Wikipedia-Einzelnachweise gegen Postfaktisches, Fake etc.: Was jede/r Wissenschaftskommunikator/in tun kann

BLOG: RELATIV EINFACH

… aber nicht einfacher
RELATIV EINFACH

Die Diskussion über Postfaktisches (samt der Unangemessenheit oder Angemessenheit des Begriffs), Fake News und dergleichen wird uns dieses Jahr sicher noch weiter begleiten. Hier nur eine kleine Empfehlung für etwas, das jede/r tun kann, die/der mit Wissenschaftskommunikation zu tun hat: Wer bei der Recherche oder sonstwo eine interessante Quelle gefunden hat, z.B. einen Fachartikel, sollte Quelle bzw. Fachartikel einfach als Einzelnachweise bei Wikipedia mit einpflegen. Das sind die nummerierten Quellen, mit denen einzelne Aussagen von Wikipedia-Beiträgen durch Literaturnachweise etc. belegt werden.

Das ist kein großer zeitlicher Aufwand. Empfehlenswert ist es, sich vorher ein Wikipedia-Benutzerkonto anzulegen und sich zum Bearbeiten entsprechend einzuloggen; zur Not geht es aber auch so.

Einzelnachweise: Wie geht’s?

Wer größere Beiträge zu Wikipedia leisten will, sollte sich tunlichst mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut machen; insbesondere größere Änderungen sollte man mit der dortigen Community abstimmen. Was ich hier vorschlage, ist im Vergleich dazu einfach und sollte auch nicht umstritten sein: Einzelnachweise ergänzen!

Ich bin z.B. heute beim Abfassen einer Videorezension, in der es um Parabelflug (simulierte Schwerelosigkeit) auf Wikipedia über die Aussage gestolpert, dass die Idee zu solchen Flügen ursprünglich von dem Luftfahrtingenieur Fritz Haber und dem Physiker Heinz Haber stammt. Genau: eben dem Heinz Haber, der ab den 1960er Jahren soviele Wissenschaftssendungen im deutschen Fernsehen gemacht hat.

Die Aussage im Wikipedia-Eintrag Parabelflug war allerdings ohne Einzelnachweise. Dass man solche Aussagen dann nicht einfach übernimmt, sollte angesichts unseres gesteigerten Bewusstsein dafür, wie schnell sich auf diese Weise Falschinformationen verbreiten können, klar sein.

Einzelnachweise als Endnote 1
Die Parabelflug-Seite auf der deutschen Wikipedia hat seit heute eine neue Endnote 1. Dahinter verbergen sich zwei neue Einzelnachweise

Ref und Vorlage

Nach etwas Googeln hatte ich dann jedenfalls den Originalartikel gefunden. Den dann auch bei Wikipedia einzupflegen, war einfach. Ich habe an der entsprechenden Stelle schlicht eine Kombination <ref>BELEG</ref> eingefügt, wobei BELEG für die Informationen steht, auf die ich gleich näher eingehe. Auf diese Weise erzeugt Wikipedia Fußnoten, die dann unten in einer Einzelnachweise-Sektion aufgeführt werden.

Für den Beleg habe ich die (englischsprachige) Vorlage verwandt, eine Art Muster, in das man nur noch die entsprechenden Teilinformationen einträgt, dann wird alles richtig formatiert.

Konkret habe ich eingefügt:

{{Cite journal | last1=Haber | first1=Fritz | last2=Haber | first2=Heinz | title=Possible methods of producing
the gravity-free state for medical research| journal= Journal of Aviation Medicine |
year=1950| volume=21(5) | pmid=14778792 | pages=395–400}}

Das ist nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick aussieht. Am besten kopiert man den obigen Absatz einfach und fügt für Titel, Autoren etc. die eigenen Angaben ein.

Getrennt sind alle Einzelnachweise durch einen senkrechten Strich. last1 ist der Nachname des ersten Autors; mit last2, last3 geht es bei mehreren Autoren weiter. title ist der Titel, journal der Name der Zeitschrift, year das Jahr, volume der Band, pages die Seiten; eigentlich alles selbsterklärend.

Auf Wikipedia wird daraus (und einer nachfolgenden zweiten Literaturangabe) dann so etwas hier:

screen-shot-2017-01-07-at-21-20-44Verweise und Links

Interessant sind für die Benutzer, die diese Informationen sehen, natürlich diejenigen Verweise, über die man mit einem Klick weiterkommt, im besten Falle zum Artikel selbst.

Für den ersten der zitierten Artikel kommt man über den PMID, den Pubmed-ID zu einem Eintrag in der Literaturdatenbank Pubmed. Für den zweiten gibt es sogar einen Digitalen Ressourcen-ID, einen Digital Object Identifier (doi); klickt man den an, kommt man direkt zum entsprechenden Fachartikel auf den Journal-Webseiten.

Eingegeben werden diese und weitere Kennzeichen, wieder durch senkrechte Striche | vom Rest abgetrennt, wie

doi=10.3357/ASEM.26010.2009

oder

pmid=20027862

– die Links fügt die Wikipedia-Software automatisch ein. Auch direkte URLs kann man natürlich angeben, mit

url= http://www.beispielwebseiten.de

Auf der entsprechenden Erklärseite finden sich alle weiteren Möglichkeiten für Angaben – ob arXiv, die astrophysikalische Datenbank ADS oder mehr: vieles ist möglich.

…oder einfach so

Wem das alles zuviel ist, zu kompliziert, zu zeitaufwändig: Einfach nur Autor, Titel, URL in beliebigem Format zwischen <ref> und </ref> unterbringen nützt auch etwas. Dann komme möglicherweise später jemand, der das ganze besser formatiert. Wichtig ist, dass die Einzelnachweise da sind, dass die Information da ist.

Viele weitere Infos (evt. für den Anfang zuviele) gibt’s auf der Wikipedia-Hilfeseite Einzelnachweise.

Hauptsache, man macht etwas. Dann hat derjeniger, der als nächster Informationen zu diesem Thema sucht, es gleich einfacher, faktenbasiert und mit richtigen Quellen weiterzuarbeiten. Das ist kein Patentrezept gegen absichtliche Fake News als Propagandawerkzeug. Aber es hilft denjenigen, die sich gegen Fake News engagieren und auch denjenigen, die einfach zuverlässige Informationen finden wollen. Nach wie vor sind Wikipedia-Treffer weit oben, oft sogar ganz oben, wenn Menschen nach einem bestimmten Thema googeln.

Auch bei aktuellen Ereignissen kann man auf diese Weise z.B. mit der Vorlage cite news (oder, wie gesagt, zur Not einfach so) wichtige Quellen verlinken.

Guter Vorsatz gefällig?

Also: Braucht jemand noch einen guten Vorsatz für 2017? Hier wäre einfach: schauen, dass man bei der nächsten Recherche oder einfach nur bei den nächsten guten Fachartikel, der einem unterkommt, gleich auch die entsprechenden Wikipedia-Einträge etwas zuverlässiger macht – durch diese Art von Quellenangabe: Einzelnachweise.

Das hilft den anderen, und in vielen Fällen dürfte es auch einem selbst helfen. Denn wo guckt man nach, wenn man selbst das nächste Mal Informationen zu einem Thema sucht? Häufig genau bei Wikipedia. Ich nutze Wikipedia schon länger dafür, z.B. interessante Reviewartikel für mich, aber auch für andere jederzeit wiederfindbar abzulegen.

In diesem Sinne: ein möglichst faktentreues und gut recherchiertes 2017!

 

Avatar-Foto

Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

11 Kommentare

  1. > Wem das alles zu viel ist, zu kompliziert, zu zeitaufwändig: Einfach nur Autor, Titel, URL in beliebigem Format zwischen und unterbringen nützt auch etwas. Dann komme möglicherweise später jemand, der das ganze besser formatiert. Wichtig ist, dass die Einzelnachweise da sind, dass die Information da ist.

    Das kann ich bestätigen. Selbst bei einem nicht so häufig besuchten Artikel kommt jemand vorbei und bessert nach (Zeile 20):

    https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Power-up_in_standby&type=revision&diff=735351899&oldid=735200855

    WD hat allerdings inzwischen die referenzierten Seiten gelöscht. Trotzdem hilft der Artikel dem Leser weiter, weiß er doch nach der Lektüre, wonach er suchen könnte.

  2. Wenn man sich mit der Formatierung in der deutschen Wikipedia nicht auskennt, aber Einzelnachweise, Literaturangaben oder Weblinks eintagen will, helfen die Seiten Vorlage:Literatur und Vorlage:Internetquelle (einfach im Suchfeld oben eingeben). Die Vorlage:Internetquelle sieht beispielsweise so aus: {{Internetquelle |autor= |url= |titel= |titelerg= |werk= |hrsg= |datum= |seiten= |archiv-url= |archiv-datum= |zugriff=2017-01-08 |format= |sprache= |kommentar= |zitat= |offline=}}. Vorlage:Literatur ist länger: {{Literatur |Autor= |Titel= |TitelErg= |Hrsg= |Sammelwerk= |WerkErg= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum= |Sprache= |Umfang= |Reihe= |NummerReihe= |BandReihe= |HrsgReihe= |Kommentar= |Kapitel= |Seiten= |Spalten= |ArtikelNr= |Fundstelle= |ISBN= |ISBNformalFalsch= |ISSN= |ISSNformalFalsch= |ISBNdefekt= |ZDB= |DNB= |LCCN= |OCLC= |Lizenznummer= |arXiv= |bibcode= |DOI= |JSTOR= |PMC= |PMID= |URN= |ID= |Online= |Format= |KBytes= |Abruf=2017-01-08 |Originaltitel= |Originaljahr= |Originalort= |Originalsprache= |Übersetzer= |JahrEA= |VerlagEA= |OrtEA= |Zitat= |Typ= }}. Die nicht benötigten Parameter dann manuell löschen. Hier mal ein kleiner Artikel von mir, wo man sich die entsprechende Formatierungen im Quelltext (unter “Bearbeiten” in der oberen Leiste) ansehen kann: https://de.wikipedia.org/wiki/Vrokastro.

  3. @Markus, Olaf: Ohje, geht es nicht noch komplizierter? Statt den (mutmaßlich uninformierten) Leser mit diesen gräßlichen Nerd-Vorlagen abzuschrecken, hätte auch ein Hinweis auf den “Visual Editor” gereicht, der bei den meisten Leuten beim Klick auf “Bearbeiten” eh standardmäßig aufgerufen wird. Dort muss man gar nicht mehr mit diesen umständlichen Vorlagen hantieren, sondern hat eine Schaltfläche “Belegen”, die einem dann bequem per Dialogbox dabei hilft, die erforderlichen Parameter auszufüllen. Und am einfachsten geht es bei Online-Quellen: Da reicht die Angabe der URL, und den Rest macht die Software automatisch! So erreicht man auch neue Mitmacher.

    • Guter Punkt. Ich war jetzt vor allem von Physikern und Astronomen ausgegangen, die der Quelltext (siehe LaTeX) nicht schreckt, aber in der Tat machen es die verfügbaren Werkzeuge noch deutlich leichter, Quellen einzutragen. Danke für den Hinweis!

  4. Das Verwenden von “cite journal” ist schonmal ein guter Anfang. Wer häufiger Artikel für Wikipedia schreibt sollte jedoch zusätzlich externe Literaturverwaltungsprogramme wie Jabref oder Citavi nutzen und dort zunächst einmal die Literaturangaben einpflegen. Diese Programme wurden explizit dazu erfunden um mit einer größeren Quellensammlung zu arbeiten. Jabref und Co haben sich neben Google Scholar zu einem Standardwerkzeug etabliert und unterstützen sowohl die Literaturrecherche als auch das spätere Zitieren daraus.

  5. “Populismus”, “Fake-News” und die sog. Postfaktizität meinen idR nicht naturwissenschaftliche, sondern politische Sicht.

    Hier darf man sich nicht täuschen lassen, unbelegte naturwissenschaftliche Theorie (“Sicht”) kann in der Regel, auch so wie im dankenswerterweise bereit gestellten WebLog-Artikel intoniert, abgebügelt werden, im politischen Sinne aber oft nicht.

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich nur amüsieren tut, wenn bundesdeutsch angeblich falsche Sicht oder Meinung dem Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland konterkarierend bearbeitet wird – die Freiheit der Meinungsäußerung ist in aufklärerischen Gesellschaftssystemen zentral, auch falsche Tatsachenbehauptung meinend, in der BRD wird hier wieder einmal vorreiterisch versucht abzubauen, die zwei großen Kollektivismen des letzten Jahrhunderts sind nicht zufällig von Doitschland ausgehend entstanden)

  6. Ach, mittlerweile werden auch schon Wikipedia Beiträge gekauft. Es haben sich shcon viele Admins eingeschichen, die gegen Geld Artikel freigeben oder auch nicht. Ich hoffe, es endet nicht wie DMOZ :).

    • Versucht wurde/wird es sicher immer wieder. Aber solange noch Nutzer da sind, die prüfen und kritisch gegensteuern, kann das System trotzdem funktionieren, oder?