SciFest Africa!

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… aber nicht einfacher
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altSciFest Africa – das ist Südafrikas jährliches nationales Wissenschaftsfestival. Es findet in Grahamstown statt, einer nicht allzu weit von der Küste entfernten Stadt im Südosten des Landes. Ich bin hier, weil Cecilia Scorza vom Haus der Astronomie, wo ich arbeite, letztes Jahr im Rahmen des Deutsch-Südafrikanischen Wissenschaftsjahres 2012-2013 ein Projekt für einen Schulwettbewerb/-austausch/Wissenschaftsaustausch bewilligt bekommen hat. Im Herbst 2012 waren in diesem Rahmen rund zwei Dutzend südafrikanische Besucher eine Woche lang für Veranstaltungen, Workshops und allgemeinen Erfahrungsaustausch ans Haus der Astronomie nach Heidelberg gekommen. Die jetzige Reise ist unser Gegenbesuch. Mit dabei sind fünf Schüler und drei Lehrer der Schulen, die unseren Wettbewerb gewonnen hatten. Jede der Gruppen wird anschließend noch zur jeweiligen südafrikanischen Partnerschule fahren.

Grahamstown, in der Provinz Ostkap gelegen, ist so etwas wie die Festivalhauptstadt Südafrikas. Zugegeben: So ein Publikumsmagnet wie das National Arts Festival hier jeden Juli mit hunderttausenden Besuchern ist das Wissenschaftsfestival nicht. Aber mit mehr als 50.000 Besuchern muss es sich andererseits auch nicht verstecken.

Ein Großteil des Programms findet im 1820 Settlers Monument statt, das trotz seines Namens kein herkömmliches Denkmal für die 1820 in Südafrika angelangte Welle britischer Siedler ist, sondern ein Veranstaltungszentrum mit großem Theatersaal, Workshop- und Ausstellungsräumen, angesiedelt auf einem Hügel am Rande von Grahamstown. Hier ist der Eingangsbereich zu sehen, komplett mit Imbisswagen:

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Zumindest derjenige Teil des Programms, der hier stattfand, hatte einige deutliche Parallelen z.B. zur jährlichen Explore Science der Klaus Tschira Stiftung im Luisenpark in Mannheim (vgl. auch diesen Blogbeitrag von Carolin Liefke). Es gab nämlich unter anderem Wettbewerbe für Schüler: Im Innenhof des Monuments lief den ganzen Tag der Afrobot-Wettbewerb, gesponsert von der französischen Botschaft. Dabei geht es um selbstgebaute Roboter, die, über Kabel ferngesteuert, herumfahren und mittelgroße Würfel aufnehmen oder verschieben können. alt Rechts ein Blick von oben auf das Spielfeld. Die letzten drei Tage konnten diese Roboter in Workshops selbst gebaut und verbessert werden; heute traten sie jeweils paarweise gegeneinander an.

Soweit ich mitbekommen habe, ging es dabei jeweils um eine Mischung aus Hindernisfahrt und Knobelaufgabe. Der Schiedsrichter gab eine Zielzahl vor – z.B. die 14. Die Roboterfahrer mussten dann einige oder alle von ihren sechs Würfeln so auf die vorhandenen Felder verteilen, dass sie der Zielzahl möglichst nahe kamen. Ein Würfel mit Augenzahl 5 auf dem Feld “mal 3” wäre beispielsweise 5 mal 3 gleich 15, und damit schon ziemlich gut.

In anderen Teilen des Gebäudes gab es Ausstellungsbereiche, in denen sich Universitäten, Forschungsinstitute, aber z.B. auch Wissenschaftsverlage und Lehrmittelhersteller präsentierten. Dieser Bereich war eine Mischung aus “College Fair”, wo die im losen Klassenverband durch die Ausstellung schlendernden Schüler sich über zukünftige Bildungsmöglichkeiten informieren konnten, und Wissenschaftsausstellung. Das folgende Bild beispielsweise zeigt “PULSE”, einen Roboter, der Schüler für naturwissenschaftlichen Unterricht begeistern soll:

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PULSE ist vor lauter Schülern kaum zu sehen. Der Roboter kann auf einfache Weise interagieren: “Wie heißt du?” – “Schön dich kennenzulernen, [Name]” – “Darf ich euch eine Wissenschaftsfrage stellen?” …und wenn die Wissenschaftsfrage beantwortet ist, gibt es vom Assistenten des Roboters ein kleines Geschenk. Und dann lässt sich PULSE es sich meist nicht nehmen, die versammelte Schülerschar etwas mit Wasser anzuspritzen (“Darf ich euch meinen neuesten Upgrade vorführen?”).

Auf dem Bild unten sind wir mit unserer Gruppe gerade am Stand des SKA, des großen Radioteleskops “Square Kilometer Array“, das derzeit in der Entwicklungsphase ist und ab 2016 an zwei Standorten, nämlich in Südafrika und in Australien, aufgebaut werden soll. Die Südafrikaner sind zu Recht stolz darauf, dass ein solches Großprojekt bei ihnen verwirklicht wird, und sie nutzen diesen Umstand nach Kräften, um ihre Schüler für Astronomie zu begeistern:

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Im Vordergrund sieht man den kleinen Demonstrationsempfänger, mit dem man die Radiostrahlung der Sonne auffangen und hörbar machen kann.

Dieses Ausstellungsstück hier hat übrigens mit dem Titel des diesjährigen Festivals zu tun:

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Es handelt sich um ein Modell des Bloodhound SuperSonic Car, mit dem ein britisches Team den Landgeschwindigkeitsrekord brechen will. Eine der möglichen Rennstrecken befindet sich in einer südafrikanischen Wüste. Nach dem Rekordversuch haben die Organisatoren das diesjährige SciFest Africa jedenfalls unter das Motto “Science on the Move!” gestellt.

Ich habe selbst an diesem Veranstaltungsort nur einen Bruchteil des Programms mitbekommen – in einer Vielzahl kleinerer Räume gab es Workshops zu unterschiedlichsten Themen; im Theater populärwissenschaftliche Vorträge und einen abendlichen Ausklang. Auch das “Speed dating a scientist”, bei dem Dreiergruppen von Schülern im Dreiminutentakt jeweils einen unterschiedlichen Wissenschaftler das fragen können, was sie schon immer fragen wollten, kenne ich nur von der Beschreibung im Programm.

Aber einen Workshop habe ich mir dann natürlich doch angeschaut. Das war der Raketenbauworkshop, den der Schüler Timo Fischer und sein südafrikanischer Freund Anele durchführen, unterstützt von Timos Mutter Natalie Fischer und von Troshini Naidoo vom Südafrikanischen Nationalobservatorium SAAO. Natalie ist eine Kollegin vom Haus der Astronomie, und der Workshop ist ein Angebot des EU-UNAWE-Programms, dessen deutscher Knoten bei uns sitzt; UNAWE oder “Universe Awareness” ist ein Programm, mit dem weltweit Kindern insbesondere auch in benachteiligten Gegenden Astronomie und, damit verbunden, ein Bewusstsein für ihren Platz in der Welt vermittelt werden soll.

Bei dem Workshop von Timo & Co. ging es vor allem um Wasserraketen. Im einfachsten Falle handelt es sich bei solchen Raketen um eine Flasche, in der man mit Pumpenhilfe Luftdruck aufbaut, der wiederum in der Flasche enthaltenes Wasser mit so großer Geschwindigkeit durch die Flaschenöffnung nach unten austreten lässt, dass die Rakete nach oben steigt.

Timo hat in Deutschland eine Vielzahl beeindruckender Raketen gebaut – mit Fallschirmsystemen, auch mal mit Kamera an Bord, und sogar auch zweistufige Systeme. Hier ist ein Beispielfilm, allerdings noch aus Deutschland:

Viele weitere Filme gibt es auf Timos YouTube-Kanal.

altSolche Raketen hat Timo zusammen mit seinem südafrikanischen Freund Anele und mit Unterstützung von Natalie und Troshini während seines Workshops hier auf dem SciFest mit Kindern im Grundschulalter gebaut und natürlich im Anschluss auch hinter dem Settlers Monument starten lassen – für die älteren Kinder die Wasserraketen, für die jüngeren sogenannte “Pop Rockets” aus Papier, die mit einem plötzlichen Luftstoß, erzeugt durch das Springen auf eine Plastikflasche, in die Luft geschossen werden.

Rechts ist Timo gerade dabei, mit einer Fahrradpumpe den nötigen Luftdruck in der Flasche herzustellen. Troshini schaut zu.

Ein Zug an einer Startschnur löst die Verankerung der Rakete, die dann sicher einige Dutzend Meter nach oben fliegt. Das Ergebnis ist auf dem folgenden Bild zu sehen – Timo hat dabei gerade noch die Startrampe stabilisiert, die Wassersäule der Rakete ist sichtbar, und die Rakete selbst fällt bereits wieder Richtung Erdboden zurück:alt

Natalie bloggt über ihre Südafrika-Erfahrungen übrigens auch selbst, nämlich hier.

Insgesamt ein sehr anregender, interessanter Festivaltag. Allenthalben leuchtende Augen, und vom Bauchgefühl im Durchschnitt durchaus mehr Neugier und Begeisterung für das, was geboten wird, als bei deutschem Schülerpublikum. Aber natürlich sind solche Veranstaltung nur eine Komponente, wenn es gilt, Schüler nachhaltig für Wissenschaft zu begeistern. In den folgenden Tagen werden wir noch weiter erkunden können, wie südafrikanische Schüler gerade aus benachteiligten Gebieten zur Wissenschaft kommen – oder eben nicht. Dann besuchen wir nämlich mit unserer Gruppe einige Schulen in den umliegenden Townships. [Wird fortgesetzt…]

 


Alle Artikel zur Südafrikareise:

  1. SciFest Africa!
  2. Zu Besuch in drei Township-Schulen
  3. Beobachtungsnacht mit einem 10-Meter-Teleskop
  4. Hier entsteht das größte Radioteleskop der Welt
  5. Spaziergang am Südhimmel

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

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