Wie baut man große Teleskope?
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Um detailreiche, kontrastreiche Bilder von Himmelsobjekten aufnehmen zu können, benötigen Astronomen möglichst große Teleskope. Die herzustellen ist allerdings durchaus eine Herausforderung. Für die Ausgabe vom letzten Donnerstag meiner Vorlesung Methoden der Astronomie für Nichtphysiker habe ich mal grafisch zusammengestellt, ab wann Astronomen eigentlich wie große Teleskope bauen konnten – eingeschränkt auf die klassischen Teleskope, vom sichtbaren Licht bis allenfalls ins Nahinfrarot. Hier das Ergebnis:Aufgeführt sind Teleskope, die für die Astronomie und/oder den Teleskopbau wichtig waren – weil sie für ihre Zeit besonders groß oder gut oder beides waren, oder weil sie wichtige technische Neuerungen repräsentieren. Schauen wir uns die verschiedenen Teile des Diagramms einmal an.
(Das Deutsche Patent- und Markenamt hat eine schöne Geschichte der technischen Entwicklung der Teleskope online, mit Verweis auf die maßgeblichen Patente: Mit Patenten auf der Reise zu den Sternen.)
Handgehaltene Teleskope
Die ersten Teleskope waren nicht besonders groß. Hier sind zwei der ersten astronomischen Teleskope, gebaut von Galileo Galilei 1609 und folgende:

Mit ihren rund 1 Meter Länge ließen sich diese Teleskope gut in der Hand halten; bei Beobachtungen wird man sie aber trotzdem abgestützt haben. Die Teleskope haben vergleichsweise kleine Linsen (zwischen 1 und knapp 4 cm) und liegen damit ganz links im Diagramm, blau dargestellt wie alle Linsenteleskope, synonym Refraktoren, in der Grafik:
Frühe, wacklige Giganten
Direkt im Anschluss finden wir Teleskope, die für diese frühe Zeit vergleichsweise groß sind. Das sind zum Teil Teleskope ohne Umhüllung, tubuslose Teleskope wie das von Christiaan Huygens, oder dieses weitgehend hüllenlose Teleskop von Jan Hevelius aus der Mitte des 17. Jahrhunderts:

Streulicht soll durch die diversen Blenden, die man auf dem Bild sieht, ausgeblendet werden. Handlich waren diese Teleskope – das in der Abbildung ist 46 Meter lang – nicht, und ein Ziel anzupeilen und im Blick zu behalten war durchaus schwierig. Derart lange Gebilde geraten ja durchaus auch einmal in Schwingung. Durchgesetzt haben sich solche Konstruktionen nicht, und ihre Beiträge zur Astronomie sind auch überschaubar. Aber in unserem Diagramm haben sie trotzdem einen Platz verdient:Ein Grund, diese Geräte so lang zu bauen, bestand darin, dass damit die chromatische Aberration niedrig gehalten wurde. Licht hat ja Anteile verschiedener Farben (vergleiche Was ist eigentlich Licht?), und die werden in einer einzelnen Linse unterschiedlich stark gebrochen, wie hier zu sehen ist:

Der Brennpunkt, in dem die parallelen Strahlen roten Lichts zusammenlaufen, liegt deutlich weiter hinten als bei den grünen oder gar den blauen Strahlen.
Das Ergebnis sind Bilder, die erstens unscharf sind, finden sich doch die Helligkeitsstrukturen in der Regel an leicht unterschiedlichen Stellen: Ein weißer Lichtpunkt wird zu einer überlagerten Reihe von blauem, grünen, rotem Lichtpunkt (und allem, was an Farben dazwischen liegt). Übergänge bekommen dadurch außerdem farbige Ränder, blau auf der einen, rot auf der anderen Seite.

Das Bild rechts zeigt den Effekt: Oben eine Aufnahme durch ein sehr gutes Fotobojektiv, unten durch ein schlechteres. Das untere Bild ist nicht nur unschärfer, sondern zeigt z.B. am rechten Dachrand einen deutlichen blauen Rand, und an den rechten Säulen merkliche blaue (links) und rote (rechts) Ränder.
Je größer die Krümmung der Linsen, umso ausgeprägter diese Effekte. Die Lösung, die Linsen nur schwach zu krümmen und in Kauf zu nehmen, dass die entsprechenden Teleskope dann sehr, sehr lang wurden (weil das Licht eben insgesamt nicht sehr stark gebrochen wurde) erwies sich aber am Ende nicht als gangbar.
Achromatische Refraktoren
Eine ungleich zukunftsträchtigere Lösung fand Chester Moore Hall, und wohl nicht unabhängig von ihm John Dollond. (Dollond machte sich daran, die Erfindung zu nutzen, zu patentieren, und viele Teleskope des neuen Stils zu verkaufen; Chester Moore Hall geriet Dollond gegenüber weitgehend in Vergessenheit.)
Die Lösung bestand darin, unterschiedliche Linsen miteinander zu kombinieren und deren unterschiedliche Brechungseigenschaften so auszunutzen, dass die farbigen Lichtkomponenten so gut wie möglich zusammen in einer Brennebene landeten. Hier ist ein einfaches Beispiel:
Massenproduktion und Großrefraktoren
Apochromaten werden in großen Stückzahlen für die Schiffahrt und sicher auch für’s Militär hergestellt, und mit den Stückzahlen wächst die Erfahrung. Die Teleskopherstellung profitiert dabei auch davon, dass neben Teleskopen auch andere Instrumente, etwa Mikroskope, von den Neuerungen profitieren und ihrerseits weiterentwickelt werden. Handwerkliche geht in industrielle Herstellung über – das berühmte Mathematisch-Feinmechanische Institut ab Anfang des 19. Jahrhunderts ist ein Beispiel, verbunden mit dem Namen Joseph von Fraunhofers. Fraunhofers persönliches Wirken dort ist geradezu beispielhaft für den Wandel in den Prozessen und auch im Selbsverständnis der Teleskopproduzenten: statt tradierten Rezepten für bestimmte Glasmischungen systematische Tests, statt abgegrenzten und zum Teil eifersüchtig gehüteten Handwerksbereichen eine systematische Weiterentwicklung des Teleskops als optomechanische Maschine.
Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein sind einige der neuesten, besten, erfolgreichsten Teleskope apochromatische Refraktoren:Eines davon, den Großen Refraktor in Potsdam, hatte ich in meinem Artikel zu Montierungen bereits gezeigt; hier ist das Bild noch einmal:

Es handelt sich um einen Doppelrefraktor: Obenliegend in diesem Bild der für fotografische Aufnahmen optimierte Refraktor mit 80 cm Linsendurchmesser; das Objektiv ist so korrigiert, dass UV-Strahlung besonders gut abgebildet wird. Unten mit immerhin 50 cm Linsendurchmesser ein Fernrohr, durch das die Astronomen mit bloßem Auge beachteten; hier ist das Objektiv für sichtbares Licht optimiert.
Refraktoren dieser Größe sind allerdings schon hart an der Grenze dessen, was sich überhaupt realisieren lässt. Mit entsprechender Krümmung sind die Glaslinsen, aus denen die Objektive solcher Refraktoren bestehen, von beachtlicher Masse – 100 kg und mehr. Von der Mechanik her ist dabei problematisch, dass Linsen nun einmal entlang des Rands festgehalten werden müssen. Ab etwa einem Meter Größe beginnen solche Linsen, sich unter ihrem eigenen Gewicht merklich zu verformen. Das setzt den Vorhaben, auf diese Weise große Teleskope zu bauen, eine natürliche Grenze.
Spiegelteleskope
Zeit für die Alternative. Spiegelteleskope, in denen nicht eine Linse das Licht bündelt, sondern ein konkaver Spiegel. Rechts noch einmal meine grobe Skizze des Grundprinzips. Wichtig ist dabei: Für das Licht zählt am Spiegel nur die Vorderseite, wo das Licht reflektiert und dabei gebündelt wird. An der Hinterseite gibt es viel Fläche, um Halterungen anzubringen, die den Spiegel zum einen stabilisieren und vor Verformung bewahren und andererseits so hindrehen, wie es für die jeweiligen Beobachtungen nötig ist.
Das ist eine gute Voraussetzung für große Teleskopdurchmesser. Und um chromatische Aberration, den erwähnten Farbfehler, muss man sich bei Spiegelteleskopen auch keine Sorgen machen. Spiegel reflektieren Licht ohne Rücksicht auf die Farbe. Und wenn man sich mein Diagramm noch einmal vornimmt: Dort liegen die roten Punkte, die Reflektoren, ab dem 18. Jahrhundert über den blauen Punkten, den Refraktoren.
Warum dann aber überhaupt noch Refraktoren bauen?
Größe ist nicht alles
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Spiegelteleskope Metallspiegel – hier alle Metallspiegel-Reflektoren in meinem Diagramm:
Diese Spiegel waren Metallspiegel, und darin lag auch schon das Problem: Deren Reflektivität war nie höher als etwa 50-60%. Und Metall läuft mit der Zeit an (oxidiert). Beim Nachpolieren litt in der Regel die Spiegelform, und damit die Bildqualität. Trotz aller Probleme mit Farbfehlern und Halterung waren die Linsensysteme lange Zeit einfach besser, und lieferten bessere Bilder, als die Spiegelsysteme.
Das ändert sich aber, wie im Diagramm ersichtlich, um etwa 1920 herum.
Verspiegeltes Glas
Was war da zwischenzeitlich passiert? Justus von Liebig hatte 1835 ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Silber auf chemischem Wege auf Glas so abscheiden ließ, dass das Glas eine dünne, reflektierende Silberschicht bekam. Carl August von Steinheil und Leon Foucault (ja, der mit dem Foucaultschen Pendel) nutzten dieses Verfahren ab 1856/57 zur Herstellung von Teleskopspiegeln.
Ungefähr zur gleichen Zeit stellte Faraday erste Versuche an, Glas auf eine andere Weise zu Verspiegeln: Durch das Aufdampfen von Metall, das an einer Elektrode verdampft (“zerstäubt”) worden war und sich an kalten Oberflächen niederschlug. Arthur W. Wright stellte 1877 erstmals auf diese Weise Spiegel her.

Auf diese Weise erhalten auch alle modernen Teleskope ihre spiegelnde Oberfläche; wenige Gramm Aluminium reichen dabei aus. Das Aluminium wird in der Regel noch durch eine ebenfalls aufgedampfte Metalloxidschicht geschützt.
Rechts ist die Verspiegelungsanlage im südafrikanischen Nationalobservatorium in Sutherland zu sehen. Das blassgrüne, runde Gebilde ist die Vakuumkammer, in die der Spiegelrohling eingeschlossen wird. Das Netz von Leitungen führt zu Elektroden, an denen im Inneren der Vakuumkammer Aluminium verdampft wird, das sich dann auf dem Rohling niederschlägt.
Die auf diese Weise beschichteten Spiegel haben ein Reflektionsvermögen zwischen 80 und fast 90%. Das ist schon eine ganz andere Welt als bei den Metallspiegeln. Muss die Beschichtung erneuert werden, wird die alte Schicht chemisch entfernt und eine neue aufgedampft – ohne die Spiegelform zu beeinträchtigen. Das ermöglicht große, hochreflektierend verspiegelte, auf Dauer genau geformte Teleskopspiegel. Und ab einer gewissen Zeit waren diese Spiegel dann eben besser als jeder technisch mögliche Refraktor. Moderne Großteleskope sind Spiegelteleskope.
Das folgende Bild zeigt den 4.1-Meter-Spiegel des Durchmusterungsteleskop VISTA der Europäischen Südsternwarte, gerade nach der Anlieferung:

Auf diese Weise hängten die Glas-Spiegelteleskope die Refraktoren schließlich ganz ab:
Wie bleibt ein Teleskopspiegel stabil?
Dass man einen Teleskopspiegel von hinten unterstützen und stabilisieren kann, heißt noch lange nicht, dass es einfach wäre, besonders große Spiegel stabil auszuführen – so, dass sie sich in den unterschiedlichen Kipplagen des Teleskops nicht merklich verformen. Um in sich stabil zu sein, muss die Dicke eines solchen Spiegels rund 15% seines Durchmessers betragen. Das führt zu beachtlichen Gewichten, die dann wiederum eine tragfähige Montierung erfordern.
Hier ist das Hale-Teleskop auf dem Mount Palomar zu sehen, mit 5.1 Metern Durchmessern, zwischen 50 und 60 cm dick, mit einer Gesamtmasse allein des Spiegels von knapp 15 Tonnen:

Die Größe dieses Teleskops kann man anhand der Leiter-Plattformen unten im Bild einigermaßen abschätzen. Eine massive Montierung, nahe an den Belastungsgrenzen, innerhalb derer man ein Teleskop überhaupt noch präzise und zuverlässig bewegen und ausrichten kann. Bei ungefähr dieser Größe war für herkömmliche, massive Spiegel eine Grenze erreicht. Wer noch größere Teleskope bauen wollte, musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Aktive Optik
Wie kann man große Teleskope bauen, die das Problem der Spiegelmasse? Im Prinzip kann man solch einen Spiegel natürlich leichter bauen, indem man von der Rückseite ausgehend eine Art Wabenmuster in den Spiegel fräst. Soll der Spiegel trotzdem noch so formstabil sein, wie es für astronomische Beobachtungen nötig ist, muss man aktiv werden, genauer: den Spiegel von hinten unterstützen und diese Unterstützung aktiv so den verschiedenen Spiegelorientierungen (ob flach auf dem Rücken oder um 45 Grad geneigt) anpassen, dass die Spiegelform so gut wie möglich erhalten bleibt.

Das Pionier-Teleskop in dieser Hinsicht war das New Technology Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO), das 1989 seinen Beobachtungsbetrieb aufnahm. Sein Spiegel mit 3,56 Metern Durchmesser war deutlich dünner gebaut als bei älteren Teleskopen, lag dafür aber auf 75 Aktuatoren (und drei zusätzlichen Fixpunkten) auf. Über eine Live-Auswertung des Teleskopbildes konnten die Aktuatoren so angepasst werden, dass der Spiegel immer die gewünschte Form beibehielt.
Seit diese Technologie am NTT erfolgreich getestet wurde, werden so gut wie alle großen Teleskope mit aktiver Optik gebaut. Ein Beispiel sind die derzeitigen “Arbeitspferder” der ESO, das Very Large Telescope (VLT), dessen vier Hauptteleskope je einen 8-Meter-Spiegel als Hauptspiegel besitzen:

Unter dem Spiegel sitzen bei den VLT-Hauptteleskopen je 150 Aktuatoren, die für die Form verantwortlich sind:

Hier sind die Teleskope, die mithilfe von Aktiver Optik arbeiten:
Selbst mit aktiver Optik existiert eine technische Grenze für die Spiegelgröße. Die liegt bei ungefährt 8.4 Metern, wie hier bei den Spiegeln des Large Binocular Telescope in Arizona, mit zwei Spiegeln auf einer Montierung – den größten heutigen Einzelspiegeln:

Um noch größere Teleskope zu bauen, muss man Stück für Stück vorgehen.
Große Teleskope Stück für Stück
Wenn man sowieso mithilfe Aktiver Optik die Form und Lage des Spiegels kontrolliert, liegt die Frage nahe: Muss der Spiegel überhaupt noch aus einem Stück bestehen? Oder kann man Teilspiegel mit aktiver Optik so kombinieren, dass sie wie ein großer Spiegel agieren?
Mit dieser Segmentbauweise können große Teleskope die 8-Meter-Grenze durchbrechen: die Keck-Spiegelteleskope auf Hawaii, verantwortlich für eine ganze Reihe bahnbrechender Beobachtungen der letzten Jahrzehnte, funktionieren nach diesem Prinzip:

Auch das deutlich einfacher montierte Southern African Large Telescope (SALT), über das ich vor ein paar Jahren in Beobachtungsnacht mit einem 10-Meter-Teleskop berichtet hatte, ist segmentiert.
Das derzeit größte im Bau befindliche Teleskop, das European Extremely Large Telescope (E-ELT) der ESO, wird ebenfalls segmentiert sein: Sein 39-Meter-Hauptspiegel wird aus 798 Segmenten mit je 1.4 Metern Durchmesser bestehen, wie auf dem folgenden (simulierten) Bild zu sehen:

Die zehn-Meter-Größenordnung, bis hin zu den fast 40 Metern des E-ELT, ist bis auf weiteres das Maximum, große Teleskope betreffend. Hier sind die existierenden und geplanten segmentierten Großteleskope hervorgehoben:
Größer sind nur die Interferometer – und das auch nicht in jeder Hinsicht.
Interferometer
In meinem Beitrag Astronomische Beobachtungen – wie funktionieren die eigentlich? hatte ich mich der Frage, wie man möglichst genau die Einfallsrichtung von Licht bestimmen kann, von den physikalischen Grundlagen her genähert. Der einfachste Fall war dort gewesen, die Phasen der einfallenden Lichtwellen über eine bestimmte Distanz hinweg zu vergleichen – etwa indem man das betreffende Licht überlagert und das Interferenzmuster betrachtet, das sich dabei ergibt.
Auf diese Weise funktionieren astronomische Interferometer – in gewisser Weise wie riesige Teleskopspiegel, bei denen man den größten Teil der Fläche durchlöchert hat, aber die verbleibenden Spiegelteile in genau der richtigen Ausrichtung relativ zueinander am Platz hält.
Dort hatte ich bereits das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) vorgestellt, zu dem die vier VLT-Hauptteleskope, oder die vier Hilfsteleskope, oder andere Kombinationen von vier Teleskopen zusammenschalten kann:

In dem Bild ist in ein Foto des Paranal-Observatoriums eingezeichnet, über welche Tunnel das Licht der Teleskope zusammengeführt werden kann. In dem Gebäude, in dem die Lichtstrahlen zusammentreffen, finden sich Verzögerungsstrecken, in denen die Wege des Lichts der beteiligten Teleskope so aufeinander abgestimmt werden können, dass es zur Interferenz kommt. Hier ein Blick auf solche Verzögerungsstrecken, mit Spiegeln, die auf Gleisen hin- und zurückadjustiert werden können:

Zumindest was die Detailschärfe angeht, also das Auflösungsvermögen, ist es gerechtfertigt, solche Interferometer mit ihrer größten Basislinie in das Größendiagramm einzutragen. Vom Lichtsammelvermögen her bleiben sie allerdings deutlich hinter einem Einzelteleskop der betreffenden Größe zurück. Und die Bilder, die sich aus interferometrischen Beobachtungen rekonstruieren lassen, haben ebenfalls eine gewisse – Lückenhaftigkeit wäre irreführend; Fakt ist aber, dass Strukturen auf bestimmten Größenskalen darauf nicht gut zu erkennen sind.
(Wer sich das nicht vorstellen kann, aber mehr wissen möchte: Was da vor sich geht hat eine enge Beziehung zu den Fourier-Zerlegungen, die ich in Gravitationswellen-Nachweistechnik: Signale und Wellen beschreibe. An denen kann man zumindest sehen, wie Strukturen gegebener Größenskala getrennt vom Gesamtbild betrachtet werden können: Es sind die Kosinus-Wellen mit der entsprechenden Wellenlänge.)
Dafür bekommt man bestimmte sehr kleinere Strukturen auf andere als diese Weise gar nicht erst abgebildet. Hier sind die Interferometer im Diagramm hervorgehoben:
Große Teleskope von 1609 bis 2022
Damit ist unsere Reise zuende. Hier ist noch einmal das Diagramm von Anfang, mit allen Einträgen:
Technische Entwicklungen, die zum Teil ineinandergreifen, sich zum Teil ablösen – das ist die Geschichte, deren Konsequenzen das Diagramm kompakt zusammenfasst. Und es bleibt spannend. Auch wenn die Pläne jenseits der Teleskope der 30-Meter-Klasse noch nicht sehr konkret sind: Es dürfte in irgendeiner Form weitergehen. Und wer weiß, welche neue Technologie der Teleskopentwicklung als nächstes eine neue Richtung vorgibt?
Mir scheint: ein grosser Spiegel für ein optisches Teleskop ist an und für sich eine Herausforderung, denn die Toleranzen für Abweichungen des Spiegels vom Ideal müssen kleiner als die Wellenlänge sein, also kleiner als 0.5 Mikrometer. Das Problem dabei: Das muss über die ganze Spiegelfläche gelten, auch wenn der Spiegel schief steht und auch an einem Tag, an dem unterschiedlich warme Luftströmungen das Gebäude auf einer Seite des Spiegels stärker erwärmen als auf der anderen Seite.
Eine funktionierende aktive Optik sollte dieses Problem des übergrossen, nicht überall den gleichen Kräften ausgesetzten Spiegels verkleinern. Denn dann kann der Spiegel zur Optimalfläche verbogen werden.
Bei segmentierten Spiegeln sollte das Problem der inhomogenen Reaktion auf verformende Einflüsse prinzipiell noch grösser sein, denn jedes Segment hat ja ein gewisses Eigenleben und eine segmenttypische Eigenverformungstendenz.
Doch auch in diesem Fall sollte eine adaptive Optik damit zurechtkommen
Die adaptive Optik könnte also auch anderswo Vorteile bringen, nicht nur beim Problem der Anpassung an sich verändernde atmosphärische Bedingungen.
Allerdings wird ein Teleskop durch eine adaptive Optik wohl auch störungsanfälliger, denn es genügt der Ausfall von einigen Aktuatoren um die Abbildungsqualität zu stören.
Bemerkung: Im obigen Kommentar habe ich aktive und adaptive Optik durcheinander gebracht, bezugsweise nicht unterschieden. Dabei handelt es sich – wie der Wikipedia-Artikel Active Optics festhält um zwei ganz unterschiedliche Systeme: Aktive Optik bringt den Spiegel in die korrekte Form und wirkt dabei Kräften und verformenden Einflüssen wie Eigengewicht des Spiegels, Temperaturunterschieden zwischen verschiedenen Spiegelteilen etc. entgegen. Jeder genügend grosse oder gar segmentierte Spiegel benötigt aktive Optik. Die Reaktionszeit der aktiven Optik liegt im Sekundenbereich.
Die adaptive Optik dagegen korrigiert schnelle, in Tausendstel von Sekunden passierende Veränderungen der optischen Eigenschaften der Luftsäule zwischen Teleskop und Weltraum und verschafft damit erdgebundenen Teleskopen die gleiche Abbildungsqualität wie im Weltraum stationierten. Aktive Optik ist in den Haupspiegel eingebaut während adaptive Optik in einen der dem Hauptspiegel nachfolgenden Spiegel eingebaut ist.
…letzteres wäre dann auch meine Antwort gewesen. Adaptive Optik behandle ich wahrscheinlich noch separat.
Vielen Dank für diese Übersicht! Besonders die Idee, mit dem Diagramm durchlaufend eine inhaltliche Orientierung nach Zeit und Technologie zu geben finde ich brillant!
Vielen Dank für die positive Rückmeldung!
Aktive Optik ist heute teuer und aufwendig. Ändern könnte sich das mit Carbon-Nanotube-Spiegeln, in die die aktive Optik direkt eingebaut ist wie in folgendem Artikel beschrieben: NASA Eyes First-Ever Carbon-Nanotube Mirrors for CubeSat Telescope:
Carbon nanotubes Teleskope, also Teleskope, die aus einem mit Carbon-Nanotubes getränkten Epoxy-Harz geformt werden, sind noch in der Experimentalphase und sollen vorerst als leichtgewichtige, tausendfach replizierbare Teleskopspiegel für Raumfahrtanwendungen (CubeSat-Teleskope) eingesetzt werden. Diese Teleskope werden mit einer Gussform erzeugt, brauchen kein Schleifen und können in hundertfach gleicher Ausführung aus derselben Gussform erzeugt werden. Es ist auch denkbar solche Spiegel für erdbasierte Teleskope einzusetzen:
und natürlich sind auch grosse, leichtgewichtige Spiegel für den Einsatz im Weltraum denkbar.
Interessant werden solche leichtgewichtigen replizierbaren Spiegel, wenn der Satellitenbau industrialisiert wird und jede Universität oder Firma Standardkomponenten für ihren Satelliten beziehen will. Es ist durchaus denkbar, dass fast jeder zukünftige Satellit einen Spiegel benötigt. Dann nämlich wenn optische Kommunikation die Radiokommunikation ablöst.