Sexuelle Belästigung in der Wissenschaft: Jenseits von Geoff Marcy

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Über den Fall Geoff Marcy hatte ich in den letzten Wochen zweimal gebloggt (Sexuelle Belästigung in der Wissenschaft vom 10.10. und Sexuelle Belästigung in der Wissenschaft: Updates zu Geoff Marcy vom 15.10.).

Die Kurzfassung: Eine interne Untersuchung der Universität Berkeley hatte ergeben, dass der einigermaßen berühmte Astronom Geoff Marcy, einer der Pioniere bei der Suche nach Planeten um andere Sterne als die Sonne (Exoplaneten), wiederholt Studentinnen sexuell belästigt hat (ungefragte und ungewollte Rückenmassagen, Berührungen an intimen Stellen und dergleichen mehr). Buzzfeed hatte über diese Untersuchungen berichtet. Daraufhin hat sich eine durchaus breiter angelegte Diskussion entwickelt. Marcy ist inzwischen von seinen Posten an der Universität Berkeley zurückgetreten.

Hier ein paar aus meiner Sicht interessante Beiträge zu der Diskussion, in der es längst um mehr als um den Fall Marcy geht, sondern darum, wie sexuelle Belästigung in der Wissenschaft wirksam vermieden werden kann.

Besonders interessant fand ich diesen Text von Meg Urry:

How to end Sexual Harassment in Astronomy (Scientific American Blog) bzw. auf deutsch Sexuelle Belästigung in der Forschung: Wie stoppen wir sie? (Spektrum.de).

Meg Urry ist Präsidentin der American Astronomical Society, also des Berufsverbandes der US-amerikanischen Astronomen, selbst anerkannte Forscherin und lange genug dabei, um viele Beispiele für das, was da falsch läuft, miterlebt zu haben.

Mittlerweile haben sich auch Betroffene zu Wort gemeldet, die von Geoff Marcy an dessen voriger Wirkungsstätte, der San Francisco State University, belästigt worden waren. Einige davon hatten Marcy deswegen auch zur Rede gestellt und er war in einem Gespräch darüber aufgeklärt worden, welches Verhalten als belästigend empfunden würde und er daher in Zukunft zu unterlassen habe. All das war vor seiner Zeit in Berkeley – wo er dann offenbar ganz ungestört weitergemacht hat wie vorher, ohne, dass die Warnungen irgendwelche nachhaltigen Änderungen bewirkt hätten. Buzzfeed berichtet über die früheren Fälle hier:

Famous Astronomer Accused Of Sexual Harassment At His Previous Job, Too (23.10.)

Hier ist als weitergehende Reaktion ein (allerdings vom Rechtlichen her auf die USA zugeschnittener) Text dazu, was jemand, der gerade in der Astronomie anfängt, über sexuelle Belästigung wissen sollte:

An Astronomical Primer on Workplace Environment, Discrimination, and Your Rights (Lucianne Walkowicz, 20.10.)

Hier ist ein Text der Astronomin Laura Lopez in der LA Times, in der es um die breiteren Konsequenzen von sexueller Belästigung geht:

Sexual harassment: Another roadblock for women in science (22.10.)

In den deutschsprachigen Medien habe ich bislang nur in der NZZ und in der FAZ Artikel zu Geoff Marcy gefunden:

Massagen von oben (FAZ, Sibylle Anderl, 20.10.)

Sexuelle Belästigung an der Universität: Planetenjäger Geoff Marcy tritt zurück (NZZ, Helga Rietz, 20.10.).

Zu dem, was ich als Blogger sicher nicht leisten kann, was aber meiner Meinung nach Sache der (Wissenschafts-)Journalisten wäre, nämlich die Frage zu beantworten, ob wir in Deutschland ein vergleichbares Problem haben und ob es auch bei uns Serien-Belästiger gibt, vor denen intern seit Jahren gewarnt wird, die sich aber bislang niemand getraut hat, offiziell zu beschuldigen, habe ich bislang nichts in den deutschsprachigen Medien gefunden.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

4 Kommentare

  1. Nur mal ganz am Rande angefragt, als Fan sozusagen von Vertretern der Physiklehre und von Naturlehrern allgemein:
    Und insbesondere auf den letzten Absatz Ihrer Nachricht bezogen, vielen Dank für diese, Ihr Kommentatorenfreund kennt Sie gerade auch als Sachbearbeiter (positiv konnotiert), …, …, …, äh, ist es eine Aufgabe der durch Sie vertretenen Institution, wie sie sich in mehreren, womöglich gar in -zig Nachrichten hier bei den scilogs.de wiederfindet, wie thematisiert zu beobachten?!
    Vgl. :
    -> http://www.haus-der-astronomie.de/de/was-wir-tun

    MFG + schönes Wochenende noch!
    Dr. W (der die Offenlegung von Interessenlagen, vielleicht auch in Form von sog. Disclaimern schon sehr gut findet)

    • Bin nicht ganz sicher, was Sie hier meinen; falls ich Sie richtig verstehe: zu den Aufgaben der Mitarbeiter des Hauses der Astronomie gehört es, dafür zu sorgen, dass das Haus der Astronomie ein belästigungs- und diskriminierungsfreies Umfeld darstellt. Und als Leiter habe ich die Gesamtverantwortung dafür, dass wir ein belästigungs- und diskriminierungsfreies Umfeld bieten.

      Weder Aufgabe des Hauses der Astronomie noch meine Aufgabe als Leiter ist die Erforschung von möglichen Belästigungssituationen in anderen Institutionen. Das als Wissenschaftsblogger zu seiner Sache zu machen, ist sicher keine schlechte Idee, nur wüsste ich im Moment gar nicht, wie ich an eine solche Aufgabe überhaupt herangehen sollte. Daher überlasse ich diese Aufgabe den Journalisten, zu deren Aufgabe es ja nun in der Tat gehören sollte, herauszufinden, ob in gesellschaftlichen Institutionen irgendwo im größeren Stile etwas falsch läuft. Dafür wäre ein Serien-Belästiger, der aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen immer wieder davon kommt (wie dies ja wohl bis vor kurzem mit Marcy der Fall ist) sicherlich ein Beispiel.