Wie sollte eine konstruktive öffentliche Debatte denn aussehen? (Anlass-Thilo-Mischke-Edition)

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… aber nicht einfacher
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Die öffentliche Kontroverse um Thilo Mischke als erst designierter, jetzt wieder ent-designierter Moderator des ARD-Kulturmagazins ttt – titel, thesen, temperamente ist jetzt in eine zweite, aus meiner Sicht deutlich spannendere Phase eingetreten, die Anlass für allgemeinere Überlegungen dazu bietet, wie wir denn eigentlich möglichst konstruktiv und sinnvoll öffentlich diskutieren können, könnten und sollten. Dialog “auf Augenhöhe” ist auch in der Wissenschaftskommunikation ein (Mode-)Thema; kontroversen bzw. adversariellen Dialog kenne ich aus der eigenen Arbeit zu Genüge (möchte jemand etwas zu meinen Diskussionen mit Relativitätskritikern lesen? Hier und hier). An der Frage, wie sich Diskussionen sinnvoll und konstruktiv gestalten lassen, habe ich damit ein doppeltes Interesse: als Staatsbürger, der sich bei Anlässen wie diesem Sorgen macht, ob solche Diskussionen in unserer Gesellschaft überhaupt funktionieren, und als Wissenschaftskommunikator.

(Content-Warning wegen des aktuellen Beispiels leider: Vergewaltigung bzw. sexuelle Gewalt.)

(Wem die Mischke-Kontroverse gar nichts sagt und wer sich daher erst einmal up-to-date bringen möchte: Dieser Übermedien-Artikel beschreibt die Eingangsphase sehr gut und liefert weitere, vertiefende Links; ich selbst hatte mich zur Schnittmenge mit der Wissenschaftskommunikation jüngst hier auf diesem Blog geäußert.)

Eine Programmchefin meldet sich kritisch zu Wort

In deutlichem Kontrast dazu, dass die Stellungnahmen von ARD-Seite während der eigentlichen Diskussion sehr spärlich waren (und nebenbei gesagt ja auch nicht unproblematisch), hat sich die ARD-Programmchefin Christine Strobl jüngst vergleichsweise ausführlich und durchaus kritisch über die Debatte selbst geäußert, Zitat aus dem entsprechenden FAZ-Artikel: “Ich habe in den letzten Tagen schon das Gefühl gehabt, dass wir in einer sehr aufgeregten, sehr dynamisierten Form diskutiert haben. Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Form zurückkommen, die nicht eine Debatte unmöglich macht.” Etwas später im Artikel ordnet sie auch den Entschluss der ARD, Mischke doch nicht zum Moderator zu machen, direkt als Reaktion darauf ein, dass eine Diskussion nicht möglich sei. Der Beitrag schließt mit dem Zitat, Strobl habe in den letzten Tagen gehört, “dass mehrere anerkannte und beteiligte Personen aus der Branche sagen, sie trauen sich nicht mehr zu, in der Öffentlichkeit etwas zu dieser Debatte zu sagen, weil sie Angst haben, sich einem persönlichen Shitstorm auszusetzen – dann zeigt das für mich, dass wir eine Form der Debattenkultur erreicht haben, die ich problematisch finde und mit Sorge betrachte.“

Wenn man diese Äußerung ernstnimmt, muss man umgekehrt fragen: Was ist denn da nun in der öffentlichen Auseinandersetzung über Mischke falsch gelaufen? Aber was vielleicht auch richtig? Welche Debattenkultur, oder auch: welche Verhaltensregeln hätten eine konstruktivere Debatte möglich gemacht, als wir sie erlebt haben? Welches destruktive Verhalten hat eine konstruktive Debatte erschwert und, zumindest ja offenbar der Einschätzung Strobls nach, letztlich unmöglich gemacht?

Der Podcast-Auftakt

Fangen wir am Anfang an. Wie wünschen wir uns den Auftakt einer kontroversen Debatte, und bleiben wir ruhig mal bei der Art von Debatte, um die es hier ging – einer Debatte um Angemessenheit oder Nicht-Angemessenheit der Besetzung einer Stelle mit öffentlicher Repräsentations-Funktion. Wie sähe ein guter Auftakt für eine solche Debatte aus?

Sammeln wir erst einmal, was bei einem solchen Debatten-Auftakt keinesfalls haben wollen. Es sollte nicht um Beleidigungen gehen anstatt um Argumente. Es sollte keine persönlichen Angriffe unterhalb der metaphorischen Gürtellinie geben, etwa ein sich-lustig-machen über das Aussehen des betroffenen Menschen, oder über seine Manierismen (“wie blöd der schon lacht!1!!”). Die Forderungen sollten bei der Sache bleiben und nicht in Vernichtungswünsche übersteigert werden (“am besten wäre, wenn der jetzt Selbstmord begeht”; “die Welt wäre besser, wenn es den überhaupt nicht gäbe”). Es sollte keine direkten oder indirekten Gewaltdrohungen geben (“den sollte mal jemand vergewaltigen”, oder “wenn ich dem mal in echt begegne, dann kann der aber was erleben”). Und es ist ja leider nicht so, dass das alles komplett fiktiv überzogene Beispiele wären. Wüste Beschimpfungen und Gewaltandrohungen sind leider eine Realität auf sozialen Medien und darüber hinaus, siehe die zahlreichen Beiträge dazu z.B. auf den Webseiten von Hate Aid.

Wer immer mit einem Debattenanstoß ernstgenommen werden will, sollte sich dieser unguten Praktiken bewusst sein und seine eigenen Äußerungen daher von vornherein anders gestalten: auf die Sache bezogen, abwägend, fair. Das heißt andererseits nicht, dass man bei seiner Kritik nicht Gefühle zeigen, ungläubig-lachend den Kopf über Absurditäten schütteln, mit Leidenschaft bei der (kritischen) Sache sein kann. Aber falls man merken sollte, dass ohne das wütende Lösch-dich-doch, das Gewaltgehabe und das hämische über-menschliche-Eigenheiten-lustig-machen nichts mehr von der eigenen Kritik übrig bleibt, ist das ein klares Zeichen, dass jene Kritik eben nicht in die Öffentlichkeit gehört, und nicht geeignet ist, als Anfang einer konstruktiven Debatte zu dienen.

Im Fall von Mischke kann man die Sonderausgabe des Podcasts Feminist Shelf Control vom 23. Dezember 2024 als Debatten-Auftakt festhalten. Ich habe mir gerade noch einmal das von Spotify erstellte Transkript durchgelesen, das Annika Brockschmidt mir dankenswerter Weise zukommen ließ, und schätze diesen Podcast durchaus als Positiv-Beispiel für solch einen Debattenauftakt ein. Die Macherinnen haben mehr als ein Dutzend weitere Kulturschaffende zu Kommentaren eingeladen, die im Podcast vorkommen. Sie stellen relevante Fragen – gleich zum Anfang diejenige, ob jemand wie Mischke geeigneter Moderator für eine Sendung sei, in der Diskriminierung und sexualisierte Gewalt ja durchaus immer einmal wieder Themen sind, und dann auch sensibel über jene Themen gesprochen werden muss.

Dann wird über eine mögliche Signalwirkung der Personalie gesprochen, insbesondere: Was hieße ein Moderator Mischke für zukünftig ttt-Gästinnen? Sinngemäß: Wie kann man überhaupt vermeiden, dass jemand, der oder die mit einem persönlich belastenden Thema in die Sendung kommen soll, sich nicht einen entsprechenden Mischke-Podcast anhört (O-Ton “Frauen wurden hart wegvergewaltigt in der Urmenschenzeit”) und sich dann lieber anders entscheidet? Inwiefern sind Typen wie der Ich-Erzähler der Mischke-Bücher Teil eines größeren Problems Rape Culture? Mischkes Karriere wird umrissen, dann wird aus seinem Buch “In 80 Frauen um die Welt” und weiteren Texten zitiert.

Zumindest der Ich-Erzähler im um-die-Welt-vögeln-Buch wird dann allerdings auch dafür kritisiert, dass er sich offenbar um die Welt vögeln müsse, um zu sich selbst zu finden. Und natürlich ist “ein zartes Jünglein von 29” nicht neutral-sachlich, sondern sarkastisch. Die Sprache des Feminist-Shelf-Podcasts ist locker, selten auch einmal derbe. Beleidigungen, hämisches Lächerlichmachen jenseits des Sachthemas, Gewaltandrohungen oder Vernichtungs- bzw. Gewaltfantasien habe ich in dem Podcast nicht gefunden. Dafür viele Anknüpfungspunkte für eine Debatte, die sich an den Podcast hätte anschließen können. Viele Fragen, die von ARD-Seite doch recht dringend einer Antwort bedurft hätten, und Vorwürfe, denen man von ARD-Seite hätte entgegentreten können. Generell aus meiner Sicht wie gesagt ein vielversprechender Auftakt für eine anschließende Debatte. Sogar mit Shownotes auf Google, in denen alle Quellen sauber aufgelistet sind, und damit mit mehr Transparenz als bei den meisten journalistischen Beiträgen, die mir in den letzten Jahren über den Weg gelaufen sind.

Asymmetrische Ausgangssituation

Wichtiger Aspekt bei den ARD-Verantwortlichen als (potenziellen) Debattenteilnehmern ist die Asymmetrie der Situation. Zu dieser Gruppe gehören all jene, die letztlich die Entscheidung treffen, an Mischke festzuhalten oder aber nicht. Oder anders gesagt: Wer zu dieser Gruppe gehört und möchte, dass Mischke in der Tat ttt-Moderator wird, hat der Sache nach erst einmal gar kein Interesse an einer öffentlichen Debatte. Warum auch? Für das gewünsche Ergebnis wäre im Gegenteil der Idealverlauf, dass die Besetzungs-Entscheidung erst gar nicht in Zweifel gezogen wird. Im zweitgünstigsten Falle war die Debatte kurzlebig und verflüchtigt sich nach einer gewissen Zeit. Diese Asymmetrie bedeutet, dass jene Seite als einzige die Option des Aussitzens hat: wenig bis minimal reagieren und darauf hoffen, dass die Aufmerksamkeit auf vertretbaren Zeitskalen von alleine abebbt.

Andersherum heißt das aber: Wenn jene Seite glaubhaft machen will, dass sie an einer (konstruktiven, nicht-beleidigenden) Debatte interessiert, dann hat sie eine ungünstige Ausgangssituation. Sie müsste dann überhaupt erst einmal guten Willen zeigen, in einer Weise, die nicht als Abwiegelung/Beschwichtigung oder als Aussitzen interpretiert werden kann.

Ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie von Seiten der ARD in diesem Falle überhaupt der Versuch unternommen worden wäre, diese Art von gutem Willen und Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Die teils widersprüchliche Kommunikation – ein “gebt uns Zeit” hier vs. eine Bekundung, trotzdem an Mischke festzuhalten, dort –, das nur sehr mangelhafte und zum Teil lavierende Eingehen auf die kritischen Argumente, und dann mit dem obigen Programmchefin-Statement der Rückzug auf ach-nee-sorry-jetzt-ist-eine-Debatte-ja-gar-nicht-mehr-möglich-sowas-aber-auch gibt in dieser Hinsicht ein doch eher trauriges Bild ab.

Mir fallen umgekehrt gleich eine ganze Reihe von Möglichkeiten ein, wie man es besser hätte laufen lassen können, wäre das Ziel eine konstruktive Debatte gewesen. Taten sagen mehr als Worte: Anstatt nur zu sagen “wir hören euch”, hätte man auf die entsprechende Kritik eingehen können. Wenn ein Dutzend dafür unbezahlte Menschen eine so ausführliche Auseinandersetzung wie den Feminist-Shelf-Control-Podcast hinbekommen, dann ist ein FAQ auf einer entsprechenden Webseite für eine größere Anstalt mit rund 23.000 Festangestellten logistisch nicht unmöglich. Eine Einladung zu einem direkten persönlichen Gespräch mit einer Auswahl der Verantwortlichen hätte ebenfalls Kooperationsbereitschaft signalisiert und dem ach-die-wollen-das-nur aussitzen-Eindruck vorgebeugt. 

Ich hätte die ARD auch durchaus in der Pflicht gesehen, deutlich zu kommunizieren, wie man sicherstellt bzw. sicherstellen will, dass denjenigen Kulturschaffenden, die sich kritisch geäußert haben, daraus keine Nachteile erwachsen. Das ist ja ein Teil der Macht-Asymmetrie: Die ARD ist wichtiger Vergeber von Aufträgen und wichtige reichweitenverstärkende Plattform z.B. für Bücher (und das ja sogar ganz konkret im Falle von ttt). Diese Machtposition nicht im Hintergrund stehen zu lassen – wo sie bei denen, die sie kennen, ja durchaus bewusst ist, und die Kritikbereitschaft wenn dann schmälert – sondern sich um Entschärfung zu bemühen, wäre eben auch Teil des verantwortungsvollen Umgangs mit einer öffentlichen Debatten-Situation.

Anstatt nur minimalistisch (wenn überhaupt) zu parieren, hätte die ARD-Seite insbesondere ja auch jenseits der konkreten Personalfrage Mischke Schwerpunkte in der Diskussion setzen können: “Schön, liebe Zuschauerinnen, dass euch ttt so am Herzen liegt. Wir würden gerne mit euch diskutieren, was ttt für euch bedeutet, und ja, selbstverständlich können wir in dem Zusammenhang auch erkunden, was für euch einen guten ttt-Moderatorin ausmacht.” Gerade für diese Art der Diskussion würde dann aber natürlich gelten: Ernsthaft debattierbereit ist nur, wer im Prinzip Ergebnisoffenheit zulässt. Wenn man mit Zuschauerinnen diskutiert hätte, welche Eigenschaften einen guten ttt-Moderatorin ausmachen, muss man auch die Diskussion zulassen, ob bzw. in welchem Maße Mischke jene Eigenschaften mitbringt. Und man muss erkennen lassen, ab welchem Punkt eine Erkenntnis, dass Mischke eine Reihe jener Eigenschaften eben nicht mitbringt, die Entscheider*innen zu einer Revision der Besetzung veranlassen würde.

Die Debatte selbst

Eine konstrutive Debatte findet nur statt, wenn die Beteilgten auf die Argumente der jeweiligen Gegenseite eingehen, sie angemessen zu entkräften zu versuchen und ggf. zur Entkräftung nötige Zusatzinformationen liefern. Bei den Vorwürfen und Rechtfertigungen gäbe es in diesem Falle doch eine ganze Menge an potenziell interessantem Debattier-Material, hier mal eine Auswahl PRO(-Mischke) und KON(-tra Mischke):

  • PRO: Warum reduziert ihr da einen Menschen lediglich auf ein Buch, das er vor 14 Jahren geschrieben hat? KON: Tun wir nicht [Verweis auf Podcast, GQ-Kolumne, problematische Teile der Instagram-Stellungnahme.]
  • KON: Wie wollt ihr denn sicherstellen, dass jemand, der derart empathielos-locker über sexuelle Gewalt plaudert, bei ttt sensibel mit Gästen umgeht, bei denen es um Themen jener Art geht? PRO: [Trage ich gerne nach, sobald ich etwas finde.]
  • PRO: Mischke hat preisgekrönte Reportagen u.a. zu Rechtsextremismus gemacht. KON: Geschenkt, aber (a) Undercover-Sensations-Reportagen und eine Kultursendung sind zwei paar Schuhe und (b) habt ihr mal geschaut, wie selbstbezogen Mischke auch bei seinen ProSieben-Sendungen agiert?
  • KON: Welches waren denn die Bedenken innerhalb der ttt-Redaktion, und was war ausschlaggebend dafür, dass es trotz jener Bedenken zur Personalentscheidung kam? PRO: [Trage ich nach, wenn ich etwas dazu finde.]
  • PRO: Mischke hat sich doch längst und umfassend von seinen früheren Entgleisungen distanziert und sich entschuldigt! KON: Ähm – wo? Quelle bitte? (Ggf. noch Verweis auf die Joris-Wiese-Sache mit dem Podcast von 2020, zu dem Mischke Wiese eingeladen hatte; in dem es genau auch um Kritik an jenem Buch gehen sollte; in dem sich Wiese stattdessen selbst aggressiv wegen ihrer Kritik angegangen fand; den Mischke anschließend wegen der “Tonqualität” auf seiner Seite nicht so veröffentlichen wollte, während Wiese keine Lust hatte, ihn wie von Mischke vorgeschlagen noch einmal aufzuzeichnen.)

…und so weiter, hier natürlich nur kurz angerissen und ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber selbst die Mini-Auswahl zeigt: Stoff zum Diskutieren, und insbesondere eben auch Nachfragen, mit deren Beantwortung die ARD sich konstruktiv an der Debatte hätte beteiligen können, wären hinreichend vorhanden gewesen.

Daraus wurde im folgenden dann aber nach allem, was ich gesehen habe, arg wenig gemacht. Wenn ich via Google zu rekonstruieren versuche, wie die Berichterstattung über die Mischke-Verteidigende ARD-Stellungnahme aussah, dann finde ich keinen Artikel, in dem jemand ob der Probleme jener Stellungnahme überhaupt einmal kritisch bei der ARD rückgefragt hätte. (Wenn jemand einen solchen Artikel gefunden hat, bitte in den Kommentaren melden, ich schreibe diesen Absatz hier dann gerne entsprechend um.)

Einige Regeln für konstruktives Debattieren sollten dabei selbstverständlich sein: Wenn du auf Argumente der Gegenseite eingehst, gib jene Argumente richtig und fair wieder. Wenn du nur auf eine Auswahl an Argumenten der Gegenseite eingehst, wähle die stärksten Argumente der Gegenseite aus, und auf keinen Fall die schwächsten. Beachte grundlegende Regeln der Logik – deine Argumentation sollte logisch, Analogien oder Vergleiche treffend sein. (Fast hätte ich noch einen eigenen Blogbeitrag zu diesem unsäglichen Mischke-“Verteidigungs”-Artikel im stern geschrieben, weil jener Artikel so gut wie jede der Regeln ins Gegenteil verkehrt, also ein schöner Ausgangspunkt für richtig-Argumentieren-lernen-am-perfekten-Negativbeispiel wäre.)

Soziale Medien: [existieren]

Was Debatten heutzutage von Debatten vor, sagen wir sicherheitshalber: 35 Jahren unterscheidet, ist, dass zusätzlich zu den wenigen Menschen, die in journalistisch kuratierten Medien wie Zeitungen oder Fernsehsendungen zu Wort kommen, mehr Menschen als je zuvor die Möglichkeit haben, sich zu äußern. Das hat nicht zuletzt das Phänomen des Shitstorms hervorgebracht, als ein Sturm der Entrüstung, der sich in Form einer raschen Flut negativer bis empörter Kommentare in diversen sozialen Medien manifestiert. Je nach Anlass und je nach den Beteiligten kann solch ein Empörungs-Sturm auch mehr oder weniger durch Beleidigungen oder Bedrohungen dominiert werden.

Soziale Medien existieren nun einmal. Sie werden von denen, die darauf aktiv sind, genutzt, um zu kommentieren, was sie beschäftigt. Das kann das Mittagessen des jeweiligen Tages (samt Foto) ebenso sein wie das politische Tagesgeschehen. Insofern gilt: Wann immer eine Debatte hinreichend viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, werden Menschen online entsprechend kommentieren. Eine Funktion sozialer Medien ist dabei, dass sie das Online-Analogon dessen bieten, was offline persönliche Gespräche mit Bekannten sind, ob nun mit Vereinskolleg*innen, der eigenen Familie oder dem eigenen Freundeskreis. Die Follower-Following-Funktionalität ist in jenem Falle symmetrisch – man baut sich einen Bekanntenkreis von Menschen auf, die wechselseitig gerne ihre jeweiligen Posts lesen und darüber miteinander reden. Ein Teil der Gespräche wird online deswegen in genau demselben ungezwungenen, offenen und ungefilterten Ton stattfinden wie in jenen Offline-Beispielen. Wer Offline eine Schlagzeile liest und zu seinem Freund direkt kommentieren würde “oh Mann, welch ein Arschloch”, ist in Versuchung, das auch online zu tun. Selbst wenn wir davon ausgehen würden, dass alle Menschen medienkompetent genug sind, um auf einer öffentlich einsehbaren Plattform strafrechtlich relevante Beleidigungen zu vermeiden – Spoiler: sind sie nicht! – würde der Ton jener persönlichen-Gespräche-auf-im-Prinzip-öffentlichen-Sozialen-Medien immer noch deutlich rauher sein als ein für eine breitere Zielgruppe jenseits des direkten Bekanntenkreises geschriebener Text.

Was soziale Medien darüber hinaus noch erlauben, ist Kommunikation mit Menschen, die man nicht persönlich kennt und mit denen man kein Analog zu einer wechselseitigen Offline-Bekanntschaft entwickelt. Das sind dann in punkto Follower-vs-Following in der Regel asymmetrische Beziehungen; normal ist ja bei besonders prominenten Individuen oder Institutionen, dass sie deutlich weniger Menschen auf sozialen Medien folgen als umgekehrt ihnen folgen. Im Gegensatz zum Zeitalter der selektiv abgedruckten Leserbriefe sind die Feedbackmöglichkeiten solchen Individuen und Institutionen, vor allem auch gegenüber Medien und gegenüber Personen des öffentlichen Lebens, zahlreich und extrem einfach zu “bedienen”. Das erlaubt Interaktionen, wie sie früher in dieser Form und Breite nicht möglich waren.

Man sollte den psychologischen Druck nicht unterschätzen, der sich aufbaut, wenn man auf einen eigenen Beitrag hin geradezu einer Flut von Gegenmeinungs-Äußerungenen ausgesetzt ist. Wenn ich eine Aussage online stelle, und binnen kurzer Zeit sammeln sich darunter Dutzende bis hunderte Antworten, die so gut wie alle auf “Das stimmt doch gar nicht!” hinauslaufen, dann hat das eine beachtliche Wucht. Dass man es in der Realität bei dieser Art von Piling-On, von Viele-gegen-Einen, nicht mit höflich-neutralen Widerspruch zu tun hat, sondern mit einer Mischung aus eher weniger sachlichen Kommentaren und deutlich mehr in Richtung “Lösch dich”, dem ich-lach-mich-tot- oder dem Clownsgesicht-Emoji, sowie und persönlichen Herabsetzungen und Beleidigungen, verstärkt den Effekt dann natürlich noch.

Hinzu kommt, dass sich persönliche Angriffe in den schlimmeren Fällen nicht nur als Stalking unter den betreffenden Text gesellen, sondern dass eine “Zielperson” auch spontan und flächendeckend angegangen wird, dass im Extremfall unter allem, was sie schreibt, themenfremde Anwürfe und Vorwürfe bekommt, und dort, wo das soziale Medium das zulässt, auch in Direktnachrichten angegangen und mehr oder weniger stark belästigt wird. So eine Mischung aus Stalking und Mobbing geht dann natürlich endgültig über jede vernünftige Form der Auseinandersetzung hinaus.

Wem hinreichend viele entsprechend veranlagte Menschen auf einem Sozialen Medium folgen, hat damit gegebenenfalls sogar die Möglichkeit, diese Art von Mobbing gezielt auszulösen. Er oder sie muss lediglich etwas für seine Follower-Gruppe hinreichend Empörendes zu jener Person posten, entweder direkt erwähnen oder durch Nutzung der “Handle” bzw. des Benutzernamens zeigen, dass jene Person über Soziale Medien “erreichbar” ist, und hat damit die nächste Hass-Angriffswelle direkt losgetreten. Der ZEIT-Artikel “Markierte Zielpersonen” von vor einigen Jahren liefert dazu ja ein recht krasses Beispiel.

Quasi-private Kommentare ausklammern

Dass wir im Zeitalter sozialer Medien leben, ist entsprechend zentral für die Frage, wie denn eine öffentliche Debatte sinnvollerweise aussehen sollte. Konkret: Wie nutzen wir die unbestreitbaren Vorteile sozialer Medien, nämlich den Umstand, dass die Debatte so breit und mit so vielen Mitsprechenden verlaufen kann wie nie zuvor, und wie gehen wir mit den unbestreitbaren Nachteilen um, insbesondere mit Piling-On-Dynamiken?

Erster wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht, dass man zwischen den verschiedenen Funktionen von Sozialen Medien differenzieren muss. Wir werden nicht vermeiden können, dass sich Menschen dort, wo sie Soziale Medien im wesentlichen für Gespräche im kleinen Kreis verwenden, deren öffentliche Sichtbarkeit ein eher unerwünschter Nebeneffekt ist, in der ungefilterten, und das heißt eben auch: gegebenenfalls derb-direkten Art und Weise unterhalten, wie sie das auch offline tun.

Das heißt auch: Wer die Suchfunktionalität Sozialer Medien nutzt, um quasi-private Äußerungen dieser Art direkt zu Tage zu fördern, sollte tunlichst nicht versuchen, aus dem Gefundenen Rückschlüsse auf “den Ton der (öffentlichen) Debatte” zu ziehen. Das würde in unzulässiger Art unterschiedliche Ebenen vermischen. Der quasi-private Teil dessen, was auf den sozialen Medien abläuft, hat auf den öffentlichen Verlauf der Debatte, also auf das, was hinreichend viele Menschen jenseits ihres unmittelbaren Bekanntenkreises sehen, wenig bis gar keinen direkten Einfluss.

Nicht jeder Shitstorm ist eine Hetzkampagne

Auch bei den (öffentlichen) Piling-On-Dynamiken muss man unterscheiden. Tätige ich eine Aussage, die viele Menschen empörend finden, dann gibt es entsprechenden Gegenwind. Läuft eine solche Aussage über ein reichweitenstarkes Benutzerkonto, oder über reichweitenstarke journalistische Medien, dann ist abzusehen, dass eine größere Anzahl von Menschen, die (a) die Aussage empörend finden und sie deswegen nicht so stehen lassen wollen, und die (b) generell keine Scheu haben, sich auf Sozialen Medien zu äußern (und das sind ja bei weitem nicht alle), den entsprechenden Beitrag auf den Sozialen Medien direkt kommentieren werden. Diese Art von Massen-Gegenwind kann dann, wie gesagt, durchaus psychologische Wucht haben.

Auch ohne wechselseitig Koordination erfüllt das Ergebnis in der Regel die allgemeine Shitstorm-Definition einer beachtlichen Flut empörter Kommentare binnen kurzer Zeit. Aber solange diese Flut überwiegend aus jeweils wenigen Kommentaren vieler Einzelpersonen besteht, ist sie zunächst einmal eines: die logische Konsequenz des Umstandes, dass man offenbar mit einer Aussage oder einem Beitrag viele Einzelpersonen empört hat. Das heißt im Gegenzug: Dass es einen Shitstorm in dem obigen Sinne gab, rechtfertigt noch nicht, sich aus einer Debatte zurückzuziehen mit der Begründung, was da laufe, mache jegliche Debatte unmöglich. Das liefe letztlich darauf hinaus, zu sagen: Wir verweigern uns immer dann einer Debatte, wenn unsere Aussagen von einer hinreichend großen Menge von Menschen als empörend aufgefasst werden.

Wer sich mit vagen Verweisen auf das negative Debattenklima weigert, überhaupt in eine öffentliche Debatte einzusteigen, muss sich daher die Rückfrage gefallen lassen, ob er oder sie denn überhaupt an öffentlichen Debatten interessiert sei. Oder das Debattenklima lediglich als Vorwand nutzt, um sich nicht öffentlich rechtfertigen zu müssen – mit einem Vorwand, der sich wohl auf jede öffentliche Debatte mit hinreichend großer Reichweite und hinreichend kontroversem Thema übertragen ließe.

Moderationsmöglichkeiten auf sozialen Medien

Hinzu kommt, dass soziales Medium ja nicht gleich soziales Medium ist. Dass ich nicht mehr auf X/Twitter bin, hat neben dem Umstand, dass ich nicht Content-Lieferant für jemanden wie Elon Musk sein möchte, auch damit zu tun, dass dort unsachlich-aggressive Interaktionen Überhand nahmen. Auf Bluesky, wo ich aktuell aktiv bin, sieht das derzeit zum Glück anders aus. Insofern ist eine pauschale Aussage, auf-den-sozialen-Medien-habe-die-Debatte-eine-ungute-Dynamik, weitgehend sinnfrei, solange man nicht sagt, auf welches soziale Medium man sich bezieht. Zugespitzt: Wenn man stillschweigend 4chan dazunimmt, hat man vermutlich zu jedem allgemeineren gesellschaftlichen Thema Beispiele für absolut grottige Diskussionsbeiträge. Auch auf welchem sozialen Medium man aktiv ist ist letztlich eine Entscheidung der Institutionen bzw. Redaktionen.

Zum konkreten Beispiel Mischke: Ich habe mir als Stichprobe die ersten 250 derzeit (7. Januar 2024, 14:30 Uhr) sichtbaren, moderierten (!) Kommentare unter der Instagramm-Meldung der ttt-Redaktion angeschaut, in der bekanntgegeben wurde, man hätte die Rückmeldungen der Kommentator*innen auf die Stellenbesetzung gehört und bitte jetzt um Zeit, das aufzuarbeiten (verbunden mit dem Versprechen, die Sache nicht auszusitzen).

Zwei jener 250 Kommentare würde ich als persönliche Angriffe jenseits der Sachkritik werten: “also normaler Weise wird jemand, der ein so massives und tief sitzendes Problem mit Frauen und Seggsualität hat, zum Therapeuten geschickt. Die ARD verschafft ihm einen geschützten Arbeitsplatz” und “Lobo, der mansplainer der Nation. Erinnere mich mit Abscheu an die Talkrunde, in der er 30min Huschke Mau die Welt der Prostitution erklärte. Frau Lobo nickte dekorativ mit dem Kopf. Selbstverliebt bis zum Atemstillstand.”  Die 248 anderen waren Debattierbeiträge (pro und kontra) mit Bezug zum Thema, gepostete Link oder allgemeine Zustimmungs- oder Ablehnungsäußerungen (z.B. klatschende-Hände-Emojis als Kommentar unter einem Beitrag, dem man zustimmt).

Wohlgemerkt: Das ist der Zustand, nachdem die für das ttt-Nutzerkonto Zuständigen eine nicht näher bezifferte Anzahl von Kommentaren gelöscht hat, die ihrer Einschätzung nach Beleidigungen enthalten haben. So etwas gibt es nicht umsonst, ganz klar – da muss jemand die Kommentare moderieren, und das ist Arbeit. Aber hinreichend Arbeitskraft für Moderation muss bei einer Sendung, die jeweils einige Hunderttausend Zuschauer*innen erreicht, dann eben eingeplant werden. Da sehe ich große Institutionen wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen durchaus in der Verantwortung. Sage ich als jemand, der hier auf diesem Blog nicht nur das Beitrag-Schreiben, sondern eben auch die Moderation der Kommentare unentgeltlich macht.

Was dann nach der Moderation übrig geblieben ist, ist auf Instagram eine Debatte, die weitgehend viel konstruktiver ablief, nämlich mit dem direkten Eingehen auf Argumente der jeweiligen Gegenseite, als das, was ich bis zu dem Zeitpunkt der obigen Programmchefin-Kommentare an offiziellen Äußerungen oder in entsprechenden journalistischen Beiträgen gelesen habe. Und das ist durchaus wertvoll. Es hätte eine Debatte werden können, in der sich die ARD-Seite einbringt: mit Antworten auf die gestellten Fragen, mit Nachfragen, mit eigenen Argumenten. Stattdessen bleibt es eine Debatte mit Leerstellen, weil sich eine Seite, obwohl sie den entsprechenden Rahmen moderiert/kontrolliert, so gut wie nicht aktiv einbringt. Der moderierte Raum der ttt-Instagram-Kommentare zeigt, dass eine Debatte dieser Art möglich gewesen, und nicht grundsätzlich aufgrund der Dynamiken in den sozialen Medien unmöglich. Mir fällt erst einmal kein lauterer Grund ein, warum die ARD sich aus jener Debatte im geschützten und kontrollierbaren öffentlichen Raum herausgehalten hat.

Jede Institution muss für sich selbst entscheiden, wo sie aktiv ist. Dass man soziale Medien bevorzugt, wo man eine entsprechende Diskussion dann auch im Hinblick z.B. auf beleidigende Kommentare moderieren kann, finde ich durchaus legitim. Und zumindest nach Art und Zahl der kritischen Kommentare in meiner Instagram-Stichprobe habe ich keine Anhaltspunkte dafür, dass die ttt-Redaktion ihre Moderations-Macht in irgendeiner Weise unredlich nutzen würde, um Kritik allgemein zu unterdrücken. Aber gerade weil es solche Möglichkeiten gibt, die in diesem Falle ja offenbar auch gut funktionieren, darf man den Umstand, dass es in einem Teil der Social-Media-Welt schiefläuft eben nicht dazu missbrauchen, die gesamte Debatte für gescheitert zu erklären, bzw. mit jener Begründung gar nicht erst in eine Debatte einsteigen. Instagram zeigt, wie es geht: Hier hätte in diesem Falle die ttt-Redaktion, aber natürlich auch die ARD allgemeiner, einen Rahmen, in dem sie auf einem sozialen Medium hätte diskutieren können, ohne hasserfüllten Piling-Ons hilflos gegenüber zu stehen. Dass sie jenen Rahmen offenbar nicht genutzt hat, um aktiv in eine inhaltliche Debatte einzustellen, spricht (leider) für sich.

Nachbemerkung: Dass man, wenn man dann z.B. ein direktes Gespräch organisiert, diejenigen nicht mit einlädt, die sich online als unkonstruktiv und beleidigend hervorgetan haben, versteht sich aus meiner Sicht von selbst.

Maßnahmen gegen Haß im Netz

Piling-On, markierte Zielpersonen, regelrechte Hetzjagden (die z.B. in internen Foren vorab besprochen und anschließend durchgezogen werden) sind ein Problem öffentlicher Diskussionen, aber natürlich auch ein Problem weit jenseits von Interaktionen und Diskussionen des hier vorliegenden öffentlichen Kalibers. Gegen derartige Praktiken sollten wir als Gesellschaft aktiv angehen, gerade weil öffentliche Debatten in einem demokratischen Staat eine wichtige Funktion für die Meinungsbildung haben.

Ein Teil der Gegenmaßnahmen sind technischer Natur. Anhand von Instagram hatten wir ein Beispiel dafür gesehen: die Möglichkeit, Antworten unter eigenen Beiträgen zu moderieren. Dieses Blog hier ist ein weiteres Beispiel; hier werden die Kommentare nicht automatisch freigeschaltet, sondern ich mache das händisch vom Backend aus. Ob es eine sinnvolle Möglichkeit gibt, die nicht freigeschalteten Kommentare trotz ggf. rechtswidriger Inhalte (Beleidigungen/Drohungen mit Namen des/der Adressat*in) aus Transparenzgründen irgendwo sichtbar zu machen, weiß ich nicht. (Ich hatte das in einer kürzeren Phase meiner Moderationsversuche hier in diesem Blog einmal händisch versucht; das war aber ein unverhältnismäßig hoher Zeitaufwand.)

Sowohl das damalige Twitter als auch Bluesky bieten die Möglichkeit, problematische Antworten auf eigenen Posts für die weiteren Nutzer*innen zu verbergen. Mitlesende können solche verborgenen Antworten gezielt sichtbar machen; per Default werden sie aber nicht angezeigt. Ebenso bei beiden Plattformen gab/gibt es die Möglichkeiten, Antworten von vornherein auf eine begrenzte Benutzerinnengruppe einzuschränken, beispielsweise auf die Menschen, denen man selbst folgt.

Dann ist da natürlich noch die Block-Funktion. Die sollte von Institutionen freilich nur mit großer Vorsicht genutzt werden: Der Auftritt z.B. der ARD oder direkt von ttt auf sozialen Medien ist schließlich Teil des Services jener Institutionen für die Beitragszahler*innen; Beitragszahler*innen von jenem Service-Teil pauschal auszuschließen, ist daher ein Schritt, der gut abgewägt sein sollte und ggf. sogar juristisch angefochten werden könnte. Bei Einzelpersonen sehe ich die Block-Funktion dagegen als fast komplett unproblematisch. Analog dazu, wie ich bei nervigen Offline-Zeitgenossen das Recht habe, zu sagen “nee, sorry, mit Ihnen hat das weitere Gespräch offenbar keinen Sinn”, und wie ich dieses Recht durchsetzen kann, indem ich mich selbst entferne, mein Gegenüber des Raumes verweise oder den Telefonhörer auflege (ok, ok: auf “Gespräch beenden” drücke), muss ich mir auch online aussuchen können, mit wem ich rede und mit wem nicht. Da die Fülle der möglichen Online-Interaktionen um Größenordnungen größer ist als das, was ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt lesen könnte, bin ich überzeugt, dass konsequentes und frühes Blocken von Zeitgenossen, deren Aussagen auf unkonstruktives Diskussionsverhalten hinweisen, die Qualität meiner Online-Interaktionen deutlich anhebt. Und das, ohne das Spektrum der informativen Meinungen, die mir begegnen, signifikant einzuschränken.

Bei Beleidigungen und Bedrohungen müssten rechtliche Schritte möglichst einfach gemacht werden, wie das z.B. HateAid anbietet. Das hätte durchaus intensivere öffentliche Förderung verdient, wenn uns die Freiheit der Meinungsäußerung in Online-Räumen etwas wert ist. Ich würde durchaus befürworten, dass dabei auch ausgeweitet wird, in welchen Fällen Staatsanwaltschaften von sich aus anstatt nur auf Antrag tätig werden. Wer das Recht auf freie Meinungsäußerung auszuhebeln versucht, indem er bestimmte Menschen oder allgemeiner bestimmte Gruppen aus öffentlichen Foren herauszumobben versucht, schadet damit unserer Demokratie ganz beträchtlich.

Soziale-Medien-Krisenmanagement bei Institutionen

Dass, wer in irgendeiner Weise zu Prominenz kommt, mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit Ziel derartiger Angriffe wird, ist unvermeidlich. Und wie schon gesagt: selbst ganz legitime Kritik-Lawinen, nämlich die unabhängigen Reaktionen vieler einzelner Menschen auf etwas, das man getan oder gesagt hat, können eine enorme psychologische Wucht entfalten. Den Betreffenden oder die Betreffende in der Akutphase abzuschirmen ist deswegen durchaus sinnvoll, und sollte Teil jedes institutionellen Krisenmanagements in Shitstorm-Situationen sein.

Was in der Thilo-Mischke-Sache von Seiten der ARD kam, macht auf mich bislang nicht den Eindruck, als hätte man dort ein vernünftiges Krisenmanagement. Andererseits weiß man dort ja nicht erst seit gestern, dass wir in einer Welt leben, in der nicht mehr asymmetrisch von Wenigen für Viele gesendet wird, und Fernsehsender die Zuschauerreaktionen stiefmütterlich behandeln können, ohne großartige negative Folgen befürchten zu müssen. Wer als Institution so vergleichsweise große Ressourcen hat, wie die ARD, sollte das auch richtig machen können.

Das fängt auf Ressourcen-Ebene mit der Organisation von “Springer*innen” an, konkret Mitarbeiter*innen, die normalerweise etwas anders machen, aber in Diskurs-“Notfällen” dieser Art schnell zusammengezogen werden können, um ein für den Regelbetrieb ausgelegtes Online-Moderator*innenteam zeitnah zu unterstützen. Größer gedacht wäre eigene Diskussions-Infrastruktur, eine eigene Plattform, die während der kritischen Phasen der Diskussion intensiv redaktionell betreut wird, indem man die Diskussion nicht nur moderiert, sondern zeitnah systematisch auswertet – einen Online-FAQ, der die jeweils wichtigsten Kritikpunkte und die Antworten darauf systematisch zusammenstellt, hatte ich weiter oben kurz angesprochen. In dieser Weise vernünftig zu interagieren würde Aussitz-Vorwürfen den Wind aus den Segeln nehmen, und liefe andererseits nicht die Gefahr einer direkt aus dem Ruder laufenden Soziale-Medien-Dynamik.

Fazit

Selbst wenn man, wie ich hier, nur denjenigen Abschnitt der Debatte um ttt und Thilo Mischke vom Feminist-Shelf-Control-Podcast bis zu den eingangs zitierten Programmchefin-Äußerungen betrachtet, lässt sich viel darüber lernen, wie öffentliche Debatten heutzutage aussehen könnten, aussehen sollten und besser nicht aussehen sollten. Die Causa Mischke wäre ein schöner Aufhänger für eine solche allgemeinere Diskussion, und jene allgemeinere Diskussion wäre für sich genommen ja auch sehr wichtig: Öffentliche Meinungsbildung ist ein Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Wie wir sie in Zeiten der sozialen Medien konstruktiv gestalten können, ist entscheidend dafür, wie es mit uns weitergeht.

Die Diskussions-Realität sieht nach dem, was ich bislang gesehen habe, leider anders aus. Was von Seiten der ARD bislang an Reaktionen auf die öffentliche Kritik kam, ist für mich ununterscheidbar von den Reaktionen einer Institution, die pikiert ist, dass da überhaupt öffentliche Kritik an einer ihrer Entscheidungen kam, die eine kritische öffentliche Debatte am liebsten ganz vermieden hätte, und die sich jener Debatte durchaus erfolgreich verweigert bzw. entzogen hat: zuerst mit einer von Aussitzen schwer unterscheidbaren Mikrodosierung der Antworten/Informationen, in den oben genannten Programmchefin-Äußerungen dann mit dem Verweis auf eine Debattenkultur, in der eine Diskussion leider nicht mehr möglich sei.

Aber daran muss man sich ja kein Beispiel nehmen. Also: Wie sähe eine sinnvolle Struktur für öffentliche Debatten aus? Welche Regeln sollte es geben, damit solch eine Debatte überhaupt zustande kommen kann? Wie gehen wir vor, um die unterschiedlichen Interessen angemessen zu berücksichtigen? Wie sorgen wir dafür, dass Teilnehmerinnen in öffentlichen Diskussionen mit unkonstruktivem Verhalten möglichst wenig durchkommen? Hetz-Gruppen, denen es um Mobbing geht ebenso wenig wie debattier-unwillige Institutionen, die sich unter dem Vorwand schlechten Diskussionsklimas voreilig einer Debatte entziehen wollen?

Allgemeiner Kommentar zu den Kommentaren unter diesem Text: Wie oben bereits anklang, moderiere ich Kommentare in diesem Blog. Insofern: Bleiben Sie in den Kommentaren bitte beim Thema des Blogbeitrages. Keine Beleidigungen; diskutieren Sie bitte konstruktiv. Fassen Sie sich so kurz, wie Sie es vermögen – ein Blogkommentar hat keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit; mehrere kurze, prägnante Kommentare dürften für eine Diskussion förderlicher sein als der Versuch, in einem langen Kommentar, der als “Gegen-Blogbeitrag” fungiert, alles auf einmal abzudecken. Und da ich das alles quasi nebenbei (und, ja, unentgeltlich) mache: bitte haben Sie Geduld, wenn es mit dem Freischalten von Kommentaren gelegentlich etwas dauert.

Nachtrag vom 9. Januar 2025: Zu erfolgreichen Debatten gehört natürlich auch eine grundsätzliche Bereitschaft, seine Meinung zu ändern und dazu zu stehen, wenn man falsch lag. Das fällt vielen schwer; umso bemerkenswerter dieser Text von Tara-Louise Wittwer im SPIEGEL, “Wie ich in die Falle der Bro-Culture getappt bin”.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

19 Kommentare

  1. Ohne mich tiefer mit dem Thema beschäftigt zu haben ist mein Gefühl dazu: ein ARD-Kulturmagazin sollte sich an den Erwartungen an ein ARD-Programm orientieren und nicht an den Kriterien, die eventuell für soziale Medien gelten. Denn: Letztlich hängt ja vom öffentlichen Auftritt von Titel-Thesen-Temperamente auch ab, was man über die ARD als Ganzes denkt.

  2. Ich weiß nicht, um welche Stellungnahme genau es dir ging. Ich hatte nach der ersten am 28.12. nachgefragt und das hier notiert:

    https://stefan-fries.com/2024/12/28/neuer-ttt-moderator-ard-prueft-vorwuerfe-gegen-mischke-haelt-aber-an-ihm-fest/

    Nach der Trennung habe ich ebenfalls bei der ARD nachgefragt und das u.a. hier erzählt:

    Aus der Dlf App | Kultur heute | Nach massiver Kritik – Thilo Mischke wird Kultursendung „ttt“ nun doch nicht moderieren
    https://share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.html?audio_id=dira_DLF_d462ed79

    • Wenn das ganze eine echte Debatte sein sollte, dann hätte ich mir vom ARD genau das gewünscht, was der erste Text selbst als fehlend beschreibt (“Zudem kann oder will die ARD-Programmdirektion weder inhaltlich begründen, warum Mischke ohne Erfahrung im Kulturjournalismus fachlich der Richtige für den Job ist, noch wollte sie sich zumindest anfangs offenbar überhaupt mit den Vorwürfen beschäftigen.”) – es gab ja durchaus konkrete Kritik und Nachfragen (jüngst dann ja auch: warum wurde Mischke gegen den Willen mindestens eines Teils der ttt-Redaktion durchgesetzt? Auf welches entschuldigt-und-distanziert bezieht sich die dort auch wiedergegebene ARD-Äußerung? Stellungnahmen zu den Vorwürfen von Selbst-Zentriertheit und Empathielosigkeit, die man ja z.B. in dem Evolutionsbiologie-Podcast sieht wären auch interessant. (Für mich nach wie vor besonders krass: Wie Mischkes Interviewpartnerin an einer Stelle sagt, das Vorgespräch habe sie traumatisiert, und Mischke Null darauf eingeht, weil er stattdessen unbedingt noch seine eigenen nächsten Gedanken anbringen muss.) Wie oben schon geschrieben: Material für eine echte Debatte mit gegenseitigem Eingehen auf Argumente gäbe es mehr als genug!

    • Klasse, dass Sie schneller als ich waren, denn Ihre Berichterstattung dicht an der ARD dranbleibend kam mir sofort in den Sinn, als Herr Pössel die Frage aufgeworfen hat.

      Das MDR-Altpapier habe ich in der Causa Mischke deutlich passiver erlebt als Ihre konstante Berichterstattung im Deutschlandfunk sowohl im Rahmen von @mediares als auch bei DLF-Kultur. Danke schön!

  3. Zur Causa Mischke:
    Danke für die Erstellung eines aktuellen Big Pictures aus Perspektive eines Nicht-Akteurs. Big Picture in dem Sinne, dass viele wesentliche Quellen, Meinungen/Standpunkte und Reaktionen überschaubar zusammengefasst worden sind. Viele Medienvertreter sind da nämlich noch immer nicht so richtig “drin”, mehr dazu unten.

    Aus meiner Sicht ist der Debatten-Verlauf maßgeblich geprägt worden durch die Faktoren Weihnachtpause der klassischen Medien, Freiberufler-Mobilisierung und deren Medien-Einsatz jenseits bereits voll etablierter Online-Plattformen.

    Der Zeitpunkt der Verkündung der Personalie ttt/Thilo Mischke kurz vor Weihnachten mündete darin, dass hochbesorgte Freiberufler via Podcasts und Bluesky zwischen dem 23.12. und 27.12.2024 deutlich die Diskussion vorantreiben konnten bei gleichzeitiger zeitlicher und technischer Abwesenheit klassischer Medien mit ihren Tarif-Beschäftigen.

    Und Bluesky selbst wiederum wurde durch die Causa “Elon-Musk-Artikel pro-AfD in der WELT” plötzlich zur Platform of Choice der X/Twitter-Exilanten, so dass die Debatte quasi maximal ARD- und Presse-fern verlaufen ist.

    Diese Erkenntnis nahm ich zum Anlass, mal die Presse-Befindlichkeit zu analysieren

    Gemäß meiner eigenen gestrigen Artikel-Analyse haben bisher nur ca. 33% der Print-Journalist:innen die Causa Mischke vollumfänglich aufbereitet, weitere 33% immerhin korrekt verortet und der Rest ist irgendwie falsch abgebogen. (Basis: 495 Tages- und Wochenzeitungs-Artikel via GENIOS eBiB vom 04.01. bis 06.01.2025; massive Bereinigung um Agentur-Artikel, davon verbleibend manuell ausgewählte 18 Artikel mit journalistischer Substanz und hinreichender Wortanzahl jenseits von dpa-Kurzmeldungen.)

    Insofern begrüße ich Ihren Artikel ausdrücklich, um hier den Überblick für thematische Neueinsteiger:innen zu ermöglichen.

    Denn den diversen technischen (Noch-) Unzulänglichkeiten der in dieser Causa vielgenutzten Plattform Bluesky ist es m.E. geschuldet, dass viele Fragmente vorhanden sind, die man sich mühsam zusammensuchen muss.
    Da ich die Echtzeit-Dynamik der Causa Mischke auf Bluesky über mehrere Tage intensiv und teilnehmend aktiv verfolgt habe, habe ich eine sehr steile Lernkurve hinter mir. Der Informationswissenschaftler in mir hat sehr oft geflucht, wenn schon wieder erst Stunden später ein Posting anderswo gefunden hat, wo er es erwartet hatte. Da sind noch viele Feature Requests notwendig …

    • Danke für die weiteren Informationen! Eine Behauptung darin kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Bluesky wurde nicht “durch die Causa ‘Elon-Musk-Artikel pro-AfD in der WELT’ plötzlich zur Platform of Choice der X/Twitter-Exilanten”, sondern das war und ist ein längerer Prozess. Meine deutschsprachige Followerschaft ist ab Herbst 2024 deutlich gewachsen, und auch der demonstrative eXit vieler Journalist*innen, der ja durchaus auch ein journalistisches Medienecho hatte, war mehr als einen Monat vor dem Musk-Welt-Artikel.

  4. Markus Pössel schrieb (07. Jan 2025):
    > […] Also: Wie sähe eine sinnvolle Struktur für öffentliche Debatten aus?

    Mit jeder als debattierbar gemeinten (schriftlichen) öffentlichen Äußerung sollte eine konkrete Barriere-freie Möglichkeit bereitgestellt oder zumindest nachweislich angeboten sein, sich dazu jeweils eigen-verantwortlich, Wahl-weise auch ausführlich und durchaus kritisch, öffentlich auffindbar und jedenfalls formal (z.B. hinsichtlich typographischer Gestaltung, Anzahl von Links, Einfügen von Bildern) gleichberechtigt, insbesondere schriftlich, zu äußern.

    Alle solche (einschl. “Gegen-Blogbeitrag”-)Äußerungen sollten ggf. jeweils wiederum öffentlich auffindbar (wenigstens grob und ökonomisch bzw. automatisiert) kuratiert werden.

    (Falls eine entsprechende, wenigstens minimale Kuratierung systematisch nicht erfolgt — was an sich ggf. auch legitim ist — dann ist der/dem Betroffenen insgesamt genau ein eigen-verantworteter, ausdrücklicher debattierbarer öffentlicher Hinweis-Artikel darauf als legitim gestattet (etwa: “Kollege Y nimmt meine Beschwerden nicht zur Kenntnis”), der jedoch nach Bedarf aktualisiert werden kann und auf den ggf. auch durch andere verlinkt werden kann, ohne an sich als Mobbing klassifiziert und verfolgt zu werden.)

    Im Übrigen sind

    – Debatten besonders dann als solche erkennbar, und womöglich besonders effektiv und abschließbar, wenn sie jeweils als “PRO-vs.-CON” bzgl. einer einvernehmlich festgehaltenen Fragestellung organisiert und geführt werden, und

    – Argumente besonders dann als solche erkennbar, und womöglich besonders effektiv und nachhaltig, wenn sie zunächst wenigstens die jeweils eigenen Festsetzungen erfüllen, woran Argumente überhaupt als solche erkennbar wären;
    und wenn solche Festsetzungen jeweils von vornherein öffentlich deklariert sind und bleiben (insbesondere und Wahl-weise jeweils im öffentlichen “Profil” der/des betreffenden, an öffentlicher Kommunikation Teilhabenden und womöglich dafür sogar finanzielle Beiträge Entrichtenden).

    • Ihre Vorschläge halte ich nicht nur für praktisch nicht umsetzbar, sondern auch für stark missbrauchsanfällig, wenn sie doch umgesetzt würden. Aber so kann’s halt gehen.

      • Markus Pössel schrieb (09.01.2025, 17:30 Uhr):
        > […] halte ich nicht nur für praktisch nicht umsetzbar

        Das in meinem vorausgegangenen Kommentar (09.01.2025, 13:53 Uhr) Vorgeschlagene wird doch in zwei bekannten “Test-Betten” schon längst praktiziert — jedenfalls weitgehend, zugegebenermaßen mit wenigen Abstrichen, z.B. betreffend die Anzahl von Links pro Äußerung, und das Einfügen von Bildern):
        in den SciLogs, und “im anderen Laden”.

        Bliebe noch, diese Ansätze zu integrieren und (bei Bedarf) weiter zu skalieren.

        > sondern auch für stark missbrauchsanfällig, wenn sie doch umgesetzt würden.

        Das ist mir zwar neu, scheint aber (Lösungs-orientiert) debattierbar. …

        • In der von Ihnen geforderten strengen Form wird das nicht praktiziert, soweit ich sehen kann. Fände ich auch nicht sinnvoll – die Stärke kuratierter Plattformen ist, dass Mitlesenden bereits eine (nach den Kriterien der Kurator*innen) sinnvolle Auswahl von Texten zugänglich gemacht wird. Was Sie vorschlagen, wäre ein Fest für diejenigen, die so krass wie möglich “flood the zone with shit” machen möchten.

          • Markus Pössel schrieb (10.01.2025, 14:33 Uhr):
            > […] die Stärke kuratierter Plattformen ist, dass Mitlesenden bereits eine (nach den Kriterien der Kurator*innen) sinnvolle Auswahl von Texten zugänglich gemacht wird.

            Dies ist aber nicht die einzige Stärke kuratierter Plattformen;
            und hinsichtlich sinnvoll strukturierter öffentlicher Debatten nicht mal die primäre. Sondern:

            > Was Sie vorschlagen, wäre ein Fest für diejenigen, die so krass wie möglich “flood the zone with shit” machen möchten.

            Der obige Vorschlag (09.01.2025, 13:53 Uhr) besteht jedenfalls darin, jeden als debattierbar gemeinten Beitrag zu kuratieren; und sei es (entsprechend festzuhaltender Kriterien) durch Verlinkung ausschließlich auf eine separaten Kurations-Seite “Shit (oder Sonstiges)”.

            Das macht den Mitlesenden die so behandelten Texte ggf. zumindest Wahl-weise systematisch auffindbar, und auch wiederum verlinkbar und insbesondere mit Texten vergleichbar, die in anderer Weise (bzw. auf anderen Kurations-Seiten) behandelt bzw. ausgewählt würden.

            Dann debattiert es sich doch anders, als seien Einlassungen, die man für Shit hält, schlicht gar nicht existent.

          • Kann ich mir für mich persönlich genau dann vorstellen, wenn es (a) technisch verankert wird (dafür, das händisch mit Copy-und-Paste zu machen möchte ich meine Zeit nicht investieren) und (b) wenn es eine gute rechtliche Lösung gibt für potenziell problematische Inhalte. Beleidigungen darf und werde ich ja tunlichst nicht verbreiten, sprich: ich darf gerade nicht gedankenlos alles, was da kommt, auf eine Hintergrundseite schaufeln und denken, damit wäre ich rechtlich aus dem Schneider.

  5. Vielen Dank für den klugen und langen Beitrag Herr Pössel.

    Ein paar Gedanken dazu. Ich bin mir nicht sicher, ob wir alle tatsächlich eine konstruktive öffentliche Debatte wollen und ob das überhaupt möglich ist. Zwar sagen sehr viele gesellschaftliche Vertreter*innen und auch viele Einzelpersonen das immer, aber ich habe daran meine Zweifel, ob das tatsächlich so ist.

    Zum einen ist Kritik, zumal starke und harsche Kritik, wirklich unangenehm, auch, wenn sie berechtigt ist. Der Impuls, sich mit dieser Form der Rezeption wirklich auseinanderzusetzen, sinkt damit beträchtlich.
    Zum anderen wollen wir gerne Recht haben und gehen auch grundsätzlich davon aus, dass wir Recht haben. Dadurch wird auf Kritik oft prinzipiell verneinend reagiert oder nach Lücken in der Gegenargumentation gesucht oder nach Wegen, die Kritik zu diskreditieren. Das Interesse von vielen Seiten in verschiedenen öffentlichen Debatten, die ich wahrgenommen habe, war nicht zu einer konstruktiven Lösung zu kommen, sondern zu beweisen, dass man selbst Recht und die andere Seite Unrecht hat. Ich glaube auch nicht, dass sich solche Denkweisen so leicht ändern lassen. Beides, das Unwohlsein, das auf Kritik folgt, als auch der Impuls, sich selbst grundsätzlich im Recht zu sehen, erschweren konstruktive Debatten grundsätzlich.

    Wenn Argumente der anderen sehr zahlreich, ausführlich und fundiert sind, aber nicht erwartet wurden, benötigt es viel Zeit, um diese detaillierter nachzuvollziehen und zu recherchieren. Insbesondere, wenn man nach Fehlern in der Argumentation der Gegenseite sucht. Wofür der Impuls hoch ist, denn man erwartet ja, dass man Recht hat. Im Podcast Feminist Shelf Control wurden sehr viele Argumente und Text- bzw. Podcaststellen aufgebracht und Fragen aufgeworfen. Soweit ich weiß, kam darauf die Antwort, dass man Zeit benötige, um sich damit auseinanderzusetzen, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Leider lässt sich bei solchen Antworten nicht sagen, ob das tatsächlich ernst gemeint ist oder ob das der Beginn einer Aussitzen-Strategie ist.
    Ich finde, dass sich gegenseitig Zeit geben auch zu einer konstruktiven Debattenkultur dazugehören muss. Wenn dann nach einer Weile keine Antwort erfolgt, dann kann man immer noch von Aussitzen sprechen. Sie haben angesprochen, dass die ARD ja schließlich eine große Institution ist, die das schneller erledigen könnte. Das glaube ich nicht, zumindest nicht in der jetzigen Form. Das ist wirklich viel Arbeit, für die einige Menschen sich sehr tief in die Materie reinknien müssen, einige Menschen, die ja eigentlich mit etwas anderem beschäftigt sind. Gäbe es die von Ihnen vorgeschlagenen Springer, wäre das wohl anders.

    Zu dem Part mit den sozialen Medien und der Moderation:
    Auf der eigenen Instagramseite zu moderieren ist wesentlich einfacher, als eine Debatte auf z.B. Bluesky zu moderieren. Wenn eine Debatte richtig losgeht, dann geht sie über das eigene Profil hinaus. Andere schreiben dazu eigene Beiträge auf ihren Profilen, die dann kaum noch nachvollziehbar sind und die Debatte verselbstständigt sich. Ob diese Debatte dann sachlich und angemessen geführt wird, kann man dann gar nicht mehr nachvollziehen oder beeinflussen. Das gilt explizit auch für Bluesky. Das ist mir dort bei kleineren Themen schon aufgefallen und es ist mir auch hier aufgefallen. Schließt man die Debatte bzw. versucht sie im Zaum zu halten, wie von Ihnen vorgeschlagen, hilft das oft nicht und dazu gibt es Kommentare, dass Kritik unterdrückt werden soll. Auch nicht richtig. Blocken ist ebenfalls schwierig, wie Sie gesagt haben. Eine gute Lösung für dieses Dilemma fällt mir nicht ein, denn der Austausch auf sozialen Medien bleibt notwendig.

    Das ist verbunden mit der Dogpiling-Problematik eine explosive Mischung, die sehr schnell extrem auslaugend ist für alle Beteiligten. Ich beneide weder Frau Brockschmidt und Frau Endler, noch die arme Person, die den ttt-Instagram-Account betreut.

    Als Fazit würde ich sagen, dass eine konstruktive öffentliche Debatte generell tatsächlich kaum noch möglich ist. Was wieder und wieder passiert, so auch hier, ist, dass sich nach kurzer Zeit schnell zwei Fronten bilden, die sich feindselig gegenüberstehen und in ihren jeweiligen Meinungen noch mehr bestärkt sind als zuvor. Denn auch das habe ich erlebt: Je harscher und belehrender Kritik ist, desto weniger wird sie angenommen.

    • Ich sehe, woher Sie mit Ihren jeweiligen Einwänden kommen. Und das sind zweifellos Aspekte, die man berücksichtigen muss, wenn man eine öffentliche Debatte möchte. Vieles davon ist aber auch eine Frage von Gewohnheiten und von Kultur. Ein vernünftiger Umgang mit Fehlern und Änderungen der eigenen Meinung gehört dazu – solange das, wie derzeit in der Tat häufig, als Schwäche ausgelegt wird, Beharren auf dem eigenen Standpunkt so absurd er im Kontext sein mag als Stärke, haben wir in der Tat ein Problem. Aber das legt aus meiner Sicht unter anderem daran, dass wir aktuell eben keine vernünftigen Debatten gewohnt sind. Eine Art Henne-und-Ei-Problematik, aber kein Grund, das System nicht in Richtung besserer Fehler- und Debattenkulltur zu verändern.

      Zeitfaktor und Überzahl der Argumente: Nun gut, wenn Feminist Shelf Control das mit so gut wie Null Ressourcen und freiwilliger Mitarbeit auf so kurzen Skalen hinbekommt, sollte das für eine größere Institution mit vielen qualifizierten Mitarbeiter*innen auch kein Problem sein, so tiefgehend an einer Debatte teilzunehmen. Wenn man denn will. Und wie im obigen Text beschrieben: Man muss ja gar nicht auf alle Argumente eingehen. Aber wenn man eine Auswahl trifft, sollte man die stärksten Argumente der Gegenseite angehen. (Und wenn man versucht sich da herauszulavieren, sollte das öffentlich angemerkt und kritisiert werden.)

      Soziale Medien und Moderation: Ganz klar, das ist nicht einfach! Aber z.B. gerade bei Bluesky vs. X sieht man doch, was da gut durchdachte Werkzeuge für einen Unterschied machen. Bei Bluesky ist die Mächtigkeit der Blockfunktion, dass nämlich beim Blocken auch gleich sämtliche Antworten und Kommentare der Person unter den Posts der blockenden Person unsichtbar werden, eine gute Abschreckung gegen Trollerei. Bei X sind Algorithmus und Schwächung der Blockmechanismen ein Anreiz für Trollerei. Letztlich fände ich wichtig, dass wir erkennen, dass soziale Medien für die Nutzer*innen mehrere Funktionen haben: man unterhält sich vertrauter im kleinen Kreise, und man nimmt in Interaktion mit reichweitenstarken Nutzer*innen an einer öffentlichen Debatte teil. Die eingebauten Moderationsmöglichkeiten sollten es ermöglichen, mit beiden Situationen jeweils sinnvoll umzugehen.

      Insofern fällt mein Fazit weniger pessimistisch aus. Da würde in Sachen konstruktiver Debatte deutlich mehr gehen. Wenn diejenigen, die größeren Einfluss haben, es denn wollten und entsprechende Anreize setzten.

      • Dem Einwand mit dem Henne-Ei-Problem stimme ich zu. Nur lassen sich Gewohnheiten und Kulturen nur sehr schwer und langsam ändern. Dies wird meines Erachtens auch hier der Fall sein. Ich habe leider keine Lösung für das Henne-Ei-Problem außer vielleicht in kleinen Schritten vorzugehen und sich mehr zu verzeihen.

        Beim Zeitfaktor muss ich widersprechen. Die vier Frauen von Feminist Shelf Control haben da Wochen an Arbeit reingesteckt. In einer Zeit, in der sie sicherlich eigentlich auch anderes zu tun hatten. Das ist ein Aufwand, den man eigentlich nicht erwarten kann und was eigentlich die Aufgabe eines großen journalistischen Mediums gewesen wäre. Es wirkt, als ob die das kurzfristig nebenbei gemacht hätten, aber das glaube ich nicht.

        Als kritisierte Institution ist das noch einmal doppelte Arbeit: Man muss ja selbst eine Antwort finden und zugleich nachrecherchieren, was tatsächlich an der Kritik dran ist. Klar sind die Rundfunkanstalten sehr groß mit vielen Ressourcen, aber ich bin mir nicht so sicher, ob das eine Arbeit ist, die sich tatsächlich so gut aufteilen lässt. Dafür müssen die Recherchierenden ja schon sehr tief in dem Thema drinstecken und damit ist da viel Arbeit von wenigen als wenig Arbeit von vielen eher sinnvoll. Noch dazu sollte die Antwort ja aus einem Guss sein und zueinander passen, bei vielen Recherchierenden würde das nur zu Koordinationsproblemen führen.
        Wie gesagt, nur weil die Rundfunkanstalten viele Mitarbeitende zur Verfügung haben, warten ja auch die nicht darauf, eine intensive Recherche zu einem neuen Moderator nachzuvollziehen, die ein Jahrzehnt tief geht.

        Im konkreten Fall hätte ja jemand zuerst den Podcast hören, zumindest mal das Buch überfliegen, Mischke kontaktieren, die Redaktion von ttt kontaktieren, die Leitungen der Rundfunkanstalten kontaktieren, die Kolumnen von Mischke lesen, die Podcasts von Mischke dazu durchhören, seine Statements dazu lesen müssen, allein um die Kritik nachzuvollziehen. Allein das ist schon wirklich viel (unerwartete) Arbeit. Man kann auch sagen, dass das Arbeit ist, die vorher nicht getätigt wurde und vorher hätte passieren müssen. Richtig. Aber so muss nun die Arbeit von mehreren Wochen auf einmal nachgeholt werden. Das ist auch für die Rundfunkanstalten nicht wenig. Und zeigt vielleicht auch noch einmal, wie viel Zeit die Frauen hinter der Feminist Shelf Control-Folge dort hineingesteckt haben.

        Eine Lösung wären natürlich die von Ihnen vorgeschlagenen Springer, die an Projekte gehen können.

        Trotzdem glaube ich deshalb weiterhin, dass sogar die ARD für eine angemessene Antwort, die sich ausführlicher mit der Kritik auseinander gesetzt hätte, wirklich Zeit gebraucht hätte. Dass es die so nicht gab, wird vollkommen zurecht kritisiert, da stimme ich komplett zu.

        Eine Antwort, die nur auf die drängendsten Kritikpunkte eingeht, würde wahrscheinlich immer noch kritisiert werden, weil sie einige Punkte eben zwangsläufig auslässt. Das ist jetzt zumindest meine pessimistische Vermutung. Damit braucht man in solchen Debatten eben eins, wie Sie auch schon gesagt haben: Toleranz für Fehler und das Eingeständnis, dass fundierter Journalismus und fundierte Antworten Zeit benötigen, egal, wie groß die Redaktion dahinter ist.

        Zu Social Media und BlueSky: Ich war selbst mehrere Monate lang bei Bluesky sehr aktiv. Natürlich ist der Unterschied zu X groß. Die Debatten verselbstständigen sich trotzdem und werden mit harten Bandagen und auch sehr persönlich werdend geführt. Da hilft auch die nukleare Blockfunktion nur sehr bedingt, Screenshots und Beiträge aus anderen Medien können ja trotzdem geteilt werden und das passiert auch. Das habe ich selbst dort oft genug erlebt und auch bei der um Mischke, die im deutschsprachigen Bluesky ja sogar einige Tage lang das vorherrschende Thema war.

        Noch dazu ist die Fehlerkultur bei vielen Bluesky-User*innen wirklich nicht viel besser als auf anderen sozialen Medien. Dazu gibt es auch kein Moderationstool, das dieses Problem vermeidet.

        Es wird wirklich schnell wirklich viel und es laugt wirklich schnell aus, eine Moderation ist kaum möglich wenn es einmal aufgeheizt ist, auch über Blocks nicht. Auch da können das kaum mehrere Leute machen, die Antworten müssen ja ebenfalls zusammen passen.

        Noch dazu kann eine öffentliche Institution schlecht zu viel blocken, das wirkt einfach, als ob sich der Staat von Kritik abkapselt, wie Sie ja auch schon selbst im Blogbeitrag geschrieben haben. Deshalb halte ich eine öffentliche Debatte über Social Media, auch über Bluesky nicht, für nicht fruchtbar. Aber als Plattform im kleinen Kreis zum Austausch von Erfahrungen ist es tatsächlich sehr gut nutzbar, das stimmt.

        • Zum Zeitfaktor: Soweit ich sehen kann, kam die Meldung, dass Mischke Moderator wird, am 19.12. und der “Feminist Shelf Control”-Podcast ging am 23.12.2024 online. Dazwischen vergingen keine “Wochen”. Ich finde auch, Sie legen an Krisenkommunikation arg niedrige Maßstäbe an. Bei dem Vortrag, den ich dazu mal aus beruflichen Gründen gehört habe, wurde im Gegenteil klargestellt: In Krisensituationen kommt es darauf an, schnell zu handeln; sonst entgleitet einem die Kommunikation. Dass bei der Krisenkommunikation die üblichen Arbeitszeiten aus dem Fenster fliegen und das Krisenkommunikations-Team gerade in der Anfangsphase sehr schnell sehr viel arbeitet, ist Standard. An solchen Standards muss sich eine ressourcenreiches Institution wie ein Funkhaus des ÖRR selbstverständlich messen lassen.

          Was Sie als weitergehende Probleme beschreiben ist ebenfalls nichts Besonderes, sondern wiederum typisch für Krisenkommunikation. Am Anfang ist die Informationslage so gut wie immer unklar. Zeit für zeitintensive Analysen gibt es in solchen Situationen schlicht nicht. Aber gerade weil das die typische Situation ist, gibt es selbstverständlich Handlungsempfehlungen für die Krisenkommunikation in solchen Situationen. Dazu gehört: die Initiative nicht den anderen überlassen. Vor allem signalisieren: man ist an der Sache dran. Keine Formulierungen verwenden, die wir-wollen-das-Aussitzen nahelegen. Einheitliche Kommunikation – bloß keine sich widersprechenden Aussagen unterschiedlicher Sprecher*innen der eigenen Institution. Und auch da gilt: was die ARD da gemacht hat, war handwerklich schlecht, den üblichen Standards von Krisenkommunikation nach. Da sollte man die ARD nicht in Schutz nehmen – das ist schlicht Management-Handwerk, auf Krisenkommunikation vorbereitet sein, dafür geplant und die Mitarbeiter*innen trainiert zu haben. Und bei jenem Management-Handwerk haben die ARD-Verantwortlichen offenbar versagt, sonst wäre es nicht so gelaufen wie es gelaufen ist. Das durchsichtige wir-können-nichts-dafür-aber-jetzt-ist-die-Diskussion-aus-dem-Ruder-gelaufen-deswegen-können-wir-nicht-mehr-zur-Sache-Diskutieren der Programmchefin setzt da nur noch das von der Wirkung her zynisch-arrogante i-Tüpfelchen drauf.

  6. Hier geht es zwar nicht um das “Canceln” von Moderatoren oder anderen Wissenschaftsvermittlern, sondern um Wissenschaftler direkt. Passt aber ev. doch zum Thema:

    Die folgend von mir kritisierte Buchrezension halte ich zumindest für (sowohl wissenschaftlich, als auch intellektuell oder journalistisch) unredlich.

    Der Autor arbeitem mit Unterstellungen ohne jeweils Belege für seine Behauptungen vorzubringen. In noch verschärfter Form tut er also genau das, was er den Autorinnen vorwirft: Polemische oberflächliche Pauschalität ohne wirkliche Tiefenanalyse. Beim Kommmunikationswissenschaftler Michael Mayen geht er sogar noch weiter und deutet (!) eine eventuelle Verfassungswidrigkeit an:
    Zitat:
    “….Und es gibt Fälle wie den des Kommunikationswissenschaftlers Michael Meyen (LMU München), die sehr wohl Anlass zu der Frage geben, wie weit die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit geht; Meyen hatte in einem Medium der sogenannten Querdenkerszene publiziert. Die Autorinnen zitieren mehrfach Artikel 5, Absatz 3, des Grundgesetzes, dem zufolge »Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre« frei sind; sie versäumen dabei aber, den direkt folgenden Satz zu betonen: »Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.« (Ende der Zitation) aus:

    https://link.spektrum.de/u/nrd.php?p=XkgOs4sUCr_5827_96818_1_13&ems_l=81440&i=1&d=aHR0cHM6Ly93d3cuc3Bla3RydW0uZGUvcmV6ZW5zaW9uL2J1Y2hrcml0aWstenUtd2VyLXN0b2VydC1tdXNzLXdlZy8yMjQ5MzI1%7CMzUxNTczODU%3D%7CWGtnT3M0c1VDcg%3D%3D%7CNDFjNmFhYmYtOTY4ZC00ZGQzLTg5Y2QtNzNhMWVlNmUzNDNk%7C&_esuh=_11_291d942e0a0793b9468d02b869cbc6cc78779c5e0829bc861589e8abd34deca6

    Nun halte ich mich mit meiner Empörung zurück, denn Buchrezensionen sind ja auch “nur” private (politisch- gesellschaftliche) Meinungsäußerungen.

    Warum aber in einem Webportal eines Verlagshauses mit (populär-) wissenschaftlichem Anspruch?

    • Ihre Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Persönlich würde ich mir ja eigentlich für alles gut dokumentierte Quellenverzeichnisse (wie die erwähnten Shownotes bei “Feminist Shelf Control”) wünschen. Aber das ist halt derzeit nicht Usus. Insofern sehe ich nicht, wo jene Buchrezension von den üblichen Standards abweichen würde. Dass Ihnen (offenbar) die Schlussfolgerungen nicht gefallen, heißt noch lange nicht, dass jene Rezension “unredlich” wäre.

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