Projektvorstellung: U-CUBE – Jugend forscht an thermischer Behaglichkeit

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Dr. Milan Dlabal ist Physiker und Lehrer an der Gerhart Hauptmann Schule in Griesheim. Gemeinsam mit Schülern, Studenten und Doktoranden möchte er an der Schule eine Forschungseinrichtung aufbauen, die den Einfluss verschiedener Heizungssysteme auf die thermische Performance von Baumaterialien untersucht. Dazu hat er ein Projekt auf Sciencestarter gestartet. In diesem Beitrag erklärt er, wie und was genau erforscht wird und wie es zu der Zusammenarbeit mit Universitäten und Instituten kam.

Für die Dauer von 5 Jahren werden zwölf Kuben aus verschiedenen Baumaterialien von 3x3x3m Größe mit verschiedenen Heizungssystemen ausgestattet.
Für die Dauer von 5 Jahren werden zwölf Kuben aus verschiedenen Baumaterialien von 3x3x3m Größe mit verschiedenen Heizungssystemen ausgestattet.

Kann eine Schule ein internationales Forschungszentrum aufbauen? Und wofür braucht man überhaupt U-CUBE, das Forschungszentrum für Energie-Effizienz und thermische Behaglichkeit? – Die erste Antwort ist einfach mit „Ja!“ zu beantworten, die zweite etwas komplexer.
Da ist zunächst einmal die Energie-Effizienz-Geschichte: Ein energieeffizientes Gebäude ist eines, das wenig Energie verbraucht – und am wenigsten Energie verbraucht man, wenn man Energie spart. Das klingt zwar irgendwie banal, ist aber vor dem Hintergrund einer Gesetzgebung spannend, die für konvektiv, also durch Wärmemitführung durch Raumluft, beheizte Häuser mit wärmegedämmten Wänden geschrieben wurde. Dazu sollte man einmal über die Heizung nachdenken. Eine Heizung gibt Wärmeenergie an einen Raum ab. Dies geschieht einerseits konvektiv über die Luft und gleichzeitig durch Wärmestrahlung an die Oberflächen der Wände und Gegenstände im Raum. Denkt man nun einmal über eine Heizquelle mit hohem Strahlungsanteil nach, die nicht konform nach Energieeinsparverordnung (EnEV) ist, könnte man vermuten, dass die Wärme in den obersten paar Mikrometern der Wand absorbiert wird und dort lokal die Wand erwärmt. Das hat dramatische Auswirkungen auf die Wechselwirkung mit dem Baumaterial und den Wärmeverlust des Raumes durch Transmission durch die Wand – außerdem ist das Klima im Raum völlig anders. Jetzt kommt die Behaglichkeit ins Spiel. Behaglichkeit ist eine Größe, die von Faktoren wie Lufttemperatur, Strahlungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung, Stoffwechsel, Kleidung, Temperaturasymmetrie, usw. abhängt. Dafür gibt es sogar die ISO-Norm 7730. Jetzt wäre es natürlich interessant zu wissen, welche Art von Heizung eigentlich unter welchen Bedingungen welche Behaglichkeit erzeugt und wie sich das auf die Energie-Effizienz auswirkt.
Dazu gibt es jedoch keine Untersuchungen! In dieses Vakuum an Wissen stößt U-CUBE vor – unendliche Weiten, grenzenloses Nichtwissen! Natürlich nutzen viele Scharlatane gerne dieses Nichtwissen aus.

Leider haben die Forschungseinrichtungen es bisher nicht geschafft, sich von Drittmittelzwängen befreit und ohne den Einfluss bekannter Lobbys an die systematische Grundlagenforschung zu wagen. Wir als Schule können das aber tun. Und jetzt, wo eine Schule das experimentelle Konzept vorgelegt hat, sind auch etliche Universitäten an einer Kooperation interessiert, weil sie diese Forschung eigentlich gerne selbst gemacht hätten und genau dies mit uns machen können. Dadurch können Schüler der gymnasialen Oberstufe (und nicht nur die) gemeinsam mit Studenten der Architektur, Elektrotechnik, Gebäudesystemtechnik, Regelungstechnik, etc. dazu beitragen, das Wissensvakuum zu füllen und Grundlagen für physikalische Modelle zu erstellen, die bald die Basis von besseren Gesetzen werden können, die dazu beitragen, dass behaglichere und effizientere Gebäude realisieren werden können.

Vielleicht finden wir in Kürze heraus, dass man Altbauten nicht in einen Styropormantel einpacken muss, sondern dass es ausreicht, lediglich die innersten wenigen Mikrometer der Wand zu erwärmen; oder dass man Behaglichkeit auch mit leitender Heizfarbe auf einer Wand erreichen kann oder dass der Gesamtenergieverbrauch einer Heizung den Energiebedarf einer Wärmepumpe nicht überschreiten muss …
U-CUBE wird darauf Antworten geben! Wissenschaftlich fundierte, anerkannte Antworten in einem stringenten Referenzrahmen, nachvollziehbar, reproduzierbar und vergleichbar. So wie Wissenschaft sein soll!

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Projektleiter von Sciencestarter, der Crowdfunding-Plattform für die Wissenschaft.

4 Kommentare

  1. Gute Idee. Ein Tipp: Die Behaglichkeit eines Raums hängt auch davon ab, für was man den Raum nutzt. Bei einem Korridor gibt es ganz andere Anforderungen als bei einem Schulzimmer und die “gute Stube” muss wiederum anders klimatisiert werden.

  2. @Karl Bednarik: Bei der Kontrollierten Wohnraumlüftung wie sie bei Passiv-/Niederenergiehäusern meist eingesetzt wird sind (Zitat) “Gegenstrom-Abluft-Zuluft-Wärmetauscher” meist Teil des Systems. Dazu liest man im obengenannten Wikipedia-Eintrag:

    Durch die inzwischen sehr viel bessere Wärmedämmung der Gebäudehülle, vergrößerte sich der Anteil des Lüftungswärmeverlusts am Gesamtwärmeverlust eines Gebäudes. Um in Niedrigenergie- und Passivhäusern auf eine aufwendige Zentralheizungsinstallation verzichten zu können, wurde es notwendig, die Be- und Entlüftung von Häusern zu automatisieren und den Wärmeinhalt der Abluft über einen Wärmetauscher zurückzuhalten und der Zuluft zuzuführen („Wärmerückgewinnung“). Eine elektronische Regelung steuert die Luftmenge und beugt dem Einfrieren des Wärmetauschers vor. Das Lüften wird dadurch – anders als beim Lüften per Fenster – weitgehend unabhängig von Windgeschwindigkeit und -richtung sowie der Temperaturdifferenz zwischen drinnen und draußen. So kam es zu dem Begriff kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL).

  3. @Martin: Das stimmt mit der Nutzungsabhängigkeit – aber im Interesse einer Vergleichbarkeit der Effizienz von Heizungssystemen werden wir eine “metabolic rate” entsprechend einer sitzenden Tätigkeit und einen Kleidungsisolationswert von typischer mitteleuropäischer Kleidung in allen Kuben annehmen.
    @ Karl: Ja, natürlich könnet man ein KWL Wärmetauscher-System benutzen – aber hier geht es ja um die Behaglichkeit in Abhängigkeit vom Heizungssytem und da würde diese Wirkung verfälscht werden. Allerdings werden wir eine definierte Luftwechselrate entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen einhalten (geregelte kontinuierliche Lüftung). Dies kann natürlich im Verlauf der Messzeit (5 Jahre) modifiziert werden (z.B. Stoßlüftung).

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