Leserexkursion zum Forschungszentrum Jülich

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Text: Gerd Marmitt, Laudenbach
(Abonnent von Spektrum der Wissenschaft & Sterne und Weltraum)

Zum Jahresabschluss wartete auf die Leser der »Spektrum«-Fachzeitschriften ein besonderer Leckerbissen. Auf dem Programm stand der Besuch des Forschungszentrums Jülich, wo uns ein geplant dreistündiges Programm, selbstverständlich wieder mit vielen Fragen der Leserschaft, erwartete.

Wer jetzt mit dem Forschungszentrum Jülich den Standort eines immer noch schnellen Rechners aus der Top-500-Liste der Großrechner in Verbindung bringt, liegt nicht ganz falsch – benennt damit aber wohl nur einen winzigen Teil der Arbeitsgebiete. Immerhin handelt es sich mit aktuell 6115 Mitarbeitern um das größte Forschungszentrum Europas. Um sich mit allen Gebieten zu befassen, müsste man wohl seinen Jahresurlaub opfern – wenn dieser überhaupt ausreichte.

So viel Zeit hat heute (leider) kaum noch jemand, weshalb ein Einführungsvortrag sowie die Vorstellung von zwei Forschungsgebieten im Detail genügen müssen. In dem Einführungsvortrag, der mit einem Einführungsvideo im rheinischen Dialekt beginnt, führt uns ein alter Hase des Instituts nahtlos und kurzweilig durch die wichtigsten Stationen und Forschungsgebiete des Instituts. Bei der Gründung 1956 sollte ursprünglich ein Hochtemperatorreaktor entwickelt werden. Dies wurde jedoch zu Gunsten anderer Forschungsgebiete aufgegeben, wobei man offensichtlich von dem ein oder anderen klugen Kopf profitierte. So wurde 1970 ein Kälterekord mit 50 Mikrokelvin aufgestellt, und 2004 wurde das zu jener Zeit leistungsstärkste Rasterelektronenmikroskop der Welt in Betrieb genommen. Neben vielen nationalen und internationalen Preisträgern kann das Forschungszentrum zudem mit einem Nobelpreisträger für die Entdeckung des GMR-Effekts aufwarten. Dieser Effekt ist eine Schlüsseltechnologie heutiger (mechanischer) Festplatten. Dass IBM ein Schlüsselpatent des Forschungszentrums für gerade einmal 15 Millionen Euro lizenzierte, soll übrigens auf Wunsch des Referenten nicht erwähnt werden.

Leider konnten die vielfältigen Forschungsgebiete nur gestreift werden, manchmal lediglich mit einer Präsentationsfolie: Geforscht wird unter anderem an der Entwicklung eines Alzheimer-Medikaments, in der Spintronik, an nuklearen Entsorgungstechnologien, Umweltforschung und an der Nanotechnologie im größten Reinraum Europas. Auf starkes Interesse stieß das Projekt OpenSuperQ, bei dem ein Quantencomputer mit 100 Qubits entwickelt werden soll, doch leider war es nicht Gegenstand der folgenden Detailvorträge.

Was aber keineswegs bedeutet, dass die nachfolgenden Vorträge weniger spannend gewesen wären. Jedenfalls gab es schon zur Vorstellung des Instituts für Bioelektronik nach den Übersichtsfolien viele Fragen zu den vorgestellten Hirnimplantaten, die in einer klinischen Studie in den USA bereits erfolgreich getestet wurden. Bedauerlicherweise wird das vom Körper als fremd empfundene Implantat regelrecht zersetzt, und es bleibt vernarbtes Hirngewebe. Nach ein paar Wochen muss deshalb das Implantat entfernt werden.

Ebenfalls Diskussionsbedarf gab es bei der Vorstellung der Brennstoffzelle als Teil eines neuen Konzepts, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Denn dazu genügt es bei Weitem nicht, Autos mit Brennstoffzellen auszurüsten. Die Brennstoffzelle als Energiewandler benötigt Energie in Form von Wasserstoff oder anderen Brennstoffen. Diese müssen, um beim Auto zu bleiben, transportiert und gelagert werden. Während für die Lagerung Salzkavernen vorgeschlagen werden, könnten für den Transport entweder neue Rohre verlegt oder vorhandene Erdgasrohre eventuell verwendet werden. Die Risiken dieser Technologien wurden ebenso kontrovers diskutiert wie der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle gegenüber dem aktuell von Industrie und Politik favorisierten Elektroauto.

So brauchte es insgesamt doch eine Stunde länger als geplant, um auch jede Frage zu beantworten, was aber alle Referenten bereitwillig taten. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Teilnehmer ihr kleines Präsent von der »Spektrum«-Redaktion entgegengenommen und traten – teilweise noch in Diskussionen verwickelt – den Heimweg an.

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