Untergrundsoziologie
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Einer meiner ersten Alltagseindrücke, seit ich Ende November in die USA gezogen bin: es gab/gibt hier tatsächlich einen Sinneswandel in Sachen Umweltschutz.
Ich gründe mein hochwissenschaftliches Urteil auf eine Auswertung der Werbung in der U-Bahn, mit der ich täglich zur Arbeit fahre. Neben Plakaten, die dem entsprechen, wie man sich als Deutscher die USA vorstellt (“Es ist kein Lotteriespiel – es ist Gerechtigkeit! Wenn Sie in einen Unfall verwickelt waren, rufen Sie kostenfrei unsere Rechtsanwälte an unter der Nummer 1-800-THELAWYER”) findet man dort nämlich immer wieder Plakate oder Plakatserien, in denen (z.B. von Energieversorgern) hilfreiche Tips zum Energiesparen gegeben werden: Verwenden Sie Energiesparlampen! Dichten Sie Fugen und Ritzen ab! Wechseln Sie zu Haushaltsgeräten, die den ENERGY STAR tragen, sparen Sie 80 Dollar im Jahr an Energiekosten und schonen Sie gleichzeitig die Umwelt!
Nun mag man einwenden, dass Plakate schön und gut sind, aber noch nichts darüber aussagen, inwieweit sich das Umweltbewusstsein auch in den Köpfen festgesetzt hat. Daher habe ich folgendes Schlüsselexperiment durchgeführt. In den hiesigen Supermärkten wird bekanntlich an der Kasse alles, was man gekauft hat, entweder vom Kassierer oder von einem eigens dazu abgeteilten Mitarbeiter sofort in Plastiktüten verpackt – am besten jeweils in gleich in zwei ineinandergesteckte Plastiktüten. Mein Experiment: mit Leinenbeutel an die Kasse, und dann: “No plastic bags, please!” Von zurückliegenden USA-Aufenthalten erinnere ich mich an die Verständnislosigkeit, die eine solche Bitte damals hervorrief. Fassungslose Blicke als hätte ich, sagen wir, darum gebeten, man möge als Verpackung einen ausgeweideten Pinguin verwenden. Diesmal? Nachdem ich meinen Beutel auf die Packfläche gelegt habe, brauche ich noch nicht einmal etwas zu sagen; kommentarlos werden meine Einkäufe hineingepackt.
Sicher gibt es noch eine ganze Reihe ungenutzter Möglichkeiten, das Leben in den USA umweltfreundlicher zu gestalten. Schwere Geländewagen sind auf den städtischen Straßen in der Tat allgegenwärtig, und bei meiner Apartmentsuche wurde mir erklärt, es sei völlig normal, dass die Heizung nur zentral vom Hausmeister gesteuert werden kann – wer’s kühler als 25 Grad Celsius möchte, macht halt ein Fenster auf. Aber immerhin: Es tut sich was. Und das ist ja schon einmal nicht schlecht.
Vielleicht dachte sich der dazu abgeteilte Mitarbeiter einfach gedacht, daß du recht europäisch aussiehst und sich an Obelix’ Leitspruch erinnert “Die spinnen, die …!”
😉 Wir dürfen gespannt sein, was sich nach der Ära Busch im Klimaschutz in Amerika ändern wird (und ob sich überhaupt etwas ändern wird.)
@rotfell: Das kann natürlich sein. Der Supermarkt war in einer Gegend mit sehr gemischter Bevölkerung, da sind die vielleicht einfach mehr gewohnt als anderswo. Der Feldversuch geht weiter.
Zum Klimaschutz: Das werden wir ja Ende kommenden Jahres sehen – ich bin optimistisch!
Umweltbewusstsein in den USA
Ich kann nur bestaetigen, dass sich langsam ein allgemeines Umweltbewusstsein in den USA aufbaut, zumindest hier an der Ostkueste. Wie es allerdings im Landesinneren zugeht, weiss ich nicht.
Klar ist jedenfalls, dass die Folgen des nationalen Hubris jahrzehntelang mit uns bleiben werden. Kleines Beispiel: Lange nachdem der letzte Hummer-Gelaendewagen von der Strasse verschwindet, werden die vor allen Dingen in den vergangenen zehn Jahren gebauten “McMansions” – grosse Haeuser in den Vororten mit 400 und mehr Quadratmeter – nach wie vor geheizt werden muessen.
@Dean: Danke fuer die Bestaetigung. Spannend finde ich die Frage, eine wie große Rolle die Umwelt im Wahlkampf spielt/noch spielen wird…