Spektrum Plus-Leserexkursion: Besuch der Wettersatelliten-Kontrollstation EUMETSAT in Darmstadt

Text: Gerd Marmitt, Laudenbach
(Abonnent von Spektrum der Wissenschaft & Sterne und Weltraum)

„Besser als gar kein Wetter“ erwidert Pippi Langstrumpf einem fahrenden Händler, der sich über das schlechte Wetter beschwert. „Das stimmt“, möchte man entgegnen, „aber trotzdem wäre es nicht schlecht, wenn ich wüsste, wie das Wetter in den nächsten Tagen wird“. Denn vom Wetter hängt nicht nur die nächste gelungene Gartenparty ab, sondern ganze Industriezweige, allen voran die Landwirtschaft sowie die Luft- und Schifffahrt, sind essenziell darauf angewiesen.

Foto: Gerd Marmitt

An der Wettervorhersage versucht man sich deshalb wohl schon seit vielen Jahrtausenden. Im Wesentlichen ist dies damals wie heute eine Kombination aus Beobachtung des aktuellen Wettergeschehens und Erfahrung vergangener Wetterverläufe. Schon sind wir mitten in der Führung von EUMETSAT in Darmstadt, die bei Gartenpartywetter vor dem Gebäude beginnt. Eine vor dem Haupteingang aufgestellte Kugel muss dabei als Erde und die Geldbörse des Referenten als Satellit herhalten.

Denn Wettersatelliten befinden sich nicht nur in der klassischen geostationären Umlaufbahn, um immer wieder den gleichen Bereich der Erdoberfläche zu beobachten. Diese unter dem Namen METEOSAT-9, -10, -11 betriebenen Satelliten befinden sich auf einer Umlaufbahn in jeweils 36.000 Kilometer Höhe. Hinzu kommen noch die polnah betriebenen Satelliten METOP-A, -B und -C in lediglich 800 bis 900 Kilometer Höhe. Diese liefern neben Satellitenbildern auch ergänzende Daten wie Vertikalprofile von Temperatur und Feuchte oder Windvektoren an der Meeresoberfläche. Sie sorgen für eine globale Abdeckung.

Foto: Gerd Marmitt

Für den zweiten Teil geht es in das kühlere Gebäudeinnere, wo uns zunächst in der Eingangshalle anhand kurzer Animationsserien verschiedene Satellitenaufnahmen interpretiert werden. Die Tour schließt im Konferenzraum, der durch großzügige Glasscheiben einen Panoramablick auf das Kontrollzentrum im Nebengebäude bietet. Hier erfahren wir mehr über die Gründung 1986 und über die heute 30 an der Finanzierung beteiligten Mitgliedstaaten. Deren Vertreter bilden auch gleichzeitig das oberste Gremium (Council), welches das Budget und die langfristigen Planungen festlegt.

Foto: Gerd Marmitt

Der staatlichen Finanzierung ist wohl auch die umfangreiche und frei zugängliche Bilddatenbank zu verdanken. Diese enthält neben (nahezu) aktuellen Bildern der betriebenen Satelliten eine filterbare Sammlung aufgezeichneter Wetterphänomene und Erdbilder seit 1981. Professionelle Anwender haben Zugriff auf Daten in verschiedenen Aufbereitungsstufen, wobei mindestens eine Kalibrierung und Positionskorrektur erfolgt. Immerhin liefert hier der modernste METEOSAT-11 alleine zwölf Terabyte pro Tag an Rohdaten, die erst einmal aufbereitet werden müssen. EUMETSAT nimmt zudem am Copernicus-Programm der Europäischen Union teil (unter anderem durch den Betrieb des SENTINAL-3-Satelliten), das aktuelle Informationen für umwelt- und sicherheitsrelevante Fragestellungen liefert. Auch diese stehen jedermann zur Analyse zur Verfügung.

Spätestens jetzt ist der Wissensdurst der anwesenden Spektrum-Leser geweckt. Die Fragen reichen von der Entwicklungsdauer (zirka 10 Jahre) und Nutzungsdauer (zirka 10 bis 45 Jahre) von Satelliten, ob auch Daten terrestrischer Systeme verwendet werden (nur zur Sicherung der Datenqualität und Kalibrierung) und welche Auflösung die Satelliten bieten (100 bis 1000 Meter). Das Weltraumwetter wird übrigens nicht von den betriebenen Satelliten beobachtet. Geradezu diskutiert werden einzelne Wetterphänomene (zum Beispiel der Saharastaub) und die Weltraumschrottproblematik. Wettersatelliten machen allerdings nur einen verschwindend geringen Teil der aktuell zirka 2000 Satelliten aus.

Foto: Gerd Marmitt

Eine nette Zugabe wartet zudem auf alle Teilnehmer, die es nicht eilig haben. Da die Gruppe von 40 auf jetzt 10 zusammengeschmolzen ist, dürfen wir nun direkt in das Kontrollzentrum. Neben weiteren Details zu den auf Bildschirmen angezeigten Daten weiß der Referent uns noch mit der ein oder anderen Anekdote von einem kürzlich stattgefundenen totalen Netzwerkausfall bis hin zur ersten Betriebsbesatzung von knapp zehn Mitarbeitern (heute sind über 500) in einer Villa am Elfengrund in Eberstadt (Vorort von Darmstadt) zu unterhalten. Als einziger Wunsch verbleiben nur noch weitere Leserexkursionen zur ESA/ESOC oder zum GSI Helmholzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, die sich nahtlos in die bisherigen Exkursionen einreihen würden.

Foto: Gerd Marmitt

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