Wie Galaxien entstehen
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Galaxien sehen in entsprechenden Bildern nicht nur spektakulär aus, sondern sind auch faszinierend komplexe Objekte. Das habe ich jüngst noch einmal in vollem Umfang erfahren dürfen – seit letztem Jahr biete ich zusammen mit einem Kollegen an der Universität Heidelberg die “Introduction to Astronomy and Astrophysics” als Blockkurs an, und in meinem Teil geht es um Kosmologie und Galaxien. Kosmologie war in der Vorbereitung einfach, erstens weil ich in dem Bereich mittlerweile gehörige Erfahrung in der Lehre habe, aber zweitens auch weil das Thema recht geradlinig strukturiert ist: homogenes expandierendes Universum, heiße Urknallphase, Strukturbildung – und jeder Bereich seinerseits klar strukturierbar. Galaxien dagegen sind – vielfältig, und das in mehr als einer Dimension. Bereits die verschiedenen Galaxientypen kann man entlang verschiedener Dimensionen strukturieren, die Galaxieneigenschaften ebenfalls; zu jeder Perspektive gibt es eine beachtliche Anzahl von Forschungsdaten, und für die große Synthese bei der Frage, wie Galaxien entstehen und sich entwickeln, muss man dann wieder alles zusammenbringen. Das ist für mich extrem spannend, auch weil sich gerade bei der Galaxienentwicklung in den letzten Jahren viel getan hat, in einer Reihe von Fällen Beobachtungsdaten zugänglich wurden, mit denen man festnageln kann, was vorher hypothetisch angenommen worden war. Aber es ist aufgrund der vieldimensionalen Vielfalt eben auch ein sehr anspruchsvolles Thema.
Galaxienstrukturen und ihre Evolution
Insofern habe ich mich gefreut, dass wir in unserer Vortragsreihe Faszination Astronomie Online, aktuell noch jeweils Dienstag und Donnerstag auf Sendung, in letzter Zeit eine ganze Reihe spannender Vorträge aus diesem Bereich hatten. (Einige frühere Vorträge zum Thema Galaxien hatte ich ja hier bei den Scilogs in diesem Beitrag bereits vorgestellt.)
Der folgende Vortrag, von Justus Neumann vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), hat bei mir noch eine Lücke in punkto hilfreicher Visualisierungen gefüllt – die Visualisierungen selbst stammen von Francesca Fragkoudi, derzeit an der Universität Durham, und ich werde sie dieses Jahr auch in meiner Vorlesung an entsprechender Stelle einbauen:
Der Vortrag zeigt recht gut einen wichtigen Aspekt der Komplexität des Themas auf. Gravitation für sich ist vergleichsweise einfach, aber wenn es darum geht, ein Kollektiv zahlreicher Massen zu beschreiben, dann muss man eine ganz neue Intuition für die Phänomene entwickeln, die dabei auftreten – dann sind Balken, aber auch Spiralstrukturen, sozusagen die elementaren Verständnisbausteine.
Galaxien-Lehrstück
Einen anderen Vortrag der Reihe, der mir besonders gefallen hat, hat bei uns Mark Sargent gehalten, den ich vor Jahren als MPIA-Kollegen kennenlernte und der inzwischen als wissenschaftlicher Programm-Manager beim International Space Sciences Institute (ISSI) in Bern arbeitet. “Faradays Kerze” ist in der Physikdidaktik wahrscheinlich das bekannteste Beispiel dafür, wie man von einem einzigen Phänomen aus, eben einer Kerze, eine Vielzahl physikalischer, chemischer und biologischer Themen erarbeiten kann. Mark hat mit der Galaxie NGC 4921 in einem begrenzteren Gebiet etwas ganz ähnliches gemacht – eine astronomische Aufnahme jener Galaxie ist Ausgangspunkt für Erkundungen der verschiedenen Aspekte, die man im Zusammenhang mit Galaxien und ihrer Entstehung untersuchen kann. Jenes Bild bietet “die Vielfalt des Universums auf einen Blick”, und Marks modular aufgebauter Vortrag bezieht sich in jedem Modul auf das Bild – in der Präsenz-Live-Version des Vortrags darf dann sogar das Publikum bestimmen, welche der Module behandelt werden:
Das ist, finde ich, eine sehr schöne Struktur entlang derer man dieses vielfältig-vieldimensionale Thema angehen kann. Nicht zuletzt weil es betont, dass all jene verschiedenen Aspekte letztlich ja zu ein und derselben, nur eben sehr vielfältigen Klasse von Himmelsobjekt gehören.
Die dunklen Anfänge
Jüngst, genauer: letzten Donnerstag hat Anne Hutter vom Cosmic Dawn Center des Niels-Bohr-Instituts in Kopenhagen uns dann noch einmal in die allerfrüheste Frühzeit der Galaxien mitgenommen zu der Frage, wie mit den ersten Galaxien und Sternen überhaupt alles angefangen hat. Die entsprechende astronomische Grenze – wie weit in die Vergangenheit kann man welche Details zur Entstehung der ersten Galaxien beobachten? – wird ja mit Hilfe des Weltraumteleskops JWST, aber auch z.B. mit Hilfe radioastronomischer Beobachtungen derzeit (sprich: in den letzten Jahren) immer weiter zurückgeschoben:
Genau zu diesem Thema dann auch ein Tip für die Zukunft: Am kommenden Dienstag um 19 Uhr beleuchtet Volker Bromm von der University of Texas at Austin das Thema erste Galaxien und Sterne für uns noch einmal von einer etwas anderen Perspektive – schalten Sie gerne ein:
(Und wie das so ist mit Zeitpfeil und Zeitverlauf: In ein paar Tagen wird dann auch jener Vortrag hier als Aufzeichnung verfügbar sein.)