Woche der Schwarzen Löcher 3: Schattenrisse mit dem Event Horizon Telescope

Astrophysik, Soziale Medien und putzige Cartoon-Charaktere – das ist die Black Hole Week, vom 12. bis 16.4., der ich mich hier anschließe. Aber neben den Beiträgen direkt für diese Woche der Schwarzen Löcher passiert auch in der Astronomie gerade etwas spannendes: das Event Horizon Telescope (EHT) kann nach pandemiebedingter Pause endlich wieder Daten aufnehmen!

[Die Woche der Schwarzen Löcher hier auf Relativ Einfach: 1 Sicherheitshinweise, 2 Akkretion, 3 Schattenrisse, 4 Wellenschlag, 5 Wissenslücken]

Vor ziemlich genau zwei Jahren, nämlich am 10. April 2019, hatte die EHT-Collaboration ja dieses beeindruckende rekonstruierte Bild vom “Schatten eines Schwarzen Loches” veröffentlicht:

Aufnahme vom Schatten eines Schwarzen Loches mit dem Event Horizon Telescope
Bild: EHT Collaboration

Der Ring wird dabei durch das Licht der Akkretionsscheibe erzeugt, die das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 umgibt, und die dunkle Aussparung in der Mitte ist diejenige Region, die durch den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs abgeschattet wird. Direkter kann man ein per Definition nicht-leuchtendes, nicht-reflektierendes Objekt nicht abbilden.

Dieser Tage führt das Event Horizon Telescope jetzt eine weitere Beobachtungskampagne durch. Geplant waren die Beobachtungen schon deutlich früher, konnten aber aufgrund der Pandemie nicht durchgeführt werden. Jetzt ist es endlich soweit:

Diese IRAM-Antennen sind Teil des Event Horizon TelescopeCredit: Iram Web Cam

Das Webcam-Bild zeigt die Antennen von NOEMA in den französischen Alpen, einem Radiointerferometer des französischen Instituts für Radioastronomie im Milllimeterbereich (IRAM), an dem auch die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt ist.

Zur Erinnerung: Als damals die Pressekonferenz für das erste Bild vom Schatten eines Schwarzen Loches angekündigt worden war, hatten viele von denen, die sich auskannten, ja damit gerechnet, wir würden jetzt ein Bild vom Schatten des supermassereichen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße zu sehen bekommen. Das war zwar auch ein Beobachtungsziel des Event Horizon Telescope gewesen, hatte sich aber als schwieriger erwiesen als gedacht.

Im Vergleich zum zentralen Schwarzen Loch in M87 ist das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße vergleichsweise klein; die ortsabhängigen Helligkeitsveränderungen aufgrund der Bewegung der das Schwarze Loch umkreisenden Materie sind entsprechend schneller. Für solch ein Schwarzes Loch braucht man also eigentlich gleich einen ganzen Film, der die Helligkeitsschwankungen richtig wiedergeben kann. Beim Schwarzen Loch in M87, das größer, aber auch weiter entfernt ist – und damit für uns am Himmel ungefähr genau so groß wie das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße – reichte ein Standbild. Das Standbild kennen wir jetzt. Auf den Film warten wir noch. Und vielleicht ist es ja in einigen Monaten soweit, wenn die jetzt stattfindenden neuen Beobachtungen ausgewertet sind?

Wer es genauer wissen will: Heino Falcke, einer der Köpfe hinter den EHT-Beobachtungen, hat in unserer Vortragsreihe Faszination Astronomie Online im letzten November genauer beschrieben, worum es geht:

Was da gesagt wird (und mehr) gibt es auch zum Nachlesen; das Buch von Heino Falcke zum Thema hatte ich bereits hier besprochen.

Auch jenseits der neuen Beobachtungen mit dem Event Horizon Telescope hat sich auf diesem Gebiet einiges getan. Vor einer halben Stunde erschien eine Pressemitteilung der Kolleg*innen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, dass gerade ein umfangreicher Datensatz mit Beobachtungen von M87 in einer Vielzahl verschiedener Wellenlängen veröffentlicht wurde, vom Radiobereich bis zur Röntgen- und Gammastrahlung. Die Daten waren zeitgleich mit der EHT-Beobachtungskampagne 2017 aufgenommen worden. Das ermöglicht insbesondere genaue Studien des Teilchenjets, der von der Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs aus in den Weltraum geschossen wird – und soll unsere Modelle dafür, wie solche Teilchenjets in der Umgebung Schwarzer Löcher entstehen, genauer testen helfen.

Credit: Bild: EHT Multi-Wavelength Science Working Group; EHT-Kollaboration; ALMA (ESO/NAOJ/NRAO); EVN; EAVN-Kollaboration; VLBA (NRAO); GMVA; Hubble Space Telescope, Neil-Gehrels-Swift-Observatorium; Chandra X-ray-Observatorium; Nuclear Spectroscopic Telescope Array; Fermi-LAT-Kollaboration; H.E.S.S.-Kollaboration; MAGIC-Kollaboration; VERITAS-Kollaboration; NASA und ESA. Bildzusammenstellung durch J.C. Algaba – Akkretionsscheibe und Teilchenjet bei unterschiedlichen Wellenlängen und unterschiedlichen Größenskalen

 

Es geht also durchaus spannend weiter mit den Schwarzen Löchern. Nicht nur als Social-Media-Kampagne, sondern gerade in dieser Woche auch in der Forschung selbst. Mit dem Event Horizon Telescope ebenso wie mit anderen Beobachtungen.

Nicht das EHT, aber der neugierige Reisende der Black Hole WeekBild: NASA

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

3 Kommentare

  1. Einige Überlegungen:
    Die Winkelauflösung beträgt ungefähr 70 Grad (oder 1,22 rad) mal Wellenlänge geteilt durch den Spiegeldurchmesser.
    Wenn die Empfänger auf der Erdoberfläche verteilt sind, dann muss man die Phasenlage der Signale mit der Lichtlaufzeit auf eine gedachte ebene Fläche umrechnen, die genau 90 Winkelgrade zur gewünschten Blickrichtung hat.
    Für die daneben liegenden Bildpunkte muss man nun diese gedachte ebene Fläche um kleine Winkelbeträge neigen, damit die Blickrichtung das Zielobjekt zeilenweise abtastet.
    Sind meine Überlegungen richtig?

    • Etwas anders. Dass die entscheidende Länge (Spiegeldurchmesser) die Projektion auf die Fläche senkrecht zur Blickrichtung ist, ist korrekt. Bei Interferometrie wie hier ist es die Projektion der Basislänge (Entfernung der in der Projektion am weitesten voneinander entfernten beteiligten Teleskope). Die gedachte ebene Fläche muss man dann aber gar nicht neigen, sondern daraus ergibt sich ja bereits, welche nahe beieinanderliegenden “Bildpunkte” man überhaupt unterscheiden kann.