Jahr der Astronomie, kurz nach der Halbzeit

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… aber nicht einfacher
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Am Montag war hier auf der IAU General Assembly, zu der sich diese und kommende Woche einige Hunderte von Astronomen in Rio de Janeiro zusammengefunden haben, eine sehr interessante Sitzung zum Internationalen Jahr der Astronomie 2009, bei der die Vertreter einiger der teilnehmenden Nationen vorstellten, was in ihren Ländern so an Aktivitäten lief.

Eine ganze Reihe der Aktivitäten sind natürlich nationenübergreifend – das ist ja auch der Sinn der Sache der Cornerstone Projects, etwa den “100 Stunden Astronomie” oder “Around the world in 80 telescopes”. Interessanter waren die landesspezifischen Unterschiede in dem, was die Sprecher berichteten.

Japan beispielsweise hat eine Galileo-Comicfigur im Einsatz (auf dieser Seite oben rechts ist ein kleines Bild): “Galileo-Kun” (übersetzt “Herr Galileo”), komplett mit vier sprechenden Tieren als Begleiter, die wiederum nach den vier Galileischen Monden des Jupiter benannt sind. Ich habe allerdings versäumt nachzufragen, ob der Bezug zu den Bremer Stadtmusikanten zufällig oder gewollt ist; jedenfalls handelt es sich um Pferd, Hund, Katze und Vogel. Neu war mir, was es in Japan an Amateursternwarten gibt: laut Aussage des Vortragenden rund 200 Sternwarten, mit Teleskopen von 40 cm bis 2 m. Ein 2-Meter-Amateurteleskop ist ja schon etwas recht ordentliches.

Für die USA stellte die Vortragende dagegen vor allem die Online-Aktivitäten heraus und zeigte z.B.  ein paar Bilder von der Insel in Second Life, die das IYA 2009 von einem Sponsor geschenkt bekommen hat. Wobei ich mich bei einem ebenfalls vorgestellten Projekt, nämlich bei “AstroTwitter”mit twitternden Teleskopen, frage, ob das nicht einfach nur ein kurzlebiger Gag ist. Aber vielleicht gibt es ja auch Leute, die sich lange Zeit daran erfreuen, in grösserer Zahl Nachrichten wie “Hier ist das Weltraumteleskop Hubble, ich schaue gerade auf den Stern Eta Carinae” zu erhalten (oder so ähnlich – Eta Carinae sagt den Astronomiebegeisterten ja sogar noch etwas). Andererseits erinnere ich mich noch, wie ich in der 12. Klasse, als das Web noch nicht so weit verbreitet war, gelegentlich eine eigentlich für die beteiligten Physiker gedachte DESY-Telefonnummer angerufen habe, unter der eine automatische Ansage den aktuellen Status der Beschleuniger mitteilte – und dann das Gefühl genoss, direkt mit der Welt der Teilchenphysik verbunden zu sein, ohne dazwischengeschaltete Journalisten oder Buchautoren.

In Brasilien war das Jahr der Astronomie sogar das Karneval-Thema von drei Samba-Schulen, inklusive einer der Schulen hier in Rio de Janeiro.

Am beeindruckendsten waren dann natürlich die Berichte aus denjenigen Ländern, in denen es die Astronomie-Vermittler nicht so einfach haben wie bei uns, oder in Japan, oder in den USA. Die rumänische Vertreterin war sichtlich gerührt, als sie von der unerwartet grossen Resonanz berichtete – mit einer Vielzahl von Anrufen und Anfragen aus kleinen Dörfern, deren Namen sie noch nie gehört hatte, in die die Nachricht vom Jahr der Astronomie aber offensichtlich vorgedrungen war. Noch beeindruckender ein Kollege aus Mozambique, der in der anschliessenden Diskussion erzählte, dass es dort im Jahr der Astronomie gelungen sei, erstmals überhaupt einen Studiengang Astronomie einzurichten, mit z.Zt. 6 Teilnehmern. Da wird wieder klar, dass die Gedanken, die wir deutschen Wissenschaftskommunikatoren uns so über die Schwierigkeiten unseres Handwerks machen, global betrachtet eben doch in die Kategorie “Jammern auf hohem Niveau” gehören.

Einig waren sich alle Anwesenden, ob nun aus Europa, Asien, den Amerikas oder Afrika, dass es nie damit Probleme gab, die Leute für Astronomie zu begeistern. Eine grundlegende Faszination für den Himmel und seine Objekte war immer bereits vorhanden. Das Interesse an dem, was in den Tiefen des Weltalls vorgeht, ist offenbar universell.

Auch sonst waren die ersten Tage der Generalversammlung hochinteressant. Es gibt jeden Morgen einstündige Übersichtsvorträge im Plenum (soweit ich verstanden habe, ist das eine Neuerung, die erst dieses Mal eingeführt wurde), und darüber hinaus, wie überall dort, wo lauter Sitzungen parallel laufen, die Qual der Wahl. Zum Teil liegt es natürlich auch ganz klar an meinem eigenen Unwissen, dass ich soviel dazulerne. Insbesondere unser Sonnensystem hat mich in den letzten Jahren fachlich nicht so sehr interessiert. Das ändert sich jetzt ein wenig, unter dem Eindruck entsprechender Vorträge. Einige bunt gemischte Eindrücke (vielleicht sollte ich doch anfangen, zu twittern?): Was heute im Sonnensystem am interessantesten ist, nämlich die diversen eisigen Kleinkörper, lief bis vor zehn Jahren noch unter “Sonstiges”. Die brasilianische Nationalhymne klingt wie eine Oper auf halbem Wege zwischen Mozart und Verdi. Einige Pulsare haben lange, relativ regelmässige Ruhephasen, während derer sie sich nicht nachweisen lassen – ohne, dass so ganz klar wäre, warum. Das australische Staatswappen wird anscheinend von einem Känguruh und einem Emu gehalten. Es gibt Himmelskörper, die die gleiche Umlaufbahn haben wie Asteroiden, aber aufgebaut zu sein scheinen wie Kometen.

Mal schauen, was die nächsten neun Tage so bringen.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

2 Kommentare

  1. Viele Überraschungen

    Es ist ein großes Ereignis. Das Astronomie-Jahr. Seitdem die Menschheit das Hubble-Teleskop ins Weltal geschickt hat, haben die Froscher viele Interessante Weltraum-Welten entdeckt. Damal wurden die interessantesten ersten Bilder vom weiten und großen Universum überall publiziert. Ich bin mal gespannt was noch so alles enteckt wird. Dabei ist das Universum endlos und unerforscht. Doch seit der Geburtsstunde der Astronomie hat die Menschheit einen großen Sprung auf diesem Gebiet gemacht.

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