Marketing für Wissenschaftler?

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… aber nicht einfacher
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Als ich vor ein paar Tagen von einem entfernten Bekannten gefragt wurde, ob ich ein Zitat für den Klappentext der deutschen Version seines Buches liefern könnte, war ich erst einmal skeptisch. “Marketing for Scientists”? Ernsthaft? Als Wissenschaftskommunikator ist mir wichtig, was meine Tätigkeit an Unterschieden zu Marketing und Werbung aufweist: dass es mir in vielen Fällen um mein Fach selbst und nicht zuerst um mein Institut geht, und dass es zu meinen Aufgaben gehört, auch auf die Unsicherheiten und möglichen Schwächen und Einschränkungen dessen einzugehen, über das ich berichte. Die allermeisten Wissenschaftler, die in der Forschung tätig sind, dürften sich dem Marketing noch deutlich ferner wähnen.

Trotzdem fand ich das Buch von Marc Kuchner durchaus interessant. Sich Gedanken über die Bedürfnisse derjenigen Menschen zu machen, mit denen man interagiert – der Forschungskollegen, mit denen man zusammenarbeitet, bei denen man sich auf Stellen bewirbt, denen man seine Ergebnisse nahebringen mlöchte, die Gutachter und Administratoren auf Seiten der Geldgeber, den Politikern, die die Rahmenbedingung für Wissenschaft schaffen und nicht zuletzt der allgemeinen Öffentlichkeit – ist nun einmal auch in der Wissenschaft wichtig.

Vor diesem Hintergrund ist Marketing, gerade weil sich Wissenschaftler üblicherweise dazu kaum oder keine Gedanken machen, keine schlechte Linse, durch die man das eigene Umfeld, die eigenen Ziele und Versuche, diese zu erreichen betrachten kann. Kuchner, seines Zeichens Astrophysiker beim Goddard Space Flight Center der NASA und dort vor allem an der Erforschung von Exoplaneten und ihrer Entstehung interessiert, war durch seine Zweitkarriere als Country-Songwriter erstmals auf den Gedanken gekommen, sich mit Marketing zu beschäftigen. Er merkte dann, dass eine Reihe der Einsichten, die er dabei gewann, sich auch auf den Wissenschaftsbetrieb übertragen ließen, las Bücher, belegte entsprechende Seminare, sammelte praktische Erfahrungen und begann bald, selbst über Marketing und Wissenschaft zu schreiben – zuerst in blogartigen Beitragen auf der von ihm ins Leben gerufenen Facebook-Gruppe Marketing for Scientists und später dann eben in Buchform.

Das resultierende Buch liefert eine Vielzahl von Denkanstößen, gibt Tipps, ohne zu behaupten, es gäbe Patentrezepte, und geht nach einigen Grundlagen auf konkrete Bereiche wie Bewerbungen, Förderantrage, Konferenzen, Wissenschaft und Politik (freilich zum Teil US-spezifisch) und ähnliches ein. Ich persönlich fand mich in einigem bestätigt, fand anderes anregend neu, will jetzt auch einiges selbst ausprobieren und stehe einigen der Behauptungen eher skeptisch gegenüber. Leseempfehlung!

[Offenlegung: Das Zitat, das ich Kuchner geliefert habe, ist “Interessante Einblicke dazu, wie Wissenschaftler innerhalb und außerhalb der Wissenschaft kommunizieren und was man dabei beachten sollte – durch eine für uns sehr ungewohnte Brille, nämlich die des Marketing.” Als Dank schickt Kuchner mir zwei Softcover-Exemplare des Buches zu. Dass ich einen Blogbeitrag dazu schreibe, war meine eigene spontane Entscheidung – aber wer weiß das beim Kontakt mit einem so marketing-erfahrenen Autor schon so genau? Dass ich dazu auch die Zeit gefunden habe, verdanke ich dem Umstand, dass gerade Sommerferien sind.]

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

3 Kommentare

  1. Was soll ‘Wissenschaftskommunikation’ anderes bedeuten als dbzgl. Marketing?
    Die Wissenschaftlichkeit aus sich heraus ist keine allgemeine oder an die Allgemeinheit gerichtete Verlautbarungseinrichtung; sollten sich welche finden, die ohne direkt am berichteten Wissenschaftlichen teilhaben, derart berichten, wäre dies irgendwie zwischen gut und notwendig einzuordnen.
    Dass über dieses Marketing, ein dbzgl. Marketing muss vorliegen, auch welche dazu kommen Nahrung und Fuß zu fassen, liegt in der Natur der Sache.
    Es darf dann auch in der Tasche klingeln.

    Also einfach mal “die Sau” rauslassen, es gibt Schlechtere als Sie und auch bspw. bei der bundesdeutschen sogenannten Klimafolgenforschung liegt ein Code vor, der Nachrichten gebend meint, nicht die eigentliche Sacharbeit.

    Bspw. beim PIK gab es schon ganz besondere und an die Menge gerichtete Lyrik, wie der Schreiber dieser Zeilen findet.
    All dies könn(t)en Sie auch.

    MFG
    Dr. W

    • Naja, siehe meine Ausführungen im ersten Absatz – alles Dinge, die man mit klassischem Marketing nicht unbedingt assoziiert. Diese Unterscheidung ist wichtig; ob man sie trifft, indem man (einen Teil der) Wissenschaftskommunikation vom Marketing abgrenzt oder innerhalb des Marketings differenziert ist nachrangig. Ich meine, dass erstere Variante weniger missverständnisanfällig ist.

  2. Wissenschaft ist heute leider sehr in das Marketing eingebunden. Die sogenannte “freie” Wissemschaft gibt es kaum noch. Und das hat inzwischen sehr tiefgreifende Konsequenzen. Sogar schon bist zum “peer review” !

    Ein “peer review” macht Arbeit. Und dem entsprechend kostet es auch Geld. In Deutschland ist mir außerhalb der Hochschulen und Universitäten nur eine Stelle bekannt, die so etwas macht. Und diese Stelle ist an einen Verlag gebunden. Wenn man eine Arbeit auf einem allgemein zugänglichen Server ablegt, wird diese Arbeit für den Verlag uninteressant, und ein “peer review” dieser Arbeit wird von dem Verlag abgelehnt. Aus rein finanziellen Gründen !!! Man kann ja nichts mehr mit der Veröffentlichung dieser Arbeit verdienen ! Und da ist die Qualität dieser Arbeit selbst völlig uninteressant. Interessant wird es erst wieder, wenn man damit Geld verdienen kann (Patente). In der Grundlagenwissenschaft ist das eher selten der Fall. Oder ist es vorstellbar, daß man sich die Ermittlung der gravitativeb Rotverschiebung als “Verfahren zur Ermittlung der Rotverschiebung an Massen” patentieren läßt ! Und jeder, der die Rotverschiebung mit der entsprechenden Gleichung ausrechtet, soll dafür zahlen ! Aber in Deutschland ist ja allles möglich. Da will die GEMA ja sogar für die Lieder im Kindergarten GEMA-Gebühren haben ! Wir werden noch unsere eigene Kultur mit Geld kaputtmachen. Und unsere Wissenschaft auch !

    Ich halte es für wichtig, darauf zu achten, daß man Kultur und Wissenschaft nicht vom Geld abhängig macht.