»Sprechstunde mit Redakteur Steve Ayan im Januar 2022«

11 Minuten mit Gehirn&Geist, 6. Januar 2022

Redakteur Steve Ayan, Spektrum der Wissenschaft

4 Kommentare

  1. Einige oder sogar viele Themen in Gehirn&Geist gehen in ihrer Bedeutung über das Indivualpsychologische deutlich hinaus und haben gesamtgesellschaftliche und gar politische Bedeutung. Ich denke da an das im Video angesprochene Verlangen nach Belohnung und den negativen Einfluss von Enthaltung/Verzicht auf das Wohlbefinden und letztlich sogar das Erreichen von Zielen.

    Politisch zeigt sich das aktuell darin, dass die eigentlich beste Lösung für das Klimaproblem, nämlich Preiserhöhungen für alle CO2 behafteten Produkte, im Publikum gar nicht gut ankommt, denn das wird als (permanente) Bestrafung erlebt. Die Kaufprämie für das Elektroauto kommt dagegen sehr gut an, denn es ist eine Belohnung für ein gesellschaftlich erwünschtes Verhalten. Wenn man ein E-Auto kauft wird man aktuell sogar doppelt belohnt: man tut was Gutes und bekommt sogar noch Geld dafür. Doch klimapolitisch wäre das erste, nämlich CO2-Abgaben auf alle CO2 behafteten Dinge vom Auto über die Heizung bis zum Fliegen sehr viel breiter wirksam, sehr viel wirksamer. Hier müsste man nun fragen: wie können wir die gleiche Breitenwirksamkeit wie bei einer CO2-Abgabe erreichen ohne dass wir bestrafen oder mindestens ohne dass die Massnahmen als Bestrafung erlebt werden? Falls die Psychologie oder das Wissen um den menschlichen Geist hier weiterhilft, dann wäre dieses Wissen also sogar von eminent politischer Bedeutung.

  2. Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Holzherr. Sie haben völlig Recht, nicht wenige Themen bei uns haben eine gesellschaftliche oder politische Dimension, schließlich liefert psychologische Forschung oft interessante Hintergründe zu aktuellen Debatten und kann dabei helfen, diese einzuordnen. Nicht umsonst berücksichtigen wir Redakteure bei der Auswahl von Themen immer auch, was “auf der Agenda” steht.

    In Bezug auf Energiekosten, CO2-Preise und Kaufprämien sehe ich zunächst eine ganz simple Erklärung: Alles, was teurer wird, ist subjektiv erstmal schlecht, kriegt man dagegen Geld geschenkt, findet man’s gut. Die ökologische Zweckrationalität dahinter ist oft zweitrangig: Wenn ich plötzlich viel mehr fürs Heizen oder Tanken ausgeben muss, so schmerzt das eben, selbst wenn die Erhöhung im Sinne der Klimaziele sinnvoll ist. Das wird uns bei der anstehenden Transformation an vielen Ecken begegnen: Eigentlich findet man’s ja richtig, aber bitte kein Windrad vor der eigenen Haustür und keinen Druck auf den eigenen Geldbeutel! Mir scheint, die finanziellen Ressourcen sind hier entscheidender als das Klimagewissen – wer es sich gut leisten kann, den stören Preissteigerungen eben weniger.

    Wenn Sie sich für solche Fragen interessieren, kann ich Ihnen unser neues Dossier “Wie wir leben wollen” wärmstens empfehlen. Darin sind viele Beiträge zu Verzicht, Moral und Umweltpsychologie versammelt: https://www.spektrum.de/inhaltsverzeichnis/wie-wir-leben-wollen-gehirn-und-geist-dossier-5-2021/1792730

  3. Kleines Feedback, Steve :

    1.) Zur ‘Selbstkontrolle’ fällt dem Schreiber dieser Zeilen die Führung eines Tagebuchs ein, es macht schon Sinn schriftlich niederzulegen, was getan worden ist, dies dies auch dem sog. Zeitmanagement.
    Ein gewisser Überbau, der von produktiver Arbeit abhält, ist in Kauf zu nehmen, die Dokumentation von geleisteter Arbeit ist wichtich (mittelniederdeutsch).

    2.) Sie kommen, Steve, nett, glaubwürdig und klug rüber, Dr. Webbaer rät an ein noch besseres Sound-System zu verwenden und vielleicht im Interaktiven noch mehr auf zeitnahes Feedback im sogenannten Stream einzugehen (dieses vielleicht auch mehr zu evozieren suchen); aus “11 Minuten mit Steve” dürfen dann aus Sicht einiger auch ein wenig mehr (Minuten) werden, wie ja auch dankenswerterweise vglw. oft geschehen.
    (Die “Grateful Dead”, kleiner Gag am Rande, waren ja in ihren Sessions auch eher “Open end”.)

    3.) Die Replizierungskrise, die Krise mit der Replikation von wissenschaftlichem Ergebnis, hängt eng mit dem Konfidenzniveau zusammen, das möglichst hoch sein darf beim Studien-Design; in der Psychologie ist ein sehr hohes derart gemeintes Niveau schwer zu erreichen, Probanden kosten, Dr. Webbaer weiß dies.

    4.) Dr. Webbaer ist psychologisch sehr interessiert, hat viele Jahre, in den Achtzigern ein (bundesdeutsches) Konkurrenzmagazin gelesen, als Fachfremder, das es wohl auch heute noch gibt, wünscht weiterhin viel Erfolg, und mag auch das Thema ‘Todsünden bei wissenschaftlicher Tätigkeit’, nämlich u.a. auch vorschnelle oder gar falsche Einordung von korrelativen Ergebnissen.
    Ein wenig handgreiflicher darf womöglich geworden werden.

    Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
    Dr. Webbaer

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