Die Mikrobiologie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen

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Forschung lecker zubereitet
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Diese Woche blogge ich (täglich hoffentlich) life von der FEMS Tagung im Leipziger Messezentrum. Wer einen Newsstream bevorzugt folgt auf Twitter dem Hashtag #FEMS2013

In den letzten sechzig Jahren haben sich die Fälle chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) verdreifacht. Der Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen (hauptsächlich Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) und Mikroorganismen die den menschlichen Darm besiedeln, wurde jedoch erst kürzlich erkannt. In seinem Vortrag heute Vormittag zeigte Prof. D. Haller deutliche Unterschiede in der Darmflora von Patienten mit aktiver CED und gesunden Menschen.

Der Darm ist ein hochkomplexes Ökosystem und die Charakterisierung seiner mikrobiellen Mitbewohner ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Diversität der Darmflora ist so hoch, dass bis heute noch nicht einmal alle Spezies erfasst werden konnten. Das erschwert es natürlich, Zusammenhänge zwischen Darmerkrankungen und verantwortlichen Mikroorganismen aufzudecken.

Mäuse werden für diese Forschung oft als Modellsysteme herangezogen, da man sie unter sterilen und kontrollierten Bedingungen halten kann. Auch wenn man die Ergebnisse nicht eins-zu-eins auf dem Menschen übertragen kann (oder mag sich jemand zu Verfügung stellen?) liefern die Resultate wichtige Einblicke: Es konnten keine pathogenen Bakterien gefunden werden, die für CED in Mäusen verantwortlich sind. Vielmehr sind es nicht-pathogene Keime, die in CED-anfälligen Mäusen die Erkrankung auslösen können.

Einer der Faktoren, die die komplexe mikrobielle Gemeinschaft aus dem Gleichgewicht werfen kann, sind Antibiotika.

Doch wer jetzt eine klare Antwort auf die Frage, was CED verursacht, erwartet, den muss ich enttäuschen. Die Forschung steckt noch in Kinderschuhen. Was bei der Maus funktioniert, muss noch lange nicht beim Menschen so sein.

Wir sind Individuen, die sich alle verschieden ernähren, verschiedenen Stresssituationen ausgesetzt sind und verschiedene Medikamente zu unterschiedlichen Leben- und Entwicklungsabschnitten genommen haben.

Aber als Mikrobiologin freue ich mich jeden Mal, wenn Mikrobiologie-fremde Forschungsrichtungen die Signifikanz meiner Lieblingstierchen entdecken.

(Meine FEMS Beiträge sind ganz flott geschrieben. Man möge mir Schreibfehler und hastig-schlechte Wortkombinationen vergeben)

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Annelie Wendeberg ist eigentlich Umweltmikrobiologin. Doch eines schönen Wintermorgens klappte sie die Augen auf und dachte sich "ich schreib mal was". Seither versucht sie ihre Leidenschaft Forschung leicht verständlich und spannend in kurzen Blogartikeln zu vermitteln. Meistens schreibt sie über alles Mögliche was irgendwie mit Forschern, Biologie, Umwelt, Ökologie und vor allem Mikrobiologie zu tun hat. Des Nachts bringt Annelie Wendeberg Leute um. Auf dem Papier. Für den KiWi Verlag.

4 Kommentare

  1. Gibt es denn Studien, in wiefern sich die Darmflora Erwachsener Menschen nach erstmaliger Einnahme von Antibiotika nachhaltig/temporär verändert?

  2. vom Lektor

    auf die Schnelle angemerkt: oben müsste es ‘live’ heißen und im dritten Absatz von unten: ‘Lebens-‘.

    MFG
    Dr. W

  3. @Ralph

    Ja, die gibt es. Auch hier isses sehr komplex – merke, dass die gesamte Spezies-Zusammensetzung noch nicht klar ist und darum Beobachtungen auf bestimmte Spezies limitiert sind. Ausserdem sind Langzeiteffekte noch nicht voll geklärt, da die modernen (preiswerten und schnellen) Sequenziertechnologien noch nicht lang genug existieren. Dazu kommt, dass wirklich kein Mensch regelmässig Darmspiegelungen/Biopsien machen lassen würde, man also nur das “Endprodukt” (=Kaka) regelmäßig untersuchen kann.
    Bei Mäusen hat man die Verbindung Antibiotikagabe – Übergewicht – entzündliche Darmerkrankung beobachten können.
    Persönlich mache ich mir darüber nur wenig Sorgen. Antibiotika sind dafür da, gefährliche Bakterieninfektionen zu therapieren. Wenn man eine Lungenentzündung hat, die anders nicht weggeht, dann denkt man nicht sonderlich über die Darmflora nach. Problematisch ist die Herangehensweise, Antibiotika für jedes Zipperlein zu nehmen/verschreiben.

  4. Liebe Frau Wendeberg,
    ich bin gerade in eine Diskussion zum Ökosystem Darm verstrickt. Aktuell suchen wir nach der richtigen Definition für die Gesamtheit des Darms aus seinen Geweben und dem Mikrokosmos des Bioms.
    Ist er ein “endosymbiontischen Organ”?
    Oder ein “Organ mit darmspezifischen Endosymbionten”?
    Die Symbiose aus menschlichem Gewebe und einem spezifischen Teil des Mikrobioms (nach Lederberg)?
    Fällt Ihnen dazu etwas Hilfreiches ein?
    Vielen Dank im Voraus und viele Grüße, Bettina Wurche
    (https://puls.med.uni-frankfurt.de/, http://scienceblogs.de/meertext/)

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