verschwörung aufdecken könnte, in dem er die Wörterlisten öffentlich macht, die die Linguistik-Mafia so verzweifelt unter Verschluss zu halten versucht?

Einen Versuch wäre es wert. Nur reicht es dazu leider nicht, so eine Liste gedankenlos in einen aufgeblasen blubbernden Blogkommentar zu kopieren oder sie auf der eigenen gernegroßen pseudobildungsbürgertümelnden Langweilerwebseite vor der Welt zu verstecken. Man muss dazu auch mindestens drei Fragen beantworten können:

  1. Wieviel ist „viel“?
  2. Wann ist ein Wort ein „Wort für Schnee“?
  3. Was ist überhaupt ein „Wort“?

Diese Fragen zu beantworten, ist nicht besonders schwer. Ich habe sie in den oben verlinkten Beiträgen aus dem Bremer Sprachblog und dem Sprachlog sowie in etlichen Interviews im Radio und in Zeitungen ausführlich beantwortet, und lange vor mir haben das schon meine amerikanischen Kolleg/innen im Language Log und davor im alten Language Log getan.

Aber Menschen, denen es schwerfällt, sich von der Vorstellung schneefixierter Eskimos im allgemeinen und der Stichhaltigkeit ihrer Wörterlisten im besonderen zu lösen, ist es wohl nicht zuzumuten, auf die Hyperlinks zu klicken, die man ihnen empfiehlt oder die sie bei einer Googlesuche nach [Eskimo Wörter Schnee] präsentiert bekämen (oder vielleicht haben sie in ihrem Dialekt keine Wörter für „Hyperlink“ oder „Suchmaschine“, dafür aber 400 Wörter für das Gefühl, schon alles zu wissen).

Also erkläre ich die Sache hier ein letztes Mal, von mir aus anhand einer Wörterliste, wohl wissend, dass mir das wenig einbringen wird außer dem Vorwurf, dass ich wohl vom Schneevokabular der Eskimos besessen sei. Eine der am häufigsten kopierten Listen stammt aus dem Buch La parole inuit: langue, culture et société dans l’Arctique nord-américain („Die Inuitsprache: Sprache, Kultur und Gesellschaft in der nordamerikanischen Arktis“) des kanadischen Anthropologen und Sprachwissenschaftlers Louis-Jacques Dorais:

  1. qanik: fallender Schnee
  2. qanittaq: kürzlich gefallener Schnee
  3. aputi: Schnee auf dem Boden
  4. maujaq: weicher Schnee auf dem Boden
  5. masak: nasser fallender Schnee
  6. matsaaq: teilweise geschmolzener Schnee auf dem Boden
  7. aqilluqaaq: weiche Schneewehe
  8. sitilluqaaq: harte Schneewehe
  9. qiqsuqaaq: wiedergefrorener Schnee
  10. kavirisirlaq: durch Regen und Frost aufgerauhter Schnee
  11. pukak: kristalliner Schnee auf dem Boden
  12. minguliq: dünne Schicht pudrigen Schnees
  13. natiruvaaq: feiner vom Wind getragener Schnee
  14. piirturiniq: dünne Schicht weichen Schnees auf einem Gegenstand
  15. qiqumaaq: Schnee, dessen Oberfläche gefroren ist
  16. katakaqtanaq: Kruste aus hartem Schnee, die unter Füßen nachgibt
  17. aumannaq: Schnee auf dem Boden am Schmelzpunkt
  18. aniu: Schnee um Wasser zu machen
  19. sirmiq: Schneematsch zum zementieren eines Iglus
  20. illusaq: zum Bauen eines Iglus geeigneter Schnee
  21. isiriartaq: gelber oder rötlicher fallender Schnee
  22. kiniqtaq: feuchter, kompakter Schnee
  23. mannguq: schmelzender Schnee
  24. qannialaq: leichter, fallender Schnee
  25. qanniapaluk: sehr leichter Schnee, der in ruhiger Luft fällt

Beginnen wir mit der ersten Frage: Ist das viel? Wenn wir die Wörter zunächst alle gelten lassen, wären das ja immerhin 25 Wörter für Schnee — weit entfernt von den 50, 100 oder gar 400, von denen man sonst liest. Trotzdem mag einem die Zahl hoch genug vorkommen, um daraus eine besondere Schneeaffinität der Eskimos (und der Eskimo-Aleut-Sprachen) abzuleiten.

Bis man sich die eigene Sprache noch einmal genauer ansieht: Im Deutschen findet man ohne große Mühe eine vergleichbare Menge von Schneewörtern, nämlich Altschnee, Blutschnee, Brettschnee, Faulschnee, Filzschnee, Firn, Flugschnee, Harsch (Windharsch, Schmelzharsch, Bruchharsch), Industrieschnee, Kunstschnee, Lawinenschnee, Lockerschnee, Nassschnee, Neuschnee, Pappschnee, Pulverschnee, Schwimmschnee, Sulz, Triebschnee, und Wildschnee. Dazu kommen Übergangsformen hin zum Regen, wie Schneeregen und Eisregen, und hin zum Hagel, wie Griesel (oder Schneegriesel) und Graupel (Frostgraupl, Reifgraupel), sowie Wörter wie Schneedecke, Schneeverwehung, Schneeflocke, Schneewehe, Schneetreiben, Schneesturm, usw., die in gewisser Weise ebenfalls Erscheinungsformen von Schnee bezeichnen, und Wörter wie Eislamelle („dünne Eisschicht an der Schneeobefläche“), die bestimmte Aspekte bestimmter Schneeformen bezeichnen (Definitionen für all diese Wörter gibt es z.B. hier und hier (PDF) — sie ähneln denen für die Eskimowörter stark).

Akzeptieren wir auch bei den deutschen Wörtern zunächst alle hier genannten, dann sind es bereits mehr als dreißig, und es dürfte nicht schwer fallen, noch mehr zu finden. Eins ist also klar: Wenn die Eskimos „viele“ Wörter für Schnee haben, dann haben die Deutschen das auch. Anders gesagt: Es gibt keinen besonderen Grund, über die Größe des Schneevokabulars der Eskimo-Aleut-Sprachen zu staunen.

Nun müssen wir uns der zweiten Frage zuwenden: Wann ist ein Wort ein „Wort für Schnee“? Bei den genannten deutschen Wörtern fallen mindesten drei Probleme auf: Erstens müssen wir entscheiden, wo Niederschlag aufhört, Schnee zu sein — zählen etwa Schneeregen und Graupel noch? Zweitens müssen wir uns fragen, ob Wörter wie Schneeverwehung oder Schneetreiben Wörter für „Schnee“ sind, oder eben Wörter für bestimmte Arten von „Verwehungen“ und „Treiben“. Und drittens müssen wir entscheiden, ob ein Wort wie Eislamelle, das ja eindeutig einen Teil der Schneedecke beschreibt, dadurch zu einem Wort für Schnee wird, oder eben für eine bestimmte Art von Eis, das sich aus Schnee bildet.

All diese Probleme haben wir auch bei der Liste der Eskimowörter des kanadischen Kollegen: Ist z.B. aumannaq noch Schnee, oder ist es eben Schneematsch (oder slush, wie man auf Englisch so treffend sagt)? Sind aqilluqaaq und sitilluqaq Wörter für Schnee, oder für Verwehungen, die eben aus Schnee bestehen? Und schließlich, ist katakaqtanaq Schnee, oder ist es (wie die Eislamelle) eine Eiskruste, die sich aus Schnee gebildet hat?

Zum Teil sind die Antworten auf diese Fragen (wie bei den deutschen Wörtern) schwierig, die Abgrenzungen beliebig. Aber zum Teil lassen sie sich klar beantworten — und die Antworten zeigen, dass das Problem solcher Listen mit „Schneewörtern“ noch viel größer ist als gedacht. So weist Dorais selbst (dem übrigens in keiner Weise daran gelegen ist, die Zahl der Schneewörter in den Eskimo-Aleut-Sprachen kleinzureden) in einem Eintrag zu Schneewörtern in der Canadian Encyclopedia ausdrücklich darauf hin, dass eine ganze Reihe der von ihm genannten Wörter tatsächlich gar keine Wörter speziell für Schnee sind, sondern, allgemeinere Begriffe, die auch auf Schnee bezogen werden können. Beispielsweise wird maujaq zwar häufig verwendet, um „weichen Schnee auf dem Boden“ zu bezeichnen, tatsächlich bedeutet es aber nur „weicher Boden“, kann also (wenn der Boden schneefrei ist) auch auf schlammige oder sumpfige Stellen bezogen werden. Auch illusaq wird zwar verwendet, um über „zum Bauen eines Iglus geeigneten Schnee“ zu sprechen, tatsächlich bedeutet es aber „Baumaterial“ (genauer: „das, was ein Haus werden kann“) — kann auch Holz, Backsteine usw. bezeichnen, wenn das zu bauende Haus kein Iglu ist. Auch bezeichnet sitilluqaaq nicht ausschließlich „harte Schneewehen“, sondern jede „kürzlich entstandene harte Masse“.

Wer etwas Forschergeist mitbringt, kann sich nun ein Wörterbuch des Westgrönländischen (oder einer anderen Eskimo-Aleut-Sprache) greifen und auch andere Wörter auf der Liste der „Schneewörter“ entzaubern; aqilluqaaq kann zwar verwendet werden, um über „weiche Schneewehen“ zu reden, aber auch über jede andere Masse, die sich gerade auflöst, bzw. weich wird; masak kann „nassen fallenden Schnee“ bezeichnen, bedeutet aber schlicht „Feuchtigkeit“; aumannaq bezeichnet „Schnee auf dem Boden am Schmelzpunkt“, es leitet sich aber nicht von einem Wort für „Schnee“ sondern vom Wort für „weich/geschmolzen“ ab, und so weiter.

Lässt man also nur die Wörter gelten, die sich tatsächlich und ausschließlich auf Schnee beziehen, verkürzt sich Dorais’ Liste schon bei oberflächlicher Betrachtung um ein Drittel, und wenn sich jemand findet, der mehr Zeit und Lust zum Wörterbuchblättern hat als ich, würde sie schnell noch weiter schrumpfen.

Bleibt die dritte Frage: Was ist überhaupt ein „Wort“. Fangen wir auch hier mit den deutschen Beispielen an: es ist klar, dass Schnee, Firn, Harsch und Sulz Wörter sind, aber ist es fair, auch Zusammensetzungen wie Altschnee, Filzschnee, Pappschnee, Triebschnee usw. jeweils als eigene Wörter zu zählen? Schließlich setzen sie sich alle aus jeweils zwei bereits vorhandenen Wörtern zusammen, von denen wir eins (nämlich Schnee) bereits gezählt haben. Wenn wir sie nicht mitzählen, reduziert sich unsere Liste für Schneewörter beträchtlich. Wenn wir sie aber mitzählen, wird die Liste unendlich lang, denn die Bildung zusammengesetzter Substantive ist im Deutschen ein produktiver Prozess. Nichts hindert uns daran, Wörter für Schnee zu bilden, der zu verschiedenen Tageszeiten gefallen ist (Nachtschnee, Morgenschnee, Zwölf-Uhr-Schnee, …), der in verschiedenen Gegenden oder auf verschiedene Böden gefallen ist (Alpenschnee, Flachlandschnee, Wiesenschnee, Stadtschnee, …), der für verschiedene Dinge taugt (Igluschnee, Schneeballschnee, Teewasserschnee, …), oder was einem sonst so in den Sinn kommt. Wieviele Wörter für Schnee in einem deutschen Wörterbuch stünden, läge dann in der freien Entscheidung der jeweiligen Lexikograf/innen — mit der Frage, wieviele Wörter für Schnee es im Deutschen gibt, hätte das nichts mehr zu tun.

Dasselbe Problem stellt sich natürlich auch in den Eskimo-Aleut-Sprachen. Schon die oben präsentierte Liste enthält Gruppen von zusammengesetzten Wörtern, die bestimmte Wortteile gemeinsam haben: masak, matsaaq und mannguq, etwa, oder qanik, qanittaq, qannialaq, qanniapaluk. Auch hier können wir die Liste schnell weiter eindampfen, wenn diese Wörter nicht einzeln gezählt werden, sondern nur der Bestandteil, der sich tatsächlich auf Schnee bezieht, in die Zählung eingeht (z.B. qanik für „fallenden Schnee“). Und auch hier bekommen wir, wenn wir uns nicht beschränken und auch zusammengesetzte Wörter mitzählen, eine potenziell unendliche Liste für Schneewörter. Etwas besonderes wäre diese Schwemme an Schneewörtern dann allerdings nicht mehr, denn auf die selbe Weise können wir — im Deutschen, in den Eskimo-Aleut-Sprachen und in jeder anderen Sprache — unendlich viele Wörter für jeden anderen Bedeutungsbereich bilden.

Bei den Eskimo-Aleut-Sprachen kommt hinzu, dass es sich um sogenannte polysynthetische Sprachen handelt, bei denen sich erstens Wörter grundsätzlich aus vielen kleinen Wortbestandteilen zusammensetzen und bei denen es zweitens keine klare Grenze zwischen Wörtern und Sätzen gibt. Nicht nur zusammengesetzte Wörter für Schnee (und alles andere) sind so möglich — auch Ausdrücke, die im Deutschen ganze Sätze wären, wie „Schneeflöckchen, Weißglöckchen, wann kommst du geschneit?“, „In der Nacht zieht im Norden Regen oder Schnee mit Glätte auf“ oder „Dude, wo ist mein Auto unter dem ganzen Schnee?“, wären in diesen Sprachen Wörter und könnten von übereifrigen Sammlern in Wörterbücher aufgenommen werden. Und wer mal ein Wörterbuch für eine Eskimo-Aleut-Sprache aufgeschlagen hat, weiß, dass sich dort tatsächlich Einträge für ganze Sätze finden.

Wir fassen zusammen: Wer die Liste mit den Schneewörtern hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aus diesem Grund verlassen wir uns im Sprachlog niemals auf Behauptungen, die wir in der Teeküche aufschnappen oder Wörterlisten, die wir im Internet finden, sondern sprechen nur über Dinge, von denen wir etwas verstehen (und natürlich reden wir über uns so selten wie möglich im Plural).

 

©2012, Anatol Stefanowitsch

[Full Nondisclosure: Wem einige der Randbemerkungen hier zu kryptisch sind, der google bitte etwas. Verlinkungen auf pseudobildungsbürgertümelnde Langweilerwebseiten gibt es hier nämlich nicht. Ich sage aber mal so: Es lohnt sich nicht wirklich.]

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

34 Kommentare

  1. Wunderbar

    Endlich ein Text zum Thema Schneewörter der Eskimos der perfekt zwischen Geringschätzung der Stammtischbehauptung und fachlichem Diskurs eine Brücke baut.

  2. Als ich noch in Berlin wohnte, kannte ich im Grunde nur zwei Wörter für Schnee:

    1. “Schnee” (bezeichnet frisch gefallenen Schnee)

    2. “Sauerei” (alle anderen Formen)

    Ich finde, hieraus sollte man auch mal einen Sprachmythos bilden. Nur so zur Abwechslung.
    Der mythenstiftende Artikel könnte so beginnen: “Bei dem von der Natur entfremdeten Größstädter hat ein dramatischer Verfall der Zahl der Wörter für Schnee eingesetzt, sind es bei den indigenen Bewohnern der norddeutschen Tiefebene noch 26, …”

  3. Schnee!

    Wir halten fest: Die Linguistik-Mafia ist offensichtlich besessen von Schnee und hat ihr geheimes Hauptquartier vermutlich im ewigen Eis, direkt neben Santa Claus und der Festung der Einsamkeit. Den Großteil ihrer Zeit, die nicht mit wahnsinnigen Welteroberungsplänen verbracht wird, sitzt man zusammen im Schnee und gibt jeder Flocke einen eigenen Namen.

  4. dislike

    Das “auf die doofen Seiten verlinke ich nicht”-Spielchen changiert übrigens stark ins Arrogante und paßt so gar nicht zum aufgeklärten Internetversteher Stefanowitsch, der eigentlich weiß, daß Internet-Diskurs von Links lebt.

  5. @ kreetrapper

    Ich habe gegoogelt und – es lohnt sich wirklich nicht wirklich.

  6. Andreas Knepper

    Sorry für den trolligen Kommentar, aber die Einleitung liest sich wie “Herrgottzeiten, warum liest denn keiner, der was veröffentlichen will, erstmal in meinem Blog nach, ob er das auch richtig macht! Ich hab das doch jetzt schon echt zig Mal …”

    Will sagen: Bescheidenheit ist eine Zier ;o)

  7. Ich habe früher ja noch “Schneeflöckchen, weiß Röckchen…” gesungen (und insofern grade ein neues Wort für Schnee gelernt).

  8. Um Sie zu zitieren:

    „Es ist deshalb sicher verständlich, dass die Autoren des Language Log mittlerweile auf die bloße Erwähnung von Schneevokabular gereizt reagieren.Trotzdem finde ich, dass Language Logger Ben Zimmer in seinem jüngsten Beitrag zum Thema etwas überempfindlich wirkt.“ (https://scilogs.spektrum.de/…10-06-28/schneeschleudern)

    Ihre sachliche, durchaus interessante Darlegung ist von persönlichen Seitenhieben nur so gespickt. Das kann der „Gegenseite“ sicher ebenfalls vorgeworfen werden, schade ist es dennoch.

  9. Jetzt bitte noch eine Abhandlung für Eis

    Interessant, habs aber trotzdem nicht ganz durchgelesen. Und “pseudobildungsbürgertümelnde Langweilerwebseiten” versuch ich mir zu merken 😉

  10. Diskurskultur, Arroganz, Seitenhiebe

    Das “auf die doofen Seiten verlinke ich nicht”-Spielchen changiert übrigens stark ins Arrogante und paßt so gar nicht zum aufgeklärten Internetversteher Stefanowitsch, der eigentlich weiß, daß Internet-Diskurs von Links lebt.

    Internet-Diskurs lebt so lange von Links, wie die Links zum Diskurs beitragen. Wo das nicht der Fall ist, nennen wir sie Spam-Links, die zum Internet-Diskurs nichts beitragen, sondern ihn ersticken. Dass ich ein aufgeklärter Internetversteher bin, weise ich im übrigen ausdrücklich von mir, aber selbst wenn: auch aufgeklärte Internetversteher sind nicht verpflichtet, jedem Blödsinn, den irgendein Depp ins Internet stellt, eine Bühne zu geben. Das Kommentieren in Blogs ist ein Privileg, kein Recht, und das gilt auch für das Verlinktwerden. Wer findet, dass ich hier übermäßig regulierend agiere, kann ja mal die Trollkommentare und persönlichen Verleumdungen gegen mich zählen, die ich stehenlassen habe, oder die Links auf die Seiten vom Verein Deutsche Sprache u.a.

    Sorry für den trolligen Kommentar, aber die Einleitung liest sich wie “Herrgottzeiten, warum liest denn keiner, der was veröffentlichen will, erstmal in meinem Blog nach, ob er das auch richtig macht! Ich hab das doch jetzt schon echt zig Mal …”

    Ganz und gar kein trolliger Kommentar — Ihre Lesart ist exakt die von mir beabsichtigte 😉

    Ihre sachliche, durchaus interessante Darlegung ist von persönlichen Seitenhieben nur so gespickt.

    Absolut! Einen anderen Grund hätte es für mich ja auch gar nicht gegeben, dieses tote Pferd weiter zu reiten. Zimmer habe ich seinerzeit deshalb Gereiztheit vorgehalten, weil es in seinem Beitrag um das Isländische ging, und kein Languagelogger hatte je gezeigt, dass das Isländische KEINE 100 Wörter für Schnee hat. Ich fand, dass es schlechter Stil war, von einem kleinen Schneevokabular in den Eskimo-Aleut-Sprachen automatisch auf ein kleines Schneevokabular des Isländischen (einer germanischen Sprache mit völlig anderem Aufbau) zu schließen. Dazu stehe ich nach wie vor; ich selbst gehe gerade relativ glaubhaften Hinweisen nach, dass das Saamische ein beeindruckend großes Schneevokabular hat. Schließlich geht es (mir zumindest) nicht darum, die Existenz großer Schneewortschätze grundsätzlich zu bestreiten, sondern darum, sie nicht beliebig irgendwelchen Sprachen zuzuschreiben, weil einem das eben gerade in den Kram passt. Der Saamisch-Fall könnte sich aus verschiedenen Gründen als sehr lehrreich erweisen, da die seriösen Quellen aber etwas aufwändiger zu beschaffen sind, wird mein Beitrag dazu noch etwas auf sich warten lassen.

  11. Abseits des Schnees

    Ist “pseudobildungsbürgertümelnd” ein Pleonasmus oder gar eine doppelte Verneinung?

    Nach meinem Verständnis bedeutet “X-tümelnd”, dass man nur so tut, als wäre man X, in Wirklichkeit aber nicht X ist. Das Volkstümelnde entstammt eben nicht dem “Volk”, sondern tut nur so. Dementsprechend würde eine bildungsbürgertümelnde Internetseite also nur so tun, als verbreite sie bildungsbürgerliche Inhalte. Wenn es jetzt aber eine PSEUDObildungsbürgertümelnde tut sie dann nur so, als ob sie so täte – etwa deshalb weil sie eigentich doch dem Bildungsbürgertum entstammt?

  12. Trip

    War vor kurzen in Kanada und da hätte ich die Begriffe gebracht. Aber nun kann ich es ja mal in meinen Wortschatz aufnehmen und bei meinem nächsten Trip nutzen.

  13. Gesternschnee

    Auch hier wieder: Unübertrefflich die deutsche Sprache! Wenn wir nur wollten, bekämen wir – wie heißt das nochmal, wenn man neue Wörter komponiert, also zusammensetzt, um so aus zwei oder drei oder noch mehr Wörtern ein neues zu machen? – mehr Wörter für Schnee zusammen als die Eskimos jemals hatten, gehabt haben könnten oder jemals hätten haben wollen!

  14. @Phaeake: Meine Intuitionen zur Bedeutung von Xtümeln decken sich nicht mit Ihren. Ich verstehe unter Xtümelei nicht “so tun, als sei man X” sondern etwa “sein Xsein mit einigem Bohei zelebrieren”. (Matussek wäre also ein Christentümler.)

    Das Wiktionary erklärt Deutschtümelei als “übertriebene Wertschätzung/Betonung alles dessen, was als deutsch angesehen wird”, was sich ungefähr mit meiner Intuition decken würde, wenn auch das Deutschsein nicht explizit vorausgesetzt ist.

  15. Wenn wir nur wollten, bekämen wir – wie heißt das nochmal, wenn man neue Wörter komponiert, also zusammensetzt, um so aus zwei oder drei oder noch mehr Wörtern ein neues zu machen?- mehr Wörter für Schnee zusammen als die Eskimos jemals hatten, gehabt haben könnten oder jemals hätten haben wollen!

    Ist das hier ‘ne Bullenweide?

  16. @ David: Christen- und andere -tümler

    Nach einer Google-Abfrage mit dem Begriff “Christentümler” führt die Mehrzahl der Top-10-Treffer auf Friedrich Nietzsche, der in “Meschliches, Allzumenschliches” schrieb:

    Christentümler, nicht Christen. — Das wäre also euer Christentum! — Um Menschen zu ärgern, preeist ihr “Gott und seine Heiligen”, und wiederum, wenn ihr Menschen preisen wollt, so treibt ihr es so weit, dass Gott und seine Heiligen sich ärgern müssen. — Ich wollte, ihr lerntet wenigstens diee christlichen Manieren, da es euch so an der Manierlichkeit des christlichen Herzens gebricht.

    Nietzsches Verständnis des “-tümelns” dürfte also eher für meine Auffassung sprechen. Wobei ich Ihnen Recht gebe, dass “Deutschtümeln” ein Punkt für sie ist. “Kindertümelnd” eher wieder für mich. Es bleibt spannend, vielleicht haben wir ja beide Recht.

  17. Tümelei und Unsicherheit

    Tatsächlich, Nietzsches Verwendung spricht klar für Ihre Deutung. Meine Intuitionen leiteten sich hauptsächlich aus der sicherlich jüngeren Form “deutschtümeln” ab.

    Aber auch da gibt es freilich eine gewisse Unschärfe; vielleicht, weil die Tümelei oftmals gerade den Eindruck besonderer Unsicherheit erweckt. (Nachhaltig beeindruckt hat mich, daß jemand, der selbst anscheinend keinen geraden deutschen Satz herausbringt, sich ausgerechnet dazu berufen fühlt, die deutsche Sprache gegen das ‘Anglo-Sprech’ zu verteidigen, das uns bekanntlich in die Bankenpleite gemacht hat.) Tümelei wird vielleicht gerade dadurch unecht, daß sie besonders echt sein will. Hinsichtlich der Pseudobildungsbürgertümelei wäre nun auch interessant, welche Absichten damit verbunden sind. Versteht man, wozu ich gerade tendiere (und was auch die Brücke zwischen unser beider Verständnis bilden könnte), Xtümelei als notwendig mit Bemühungen verbunden, als besonders X zu erscheinen, so wäre Pseudobildungsbürgertümelei notwendig mit Bemühungen verbunden, als besonders pseudobildungsbürgerlich zu erscheinen, was tatsächlich nicht viel Sinn ergäbe.

  18. Dort werden zwar nicht 400 vorgegeben, sondern “nur” 200, aber gegen den “The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy” kämpfen selbst (Sprach-)Götter vergebens: http://en.wikiquote.org/…_the_Galaxy#Chapter_2_4

  19. Okay überzeugt, aber:

    Was heißt überzeugt. Im Grunde hat mich die Frage nie beschäftigt und ich hab nur wegen Ihres Blogs darüber nachgedacht. Aber natürlich kannte ich die 1000 Wörter für Schnee-Behauptung und die klang ja auch irgendwie ganz sinnvoll.

    Nun haben Sie also alles widerlegt, aber dann stellt sich mir unmittelbar eine andere Frage: Warum haben Eskimos nicht mehr Wörter für Schnee? Da Schnee in ihrem Alltag eine viel größere Rolle spielt, als in meinem, wäre das nicht eine wahrscheinlich Folge?
    Anders herangegangen: Von den Worten “Schnee, Firn, Harsch und Sulz” kannte ich nur die ersten beiden und Firn kannte ich zwar, konnte es aber bis vor fünf Minuten nichtmal ansatzweise definieren. Defakto kannte ich als überdurchscnittlich gebildeter junger deutscher Stadtbewohner ein Wort für Schnee (und die ein oder andere Zusammensetzung à la Matschschnee, Neuschnee, Pulverschnee). Statt zu fragen, wie viele Wörter exisiteren, könnte man also Fragen: Kommen im allgemein verbreiteten Vokabular der Eskimos eine (deutlich) größere Zahl an Wörtern für Schnee vor, als im allgemein verbreiteten Vokabular der deutschen Sprache?

    Da würde ich dann doch intuitiv ja sagen. Ist das dann noch Sprachwissenschaft? Oder schon Kulturwissenschaft?

    PS: Ist es ein Mangel, die Wörter Harsch und Sulz nicht zu kennen?

  20. Und sorry…

    …für meine etwas erratische Rechtschreibung. Das nächste Mal lese ich vor dem Absenden ‘rüber… 😉

  21. Diskurs

    Internet-Diskurs lebt so lange von Links, wie die Links zum Diskurs beitragen. Wo das nicht der Fall ist, nennen wir sie Spam-Links, die zum Internet-Diskurs nichts beitragen, sondern ihn ersticken.

    Ich finde es eben albern, wenn der Beitrag anfängt mit “Ich habe einen Anlass dies alles noch mal aufzuwärmen, sage aber nicht welchen”. Klar ist Dir das unbenommen, ist ja Dein Blog. Um Kommentare und Zensurvorwürfe ging es mir übrigens gar nicht, nur um die unnötige Verkomplizierung um bestimmten Langweilern kein Forum zu geben. Damit machst Du es doch eher noch interessanter als es vermutlich ist.

    Wahrscheinlich denke ich da aber auch zuviel drüber nach. Hmm, ob ich dann wohl auch mehr Wörter dafür habe als andere?

  22. Und es lohnt sich doch

    Habe nach der Webseite gegoogelt und muss A.S. widersprechen, der Besuch lohnt sich. Besonders das Video über die Entstehung der Schrift ist hochinteressant.

  23. Hitchhiker…

    Nunja, wie soll ich es sagen? Macht sich Douglas Adams möglicherweise lustig? “Schnee auf den ein Husky gepinkelt hat”??

  24. Skisport kreiert weitere Worte für …

    … Schnee.

    Vielleicht interessiert es Herrn Stefanowitsch ja noch (obwohl ich den Eindruck habe, dass Sie sich an den Diskussionen zu Ihren Artikeln gar nicht beteiligen):
    Der moderne Ski Leistungssport sorgt für “noch mehr Schnee”. Die folgenden “Schnee Sorten” sind mir weder in Ihrem Artikel, noch innerhalb der verlinkten Seiten untergekommen (habe die allerdings auch nur “überflogen”:

    aggressiver Schnee – (im alpin Skisport gebräuchlich, wenn die Kanten der Ski besonders heftig greifen)

    toter Schnee – (ungefähr das Gegenteil des aggressiven Schnees, entsteht unter lang anhaltender Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen, meist im Frühjahr)

    mechanischer Schnee – (synonym zu “volkstümlich” Kunstschnee und wahrscheinlich wohl Industrie Schnee)

    Es liegt ja auf der Hand, warum das Deutsche die Inuit-Sprache “beim Schnee” überholt oder überholt hat. Technische Innovation, Skisport und vermehrt auch Ski-Leistungssport sorgen mit dafür. Vielleicht gibt´s ja mittlerweile schon verschiedene “Hallenschnee-Sorten”. Übliche Praxis ist es jedenfalls, in der Halle (im Ruhrgebiet) Schnee zu produzieren, um ihn dann z.B. in Willingen (Hochsauerland) beim Skisprung-Weltcup einzusetzen, oder in Düsseldorf beim Langlauf-Weltcup.

  25. Nochmehr Schneesorten

    @Detlef Piepke

    …obwohl ich den Eindruck habe, dass Sie sich an den Diskussionen zu Ihren Artikeln gar nicht beteiligen…

    Ich melde mich tatsächlich nur, wenn ich es für nötig halte. Wenn ich neben meinem Hauptberuf und dem Bloggen noch intensiv mitdiskutieren würde, müsste ich meine Familie und meine sowieso schon ziemlich kurze Nachtruhe abschaffen. Dies ist ja außerdem kein Forum, sondern ein Blog.

    … aggressiver Schnee… toter Schnee … mechanischer Schnee …

    Ja, auch in der Wissenschaft gibt es noch eine Reihe solcher Adjektiv+Schnee-Begriffe, die zwar keine Wörter (sondern eben Phrasen aus mehreren Wörtern) sind, die aber trotzdem konventionell verwendet werden und eine klar definierte Bedeutung haben. Eigentlich müsste man die in der Tat alle mitzählen (in den Eskimo-Aleut-Sprachen wären alle diese Phrasen sowieso Wörter). Industrieschnee ist übrigens kein Synonym für Kunstschnee, sondern ein Wort für Schnee, der aus dem Dampf von Industrieanlagen entsteht.

  26. @A.S.

    OK, verstehe. (wg. Familie und Nachtruhe)
    Und, danke für die Reaktion.

    Als sprachlich hoch interessierter Amateur fehlt mir die wissenschaftliche Begriffs-Ausstattung. Allerdings befreit das Amateur-Dasein auch in angenehmer Weise von akademischen Zwängen.
    Also kreiere ich jetzt die “neuen” Wörter:

    – Aggressivschnee
    – Totschnee
    – Mechanikschnee

    (verblüffend, “Mechanikschnee” wird von der Rechtschreibkorrektur nicht unterschlängelt … gibt´s das also schon? (“unterschlängelt” wird allerdings unterschlängelt … wer soll sich da noch auskennen …)

  27. Word!

    3. Was ist überhaupt ein „Wort“?

    Diese Fragen zu beantworten, ist nicht besonders schwer.

    Muhaha.

    Auf diese Frage gibt es mehr Antworten als Linguisten.

  28. @Crissov: Darüber habe ich mich auch etwas gewundert. Die einzige wirklich brauchbare Antwort auf diese Frage ist in meinen Augen eine explizite Grammatik der Sprache, und die ist nicht immer einfach zu finden und auch nicht unbedingt eindeutig.

  29. @Detlef Piepke

    Die Wortbildungen
    – Aggressivschnee
    – Totschnee
    – Mechanikschnee
    sind sehr kreativ, allerdings offenbar in unterschiedlichem Maße möglich (oder “typisch” für das Deutsche) – darauf gibt es akademische Antworten, und deshalb lohnt sich das Studium der Wortbildung: Komposita mit adjektivischen Erstgliedern sind eher selten; Sprecher des Deutschen scheinen diesen Formen nicht so recht zu trauen. Komposta mit nominalen Erstgliedern sind dagegen nahezu unbegrenzt bildbar (eine vernünftige Rechtschreibprüfung sollte hier tunlichst auf das Unterkringeln verzichten…)
    Deshalb also wirken die ersten beiden Bildungen irgendwie merkwürdig, die letzte dagegen nicht so.

  30. Wie Feige ist das denn?

    Den “Gegner” nicht einmal beim Namen zu nennen – wohl aus Angst, dass seine Argumente besser sind – richtet sich selbst.

  31. Bin nicht ganz überzeug

    Also nachdem ich den ursprünglichen Text im Bremer Sprachblog und den obigen nochmals gelesen haben, muss ich sagen: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass zwar viel allgemeines Wissen über die Eskimo-Aleut-Sprachen vorhanden ist, aber niemand so recht weiß, wie die Inuit wirklich über Schnee reden.

    Ich spekuliere jetzt ein bisschen.

    Im Deutschen sagt man fast nur “Schnee”, Komposita sind vergleichsweise selten. Und wenn man “Schnee” sagt, reicht das für die Kommunikationssituation auch meist aus. Ich habe nie erlebt, dass jemand fragt: “Schnee? Was denn für Schnee?”

    Es gibt aber Fälle, im Deutschen, wo das anders ist.

    Bspw. beim Wort “Tag” in der Bedeutung “politisches Gremium, Versammlung.” Man kann nicht sagen: *”Morgen findet eine öffentliche Sitzung des Tages statt.” Man muss sagen: Kreistag, Landtag, Bundestag, Städtetag, Parteitag, Kirchentag. Das sind feststehende Ausdrücke. Nur theoretisch kann man das Wort “Tag” unendlich kombinieren, faktisch ist der Stamm nicht produktiv. Zusammensetzungen wie *”Aktionärstag”, *”Universitätstag”, *”EU-Tag”, *”NATO-Tag” kommen nicht vor. Das Argument “Man kann Wörter ja eh unendlich kombinieren” zieht hier also nicht.
    Es folgt daraus, dass man gut sagen könnte: “Das Deutsche hat verschiedene Ausdrücke für Gremien und Versammlungen und differenziert hier nach Zuständigkeit und/oder Zusammensetzung.” Und diese Aussage sagt durchaus etwas über unsere Kultur.

    Ich halte es durchaus nicht für völlig abwegig, dass es in den Eskimo-Aleut-Sprachen ähnlich ist. Dass hier das Simplex für Schnee (welches auch immer) quasi nie vorkommt, weil es alleinstehend nicht spezifisch genug für die Kommunikationssituation ist, und stattdessen ein relativ stabiler Satz von Komposita, der faktisch kaum erweitert werden kann, angewandt wird.

    Kann aber auch sein, dass es völlig anders ist.

    Also: Es ist weitere Forschung nötig!

  32. Noch eine Ergänzung

    Je länger ich über das Problem nachdenke, desto mehr reift in mir die Erkenntnis, dass das ganze zwar auch ein sprachwissenschaftliches, weil lexikologisches, Problem ist, auch und vor allem aber ein kulturwissenschaftliches.

    Die Frage, die diskutiert wird, heißt immer: Wie viele Wörter gibt es in den Eskimo-Aleut-Sprachen für “Schnee” und was sagt das über die Kultur aus?

    Gut. Die Aussage: “Die Eskimos haben 50 Wörter für Schnee, weil Schnee für die Eskimos so wichtig ist” mag als widerlegt gelten.

    Aber die Frage sollte doch eher heißen: “Wann und wie werden in einer Kultur Phänomene differenziert betrachtet?”

    Wenn ich sage “Ich schaue einen Film” können sehr schnell Nachfragen kommen: Dokumentarfilm/Spielfilm? Trickfilm? Kurzfilm/Langfilm? Welches Genre? Und so weiter.
    Selbiges gilt, wenn ich sage: “Ich habe ein Auto gekauft” Hier gelten die Rückfragen der Marke, der Ausstattung, technischer Einzelheiten (Automatik ja/nein?), Farbe, Größe etc.
    Das geschieht, bei diesen Beispielen in unserer Kultur sehr genau differenziert wird. Nicht nur bei Spezialist_innen, sondern häufig in der “Allgemeinheit”.

    Wenn ich aber sage: “Ich war gerade im Wald spazieren”, ist die Rückfrage nicht: “Was für ein Wald? Nadelwald? Mischwald? Wie alt sind die Baumbestände?” Das interessiert in unserer Kultur eben nur einige Expert_innen.

    Ich denke schon, dass das einiges über Kultur aussagt.

    Falls es dazu in Bezug auf Inuit und das Phänomen Schnee empirische Studien gibt, tauchen sie zumindest in der Diskussion nicht auf. Falls es sie doch gibt: Her damit! Falls nicht sollte man sie vielleicht machen.

    Ich kann mir nämlich vorstellen, dass womöglich im vorletzten Jahrhundert ein Volkskundler tatsächlich beobachtet hat, dass bei den Eskimos sehr differenziert und spezifisch über Schnee geredet wird, dessen Beschaffenheit genau betrachtet und diskutiert wird, während wir meist pauschal von “Schnee” reden. Es könnte sein, dass aus dieser Erkenntnis dann auf dem stillen Postweg die unsäglich Aussage wurde: “Die Eskimos haben 50 Wörter für Schnee.”